Die Kinder der Neuen Welt und das Geheimnis in der Tiefe - Antje-Carola Wilke - E-Book

Die Kinder der Neuen Welt und das Geheimnis in der Tiefe E-Book

Antje-Carola Wilke

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Beschreibung

Über 300 Jahre sind vergangen, nachdem die Menschen einen Neuanfang starten mussten. Alle technischen Errungenschaften und Erfindungen sind verschwunden und es gibt nur wenige Überlieferungen aus der alten Zeit. Jetzt leben die Menschen wie im einstigen Mittelalter in einer Welt, die jedoch von Schnee und Eis bedeckt ist. Sie sind überzeugt davon, dass sie diese zweite Chance besser nutzen und es nie wieder Kriege, Hungersnöte oder Vorurteile gegen Andersdenkende geben wird, sie haben schließlich aus deren Scheitern gelernt gelernt - so denken sie, ein wenig überheblich den "Altvorderen" gegenüber. Deshalb gibt es jedes Jahr das "Fest der Dankbarkeit", das gemeinsam gefeiert wird. In dieser Umgebung wächst Parzival Gildewenge auf, zusammen mit seiner Schwester Ariadne, Cousin Philemon und Cousine Reynehild. Alles scheint harmonisch zu sein, eine wunderbare Welt - bis eines Tages Blandina auftaucht, das Mädchen von "drüben", aus der heißen Zone, die unbewohnbar sein sollte. Durch sie gerät ein lang gehütetes, dunkles Geheimnis des Ältestenrats in Gefahr, gelüftet zu werden. Außerdem ist dem Mädchen die Zunft der Schwarzmagier auf den Fersen, die eigene Pläne haben und ihre unfreiwillige Einmischung nicht brauchen können. Auf einmal ist nichts mehr, wie es war, denn die scheinbare Harmonie entpuppt sich als Lügengebilde und zerbricht. Das Mädchen wird gejagt und findet in der Gildewengefamilie Freunde und Schutz. In diesem entstandenen Durcheinander reißt die Gilde der Schwarzmagier die Macht an sich, unterjocht eine ganze, in Angst versetzte Welt und jagt sogar die Kinder, die sich ihnen mutig und manchmal auch leichtsinnig entgegenstellen. Wird es den Freunden und den wenigen Erwachsenen, die in den Widerstand gehen, gelingen, die Schwarzmagier zu besiegen und die Harmonie wieder herzustellen? Und werden sie die Antwort auf die Frage, wie das in ihrer Neuen Welt geschehen konnte, bekommen? Das gilt es, herauszufinden.

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Seitenzahl: 360

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Die Kinder der neuen Welt

und das Geheimnis in der Tiefe

 

Der Wind war zu einem Sturm geworden. Er fegte über die karge Landschaft, riss an den dürren Büschen, pfiff an den Felsbrocken entlang, tobte um tote Bäume herum, die traurig die wenigen Äste herab baumeln ließen. Dann zerrte er plötzlich an den Seiten eines dicken Heftes, das achtlos in der Landschaft lag. Er blätterte wild die Seiten hin und her, schließlich erlahmte sein Wüten ein wenig, so, als wäre er zu lesen angefangen. Die erste Seite blieb eine Weile offen liegen, dann blätterte der Wind weiter um. Mit gestochen scharfer Kinderschrift wurde eine Art Tagebuch geführt.

 „Ich bin Parzival Gildewenge, aus dem Clan der Glasbläser und Spiegelmacher, wohnend in der Polis Norderwelt, gleich hinter dem Wald, neben den Wassern  auf der einen Seite und der toten Wüste auf der anderen Seite. Die Polis besteht aus verschiedenen Clansiedlungen mit Lehmhäusern, Steinhäusern, einem Turm und einem Marktplatz im Zentrum.  

Ich bin zwölf Jahre lebend, als Bruder der knapp elfjährigen Ariadne, Sohn des Gilbrecht und der Ingaborg, die die Bücher und den Haushalt führt, wenn der Vater bei den Verwandten in der Werkstatt ist. Es ist das Jahr 372 nach der „ Großen Katastrophe“, die alles verändert hat. Ich weiß davon nichts, aber die Erwachsenen haben uns die Überlieferungen gelehrt.

Sie sagen, es hatte Zeiten gegeben, in denen die Menschen in einem großen Flugkörper, auf Stühlen sitzend, durch die Lüfte flogen. Das glaube ich nicht. Der Mensch kann nicht fliegen, wie denn auch? Sie sagen auch, dass es auf der ganzen Erdkugel Länder mit Menschen gab, deren Sprachen so verschieden waren, dass sie sich gegenseitig nicht verstehen konnten. Länder, in denen es warm oder auch heiß war, aber bewohnbar. Tiere werden uns im Unterricht gezeigt, die damals lebten und in der Katastrophe umgekommen sind – falls der Mensch von damals sie nicht vorher schon ausgerottet hatte. Das finde ich alles sehr eigenartig. Man kann nur diesseits der Erdkugel wohnen und hier es ist immer kalt. Die andere Hälfte ist heiße,tote Wüste, dort ist kein Leben möglich. In den Überlieferungen heißt es, das ist alles gekommen, weil der Mensch zu gierig wurde. Er erfand immer mehr Dinge, die für ihn alles bequemer werden ließen, dafür aber die Natur krank machten. Genaues weiß ich nicht, aber der gierige Mensch wollte Wohlstand, Reichtum und Macht, alles Andere interessierte ihn nicht. Auf die Warnungen der Natur hörte er nicht, denn er hatte ja seine Technik, sagen die Lehrer. Sie sagen auch, dass viele sich lustig machten  über die Menschen, die damals die Warnungen der Natur „zu ernst“ genommen hatten. Oder, dass einige von Denjenigen, die über ein Land regierten, sich die Ohren davor verstopften und mit Strafen drohten, wenn nicht alle nur an die Wirtschaft des Landes dachten - also eben an Geld und Macht- sondern wieder kleiner denken wollten. Stattdessen wurde alles immer schneller, größer, lauter. Immer, immer mehr. Es gab auch keine Magie mehr, immer nur das „voran-voran-auch-wenn-alles-kaputt geht“-Monster. Wie konnten diese Menschen bloß leben? Überhaupt noch atmen? Dann wurde es immer wärmer - zu warm – viel zu warm. Die Pflanzen und Tiere litten sehr. Der Mensch litt auch, aber er hatte ja ganz viele Pillen dagegen. Die nahm er wohl bis er tot umfiel, glaub ich.  Schlimm war auch, dass die Menschen von damals immer gewalttätiger wurden, sagen die Überlieferer. Sie sagen, dass es Tötungsmaschinen gab, die vorne ein langes Rohr hatten, aus denen der Tod umher geschossen wurde. Und Rohre, die aus einem Flugapparat herab geworfen wurden. Damit konnte man eine ganze Polis platt machen. Manche Menschen warfen auch kleinere Geschosse bei anderen Menschen in deren Geschäfte und töteten alles, was darin war. Sie konnten auch irgendwo auf eine Art Knopf drücken und etwas flog herum und vernichtete alles Leben. Wir schütteln uns heute vor Abscheu vor unseren Vorfahren. Pfui! Es gab aber auch noch etwas ganz anderes, wie zum Beispiel den „Golfstrom“, irgend eine Art Gewässer, in dem ganz viel Eis und Schnee rutschte, als das Klima sich veränderte und die Hitze kam. Das Wasser um solch einen Strom herum wurde dann aber plötzlich ganz furchtbar kalt- wegen der Schneerutsche. Das Kaltwerden hörte in dieser Region nicht mehr auf, egal wieviel Technik der Mensch dagegen hielt. Auch sein Geld nutzte ihm nichts. Es gab keine Macht, keine Drohungen, die diese Katastrophe aufhalten konnte. Es schneite unaufhörlich, Gebirge von Schnee und Eis türmten sich auf, doch es wurde kälter und kälter, weil das Klima ganz durcheinander kam, sagen die Überlieferer. Oder weil die Natur, vielleicht auch Gott, die Nase voll hatte. Die eine Erdseite ist eine große, heiße Wüste, dann folgt ein Streifen dürre Steppe, einige große Wasserbereiche in deren Nähe, schließlich unsere Norderwelt voll Eis und Schnee. Vieles aus der alten Welt ist nun auch weit unter irgendwelchen Schnee- oder Sandmassen begraben und auf immer zerstört. Doch die Natur bahnte sich einen neuen Weg. Neue Pflanzen und Tiere, die in der Kälte bestehen konnten, entwickelten sich mit der Zeit. Die wenigen Menschen, die überlebten, mussten ganz neu anfangen. Von denen stamme ich ab. Lange haben wir geglaubt, wir machen alles besser als die Altvorderen, aber dann.... am Besten ist es, liebe/r LeserIn, wenn die Tagebuchaufzeichnungen wie eine fortlaufende Geschichte wiedergegeben werden. So ist es einfacher. Dies also ist die Geschichte Parzival Gildewenges und seiner Welt. 

