Die Jugendlichen und ihr Verhältnis zu Glaube, Religion und Sinnsuche - Carsten Gennerich - E-Book

Die Jugendlichen und ihr Verhältnis zu Glaube, Religion und Sinnsuche E-Book

Carsten Gennerich

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Beschreibung

Das Jugendalter weist eine besondere Disposition für Fragen des Glaubens, der Religion und des Lebenssinns auf. Um die Bedeutung von Glaube, Religion und Sinnsuche der Jugendlichen für den pädagogischen Diskurs zu erschließen, klärt der Band zentrale Begriffe und behandelt das Verhältnis von Religion und Werten, religiöse Entwicklung und die Bedeutung von Religion für die Emotionsregulation. Außerdem werden die religiösen Einstellungen Jugendlicher - abhängig vom Lebensalter, in einem historischen Rückblick im Vergleich zu heute sowie im internationalen Vergleich - aufbereitet. Mit einem besonderen Gewinn für die Förderung Jugendlicher beschreibt der Band die Sinnkonstruktionen der Jugendlichen anhand von vier Lebensstiltypen, die sich in ihrer Akzeptanz religiöser Semantiken wie auch in der Komplexität ihres Weltzugangs unterscheiden.

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Inhalt

Cover

Titelei

1 Einleitung

2 Theorieperspektiven

2.1 Begriffsklärungen

2.1.1 Religion

2.1.2 Glaube

2.1.3 Sinnsuche

2.2 Theorieansätze

2.2.1 Religion und Werte

2.2.2 Religion und Entwicklung

2.2.3 Religion und Emotionen

3 Allgemeine empirische Befunde, Entwicklungen im Jugendalter und gesellschaftlich-kulturelle Veränderungen

3.1 Einstellungen zu Glaube, Religion und Sinnsuche im Jugendalter

3.2 Veränderungen der Religiosität, des Glaubens und der Werte im Jugendalter

3.3 Werte und Religiosität deutscher Jugendlicher im internationalen Vergleich

3.4 Werte und Religiosität Jugendlicher im Vergleich der Jahrzehnte (1953 – 2019)

4 Adoleszente Lebensstile und ihre Sinnkonstruktionen

4.1 Die vier adoleszenten Lebensstile im Überblick

4.1.1 Spirituelle Suche jenseits organisierter Religion (»Humanist*innen«)

4.1.2 Traditionelle, organisierte Religion (»Integrierte«)

4.1.3 Religion mit starker Abgrenzung nach außen und hoher sozialer Kontrolle (»Statussuchende«)

4.1.4 Säkulare Selbst-Attribution in Abgrenzung zur Religion (»Autonome«)

4.2 Lebensstile und ihre Zugänge zu Religion, Glaube und Sinnsuche im Spiegel repräsentativer Studien

5 Pädagogische Aufgaben und Optionen für Entwicklungsimpulse

5.1 Sensibilisierung für funktionale und dysfunktionale Aspekte von Lebensdeutungen

5.2 Inhaltliche Optionen der Sinnkonstruktion und anschließbare Bildungsperspektiven

5.3 Schluss

Literatur

Das Jugendalter

Herausgegeben von Rolf Göppel

Eine Übersicht aller lieferbaren und im Buchhandel angekündigten Bände der Reihe finden Sie unter:

https://shop.kohlhammer.de/das-jugendalter

Der Autor

Dr. Carsten Gennerich ist Professor für Evangelische Religionspädagogik an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg. Seine Forschungsschwerpunkte sind empirische Religionspädagogik, Werte- und Lebensstilforschung sowie Jugend und Religion.

Carsten Gennerich

Die Jugendlichen und ihr Verhältnis zu Glaube, Religion und Sinnsuche

Verlag W. Kohlhammer

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1. Auflage 2023

Alle Rechte vorbehalten© W. Kohlhammer GmbH, StuttgartGesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:ISBN 978-3-17-030228-0

