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Im Jahre 1972 mussten die Kapuziner in Türkheim aus Nachwuchsmangel ihr Kloster aufgeben. Zuvor wirkten sie segensreich, vor allem als Beichtväter, bei Missionen und als Kapläne in der Pfarrkirche. Auch die umliegenden Orte, in denen die Kapuziner betteln gingen, waren mit dem Kloster seelsorglich verbunden.
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Seitenzahl: 98
Veröffentlichungsjahr: 2022
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„Man kann nicht zwei Herren dienen…“.
Nachdem die Türkheimer Bürgermeister und Gemeinderäte jährlich „donum vitae“ finanziell unterstützten, gab ich die Herausgabe der Türkheimer Heimatblätter auf, stellte meine Aktivitäten für die Gemeinde Türkheim ein und entsorgte alle meine Unterlagen über Türkheim im Altpapier. Nur einen Akt hielt ich in meinem Archiv zurück: Es waren meine Unterlagen zu den Kapuzinern in Türkheim. Zu sehr haben mich die Kapuziner geprägt: Ihre Maiandachten, die Kapuzinerkapläne, meine ersten mehrtätigen Ausflüge mit Übernachtungen in Kapuzinerklöstern (Immenstadt, Würzburg, Burghausen).
Ich kann es immer noch nicht verstehen, dass der Türkheimer Gemeinderat, einschließlich Bürgermeister, so wenig Wert auf die Türkheimer Heimatblätter legten, dass sie die jährliche Unterstützung von donum vitae vorziehen. Da dies jedoch der Fall zu sein scheint, will ich sicher gehen, dass auch meine restlichen Unterlagen zu Türkheim nicht im Gemeindearchiv Türkheim, sondern im Altpapier landen.
Zu Ehren der Kapuziner will ich jedoch einiges aus meinem „Kapuzinerakt“ hier veröffentlichen:
Von 1900 bis 1962 bringe ich Exzerpte aus der Türkheimer Kapuzinerchronik im Kapuzinerarchiv in München bei St. Joseph, welche ich schon vor Jahrzehnten machte, und aus dem Türkheimer Anzeiger (TA). Ab 1966 ist der Originaltext der Kapuzinerchronik abgedruckt. Es fehlen hier lediglich die kopierten Artikel der Mindelheimer Zeitung (MZ). Die Bilder stammen überwiegend aus dem Nachlass des Türkheimer Pfarrers Herbert Kessel.
Mein herzlicher Dank gilt Herrn Alfred Sommer für die Korrektur.
Alois Epple
Kapuzinerkloster Türkheim, vom Klostergarten aus, um 1910
Spalierbäume sorgten für Obst, der Garten im Vordergrund für Gemüse und das aufgestapelte Holz links unter dem Dach eines Anbaus, welches von Bauern der Umgebung kostenlos geliefert wurde, für Wärme im Winter.
Die Kapuzinerkirche anlässlich der Seligsprechung des Pfarrers von Ars 1905. Aufnahme von 1905, die Karte ist 1906 gelaufen.
In der Mitte über dem Hochaltars steht das Bild des neuen Seligen. Die beiden Seitenbilder am Hochaltar (hl. Franziskus und hl. Bonaventura) dürften, wie auch die Seitenaltarbilder (hl. Antonius und hl. Familie mit Johannesknaben) 1889 vom Kapuzinerbruder Angelus Schnitzler gemalt worden sein.
Vor dem Türkheimer Kapuzinerkloster, um 1900
Türkheimer Kapuziner vor der Lourdes-Grotte im Garten des Türkheimer Kapuzinerklosters, um 1900
Kreuzpartikel im Türkheimer Kapuzinerkloster, verwendet bei der Müttervorsegnung
Wettersegen bei den Kapuzinern in Türkheim Nach mündlicher Auskunft soll dieser Wettersegen „sehr stark“ gewesen sein, „stärker“ als der Wettersegen in der Pfarrkirche. Bei drohendem schwerem Gewitter liefen Leute zu den Kapuzinern und baten diese, sie mögen doch mit ihrem Wettersegen segnen.
1900/01:
Im Kloster in Türkheim sind vier Patres und sechs Brüder, 15.700 Kommunikanten1, 339 Predigten, Die Patres hielten auswärts 19 Missionen.
Bei der Seligsprechungsfeier der sel. M. Magdalena Mortimego an Weihnachten war alles reich geschmückt, auch mit einem Bild der Seligen, Predigten von Patres und auswärtigen Pfarrern, 1300 Kommunikanten. Pater Vikar schrieb ein eigenes Magdalena-Lied
1901/02
Die Kirchenorgel wurde vollständig und gründlich restauriert vom 17. bis 28. Februar durch die Herren Bittner und Mertel der Firma Merz aus München.