 

 

 

Parzival hatte morgens immer große Schwierigkeiten mit dem Aufstehen. Die Augen wollten sich einfach nicht öffnen, so sehr er es auch versuchte. Seine Mutter hatte ihn gerade zum dritten mal geweckt, inzwischen schon mit gereizter Stimme. „Komme gleich!“, hatte er zurückgerufen und war prompt wieder eingeschlafen. Plötzlich klatschte ein pitschnasser Waschlappen in sein Gesicht. Mit einem Aufschrei fuhr er in die Höhe – und starrte entgeistert in das Gesicht seiner Schwester.  

Grinsend schwang sie den Lappen vor seiner Nase hin und her. „Nochmal?“, fragte sie spöttisch. 

„Lass das gefälligst, Ariadne!“, fauchte Parzival wütend. Er nahm ihr den Lappen aus der Hand und warf ihn ihr entgegen, aber Ariadne fing ihn einfach auf. „Du bist kein guter Werfer, Brüderchen. Na los, beweg dich. Mama hat das Frühstück fertig und unser Unterricht beginnt bald.“ 

Parzival gähnte lautstark, dann erhob er sich vollständig aus seinem Schlafschränkchen, das in einer Wandseite des Familienschlafraums eingefügt war,und schlurfte in die Küche. Der Waschzuber mit dem warmen Wasser stand direkt vor der Feuerstelle.

„Oh, seine Hoheit haben sich doch noch entschlossen, aufzustehen“, empfing seine Mutter ihn. „ Hast du dein Federbett ganz zurückgeschlagen? Die Schlafschränke sollen immer gut ausgelüftet werden, das weißt du doch inzwischen.... Spritz nicht so beim Waschen und zieh dir das saubere Wams an, das ich herausgelegt habe.“

Kurz darauf saß die Familie um den grob gezimmerten Frühstückstisch und löffelte Apfelsuppe, in die  frisch gebackene Minifladenbrote getunkt wurden. Das war gesund und köstlich. Alle Clans aßen am Morgen Suppe aus irgendeinem Obst mit Fladenbrot aus Vollkorn, sie kannten es nicht anders. An Feiertagen wurde Honig oder Sirup  dazu gegeben, der von den fahrenden Händlern manchmal erstanden werden konnte.

„Wann habt ihr eure Prüfungen für dieses Jahr?“, fragte Parzivals Vater. 

„Kurz nach dem nächsten Neumond“, erwiderte Parzival. „Aber diesmal nur in Arithmetik und den Historien.“

„Arithmetik mag ich, darin bin ich gut!“, rief Ariadne, „aber die doofen Historien kann ich bald nicht mehr hören.“ 

„Die sind aber wichtig“, widersprach Parzival, „damit nie wieder passiert, was unsere Vorfahren falsch gemacht haben.“ Ariadne zuckte mit den Schultern und löffelte weiter ihre Suppe. Parzival drehte sich zu seinem Vater um. „Wie konnte das eigentlich so weit kommen, Papa? Ich meine, die Katastrophe ist ja nicht plötzlich gekommen, oder? Wieso haben die nicht etwas unternommen?“ 

„Nun, sie waren eben unbelehrbar. Heute würde das ganz sicher nicht mehr passieren, Sohn. Wir haben daraus gelernt. Zwar spät, aber immerhin. Man muss lernen, dass Freiheit nicht einfach nur bedeutet, alles tun zu dürfen, was man will, sondern auch verzichten dürfen, wenn etwas der Allgemeinheit schadet.“ 

„Allerdings sind uns dadurch auch viele Erfindungen und Erleichterungen des Alltags verloren gegangen“, gab die Mutter zu bedenken. „Das ist schon schade. Auch wenn ich bei vielen Sachen nicht wüsste, wie sie funktioniert haben sollen!“ Sie schob sich einen Löffel Suppe in den Mund. „Ein Gerät zum Beispiel, mit dem man über Entfernungen hinweg mit anderen Clans reden konnte, die ganz weit weg wohnten. Man sprach in irgendein Dingsda und auf der anderen Seite, bei dem Gesprächspartner, kamen aus einem ähnlichen Dingsda die Worte heraus. Da könnte ich mir den Einkaufzettel von der Großtante Berthelina durchgeben lassen. Keiner bräuchte zu ihr auf die Anhöhe steigen, um ihre Wünsche zu erfahren und dann – nach dem Einkauf – dort noch einmal hoch  stapfen. Ein Weg genügte!“

„Und ich könnte mit meinen Freundinnen mit so einem Dingsda sprechen, ohne das Haus zu verlassen“, ergänzte Ariadne begeistert. 

