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Markus Friedrich

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Beschreibung

Der Orden der Jesuiten, der humanistische Weltoffenheit mit strengstem Gehorsam verbindet, gibt bis heute Rätsel auf. Markus Friedrich erzählt seine wechselvolle Geschichte von der Gründung im 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Besonderes Augenmerk gilt dabei den großen kulturellen Leistungen der Jesuiten in Wissenschaft, Kultur, Mission und Politik.

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Markus Friedrich

DIE JESUITEN

Von Ignatius von Loyola bis zur Gegenwart

C.H.Beck

Zum Buch

Kein anderer Orden war so umstritten wie die 1540 gegründete Gesellschaft Jesu. Dass die Jesuiten keine Ordenstracht tragen, also äußerlich nicht erkennbar sind, nicht in Klöstern wohnen, ein weltweites Netzwerk mit mächtigen Generälen an der Spitze bilden und dem Papst unbedingten Gehorsam schwören, machte sie lange Zeit für ihre zahlreichen Gegner – von Aufklärern bis hin zu Nationalisten – zur Projektionsfläche von Verschwörungstheorien. Markus Friedrich erzählt die Geschichte der Gesellschaft Jesu von der Gründung durch Ignatius von Loyola über ihre Führungsrolle in Wissenschaft, Kultur, Mission und Politik im Zeitalter des Barock und die Zeit der Anfeindung und Aufhebung im 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Besonderes Augenmerk gilt dabei den kulturprägenden Leistungen des Ordens, denn mit ihren humanistischen Kollegien, ihrer Spiritualität und ihrer weltweiten Mission haben die Jesuiten weit über ihre Kirche hinaus die moderne Welt mitgestaltet.

Über den Autor

Markus Friedrich ist Professor für Europäische Geschichte der Frühen Neuzeit an der Universität Hamburg. 2011 wurde er mit dem Heinz-Maier-Leibnitz-Preis der DFG ausgezeichnet.

Inhalt

Karte: Niederlassungen der Jesuiten in Europa bis 1615 (Auswahl)

Karte: Die Jesuiten und andere Orden in Südamerika, 17. Jahrhundert

Einleitung

1. Von den Wüstenvätern zur Gesellschaft Jesu: Die Jesuiten, die Tradition und die Moderne

2. Ein neuer Orden etabliert sich: Ignatius von Loyola und die erste Generation (bis ca. 1580)

Ein bewegtes Leben

Die Exerzitien

Gründung und Ausgestaltung des neuen Ordens

Experimentieren

3. Vom Charisma zur Institutionalisierung: Die Jahrzehnte um 1600 unter General Acquaviva

Schulwesen: Inhalte und Organisation

Spiritualität der Weltzugewandtheit

Verweltlichung? Die Hofbeichtväter

Politische Konflikte um den Orden

Organisatorische Verdichtung und interne Kritik

4. Auf der Höhe der Zeit: Führungsrolle in Wissenschaft, Kultur und Mission (1600–​1720)

Die Mission in Übersee

Mission in Europa

Seelsorge, Medien und Künste

Fromme Literatur und jesuitische Frömmigkeit

Wissenschaft und Forschung

Ökonomie, Sozialfürsorge, Disziplinierung

5. Entfremdung vom Zeitgeist: Kritiker, Gegner, Alternativen (1650–​1750)

Die Jansenisten als Kritiker der Jesuiten

Ritenstreit und antijesuitische Zerrbilder

Innerkatholische Vielfalt und Konkurrenzen

6. Pendelschwung: Ins Abseits der Geschichte und zurück (1750–​1830)

Die Jesuiten und die Aufklärung

Verbote und Ausweisungen

Ex-Jesuiten und Neubegründung

Die Lage um 1814

7. Aufbruch: General Roothaan und die Neuausrichtung nach 1830

Die Neuentdeckung der Exerzitien

Heidenmission

Schulwesen

8. Kulturkampf: Ultramontaner Katholizismus und die Allianz mit dem Papsttum (1850–​1915)

Politische Achterbahn und Ablehnung

Antimodernismus und ultramontane Jesuiten

Schulen und theologisch-philosophische Positionierung

Eine jesuitische Moderne?