Die Türkheimer Kapuziner sind Beichtväter der Dominikanerinnen2. Die Mädchenschulmesse ist für das Kloster eine große Last, da auch zwei Missionäre im Haus weilen und zwei Frauenklöster3 versehen werden müssen.
Bei Molitor in Mindelheim wird eine neue Ewig Licht-Lampe gekauft. Die alte Lampe und der alte Kreuzweg gehen in das Kapuzinerkloster nach Rosenheim. Zwei Altarbilder kommen nach Chile. Ein böses Weib, namens Hartner, die jetzt in das hiesige Spital aufgenommen ist, hat Ende des Jahres 1901 über P. Pacificus nicht wenige ehrrührige Aussagen gemacht, als hätte er es mit einer gewissen Frl. Belm usw.
1902/03
Auf Weihnachten wird die Seligsprechung der Kreszentia von Kaufbeuren nachgefeiert. 1100 Kommunikanten.
1903/04
Eine neue Herz-Jesu-Statue des Bildhauers Winkler aus München für 357 M erworben.
Gruft in der Kapuzinerkirche
geschlossen
geöffnet
U.Fr.Hornobonus Rossgotterer / a Passau / act.phys 19 1/4 , relig. 22 ½ ann / defundus 9 Juli 1904 / R.I. P.
Diese Grabplatte in der Kapuzinergruft eingemauert. 1904 dürfte der letzte Kapuziner in der Gruft der Klosterkirche beerdigt worden sein,
1906/07
In Türkheim sind sieben Patres und?Brüder
Eine Franziskusstatue von den Meierschen Kunstanstalten in München für 190 M erworben. Die Kapuziner regen an, eine Volksbibliothek zu gründen und die Gründung eines Volksvereins für das kath. Deutschland.
Der Prediger gibt sechs Stunden Religionsunterricht und die Kapuziner vikarieren die Pfarrei Amberg.4
1908:
Gottesdienstordnung:
Sonn- und Feiertage:
6 Uhr, 6,30 Uhr hl. Messe, 16 Uhr Rosenkranz
und Aussetzung
Werktags:
Sommer:5,30, 6,00, 7,00 Uhr hl. Messen
Winter: 6,00, 6,30, 7,30 Uhr hl. Messen
Jeden Dienstag:
Andacht. Bei der Konventmesse ist
Antoniusandacht
Jeden 1. Freitag im Monat Konventmesse, Herz-Jesu-Andacht
Jeden 3. Sonntag im Monat um 14,30 dritte Ordensversammlung
mit Predigt
Ewige Anbetung: 20.1., 25.7., vom 12 – 18 Uhr
7.5., 5.7. von 6 bis 12 Uhr
Fastenzeit:
jeden Do. 16,30 Uhr Predigt und Ölbergandacht
jeden Freitag 16,15 Uhr Kreuzwegandacht
Maiandacht jeden Tag 19 Uhr, Sonn- und Feiertag mit Predigt
Stundengebet: 26. – 28. 12.: täglich Amt und zwei Predigten
Franziskusfest am 4.10.: 9 Uhr Predigt und Hochamt
1908/09
26.510 Kommunikanten.
Dr. Noder5 versucht eine freisinnige Bibliothek im Knabenschulhaus zu errichten. Der Antrag wird vom Gemeinderat mit 12 : 2 Stimmen abgelehnt. Die „freisinnige“ Bibliothek errichtet dann der Liberale Verein im Hause von Dr. Noder.
1909/10
Den Volksverei6, leitet in Türkheim der Pater Prediger. Er hat 230 Mitglieder.
Ein Prediger-Kaplan hält an jedem Sonntag in der Pfarrkirche eine Predigt und ab und zu Beichte. Darüber hinaus unterrichtet er drei Schulklassen in Religion.
Zwischen Pfarrer und Guardian kommt es zu Differenzen. Man wirft sich vor, das Regulativ nicht zu beachten. Das Ordinariat muss in diesem Streit entscheiden. Pfarrer Mair argumentiert in einem Schreiben, dass sich die Arbeit des Pfarrers seit der Wiederzulassung der Kapuziner in Türkheim vermehrt hat:
Die Pfarrei zählt Seelen Werktagsschüler Lehrer
1832
1200
120–130
1-2
1909
2000
320
3 weibl. und 2-3 männl.