„Seid ihr denn lahm auf den Beinen?“, fragte der Vater amüsiert. „Wenn ihr was besprechen wollt, dann geht zu den Leuten hin. So, es ist Zeit, euer Unterricht beginnt gleich und ich muss in die Werkstatt.“ 

Damit erhob er sich und verließ kopfschüttelnd die Küche. „Sprechdingsda für faule Leute, pah!“

Kurze Zeit später verließen auch Parzival und Ariadne das Haus, dick eingemummelt in ihren Felljacken. „He, kommt ihr endlich mal raus?“, wurden sie von ihrem Vetter Philemon begrüßt, der, lässig gegen die Hauswand gelehnt, dastand. Seine Schwester Reynehild sprang gleich auf Ariadne zu und hakte sich bei ihr unter. So zogen sie durch die schmalen, aus grobem Stein gepflasterten Gassen ihrer Siedlung, bis sie bei der Schule angekommen waren. Unterwegs begegneten ihnen immer wieder Männer und Frauen, die auf ihren Laufvögeln ritten. Dann mussten sie hintereinander gehen, damit sie nicht von den mächtigen Flügeln gestreift wurden. Die Lehrer meinten, dass es vor der Katastrophe ähnliche Vögel gegeben habe, die Strauße, Nandus oder Emus hießen. Die waren aber wild, deutlich kleiner, zierlicher  und wurden in der Regel nicht geritten.  

Zum Reiten hatten sie andere Tiere, aber die sind wohl alle ausgestorben. In Grenznähe zur Eiswelt hatten die Forscher vor einiger Zeit Yaks entdeckt, die gab es auch schon bei den Altvorderen, aber viele andere Tiere hatten es nicht in die neue Zeit hinein geschafft, der Rest passte sich alsbald an.

Parzival fragte sich oft, woher die Lehrer die ganzen Überlieferungen hatten, denn es gab längst nicht alles in den Schulfolianten zu lesen. Auch die Schriftrollen waren nur sehr unvollständig. Aber vielleicht hatten die Lehrer noch andere Quellen als die Schüler.

Jetzt liefen die Kinder durch das Tor zum Schulhof und dann in das langgezogene Gebäude aus gebrannten Ziegeln, das aus einer großen Halle bestand, von der an zwei Seiten, je zwei Räume abgingen. Wenn man schließlich zur Hintertür hinausging, war da noch ein deutlich kleineres Gebäude mit den „Wegbringhäuschen“ für Jungen und Mädchen zu sehen. Das waren lauter kleine Einzelkabinen mit Holztruhen zum Sitzen. Die vier Freunde waren immer noch in Raum eins. Dort blieb man zwei Jahre – für die beiden älteren Jungen war in einem halben Jahr die Zeit um – und wechselte dann in den nächsten Raum, bis man alle durch hatte. Im letzten Raum wurden die Berufe gewählt und die Vorbereitungszeit vor der Lehre begann. Die Kinder dieses Clans konnten Spiegelmacher, Glasbläser oder Schreiber werden, die für die Büroarbeiten zuständig waren. In jedem Clan gab es die Kernberufe und die Schreiberlehre.  Der Nachbarclan hinter dem nächsten Hügel bestand aus den Ziegelherstellern und Töpfern. Weiter weg gab es zum Beispiel noch den Clan der Tierzüchter, den der Tuchmacher, der Gartenbesteller, den Jägerclan, die Heiler und den Clan der Schriftgelehrten, aus denen auch die Richter und Clanvorsteher hervorgingen. Die fahrenden Händler mit ihren Rumpelkarren und eingespannten Laufvögeln oder Yaks fuhren zwischen den Clans hin und her und verkauften deren Waren von Ort zu Ort. Man nannte sie „die Freien“, sie hatten keine Clanrechte, waren also ungeschützt, gingen nicht zur Schule und hatten nicht mal einen festen Wohnsitz. Sie brachten sich untereinander ein wenig rechnen und schreiben bei, damit sie als Händler klar kamen, mehr aber auch nicht. Das bedeutete, dass man ihnen mit ziemlicher Herablassung begegnete. Obschon sehr oft Clan-übergreifend geheiratet wurde, mied man bei der Partnerwahl diese Menschengruppe absolut. Zwar wurden sie und ihre Waren gebraucht, aber man pflegte keinen näheren Umgang mit ihnen. Auf keinen Fall! Dann pflegte man schon lieber Kontakt mit den Magiern, die in der Nähe der Steppe wohnten und geheimnisvolle Kräfte hatten. So setzte sich die ganze Polis „Norderwelt“ zusammen. 

„Junger Mann, träumst du?“, fragte Meister Güldeweyn  und klopfte mit dem Knöchel seines Zeigefingers auf Parzivals Kopf. 

„Au - was?“ Parzival war tatsächlich gerade mit seinen Gedanken völlig woanders gewesen.  

„Ich fragte gerade, welche Flugvogelarten bei uns heimisch sind. Nun?“ Der Gelehrte hatte die Eigenschaft, eine Augenbraue sehr weit hoch zu schieben, während er spöttisch auf einen Träumer herab blickte.  

„...Äh...“, begann Parzival, aber Meister Güldeweyn winkte ab. „Äh? Den Vogel kenne ich nicht. Wer von euch kann unserem Dummkopf hier aufzählen, was ich wissen möchte?“ Dabei wirbelte er elegant herum und sah die anderen Schüler an. Oh, er war ein ziemlich gut aussehender, schlanker junger Gelehrter. Seine Kleidung bestand immer aus Grüntönen in allen Schattierungen, die er häufig wechselte. Dazu thronte stets ein Hut mit einer gewaltigen Feder auf seinem langen, dunklen Haar. Natürlich war er der Schwarm vieler jungen Damen und er wusste es auch. Meister Güldeweyn bestand aus einer Mischung von hohem Wissen, Klugheit im Leben, Kraft und gutem Aussehen. Das machte ihn etwas eingebildet. Jetzt zwirbelte er gerade an seinem schmalen Oberlippenbärtchen herum, während Philemon die Flugvögel aufzählte, die er kannte. 

„Na, das lässt sich doch hören“, kommentierte der Gelehrte die Aufzählung. „Das waren fast alle – bis auf einen.“ Jetzt machte Güldeweyn ein geheimnisvolles Gesicht. „ Der wurde erst vor Kurzem entdeckt, deswegen könnt ihr nichts darüber wissen. Ich werde auch noch nichts verraten, aber nächstes Mal bringe ich ein Exemplar mit, ihr werdet schon sehen. So, das war's für heute. Der Unterricht bei Meisterin Filline fällt heute aus, da sie erkrankt ist. Ihr könnt gehen – leise.“ 

Das letzte Wort hätte er sich schenken können. Mit lautem Gejohle sprangen die Kinder hoch, schnappten ihre Leinentaschen und rannten links und rechts an dem genervt dreinblickenden Lehrer vorbei. Kopfschüttelnd sah dieser ihnen nach. „Na, ich war doch hoffentlich nicht auch so, als ich Kind war?“, murmelte er ein bisschen arrogant. 