E-Book-Formate:pdf:ISBN 978-3-17-030229-7epub:ISBN 978-3-17-030330-0

1 Einleitung

In vielfältiger Weise lassen sich in unserer Gesellschaft Prozesse der Säkularisierung erfahren. Viele religiöse Praxen werden in den Familien nicht mehr tradiert und religiöse Vorstellungen gelten mitunter als beliebig. Religion scheint in der Gesellschaft an Bedeutung zu verlieren. Gleichwohl sind Glaube, Religion und Sinnsuche im Kontext der Identitätsentwicklung von bleibender Relevanz. Denn mit der Entwicklung der Fähigkeit zum abstrakten Denken können und müssen Jugendliche auf neue Weise ihr eigenes Selbst reflektieren. Es werden globale, abstrakte Kategorien auf das eigene Selbst angewendet und die Fähigkeit zur Perspektivenübernahme fordert heraus, die Sichtweise der anderen über die eigene Person zu bedenken, sodass die Frage der Selbstbewertung für Jugendliche thematisch wird (Gennerich, 2010a, S. 66). Jugendliche entdecken, dass das, was früher verbindlich erschien, doch auch anders sein könnte (hypothetisches Denken, Übernahme der Perspektive anderer Gruppen), sodass Institutionen und Traditionen in Frage gestellt und auf ihre Belastbarkeit hin geprüft werden (Gennerich, 2010a, S. 130). Mit der Fähigkeit zur Perspektivenübernahme werden auch die Urteilsperspektiven anderer rezipiert, sodass sich die Frage der Anerkennung der eigenen Person stellt (Gennerich, 2010a, S. 175). Jugendliche müssen sodann langfristige Ziele fokussieren (Partnerschaft, Familie, Beruf), sodass das Bedürfnis danach steigt, dass sich langfristige Investitionen (z. B. in Bildung) auch auszahlen. Damit wird die Frage der Gerechtigkeit in der Welt für Jugendliche besonders relevant (Gennerich, 2010a, S. 218). Mit der Fähigkeit zum abstrakten und hypothetischen Denken können Ziele und Hoffnungen für die Zukunft formuliert und zugleich Konflikte mit der Realität prägnant wahrgenommen werden, sodass sich die Aufgabe stellt, positive Zukunftsperspektiven in Auseinandersetzung mit den vorfindlichen Möglichkeiten zu konstruieren (Gennerich, 2010a, S. 265). Schließlich ist das Jugendalter durch eine Erweiterung der sozialen Rollen geprägt, sodass für neue Lebenswelten ethische Orientierungen ausdifferenziert werden müssen (Gennerich, 2010a, S. 349). Mit all diesen Fragen und Aufgaben wird die Sinnkonstruktion Jugendlicher herausgefordert. Die religiöse Tradition stellt dafür vielfältige Ressourcen für eine entwicklungsförderliche Bearbeitung bereit, sie kann aber auch z. B. gesellschaftliche Partizipationsperspektiven blockieren (vgl. Gennerich, 2010a). Es ist daher kaum verwunderlich, dass die Religiosität Jugendlicher mit ihrem Wohlbefinden und ihrer Fähigkeit zum Dialog mit fremden Personen und Kulturen in Beziehung steht (Streib & Gennerich, 2011, S. 131 – 142 u. 165 – 178).

Das Verhältnis Jugendlicher zu Glaube, Religion und Sinnsuche ist entsprechend komplex und das Forschungsfeld unübersichtlich. Denn individuelle Entwicklungsfaktoren und gesellschaftliche Veränderungen, die den deutschsprachigen Raum betreffen, haben einen signifikanten Einfluss darauf, in welcher Weise Jugendliche ihre Sinnfragen mit Rückgriff auf religiöse Traditionselemente bearbeiten. Insbesondere die gesellschaftliche Pluralisierung steigert das Bewusstsein für die Kontingenz religiöser Traditionen, sodass sich Jugendliche individuell zu religiösen Ideen und Praktiken positionieren (müssen). Gleichzeitig wächst das Bewusstsein für die Relevanz des religiösen Feldes angesichts zunehmender interreligiöser Begegnungen in Schule, Beruf und Freizeit. Vor diesem Hintergrund gibt dieses Buch einen wissenschaftlichen Überblick über das Thema Jugend und Religion unter besonderer Beachtung individuell unterschiedlicher Zugänge.

Um dem Anliegen eines Forschungsüberblicks gerecht zu werden, bietet dieses Buch in Kapitel 2 einen theoretischen Rahmen, mit dem das Feld systematisch erfasst werden kann. In diesen Rahmen werden klassische Diskurse des Feldes »Jugend und Religion« integriert: das Verhältnis von Religion und Werten, die Frage religiöser Entwicklung sowie die Bedeutung von Religion und Glaube für die emotionale Selbst-Regulation.

In Kapitel 3 werden zentrale deskriptive Befunde der Religiositätsforschung vorgestellt. Dabei werden die Befunde in einen internationalen Vergleich gestellt und Ergebnisse aus verschiedenen Jahrzehnten repräsentativer Jugendforschung in Deutschland verglichen. So wird der spezifische Zugang gegenwärtiger Jugendlicher in Deutschland zum Themenfeld der Religion profiliert erkennbar.