Die soziale Frage

9. Zweiter Sommer: General Ledóchowski und die Turbulenzen der Weltpolitik (1915–​1960)

Aufschwung

Alte Themen, neue Akzente

Antikommunismus

Faschismus und Nationalsozialismus

Nach dem Krieg – Höhepunkt und Umschwung

10. Ein neuer Orden für eine neue Kirche? Vom Zweiten Vatikanum bis zu Papst Franziskus

Aggiornamento – und seine Grenzen

Reformeifer und Radikalität

Kontroversen und Konflikte

Neue Moderation

Ein Jesuit wird Papst

Zeittafel

Literaturhinweise

Quellen

Literatur

Personenregister

Bildnachweis

Für Luise

Karte: Niederlassungen der Jesuiten in Europa bis 1615 (Auswahl)

Karte: Die Jesuiten und andere Orden in Südamerika, 17. Jahrhundert

Einleitung

Am 27. September 1540 erließ Papst Paul III. in Rom eine Urkunde, die wie üblich nach ihren lateinischen Anfangsworten heißt: Regimini militantis. Darin erzählte der Papst, wie zehn Männer aus vielen Regionen Europas, allesamt studiert und zu Priestern geweiht, vor einiger Zeit nach Rom gekommen waren. Sie kannten sich bereits seit Längerem und hatten gemeinsam das Wort Gottes verbreitet und sich um Bedürftige gekümmert. Um solche Projekte in Zukunft noch besser verwirklichen zu können, hatten sie nun entschieden, gemeinsam nach bestimmten Regeln leben zu wollen. Eine erste «Kurzfassung» dieser Regeln (Formula Instituti) hatten sie dem Papst übermittelt. Dieser würde, so hofften die zehn Weitgereisten, ihre Überlegungen gutheißen, in eine päpstliche Urkunde aufnehmen und ihnen damit Rechtsverbindlichkeit verleihen. Paul III. tat ihnen nach kurzer Überlegung den Gefallen und erhob damit die Gemeinschaft der zehn ersten Jesuiten zu einer päpstlich sanktionierten, offiziell begründeten Institution. Die Gesellschaft Jesu, die Societas Jesu (SJ), der Jesuitenorden war geboren.

Zweihundertdreiundvierzig Jahre später, am 21. Juli 1773, veröffentlichte ein anderer Papst, Clemens XIV., wiederum ein wichtiges Dekret, diesmal genannt Dominus ac redemptor. Damit endete die Geschichte des Jesuitenordens, denn der Papst hob ihn mit dieser Urkunde auf. Es hätten sich, so stand darin, zahllose Streitigkeiten um die Gesellschaft Jesu herum entwickelt, und zwar sowohl hinsichtlich ihrer internen Verhältnisse als auch in Bezug auf ihr Wirken in der Welt. Keines der «Heilmittel», die seine Vorgänger angewandt hatten, habe die Konflikte um die Jesuiten beseitigen können. Um die «Ruhe» innerhalb der Kirche wiederherzustellen, so Clemens, habe er sich entschlossen, den Orden aufzulösen. Es sollte keine Jesuiten mehr geben. Der Papst betonte in seinem Breve zudem, dass er damit letztlich dem Drängen mehrerer Fürsten nachgab. In Portugal, Frankreich, Spanien und Sizilien sowie Parma war die Gesellschaft Jesu nämlich durch die Herrscher bereits verboten worden. Nun zog der Papst nach.

Doch dies war nur das vorläufige Ende. Am 7. August 1814, traumatisiert durch die Revolution in Frankreich und gezeichnet von zweieinhalb Jahrzehnten Krieg in Europa durch Napoleon Bonaparte, verkündete Pius VII. die Bulle Sollicitudo omnium ecclesiarum. Wie der Papst berichtete, hatte ein kleines Häufchen von Jesuiten im fernen Russland das Ordensleben fortgeführt. Schon 1801 hatte er die russischen Jesuiten in ihrer Existenz bestätigt. Auch der ehemalige Jesuitenvernichter, der Herzog von Parma, war inzwischen reumütig geworden und hatte seit 1794 de facto die Wiederaufrichtung des Ordens in seinen Territorien erlaubt. Nun, nach den «jüngsten Schwierigkeiten und Konfrontationen» der letzten Jahre, nach den Umbrüchen durch Revolution und Krieg, schien es der römischen Kurie geboten, die einst verschmähten Jesuiten neu zu begründen. Die Gesellschaft Jesu war wiederauferstanden.