Ariadne und Reynehild rannten so schnell die Gasse entlang, dass die Brüder weit hinter ihnen zurück blieben. Im Rennen waren sie kaum zu toppen – doch plötzlich blieben sie jäh stehen. Mit großen Augen starrten sie auf eine merkwürdige Gruppe Menschen, die ihnen entgegen kam. Vier Männer trugen einen großen Käfig zwischen sich, der an zwei langen, dicken Holzstöcken befestigt war, deren jeweilige Enden auf einer ihrer Schultern ruhte.  

„Macht Platz!“, herrschte einer der Männer die Kinder an, die bis zu einer Hauswand zurückwichen, sodass die Männer gerade an ihnen vorbei passten. Beide Mädchen starrten mit weit aufgerissenen Augen in den Käfig hinein – es saß ein Kind darin! Ein Mädchen – aber was für eins! 

Es hatte eine fast weiße Haut mit vielen kleinen braunen Punkten im Gesicht und unwahrscheinlich helles Haar in undefinierbarer Farbe! Außerdem trug es grobe Fellkleidung und  war sehr strubbelig und dreckig. Das Kind  starrte feindselig aus eisblauen Augen zurück. So etwas hatten die Mädchen noch nie gesehen! Zwar gab es in allen Clans Menschen mit ganz unterschiedlichen Haut- und Haarfarben, von hell bis sehr dunkel, das war völlig normal – aber soooo hell dann doch nicht. Und diese komischen Gesichtspunkte! Ob sie krank war? 

„Hast du so was schon mal gesehen?“, flüsterte Reynehild Ariadne zu. Die schüttelte den Kopf. „Nee, keine Ahnung, wo die herkommen mag. Direkt unheimlich.“ 

Inzwischen waren die Männer vorbei gezogen und die Mädchen trotteten weiter. Hinter ihnen kamen Philemon und Parzival angekeucht.

„Habt ihr dieses komische Wesen gesehen?“, fragte Parzival. „Wo mögen sie es eingefangen haben ... und warum?“ Darauf konnte sich keiner einen Reim machen. „Vielleicht wissen unsere Eltern, was da passiert ist?“, meinte Ariadne.  

„Ach was, woher denn, die haben sie doch gerade erst hergebracht!“ 

Frau Gildewenge wusste auch wirklich nichts von einem gefangenen Mädchen.

„Seid ihr sicher, dass es ein Menschenkind war? Sagtest du nicht, sie hätte Fell, Parzival?“ 

„Kein Fell, Mama. Fellkleidung. Nicht nur als Jacke oder Stiefel, sondern alles aus Fell statt Wams oder Kleid aus Tuch.“ 

„Und dreckig war die!“, rief Ariadne angewidert. „Und krank wohl auch.“ 

„Ja, die hatte unglaublich viele Stippen im Gesicht“, bekräftigte Parzival nickend. 

„Dann möchte ich, dass ihr euch fernhaltet, falls man sie frei lässt. Wer weiß, was das für eine Krankheit ist.“ Frau Gildewenge wandte sich wieder dem frisch gebackenen Brot zu und schnitt es in dicke Scheiben. „Bringt eure Schulsachen nach oben und dann kann einer von euch zum Marktplatz gehen. Da werden heute frische Pilze angeboten, die könnte ich noch für den Eintopf brauchen.“ 

Blitzschnell griff Parzival nach dem Korb, bevor Ariadne ihn sich schnappte. Auf dem Marktplatz konnte man vielleicht mehr erfahren, da wurden jede Menge Informationen –und natürlich auch Klatsch und Tratsch – ausgetauscht. 

„Blödmann“, zischte Ariadne ihren Bruder an. 

Parzival schnitt eine Grimasse, nahm sich einen Silberling aus dem Topf im Regal und stürzte zur Tür. „Brauchst du sonst noch was?“, rief er über die Schulter zurück seiner Mutter zu. 

„Nein, sonst nichts. Jetzt renne doch nicht so....Parzival!“ Doch der war schon aus der Tür und hüpfte die Gassen entlang zum Markt. Dort herrschte ein reges Treiben. Feste Marktstände mit teilweise bunten Überdachungen aus Fell, Leder oder Tuch wechselten mit den Karren der fahrenden Händler. Viele von ihnen riefen laut die Vorzüge ihrer Waren heraus. Überall standen sich Menschen gegenseitig im Weg, weil sie sich unterhielten oder nach etwas Ausschau hielten. Parzival hatte den Karren schnell entdeckt, auf dem frische Mischpilze neben Kräutern, Kartoffeln und verschiedenen Wurzeln ausgebreitet lagen und einen erdigen Geruch verbreiteten. Der Händler war vielleicht vierzehn Jahre auf der Welt, war mager und hatte unregelmäßige Zähne. Trotzdem war er nicht hässlich, nur eben – naja, unregelmäßig. Sein aschblondes Haar fiel im auf die Schulter und hüpfte lebendig im Takt nach seinem Singsang. „Frisch aus dem Wald, frisch vom Feld – alles Gute Sachen für wenig Geld!“ Er gestikulierte rhythmisch und heftig. Eigentlich wirkte er mehr wie ein Gaukler als ein Marktschreier, da er nebenbei auch noch immer mal mit den Kartoffeln jonglierte.

„Hallo Berewulf“, sagte Parzival lachend und stellte seinen Korb mitten auf den Karren. Der so Angeredete tat entsetzt. „Ooooh, junger Meister ...wie könnt ihr euren gewöhnlichen Korb zwischen meine Köstlichkeiten stellen?“ 

„ Na, einfach so. Gib mir von den Pilzen für einen Silberling und dann verrate mir, ob du etwas von dem Kind weißt, das heute gefangen wurde.“ 

Berewulf beugte sich weit vor und flüsterte: „Es soll von der anderen Seite der Erde kommen.“ Dann rief er wieder laut in die Runde, während er Parzivals Korb füllte: „ Seht her ihr guten Leute, soviel bekommt ihr heute! Für einen kleinen Silberling, ist das nicht ein lustig Ding?“ 

„Aber da gibt es kein Leben!“, erwiderte Parzival. „Du musst dich verhört haben!“ 

Sofort verstummte Berewulf mit seinen Reimen. „Wie bitte? Ich soll was? Berewulf Federleser verhört sich nie, merk dir das!“ Dann senkte er verschwörerisch die Stimme. „Als ich einen Trunk nahm bei der dicken Frohild in der Waldschänke, da kamen die Häscher herein, die das Kind gefangen hatten. Sie haben es zum Haus der Räte gebracht. Angeblich sei sie mit ihrer Lehrmeisterin zum Sammeln seltener Kräuter unterwegs gewesen. Sie soll sie dann verloren haben – die Lehrmeisterin, nicht die Kräuter -  und immer, immer weiter gegangen sein. Voll die Richtung verloren, wo sie wohnt. Tage um Tage um Tage unterwegs gewesen. Wenig essen. Völlig erschöpft lief sie dann im Wald herum und soll ganz bösartig Leute angegriffen haben. Sogar geknurrt hat sie dabei. Die haben dann nach den Häschern geschickt. So, jetzt weißt du alles.“ Damit richtete Berewulf sich wieder zur vollen Größe auf und begann sein Marktgeschrei von Neuem. Kopfschüttelnd nahm Parzival seinen Korb vom Karren und schlenderte nachhause zurück. Geknurrt? Böse? Sie hatte Leute angegriffen? Irgendwie seltsam und unwirklich. 