In Kapitel 4 wird die Bandbreite typischer Selbstverhältnisse zu religiösen Themen dargestellt. Dabei wird besonderes Augenmerk auf Chancen und Gefährdungen der jeweiligen Lebensdeutungen und Sinnkonstruktionen gelegt. In Kapitel 4.1 werden in Bezug auf das religiöse Feld vier Lebensstilgruppen unterschieden. Anhand verschiedener Studien zum Themenfeld »Glaube, Religion und Sinnsuche« werden dann in Kapitel 4.2 die unterschiedlichen Sinnkonstruktionen der Lebensstilgruppen vertiefend herausgearbeitet. Dabei geht es um Unterschiede in der Positionierung Jugendlicher zu Fragen wie »Was ist überhaupt eine religiöse Frage?«, »Im Gespräch mit wem und mit welchen Medien wird Sinn konstruiert?«, »Welches Gottesbild und welche Sinnannahmen werden präferiert?«, »Welche Haltungen werden zur religiösen Vielfalt in Deutschland eingenommen?« oder »Wie stehen die Jugendlichen zum Glauben und zur Partizipation in religiösen Organisationen?«.

In Kapitel 5 werden abschließend pädagogische Perspektiven diskutiert. Unterschiedliche Möglichkeiten der pädagogischen Intervention stehen hier im Fokus. Darüber hinaus werden zum Schluss die gewonnenen Einsichten noch einmal gebündelt zusammengefasst.

2 Theorieperspektiven

2.1 Begriffsklärungen

Die drei Begriffe »Glaube, Religion und Sinnsuche« im Titel dieses Buches lassen sich fachwissenschaftlich kaum voneinander differenzieren. Sie beschreiben unterschiedliche Facetten desselben komplexen Phänomens. In einer ersten vorläufigen Annäherung kann die folgende Differenzierung vorgenommen werden: Religion lässt sich als fortlaufende Sinnkonstruktion unter Rückgriff auf einen Möglichkeitsraum verstehen, den religiöse Traditionen bereitstellen. Der Akt der situativ-reflexiven Aneignung bzw. Anwendung religiöser Traditionselemente kann als Glaube verstanden werden. Der Begriff der Sinnsuche ist offener, da er sich auf unterschiedliche Sinnhorizonte beziehen kann. In diesem Band geht es um die Sinnsuche mit Rückgriff auf einen letzten Horizont.

2.1.1 Religion

Wir beginnen mit einer Klärung des Religionsbegriffs, weil er in der empirischen Forschung etabliert und weitestgehend geklärt ist. Die empirischen Diskurse zum Glaubensbegriff und zum Begriff der Sinnsuche können dann im Kontext des Religionsbegriffs gut verortet werden.

Wie kann Religion angemessen definiert werden? Mit Rückgriff auf die Darstellungen von Feige und Gennerich (2008, S. 17 – 20) und Streib und Gennerich (2011, S. 13 – 17) empfiehlt sich eine diskursive Begriffsbestimmung von Religion. Diese lässt sich wie folgt begründen: Wenn Religion lediglich über Traditionsbestände definiert wird, dann bleibt der Rezeptionshorizont der Subjekte außen vor. Nimmt man die Funktionen von Religion für die Subjekte als Maßstab, dann werden mitunter die Bezugsinhalte der Funktionen beliebig. Daher empfiehlt es sich, Religion diskursiv zu bestimmen. Dabei tritt der Anwendungsprozess kulturell vermittelter Deutungsmuster in den Fokus der begrifflichen Erfassung, sodass auch individuelle Formen religiöser Zugangsweisen gewürdigt werden können. Eine solche Definition erscheint besonders geeignet für die Interpretation der gegenwärtigen Jugendkultur. In diesem Sinne beschreibt Matthes (1992) Religion als ein interpretatives Phänomen und geht davon aus, dass spezifische Erfahrungen mit Rückgriff auf eine vorhandene »kulturelle Programmatik« in der Selbstreflexion des Subjekts als religiös begriffen und symbolisiert werden. Als »kulturelle Programmatiken« können insbesondere Vorstellungen aus den Traditionen der großen Weltreligionen dienen. Solche Traditionen stellen im gesellschaftlichen Diskurs Deutungsmöglichkeiten bereit. Jedoch erst in der situativen Anwendung einer gewählten Deutung auf eine Erfahrung realisiert sich »gelebte Religion«. Die Bestimmung von Religion als ein diskursives Phänomen legt damit Religion nicht substanziell fest, sondern öffnet Religion als einen Möglichkeitsraum, wobei aus der Programmatik der Tradition kontextuell immer neue Ableitungen und Interpretationen generiert werden können, sodass Religion nicht auf konventionelle Sprachmuster festgelegt werden kann. Der Programmatikbegriff beinhaltet also, dass der Bestand an religiösen Interpretationen inhaltlich nicht abschließend festgelegt ist. Vielmehr kann das Subjekt prinzipiell in einem kreativ-produktiven Prozess neue religiöse Deutungsoptionen entwerfen und sich aneignen. Eine »Neuerfindung des Religiösen als Rekomposition ihrer Elemente« (Knoblauch 2009, S. 26) ist denkbar. Damit erkennt ein solcher Ansatz auch die vorfindliche Praxis der Subjektive in ihrer Eigenständigkeit an (vgl. Streib & Gennerich, 2011, S. 14).