Noch einmal fast zweihundert Jahre später, am 13. März 2013, wurde der Argentinier Jorge Mario Bergoglio in Rom zum Papst gewählt. Er ist der erste Jesuit in diesem Amt. Bergoglio nahm den Namen Franziskus an. Nach einem jahrhundertelangen Auf und Ab, so scheint es, hat die Gesellschaft Jesu damit endgültig ihre Verankerung im Zentrum des römischen Katholizismus erreicht.

Das vorliegende Buch fasst die Geschichte des Jesuitenordens über fast fünfhundert Jahre hinweg zusammen. Es behandelt seine Leistungen genauso wie die Schwächen, über die die Ordensmänner mehr als einmal gestolpert sind. Glanz und Elend liegen in dieser Geschichte oft sehr nahe beieinander, und es wäre unredlich, den Orden entweder unkritisch zu verklären oder pauschal zu verteufeln. Genau das freilich passiert nach wie vor zu oft. Schon eine kurze Suche im Internet führt eher zu wirren Verschwörungstheorien oder hagiographischer Lobhudelei als zu verlässlichen Informationen. Von solcher Polemik wie Apologetik grenzt sich dieses Buch als nüchterne Übersicht ausdrücklich ab.

1. Von den Wüstenvätern zur Gesellschaft Jesu: Die Jesuiten, die Tradition und die Moderne

Die Jesuiten kamen nicht aus dem Nichts. Ihre Gründung war kein vollständiger Neuanfang, auch wenn es angesichts ihrer aufsehenerregenden Leistungen so scheint, als sei damit in der Christentumsgeschichte ein neues Kapitel aufgeschlagen worden. Orden hat es im Christentum schon lange vor 1540 gegeben. Wegweisend waren die «Wüstenväter» in Ägypten seit dem 4. Jahrhundert gewesen. Entweder alleine in Einsamkeit oder aber gemeinsam in streng hierarchisch strukturierten Gemeinschaften («Klöstern») lebten damals die ersten Mönche im Tal des Nils. Sie widmeten sich im Rückzug vom normalen Alltagsleben und in Überbietung «gewöhnlicher» Frömmigkeitsformen allein dem Leben für Gott. Von Ägypten breitete sich die Tradition bald nach Gallien und Italien aus, wo im 6. Jahrhundert (angeblich) ein Mann namens Benedikt die nach ihm benannten Benediktiner gründete. Ob es sich bei diesen frühmittelalterlichen Lebensformen schon um «Orden» handelte, kann freilich bezweifelt werden – die klassischen Benediktinerklöster waren jeweils für sich autonom und nur ganz schwach miteinander vernetzt. Erst die Reformen des Benediktinertums seit dem 10. Jahrhundert – verbunden mit den Namen von Cluny (Cluniazenser) und Cîteaux (Zisterzienser) – führten zu einer stärkeren Integration von einzelnen Klöstern und Mönchen in eine übergreifende Gemeinschaft. Erst jetzt lässt sich eigentlich von «Orden» im Sinne überregional organisierter Institutionen sprechen.

Auf das Benediktinertum des frühen und hohen Mittelalters folgten als nächste Stufe der Ordensgeschichte im Spätmittelalter die sogenannten Bettelorden oder Mendikanten (von lat. mendicare, betteln). Die wichtigsten dieser neuartigen Gemeinschaften waren die Franziskaner und Dominikaner. Sie teilten manche Eigenschaften mit den älteren Orden, und doch folgten sie einem neuen Zeitgeist. Hatte das klassische Mönchtum vor allem die Abwendung von der Welt praktiziert, so wollten die Mendikanten nun gerade in der Welt tätig sein und diese verbessern. Franziskaner und Dominikaner suchten eine Heimat in den damals entstehenden Städten, während Benediktiner die ländliche Abgeschiedenheit bevorzugt hatten. Als deutliche Mahnung an eine zunehmend geschäftige Welt forderten und lebten vor allem die Franziskaner radikale Armut. Auch zuvor hatte immer schon gegolten, dass jeder einzelne Ordensmann besitzlos zu sein habe. Nicht von ungefähr gelobt jeder Mönch beim Eintritt in das Ordensleben nicht nur Keuschheit und Gehorsam, sondern eben auch ewige Armut. Neu war jedoch nun, dass nicht nur die einzelnen Mönche, sondern auch die Klöster der Franziskaner arm sein sollten. Der Orden als Ganzes sollte im Prinzip vom Betteln leben, daher der Name.