„Na, konntest du was in Erfahrung bringen?“, fragte seine Mutter augenzwinkernd, als er den Korb auf den Tisch stellte. 

„Naja, Berewulf meinte, sie käme vom anderen Ende der Erde und sei wild und bösartig.“ 

Ingaborg lachte laut auf. „So, Berewulf meinte das. Na, was der so erzählt!“ 

„Aber der kommt viel herum und kennt sich aus, Mama!“ 

„Soso. Geh mit Ariadne an den Trog und wascht mir die Pilze gut aus. Ich kann jetzt nicht vom Topf weg.“ 

Später, als sie vor ihrem Eintopf saßen, wurde das Thema natürlich wieder aufgegriffen. Der Vater, der seine Mittagspause zuhause verbrachte, hatte auch einige Brocken aufgeschnappt, die er jetzt zum Besten gab.

„Maywin und ich mussten die neuen Trinkgläser zum Haus der Räte bringen, bei der Gelegenheit haben wir die Wachmänner am Tor befragt.“ 

„Und was sagten sie?“, fragte Parzival gespannt. 

„Nun ja, sie haben sie fast bei der Steppe aufgegriffen, da wo der Wald immer lichter und knorriger wird. Sie soll vom anderen Ende der Erde kommen. Aber sie kennt unsere Sprechweise, obschon man dort wohl ein wenig anders redet.“ 

„Eine andere Sprache?“, hakte Ingaborg nach. 

„Sie sollen dort alles etwas anders aussprechen oder benennen, nicht viel anders, aber dennoch.... seltsam, oder? Die Lehrmeisterin wäre angeblich von ursprünglich  hier gekommen oder so ähnlich, hätte dann einigen dort unsere Sprechweise gelehrt – was ja gar nicht sein kann. Bestimmt lügt das Kind. Dahinten kann man nicht leben.“

Parzival vergaß vor Aufregung das Kauen. Er sah seinen Vater mit großen Augen an. „Aber...aber sie sieht so anders aus als wir, Vater! Wie kann das sein?“ 

Gilbrecht zuckte mit den Schultern. „Wahrscheinlich wurde sie mal ausgesetzt, weil sie so...naja für andere Augen irgendwie nicht richtig aussieht. Sie hat wild im Wald gelebt und sich alles zusammen phantasiert. So sagt jedenfalls der Rat. Klingt glaubwürdig.“ 

„Aber dann ist sie doch nicht böse! Berewulf sagte, sie sei böse!“, rief Ariadne aufgebracht.  

„Kinder, ich weiß nicht, was sie ist oder nicht ist. Das muss der Rat entscheiden. Auf alle Fälle bleibt sie erst mal in Gefangenschaft im Turm der Schande. Sie hat gespuckt und gekratzt, als die Häscher sie einfingen. Sogar verflucht haben soll sie sie und das in der wirren Sprechweise, die sie sich sicher ausgedacht hat.“ 

„Aber Vater! Wenn die Häscher die Sprache nicht genau verstehen können, woher wissen sie, dass sie verflucht wurden?“, fragte Parzival kopfschüttelnd. Das war doch Unsinn! 

„Esst jetzt weiter und löchert mich nicht. Sie ist gut aufgehoben, da bin ich sicher. Keiner wird einem Kind etwas zu Leide tun. Aber es darf eben nicht rüpelhaft werden. Morgen kommt der Heiler aus  der Siedlung Godelund und sieht sich ihre Haut und diese Sprenkel an, die sie im Gesicht hat.“ 

„Armes Ding“, seufzte Ingaborg. „Wer weiß, was es durchgemacht hat? Aber euer Vater hat recht. Im Haus der Räte wird man wissen, wie mit ihr umzugehen ist. Wir können nichts für das arme Wesen tun. Ich habe dicke Süßmilch zubereitet, wer mag Nachtisch?“ 

 

Parzival konnte nicht einschlafen. Immer wieder sah er das kleine Gesicht in dem Käfig vor sich, als die Häscher das Kind vorbei trugen. Hatte es wirklich böse geguckt? Oder war es nur eine Art Schutzblick, und in Wirklichkeit hatte es Angst? Er hätte Angst gehabt, ganz sicher. Und jetzt lag es auf einem Strohlager im Turm der Schande. Weshalb dort? Es war doch kein Dieb oder gar Mordbube! Nur ein kleines Mädchen, das komisch aussah und das sich gewehrt hatte, als man es einfangen wollte! Parzival seufzte laut. „Ich würde mich auch wehren, wenn fremde Häscher mich packen wollten“, dachte er. Er hörte, wie sein Vater im Schlafschränkchen gegenüber anfing zu schnarchen. Seine Mutter murmelte daraufhin irgendwas im Halbschlaf und es war wieder still.  

Parzival schob den Vorhang seines Schränkchens beiseite und lugte hinaus. Alles war dunkel und still. Er wollte aufstehen und sich etwas Yakmilch nehmen, die im Kriechkeller unter der Küche aufbewahrt wurde, damit sie kühl blieb. Er tappte zur halboffenen Schlafzimmertür und huschte in die angrenzende Küche. Wenn er die Zwischentür schloss, konnte er es wagen, das Talglicht in der kleinen Laterne anzuzünden, ohne das Jemand durch die Helligkeit gestört würde. Er schöpfte danach mit einer Kelle Milch aus der großen Kanne in eine kleine Tonschale. Dann setzte er sich ans Fenster und sah in die Nacht hinaus. Es war kalt und er hatte sich Vaters Mantel umgehängt, der immer neben der Eingangstür am Haken hing. Sein eigenes Spiegelbild irritierte ihn ein wenig, als er durch die Scheibe hinaussah und dabei einen Schluck trank – doch stopp! Sein Ebenbild trank ja gar nicht – es war gar nicht sein Ebenbild – da starrte ihn ein fremdes Gesicht erschrocken an, drehte sich weg und verschwand! Es war das Kind, das Mädchen mit den Sprenkeln im Gesicht! Parzival sprang auf. Wie kann das....? Einen Moment lang konnte er keinen klaren Gedanken fassen, doch dann schlüpfte er in seine Fellstiefel, schlang den langen Mantel fester um sich und trat hinaus. Er sah sich um – da! Das Kind rannte über das Kopfsteinpflaster bis zum Feldweg und bog ab. Es hatte keinen Mantel an, nur dieses komische Fellkleid, das auch nur bis zu den Knien reichte. „Sie muss frieren“, dachte Parzival und folgte dem Mädchen. Eigentlich wusste er nicht genau, weshalb er das tat, aber Neugierde und Mitleid zogen ihn einfach hinterher. Sobald er auf dem Feldweg war, also außer Hörweite der Clansiedlung, begann er zu rufen. „Hallooooo! Mädchen! Halloooo! Bleib doch stehen, ich tu dir nichts!“  