2.1.2 Glaube

Im Rahmen der empirischen Forschung hat die Glaubensdefinition von Paul Tillich eine besondere Überzeugungskraft (Fowler, 1991, S. 26 – 27; Streib & Gennerich, 2011, S. 15 – 16). Tillich (1966, S. 155) definiert Glaube zunächst formal, d. h. unabhängig von den Inhalten, die Gegenstand des Glaubens werden können, wie folgt:

»Glaube ist der Zustand des Ergriffenseins durch das, worauf sich die Selbst-Transzendierung richtet: das Unbedingte in Sein und Sinn. Auf eine kurze Formel gebracht, kann man sagen: Glaube ist das Ergriffensein durch das, was uns unbedingt angeht«.

Der Begriff des Unbedingten kennzeichnet dabei den Inhalt des Glaubens als einen solchen, der gegenüber anderen Wertsetzungen oder emotionalen Erfahrungen einen letztgültigen Status hat, sodass die Person durch das Unbedingte als Ganzes bestimmt wird. Der Begriff des Unbedingten kennzeichnet also die besondere Bedeutsamkeit spezifisch religiöser Erfahrungen. Im Kontext einer Vielfalt von Erfahrungen der Transzendierung des Selbst im Alltag gibt es solche, die uns ganz besonders stark angehen, die lebensbestimmend und identitätsbildend werden. Mit Rückgriff auf den Matthes'schen Religionsbegriff (vgl. Matthes, 1992) kann der Sachverhalt präzisiert werden: Indem Erfahrungen in religiösen Interpretationsprozessen mit letzten Begründungen versehen und in das Sinnsystem einer religiösen Programmatik eingebettet werden, können sie zu unbedingten Verpflichtungen oder ganzheitlichen Sinnerlebnissen werden. Zugleich wird bei Tillichs Definition der Horizont geöffnet für prinzipiell alle Anliegen des Menschen, die das Potenzial haben, zum Unbedingten zu werden, inklusive rein weltlich-immanenter Anliegen wie z. B. Humanität, Frieden, Bewahrung der Artenvielfalt und Begrenzung des Klimawandels. Entscheidend ist also, dass im formalen Sinn jeder Mensch glaubt. Fraglich oder diskutierbar ist nach Tillich lediglich, welchen Wert die konkreten Inhalte des Glaubens haben, wenn man sie kritisch reflektiert (Tillich, 1958, S. 22; 1966, S. 307 – 314).

Für ein kulturunabhängiges Glaubensverständnis ist eine solche Definition weiterführend, denn sozialwissenschaftliche Theorien streben Allgemeingültigkeit an. James Fowler bewegt sich daher für seine sozialwissenschaftliche Theorie der Glaubensentwicklung auf der gleichen Linie. Er versteht Glaube als

»die Art und Weise eines Menschen oder einer Gruppe, in das Kräftefeld des Lebens einzutreten. Er ist unser Weg, den vielfältigen Kräften und Beziehungen, die unser Leben ausmachen, einen Zusammenhang und einen Sinn zu geben. Der Glaube ist die Weise, in der ein Mensch sich selbst in Beziehung zu anderen sieht, auf dem Hintergrund eines gemeinsam anerkannten Sinns und gemeinsamer Ziele« (Fowler, 1991, S. 26).

Mit Rückgriff auf Arbeiten von Wilfred Cantwell Smith grenzt Fowler den Glaubensbegriff vom Religionsbegriff derart ab, dass Glaube sich auf die persönliche Verwirklichung von religiösen Traditionen im Leben bezieht, wohingegen unter Religion verobjektivierbare Traditionsbestände verstanden werden (S. 31). Glaube versteht Smith dabei sowohl prozessual wie reflexiv, wenn er ihn in den Worten Fowlers definiert als »grundlegendste Kategorie bei der Suche des Menschen nach einer Beziehung zur Transzendenz« (S. 35). Im Kern lehnt daher auch Fowler ein substanzielles Religionsverständnis ab und plädiert für ein Glaubensverständnis, das sich weitgehend mit dem diskursiven Religionsverständnis von Matthes deckt.