Der Pfarrer wünscht sich von den Kapuzinern mehr Unterstützung bei der Oster- und Kinderbeichte, da der Prediger-Kaplan für seine Dienste jährlich 1080 Mark erhält. Der Guardian hält dagegen, dass darin keine zusätzlichen Dienste beinhaltet sind. Der Pfarrer zahlt aus eigener Tasche für diese Zusatzdienste 60 Mark den Kapuzinern.
1910/11
Im Streit zwischen Pfarrer und Kapuzinern entscheidet das Ordinariat, dass notfalls der ganze Kapuzinerkonvent an der Pfarrkirche seelsorgliche Dienste übernehmen muss. Das Ordinariat wünscht, dass der Guardian des Türkheimer Klosters, P. Irenäus, versetzt wird, damit die Kapuziner wieder besser mit dem Pfarrer auskommen.
Der 3. Orden zählt 530 Mitglieder.
Es war wohl etwas vom Pfarrer übereilt, im vergangenen Jahr durch P. Silvester mitteilen zu lassen: Weil jetzt ein Predigerkaplan rite geschaffen ist, steht nur dieser ad naturam parochi: Man schickte weiters keinen Pater mehr zu den Kinderbeichten hinein [in die Pfarrkirche], levitierte nicht am 15. August7. Der Pfarrer ging zum Ordinariat; dieses dekretierte: Die früheren Verpflichtungen von drei Patres bleiben, man muss auch sonstige Aushilfe leisten: Jetzt ist der status quo, bloß mit dem Unterschied, dass der Prediger wirklich Kaplan ist ad naturam paroche, also zu allem herangezogen werden kann und das Kloster doch die früheren Arbeiten zu leisten hat. Die Ansichten, dass das ganze Kloster für Türkheim vorhanden ist auch mit vier bis fünf Patres, haben Prediger selbst ausbilden helfen, indem sie den Schwerpunkt in die Pfarrei legten: „Alles geht in die Pfarrkirche“, ist öfters niedergeschrieben. Der P. Provinzial erklärte: bloß drei [Patres] zur Beichtaushilfe. Als das erstmal der Fall eintrat, wollte man den Vikar bewegen, mehr hinzuschicken, ob es wohl a) verboten b)überflüssig war.
Andachtsbildchen um 1910, oben: das Gnadenbild in der Loretokapelle in Türkheim, unten: die Kapuzinerkirche in Türkheim
TA vom 23. April 1911
Nach Ostern geht ein Klosterbruder Eiersammeln.
TA vom 7. Mai 1911
Während der Maiandacht wurden folgende Lieder gesungen:
Mo.: O Du Heilige, Di.: Wunderschön Prächtige, Mi.: Maria Maienkönigin, Do.: Laß Deine Hilf‘ erfahren, Fr.: Gegrüßet seist Du Königin, Sa.: Maria zu lieben
TA vom 30. Juli 1911
Von Türkheim versetzt werden Pater Rhabanus und P. Silvester, nach Türkheim kommen P. Irenäus und P. Anton. Bei der Versetzung von P. Silvester wurde ein großes Abschiedsfest in der Krone gefeiert. Es spielte die Streichmusik Alois Himer. Hauptlehrer Reiter hielt die Abschiedsrede. Es sangen der Kirchenchor und der Männergesangsverein.
TA vom 3. u.4. August 1911
Am 6. August war Portiunkulafest. In der Kapuzinerkirche wurden ab 5,30 Uhr hl. Messen gelesen, um 6 Uhr wurde das Allerheiligste ausgesetzt, um 9 Uhr war Predigt, dann Amt.
TA vom 4. Oktober 1911
Franziskusfest: 6 Uhr Aussetzung, 8 Uhr Festpredigt und Hochamt, 16 Uhr Rosenkranz
TA vom 22. Oktober 1911
Dritter-Ordens-Fest: 6 Uhr Aussetzung und Amt. Hl. Messen um ½ 7, 7, ½ 8, 8 Uhr, während der 7-Uhr-Messe wird ein Rosenkranz gebetet.
TA vom 27. Oktober 1911
5,45 Uhr Aussetzung, Profeßerneuerung, 6,30 hl. Messe, 7 Uhr hl. Messe….
TA 4. u. 5. April (Kartage) 1912
Gründonnerstag: um 6 Uhr Amt, dann Einsetzung des Allerheiligsten in der Loretokapelle mit Betstunden die ganze Nacht Karfreitag: 6 Uhr Karfreitagsliturgie; danach Aussetzung des Allerheiligsten am Hl. Grab
Karsamstag: 6 Uhr Feuerweihe, Amt, Auferstehungsfeier.