Aber sie rannte einfach weiter. Und sie war verflixt schnell! Parzival blieb keuchend stehen, seine Lunge fing an, bei jedem Atemzug zu stechen. Jetzt bohrte er seine Augen in die Dunkelheit, aber es hatte keinen Zweck. Sie war ihm entwischt. Gerade als er sich umdrehte, sah er etwas auf dem Boden liegen. Es war ein Lederhalsband mit einem Ornamentgebilde aus schwarzem Holz als Anhänger. Das Halsband war gerissen, sie hatte es verloren. Parzival hob es auf und betrachtete es eine Weile, dann rief er in die Richtung, in der das Kind verschwunden war: „Ich nehme dein Halsband mit! Wenn du es wiederhaben willst, weißt du, wo du mich findest!“ Dann trottete er zurück. Ihm war eiskalt, als er leise durch die Tür ins Haus zurück schlich. Niemand hatte sein Fortgehen bemerkt und so kroch er leise ins Bett zurück, legte seinen Schatz unter das Kopfkissen und schlief endlich ein. 

Am folgenden Morgen dachte Parzival erst, er hätte das alles nur geträumt, doch als er seine Mutter aus der Küche rufen hörte: „Wie, zum Teufel, kommt denn die Wasserpfütze ins Haus?!“, da wurde ihm klar, dass es Wirklichkeit gewesen sein musste, denn die Pfütze stammte wohl vom Schnee an seinen Stiefeln, der nun geschmolzen war. Er tastete unter seinem Kopfkissen herum. Tatsächlich, das Lederhalsband lag darunter! Parzival zog es hervor und betrachtete den schön geschnitzten Anhänger. Aber schwarzes Holz! Wo gab es das denn? Das hatte er noch nirgendwo gesehen!  „Sie kommt wirklich von der anderen Seite“, murmelte er. 

Auf dem Weg zur Schule begegneten den Kindern wieder die Häscher. Aber diesmal kamen sie vom Haus der Räte und rannten mit grimmigen Gesichtern wieder an ihnen vorbei, Richtung zur Siedlung hinaus. Kurz danach folgte der Erzheiler aus der Clansiedlung Godelund. Er wollte das Mädchen heute morgen eigentlich untersuchen, doch er war umsonst gekommen, sie war fort. Irgendwie freute sich Parzival darüber. Mit hin und her schwingendem Gewand aus dunkelblauem Tuch rauschte der Heiler an ihm vorbei, bei jedem Schritt mit seinem langen, gedrechselten Stab aufstampfend. Dann blieb er abrupt stehen, drehte sich zu Parzival um und starrte ihn an. „Was lachst du?“, fragte er streng.  

„Oh ..äh..ich...nichts, ich dachte nur an was...in der Schule...war komisch ...weil, naja...“, stotterte Parzival erschrocken und eilte schnell hinter seinen Freunden her. Als er sich kurz umsah, stand der Heiler immer noch da und starrte hinter ihm her. „Na komm schon“, dachte er schließlich, „der kann doch keine Gedanken lesen, oder?“

In der Schule konnte Parzival sich nur schlecht konzentrieren, was an sich nicht ganz so ungewöhnlich war. Er geriet schnell ins Träumen. Doch dieses mal war es anders. Er dachte immerzu an das seltsame Mädchen, dessen Lederhalsband in seiner geballten Faust ruhte. Bisher hatte er es noch Niemandem gezeigt und er wusste auch noch nicht, ob er das überhaupt tun wollte. Wo mochte sie jetzt sein? Fror sie sehr? Hatte sie Hunger oder Durst? Lag sie irgendwo zusammengekauert herum und weinte vor Angst und Kälte?

Meisterin Filline hatte die Angewohnheit, kurz mit ihrem Zeigestock auf den Tisch eines Träumers zu schlagen, um denjenigen aufzuschrecken.

Patsch! Parzival zuckte gehörig zusammen. „Na, junger Herr Gildewenge, ausgeschlafen?“, fragte sie bissig. „ Dann erzähl doch mal, was ich gerade gesagt habe.“ Au weh! Eigentlich war er ganz gut in der Schule, aber wenn Parzival ins Träumen geriet, vergaß er alles um sich herum.   

Inzwischen war Freremond der Erzheiler auf dem Rückweg in die Clansiedlung Godelund. Er rieb sich gerade gedankenverloren seinen kurzen, schneeweißen Bart. Der junge Gildewenge hatte ihn so frech angegrinst, als ob er etwas über den Verbleib dieses Kindes wüsste. Aber warum sagte er dann nichts? Dem Kind sollte doch nichts geschehen, jedenfalls nicht aus seiner Sicht. Hm, sehr eigenartig....

„Oh, schon zurück?“, wurde er von einem jungen Kollegen am Tor empfangen. Die Siedlung der Heiler war von einem hohen Palisadenzaun umgeben, damit Niemand in ihre Kräutergärten gehen konnte oder Dinge sehen würde, die nur die Heiler etwas angingen. 

„Ja, die Kleine ist verschwunden. Oben aus dem Turm entkommen“, entgegnete Freremond. „Wie hat sie das bloß gemacht?“ 

„Turm?“, fragte der Kollege stirnrunzelnd. „Sie haben ein Kind in den Turm der Schande gesperrt?“. 