2.1.3 Sinnsuche

Der Diskurs zum Sinnbegriff leistet ebenfalls einen wichtigen Beitrag in unserem Zusammenhang, indem er näher klärt, was das spezifische Merkmal religiöser Erfahrungen ist. Denn von ihrer Struktur her unterscheiden sich religiöse Deutungen nicht von anderen Deutungen des Alltags. Knapp kann definiert werden: Religiöse Lebensdeutungen zeichnen sich dadurch aus, dass sie Erfahrungen auf der Ebene eines letzten Horizonts interpretieren (Barth, 1996). Diese Näherbestimmung des Religiösen geht auf die Wissenssoziologie zurück. So bleibt nach Thomas Luckmann (1991), der in der sozialphänomenologischen Tradition von Alfred Schütz steht (vgl. Schütz & Luckmann, 1984), jede Erfahrung ohne Deutung auf ihre unmittelbare Gegenwart beschränkt und ist somit sinnlos (S. 81). Erst in der rückblickenden Deutung der Erfahrung wird die Unmittelbarkeit der Gegenwartserfahrung transzendiert. Luckmann spricht hier von Transzendenzerfahrungen, die er nach der Reichweite ihres Horizonts in kleine, mittlere und große Transzendenzen klassifiziert (S. 166 – 171). Religion gehört primär zu den großen Transzendenzen, weil sie die Erfahrung in eine Beziehung zum nicht gegenständlich greifbaren Sinnganzen stellt. Jedoch sind nicht alle Erfahrungen großer Transzendenzen religiös. Große Transzendenzen werden religiös, wenn sie in der Sprache religiöser Symbole und Erzählungen gedeutet und kommuniziert werden.

Nun stellt sich jedoch die Frage, nach welchen Kriterien Menschen ihre Sinnhorizonte wählen und deren Deutungsinhalte unterscheiden. Verschiedene Theorien zur Selbst- und Weltinterpretation gehen in dieser Frage davon aus, dass Sinndeutungen der Identitätskonstruktion dienen (Weick, 1995, S. 20). Drei zentrale Bedürfnisse seien dabei leitend (Erez & Earley, 1993; Spilka et al, 1985; Taylor, 1983):

1.

Das Streben nach Kontinuität, sodass Ziele und Anliegen auch in wechselnden Lebenssituationen Bestand haben können.

2.

Das Bedürfnis nach Kontrolle über das eigene Leben, sodass auch unter Bedingungen eines objektiven Kontrollverlusts ein Sinn für Autonomie gewahrt werden kann.

3.

Schließlich das Streben von Menschen nach Selbstwert oder der Aufrechterhaltung eines affektiv positiven Erlebens.

Diese Kriterien implizieren, dass es Menschen bei ihrer Selbst- und Weltinterpretation nicht einzig und in erster Linie um Akkuratheit geht, sondern um eine Stimmigkeit, die ihren Bedürfnissen Rechnung trägt. Jedoch können unvorhergesehene Umweltveränderungen auch dazu führen, dass bisherige Interpretationen nicht mehr angemessen sind und Neuinterpretationen notwendig werden. Jugendliche können dabei auf unterschiedliche Verfahrens- und Inhaltsmuster zurückgreifen. Dazu zählen neben religiösen Traditionen auch Weltanschauungen und Ideologien, wissenschaftliche Erklärungsmuster und erfahrungsstrukturierende Narrationen. Sofern die Bemühungen Jugendlicher dabei auf einen »letzten« Horizont zugreifen, können die Deutungen als religiöse begriffen werden (Barth, 1996; Luckmann, 1991). Das bedeutet, dass Deutungsfiguren der religiösen Tradition zwar nicht der alleinige Inhalts- und Deutungsmusterlieferant zur Erfahrungsinterpretation sind. Sie gehören jedoch zu den wichtigsten, wenn es um solche Grenzerfahrungen geht, bei denen auf der Basis eines »endlichen« Horizonts keine Interpretationen gefunden werden können, die den drei genannten Kriterien hinreichend gerecht werden. Es gibt daher eine gewisse kognitive Neigung, Erfahrungen in einen möglichst weiten Horizont zu stellen (Clayton, 1992, S. 131 u. 141; Vallacher & Wegner, 1987).