TA vom 2. Juli 1912
Guardian P. Jordan Högl ist gestorben.
TA im August 1912
Nach Türkheim kommen P. Valentin und P. Laurentius; von Türkheim gehen P. Bernardin.
TA vom 18. Juni 1913
Restaurierungsarbeiten in der Klosterkirche
TA vom 24. 12.1914
Kriegsunterstützung durch das Kloster
TA vom 5.1.1915
Nach Hl.-Drei-König gehen die Kapuziner in die Häuser zum Räuchern.
TA vom 6.2.1915
Kriegsandacht,. nach Vorschrift des Papstes.
TA vom 17.3.1915
Beschränkte Brotausgabe an der Klosterpforte
TA vom 12. Juni 1915
Kommunionausteilung vor der 5,30 Uhr-Messe
1916
Am 12. Februar muss sich der Guardian, P. Gabriel, beim Türkheimer Pfarrer entschuldigen, da er „versehentlich zwei Messen angenommen hat“8.
TA vom 8.1.1918
Ab Sonntag um 11Uhr gibt es Kindergottesdienste in der Klosterkirche, um die Kindergottesdienste in der Pfarrkirche zu entlasten.
TA vom 22. Juli 1930
Im Kapuzinergarten ist ein Kneippbad
TA vom 6. August 1930
Weihe der Bruder-Konrad-Statue im Gang zur Kapuzinerkirche vom Bildhauer Weiser aus München.
Die Statue wurde aus Anlass der Seligsprechung am 15. Juni 1930 von Bruder Konrad von den Türkheimer Kapuzinern gekauft.
Dieses Bild müsste von 1930 stammen, da der Kapuzinerbruder auf dem Bild noch als Seliger angerufen wird.
TA vom 20. Februar 1932
Jedes Kind erhält an der Klosterpforte Brot und Wasser
TA vom 2. März 1932
Der Guardian bettelt in einem Leserbrief um Kartoffeln zur
Speisung von Armen an der Klosterpforte.
TA vom 24. Juni 1934
In die Loretokapelle kommt ein neuer Altar von Bildhauer
Ledermann.9
TA vom 24. und 30.10.1934
Bei der Herbstwallfahrt werden Reliquien des Hl. Bruder Konrad –
Heiligsprechung am 20. Mai 1934 - mitgetragen.
1936:
Verhaftung von P. Odilo, aufgrund einer Predigt.10
1937
Im Türkheimer Kloster gibt es fünf Patres und sieben Brüder
1938
Verhandlungen wegen des Kaufes des Mädchenschulhauses11
1941
30. November 1941: Erster Fliegerangriff in Türkheim. Wegen des Krieges wird das Patrozinium auf Sonntag, den 7.12. verschoben.
1942
13.7.1942: Primiz von Kapuzinerpater Fortis Haug12
1. Oktober und 30. Oktober 1942: Glockenablieferung der Pfarrkirche, nur eine Glocke bleibt auf dem Turm der Pfarrkirche.
Primizkreuz im Pfarrgarten in Türkheim und Primizbildchen von Pater Fortis Haug13
1943
28. Oktober 1943:Auslagerung der staatl. Münzsammlung von München ins Türkheimer Kloster durch Dr. Max Bernhart.14
1944
30.Oktober ibs-1. November 1944: Bischof Kumpfmüller [*1869, Bischof 1930 - 1849, + 1949] ist bei den Kapuzinern auf Besuch.
25.Februar1944: Flieger, Detonation, Schäden an Kirche und Kloster, auch Auslagenfenster wie bei Karl Sing beschädigt.
18. Juni 1944
Absturz eines Flugzeuges bei Schönbrunn
1945
23. Oktober1945: P. Evarist Sauer wurde am 9. April 1945 aus dem KZ in Dachau, wo er vier Jahre in Haft war, entlassen. Er kam am 13. April 1945 ins Türkheimer Kapuzinerkloster und blieb dort bis zum 23. Oktober 1945.
24. April 1945: Die 200-Jahr-Feier der Heiligsprechung des Fidelis von Sigmaringen wird mit Festmesse, Predigt, Andacht und Te Deum gefeiert.
Beim Landesamt für Denkmalpflege in München hat sich im Akt „Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt, Türkheim“ ein Schreiben zur Kapuzinerkirche verirrt. Da niemand diesen Bericht an dieser Stelle vermuten würde, sei er hier veröffentlicht:
An das Kapuzinerkloster in Türkheim a.d. Wertach
Betreff: Restaurierung der Klosterkirche / Zur Ortsbesichtigung vom 10.6.47
Sachbearbeiter: N. Bertram, f. Konservator