„Ja, eigenartig, nicht wahr? Tja, und nun ist es weg. Na, ich habe genug anderes zu tun als lange darüber nachzudenken. Wohin des Wegs bist du denn gerade, Merolin?“ 

„Rüber zu den Tuchmachern, da hat sich einer übel verbrüht. Bin bis zur Mittagstunde zurück. Bis dahin!“ Damit schwenkte Merolin seine geliebte rote Samtkappe, ohne die er nie zu sehen war und schlenderte pfeifend davon. Freremond sah ihm lächelnd hinterher. Er mochte den jungen Mann sehr. Kurz bevor dessen Mutter an einer schlimmen Krankheit starb, hatte sie ihm diese Kappe genäht. Damals war er vierzehn Lebensjahre alt. Nach ihrem Tod hatte Freremond den Jungen unter seine Fittiche genommen und ihm alles beigebracht, was einen Heiler ausmachte. Das war nun fünf Jahre her und vor Kurzem wurde Merolin vom Novizen zum vollständigen Heiler gekürt und feierlich als bester Absolvent in die Zunft aufgenommen. Jetzt pfiff und schlenderte Merolin vor sich hin, schlug ab und zu mit seinem Stab – das Zeichen der Heiler war ein gedrechselter Bodenstab mit einer Laterne oben dran – in die schneebedeckten Büsche am Wegrand und ließ es ordentlich stäuben. Er würde bestimmt zwei Silbertaler für seine Arbeit bekommen, damit hätte er schon dreiundzwanzig Taler in seinem Sparstrumpf. Bald hätte er soviel zusammen, dass er dafür zwei Goldbatzen bekam, sein Grundstock für ein eigenes Haus! Gut gelaunt traf der junge Heiler bei den Tuchmachern ein und ließ sich zu dem Verletzten führen.

„Na, unvorsichtig mit den heißen Dampfkesseln gewesen?“, fragte er seinen Patienten, während er die Wunde begutachtete. „Uuuuh, bis zum Ellbogen eine Brandspur – autsch!“ 

„Naja, wo ich mich so erschrocken hatte! Da war ein Ungeheuer in meiner Werkstatt!“ 

„Wie bitte?“ Merolin lachte laut. „Du wirst doch nicht einen solchen Unsinn glauben! Ein Herumstrolcher war es, der ein Nachtlager brauchte, oder?“ 

„Nein, nein, ein Ungeheuer! Es war überall beharrt, hatte funkelnde Augen und knurrte!“ 

Kopfschüttelnd begann Merolin, eine kühlende Salbe auf die Wunde zu streichen.

„Auuuu! Das tut weh, Heiler!“, jammerte sein Patient. 

„Jaja. Und diese Salbe wird dir deine Frau alle zwei Stunden erneut auftragen, verstanden? Ich lasse den Tiegel hier. Wenn ich das nächste mal komme, nehme ich ihn wieder mit. Es ist nicht ganz so schlimm, wie es aussieht. Aber vielleicht sollte ich deine Augen überprüfen oder deinen Verstand, mein Lieber. Ungeheuer die knurren! Wohl zuviel Eisbeerenwein getrunken, hm?“ 

„Nein, bestimmt nicht! Es war ein Ungeheuer hier und es knurrte ganz gemein, das schwöre ich!“ 

„Na, das würde ich nur allzu gern sehen“, erwiderte Merolin spöttisch. „Ich komme in einigen Tagen wieder. Hier ist ein Verband für deinen Arm, halte ihn sauber und trocken. Wenn ich jetzt um meinen Lohn bitten dürfte?“ 

 

Parzival konnte sich nicht durchringen, Jemandem seinen Fund zu zeigen. Er hatte das Halsband in die Innenbrusttasche seines Wamses gesteckt, dort, wo man sonst den Geldbeutel lagerte. Ob sie wohl wiederkommen würde, um ihr Eigentum einzufordern? Falls ja, würde es sicher in der Nacht sein, wenn sie unbemerkt bleiben konnte. Parzival nahm sich vor, wach zu bleiben und später, wenn auch die Eltern schliefen, heimlich aufzustehen und am Fenster zu warten. Aber das wurde dann doch eine richtige Geduldsprobe. Ausgerechnet heute kamen die Eltern erst spät ins Bett, weil sie noch lange miteinander über dies und das gesprochen hatten. Parzival kämpfte tapfer gegen den Schlaf an, doch ein paarmal waren ihm schon die Augen kurz zugefallen. Einmal meinte er sogar, das Mädchen neben seinem Bett stehen zu sehen. Es funkelte ihn mit seinen hellen Augen böse an und fletschte die Zähne. Ein richtiges Raubtiergebiss kam zum Vorschein! Parzival schreckte heftig hoch – doch da stand keiner. Er seufzte erleichtert auf, es war nur ein Traumbild gewesen. Er lugte hinter seinem Bettvorhang hervor, Richtung Elternschlafschränkchen. Aber der Vorhang war noch zurückgezogen, das Bett unberührt. Statt dessen drangen aus der Wohnküche immer noch ihre Stimmen. Gingen sie denn nie schlafen heute Nacht? Doch da wurde die Zwischentür geöffnet und beide Eltern erschienen im Rahmen. Der Vater hielt eine Laterne hoch, um besser zu den Schlafschränkchen der Kinder schauen zu können. Blitzschnell zog Parzival den Kopf ein und begann, regelmäßig zu atmen. 

„Die schlafen wie die Engel“, sagte Ingaborg. Kurze Zeit später war auch das Atmen der Eltern zu hören. Endlich konnte Parzival aufstehen. Er schlich in die Küche und entzündete wieder die kleine Laterne, wie in der Nacht zuvor. Dann legte er sich wieder Vaters Mantel über die Schulter und setzte sich ans Fenster, um hinaus zu schauen. Nichts. Eine Weile starrte er so in die Dunkelheit, aber dann konnte er die Augen nicht mehr offen halten. Ständig fiel sein Kopf vornüber und er ruckte wieder hoch. Sollte sie doch nicht kommen? Lange konnte er hier nicht mehr sitzen, denn nun begann die Kälte, die Beine empor zu krabbeln. Das war sehr unangenehm. Plötzlich schlug jemand gegen das Fenster. Parzival riss seine Augen weit auf. Da war sie! Sie war es wirklich! 

Er sprang vom Hocker und eilte zur Tür. Jetzt klopfte sein Herz doch ziemlich, weil ihm ausgerechnet in diesem Moment sein Traumbild mit dem Raubtiergebiss wieder einfiel. Was sollte er tun, wenn sie ihn tatsächlich anfiel? Doch nun war es zu spät für einen Rückzug. Vorsichtig öffnete er die Tür einen Spalt weit. Zwei helle Augen sahen ihn an.

„Du hast mein Halsband gefunden?“, fragte eine klare Mädchenstimme. Kein Knurren, kein Zähne blecken. Parzival konnte dennoch nur nicken, er war auf einmal befangen. 