Allerdings sind Deutungskompetenzen auf der Ebene weiter und letzter Horizonte keine Selbstverständlichkeit. So zeigen empirische Studien einerseits, dass Deutungen auf umfassenderen Sinnhorizonten von Jugendlichen erst in förderlichen organisationalen Kontexten in Auseinandersetzung mit ihrer Umwelt erworben werden (Hofer 1999; Krettenauer 2006; Yates & Youniss 1996). Und auf der anderen Seite gibt es Belege, dass umfassendere Sinnhorizonte vermieden werden, wenn sie mit affektiv negativ erfahrenen Selbsteinsichten verbunden sind (Baumeister, 1990; Streib & Gennerich, 2011, S. 131 – 142). Das heißt, es gibt offenkundig Erfahrungen verfehlter Standards, die nicht bewältigt werden können, wenn auf höheren Sinnebenen keine religiösen Deutungsmuster wie etwa die »unbedingte Liebe Gottes zum Sünder« zur Verfügung stehen (vgl. dazu Gennerich, 2017a). Es stellt sich die Frage nach möglichen Quellen für umfassendere Sinndeutungen auf der Ebene des Letzthorizonts.

Weick (1995, S. 111 – 131) unterscheidet verschiedene Vokabularien, die für Sinnkonstruktionen allgemein in Organisationen genutzt werden können. Für den Bereich Religion dürften (a) Tradition, (b) Geschichten und (c) Theologien besonders relevant sein.

(a) Tradition kann mit Shils (1981) verstanden werden als etwas, das durch menschliches Handeln, Denken und menschliche Imagination geschaffen wurde und von einer Generation auf die nächste weitergegeben wird (S. 12). Tradition hat damit etwas Stabiles und Stetiges (S. 179) und kommt insofern dem menschlichen Bedürfnis nach Sinn entgegen, der nach Stetigkeit verlangt. Auch nach Wegenast (2002, S. 725) hat Tradition in dieser Linie ihre Funktion darin, dass sie den fragenden Menschen hilft, sich »Inhalte reflexiv anzueignen oder auch kritisch abzuweisen und so zum wirklichen Subjekt seiner Lebensgeschichte zu werden«. Dabei dient Tradition der Entschlüsselung und dem Neuverständnis der gegenwärtigen Wirklichkeit. Erst wenn diese Funktion erfüll sei, geschehe Tradition (S. 725). In diesem Sinne ist Tradition ein sinnerschließender Prozess.

Prozesse der Enttraditionalisierung in der Gesellschaft erfordern jedoch speziell bezogen auf das Jugendalter einige Präzisierungen. Nach Baumeister und Muraven (1996) ist die moderne Gesellschaft geprägt von einem Anwachsen von Entscheidungsoptionen. Das Jugendalter wird entsprechend als Krise der Unsicherheit und der Schwierigkeit, Entscheidungen zu treffen, erfahren. Solche zu treffen, ist jedoch mit einem Dilemma behaftet. Denn vor allem die religiöse Tradition hat relativ zu früheren Gesellschaften an Kraft zur Bereitstellung von Werten und Zielen eingebüßt, sodass es den Individuen an Begründungen mangelt, um ihre Entscheidungen zu steuern und abzusichern. In der Folge fülle das Selbst als neue moralische Größe diese Lücke. Dabei entstehen jedoch neue Probleme, weil das Selbst endlich ist und weil die moderne Gesellschaft das Bedürfnis nach Einzigartigkeit kaum befriedigen kann (Massenmedien und Werbung bewirken ein Ähnlicherwerden der Menschen, mehr Kontakt mit fremden Personen bewirkt eine weniger individuelle Wahrnehmung von Personen). Individuen, die stärker von Tradition geprägt sind, erfahren also die beschriebene Problematik weniger stark. Gabriel (1991, S. 83 – 84) verweist des Weiteren darauf, dass in der »enttraditionalisierten« Gegenwartsgesellschaft ein Mangel an Tradition vorliege, der sich auf drei Ebenen als Problematik spiegele: (a) Weniger Tradition bedeute zwar ein Zugewinn an Optionen, jedoch zugleich ein Mangel an Orientierung und Bindung für den Einzelnen. (b) Es stehe kein gesellschaftsweit geteiltes Sinnsystem zur Verfügung, sodass der Sinn des »Ganzen« verloren gehe. (c) Es fehle an »Interdependenzunterbrechern zwischen funktional ausdifferenzierten Teilsystemen« der Gesellschaft (S. 84). Das heißt z. B., der Nutzen einer Flexibilisierung der Arbeitszeit werde nicht »gegengerechnet« in Beziehung auf die sozialen Kosten der Entwicklung.

Englert (2008, S. 88 – 89) beschreibt die religionspädagogische Seite dieser Problematik: Die Tradition stelle Beziehungszusammenhänge her, die sich nur erschließen, wenn man gelernt hat, Zeitabstände durch intellektuelle Arbeit zu überbrücken. Das erfordere, sich intensiv mit den Zeugnissen der Tradition zu beschäftigen (z. B. der Bibel in der christlichen Tradition). Der hohe Aufwand, um hier Erfolge zu erfahren, sei jedoch in der Gegenwartsgesellschaft nicht mehr selbstverständlich. Vielmehr wenden sich die Subjekte dem zu, was schnell als plausibel erfahren werden kann. Ohne den Aufwand, dass sich das Individuum die Tradition erschließt, könne die Tradition dieses aber auch nicht aus der eigenen Enge herausführen (S. 105). Wie man den damit angesprochen Traditionsverlust auch bewerten mag, in den berichteten Befunden dieses Buches wird sich dieser Sachverhalt in einer beträchtlichen Bandbreite sehr unterschiedlich ausgeprägter Aneignungen religiöser Traditionen bei Jugendlichen spiegeln.

(b) Geschichten sind im Kontext von Religion in der Regel ein Element der religiösen Tradition. Sie sind für die religiöse Sinnkonstruktion in mehrfacher Hinsicht relevant (vgl. Gennerich, 2012). Nach Walter Neidhart (1975) ermöglichen religiöse Geschichten, Rollen in der Beziehung zu Gott zu explorieren. Sie stiften damit Orientierung über eine Vielfalt an möglichen religiösen Erfahrungen. Morgenthaler (1999) sieht darüber hinaus ein Potenzial religiöser Geschichten darin, dass sie ermöglichen, jenseits von Konventionen der Selbstdarstellung und des Unerzählbaren in der Gesellschaft emotional belastende Erfahrungen zu erzählen, weil z. B. biblische Geschichten auch Erfahrungen von Schuld, Scham, Neid und Trauer erzählen sowie den Unterdrückten eine Stimme verleihen (z. B. Exodus). In diesem Sinne bieten religiöse Geschichten ein sinnstiftendes Zuhause für marginalisierte Erfahrungen.

Dieses Potenzial beginnen Geschichten insbesondere mit dem Jugendalter zu entfalten. Entsprechend berichten in ihrem Überblicksartikel Habermas und Bluck (2000, S. 759) von der sich erst allmählich entwickelnden Fähigkeit, eine Geschichte auf der Grundlage ihrer Moral zu evaluieren. So benutzten erst 20 % der 13-Jährigen die Moral einer Geschichte zur Begründung des Gefallens (9-Jährige tun dies überhaupt nicht), aber 80 % aller 17-Jährigen. Jugendliche dürften damit zunehmend die Kompetenz entwickeln, Geschichten zur Sinnkonstruktion heranzuziehen. Das oben benannte Bedürfnis nach Kontinuität über Ziele und Standards im Rahmen der Identitätskonstruktion wird damit zunehmend bedient.

Auch bezogen auf das Identitätsbedürfnis nach Selbstwert kann argumentiert werden (vgl. Sundén, 1966): Über den Prozess der Imagination biblischer Szenarien, worin das eigene Ich mit biblischen Personen identifiziert wird, können Gefühle wie Scham, Dankbarkeit und Verehrung gegenüber Gott aktiviert werden. Gleichzeitig kann über die imaginative Begegnung mit den heiligen Figuren ein religiöses Selbstverständnis realisiert werden. Eine solche religiöse Identität kann Dezentrierungsprozesse unterstützen (im Sinne einer Selbstdefinition über »Gott« und nicht über persönliche Statusmerkmale wie Schönheit, Leistung und Freundschaften; Gennerich, 2010a, S. 132 – 133, 400). Dabei wird das Selbstwertgefühl im Sinne Morgenthalers von gängigen sozialen und gesellschaftlichen Kontexten unabhängig (vgl. Crocker & Wolfe, 2001). Anders als etwa in Leistungskontexten ist »Gott« als Gegenüber der Selbstdefinition zuverlässig und besitzt gemäß der Bindungstheorie alle Eigenschaften einer natürlichen sicheren Bindungsfigur (Kirkpatrick, 1999) und kann so ein positives und stabiles Selbstwertgefühl begründen.

Auch das dritte Bedürfnis nach Kontrolle bzw. Kohärenz wird durch Geschichten bedient: Eine Geschichte ermöglicht, über einen geeigneten Plot diskordante Ereignisse in eine sozial akzeptierbare bzw. möglichkeitseröffnende Einheit zu bringen (vgl. Streib, 1994), sodass ein Gewinn an Kontrolle und Kohärenz erfahren wird.

(c) Theologie kann mit Pieper (1970, S. 75) als die Übersetzung der Tradition in die »Begrifflichkeit des geschichtlichen Augenblicks« hinein verstanden werden. Denn die Tradition erschließt sich den Subjekten nicht von alleine, sondern erst, wenn die Tradition hinreichend in die Situation des Subjekts hineinübersetzt ist. Erst dann kann sich dieses die Tradition aneignen bzw. an ihr teilhaben. Finde eine solche aktualisierende Übersetzungsarbeit der Theologie nicht mehr statt, dann verliere die jüngere Generation den Kontakt zur Tradition. In diesem Sinne hat die Theologie also »Tradition« als ihren Gegenstand, ist jedoch zugleich unabhängig von dieser, wie das rezipierende Subjekt auch.

Schwöbel (2005, Sp. 269) weist vergleichbar darauf hin, dass der christliche Glaube als tragende Gewissheit auf alle Lebensbereiche zu beziehen sei und für alle Menschen gelte. Daraus folge, dass die Theologie die Aufgabe hat, die Wahrheit der Christusbotschaft kontextuell so zu entfalten, dass sie von Menschen in konkreten Lebenssituationen als Lebensgewissheit erfahren werden kann (Sp. 300). Das erfordere eine gewisse denkerische Leistung, die nicht umstandslos von allen Gläubigen individuell zu erwarten sei und daher von theologisch geschulten Akteur*innen unterstützt bzw. geleistet werde.

Theologie als Wissenschaft hat sich dabei dem Kriterium der Rationalität zu stellen. Da Theologie keine Hypothesen, sondern »Wahrheitsbehauptungen auf der Basis personaler Gewißheit« (Schwöbel, 2005, Sp. 266) prüft, bedarf es Kriterien, um diese Aufgabe zu leisten. So schlägt Stefan (2009) die internen Kriterien der Kohärenz und Konsistenz vor sowie die externen Kriterien des Erfahrungsbezugs und der Offenheit. Ähnlich erarbeitet Clayton (1992, S. 53 u. 134) das Kriterium der Kohärenz und zeigt, wie dieses zur Anwendung gebracht werden kann, wenn die wissenschaftliche Rationalität der Theologie als kontextbezogene Problemlösungseffektivität verstanden wird.

Nun weist Shils (1981, S. 185) darauf hin, dass intellektuelle Traditionen, zu denen auch Theologien als akademisches Produkt gezählt werden müssten, nicht in Familien tradiert werden, sondern innerhalb institutioneller Settings, wie sie die Kirche und die Schule bereitstellen. Exemplarisch ist hier der Religionsunterricht zu nennen, in dem von theologisch geschulten Akteur*innen entsprechende Kompetenzen bei den Schüler*innen aufgebaut werden. Denn die in der Schule erstrebte religiöse Kompetenz kann nicht in einer bloßen Reproduktion von Inhalten aufgehen, sondern erfordert deren sachgemäße lebensweltliche Anwendung (vgl. Benner, 2004, S. 32).

Zusammengenommen ist davon auszugehen, dass Jugendliche sich im Kontext ihrer Sinnkonstruktion mit religiösen Traditionen, Geschichten und Theologien auseinandersetzen. Sie können diesen Vokabularien im Religionsunterricht der Schule und in den unterschiedlichsten religiösen Gemeinschaften begegnen. Zugleich zeigt die Analyse, dass eine sinnstiftende Aneignung religiöser Vokabularien nicht selbstverständlich ist, weil dies mit einem gehörigen kognitiven und motivationalen Aufwand verbunden ist. Mit Blick auf die empirische Forschung spricht dies dafür, den Blick darauf zu richten, welche Inhalte leichter in die persönliche Sinnkonstruktion integriert werden können als andere. Ebenso ist davon auszugehen, dass sich Jugendliche sehr unterschiedlich in diesem herausfordernden Feld bewegen, sodass eine differenzierende Analyse der Religiosität und Sinnkonstruktion Jugendlicher angezeigt ist.

2.2 Theorieansätze

Theorien im religiösen Feld zielen darauf, die Religiosität von Jugendlichen zu beschreiben, zu erklären, vorherzusagen und ggf. pädagogisch darauf Einfluss zu nehmen (vgl. Gennerich & Riegel, 2015). Im Folgenden werden drei theoretische Ansätze herausgegriffen: ein sozialpsychologischer Ansatz, der auf situative Faktoren zur Erklärung der Religiosität Jugendlicher zurückgreift, ein entwicklungspsychologischer, der Unterschiede und Veränderungen in der Religiosität Jugendlicher als allgemeines Entwicklungsphänomen versteht, und das aktuelle Forschungsparadigma der emotionalen Selbst-Regulation.

2.2.1 Religion und Werte