„Kann ich es wieder haben?“ 

„..Äh...ja...“, er zog die Tür weiter auf und trat einen Schritt zur Seite. „Möchtest du reinkommen und dich etwas aufwärmen? Du kannst auch eine Yakmilch haben, wenn du willst.“ 

Da lächelte die Kleine ein wenig. „Danke. Das ist sehr nett von dir.“ Sie trat in die Wohnküche und sah sich um. „Gemütlich habt ihr es hier.“ 

„Nunja...“, Parzival schob ihr ein wenig unbeholfen seinen Hocker an die Feuerstelle, in der noch ein Restfeuer brannte. „Setz dich hin, ich leg noch ein paar Scheite auf.“ Während sie sich aufwärmte, huschte er hin und her, brachte noch die Milch, zog sich auch einen Hocker heran. Dann saßen sie nebeneinander und beäugten sich scheu. Plötzlich musste Parzival leise lachen. „Weißt du“, sagte er schließlich, „alle sagten, du wärst böse und würdest beißen und knurren. Aber so siehst du gar nicht aus.“ 

Jetzt lachte auch das Mädchen. „Naja, das habe ich schon getan. Ich wollte, dass alle Angst vor mir haben, damit ich keine Angst vor ihnen haben muss.“ 

„Ach so.“ Dann schwiegen sie wieder eine Weile, schließlich fragte Parzival: „Wie heißt du eigentlich?“ 

„Blandina. Und du?“ 

„Parzival. Kommst du wirklich von der anderen Seite?“ 

„Ja. Und da wäre ich auch geblieben. Aber erst habe ich meine Meisterin verloren, dann hatte ich mich verlaufen und ...naja, als ich einige Menschen von hier sah, wurde ich neugierig. Aber die haben mich gleich gejagt – wohl wegen meiner Fellkleidung und...oh!...ich bin schrecklich schmutzig oder?“ Jetzt sah sie ihn richtig erschrocken an. „Du meine Güte“, dachte Parzival bestürzt, „wie konnte man denn vor so einem armen Wesen Angst haben?“ 

Laut sagte er beruhigend: „Ach, so schlimm ist das nicht. Du musst mich mal sehen, wenn ich Philemon – das ist mein Vetter – helfe, die Yak- oder Laufvogelställe seines Vaters sauber zu machen! Ich kann dir einen Kübel warmes Wasser zubereiten, wenn du willst.“

„Was sagt denn deine Familie dazu, wenn sie uns jetzt erwischen würden?“, fragte Blandina skeptisch. „Liefern sie mich aus?“ 

Parzival konnte nur mit den Schultern zucken. „Das weiß ich nicht. Aber wir müssen eben leise sein und hoffen, das heute Nacht niemand nach draußen aufs Wegbringhäuschen muss. Was ist nun mit dem warmen Wasser?“ 

„Das ist lieb von dir – aber nein. Nachher kommst du noch meinetwegen in Schwierigkeiten. Weißt du einen windgeschützten Platz, wo ich heute schlafen könnte? Neulich nachts war ich in so einem Ort, da gab es eine Tuchwerkstatt. Aber da kann ich nicht wieder hin, ich wurde erwischt.“ 

Parzival dachte nach, dann hellte sich sein Gesicht auf. „Ja, ich weiß einen Ort. Wir...“, weiter kam er nicht, denn die Zwischentür wurde leise geöffnet und Ariadne spazierte herein. Abrupt blieb sie stehen und starrte Blandina an, die erschrocken aufsprang. „Oooooooh! Du bist die, die sie suchen!“ 

„Pssst!“, zischte Parzival seine Schwester an. „Sei doch leise! Sie heißt Blandina und ist alles andere als ein Monster. Wir müssen ihr helfen, klar?“ 

Ariadne musterte das Mädchen eine Weile, dann nickte sie. „Gut. Du siehst nett aus. Ich bin Ariadne.“ Blandina atmete heftig aus vor Erleichterung. „Danke. Du siehst auch nett aus. Parzival wollte mir gerade zeigen, wo ich schlafen kann.“ 

„Ich bringe sie rauf zu Großtante Berthelina, die hat doch einen kleinen Bretterverschlag neben der Hauswand, der schon Ewigkeiten nicht mehr richtig genutzt wird. Ihre Vorräte lagert sie manchmal nur noch drinnen, wenn die gekühlt werden müssen. Da guckt sonst nie einer hin.“ Und zu Blandina gewandt, sagte er: „Allerdings ist das ein schmales, niedriges Ställchen. Genügt dir das? Ich gebe dir eine Decke mit.“

„Und ich leuchte euch den Weg mit der Laterne“, sagte Ariadne bestimmt. 

„Das geht nicht“, erwiderte Parzival. „Du musst bleiben und aufpassen, dass keiner mein Verschwinden bemerkt, falls Mama oder Papa wach werden. Wenn sie in meinen Schlafschrank schauen wollen – nur so aus Kontrolle oder so – dann musst du sie schnell ablenken.“ 

„Na gut. Aber morgen früh bringe ich Blandina heimlich das Frühstück, abgemacht? Und – eine Frage noch, Blandina – die Punkte in deinem Gesicht, sind die gefährlich?“ 

Blandina hätte beinahe laut aufgelacht, sie hielt sich schnell noch die Hand vor den Mund. „Meine Sommersprossen? Aber nein, gar nicht! Kennt ihr sowas nicht?“ 

Die Geschwister schüttelten den Kopf. „Nie gesehen“, sagte Parzival, dann fiel ihm noch etwas ein. „Du sprichst unsere Sprechweise so gut, wie kommt das?“ 

„Ach, von meiner Meisterin. Doch, soviel anders ist die Unsrige gar nicht. Alles sehr ähnlich, das Meiste wird nur anders betont, manches Ding hat ein anderes Wort– klingt dann aber ähnlich.“ 

Aus dem Nebenraum hörten sie, wie Gilbrecht hustete. „Schnell weg mit euch“, zischte Ariadne ihnen zu. „Bevor noch was schief geht.“ 

Aber es verlief alles ohne Zwischenfälle. Blandina kroch in den niedrigen Verschlag, kuschelte sich in die dicke Decke und war schon vor Erschöpfung fest eingeschlafen, als Parzival sich noch verabschieden wollte.

Am nächsten Morgen wunderte sich Ingaborg über zwei gähnende Kinder am Frühstückstisch.

„Nanu, ihr seid noch müde?“, fragte sie, „habt ihr schlecht geschlafen?“ 

Die Kinder sahen sich kurz an, dann sagte Ariadne scheinbar schuldbewusst: „Wir waren heute Nacht in der Küche und haben uns etwas Yakmilch genommen. Dabei haben wir wohl die Zeit verplaudert.“ 

„Ach so – nun, ihr wisst schon, dass ihr nachts nicht herumgeistern sollt?“ 

„Ja, Mutter. Es kommt nicht wieder vor.“ 

Ingaborg sah zwischen ihren Kindern hin und her. Komisch, wieso hatte sie das Gefühl, dass hier irgendwas nicht stimmte? „Ihr habt aber nichts angestellt, oder?“ 

Mit großen Augen sahen die Geschwister sie an. „Angestellt?“ fragte Parzival entrüstet. Das konnte man ja nun wirklich nicht sagen, eigentlich hatten sie ja nur einem Menschen in Not geholfen – wenn auch heimlich. „Nein, Mutter, ehrlich, wir haben nichts Unrechtes getan!“ 

„Soso...gut, ich glaube euch. Da, nehmt euer Pausenbrot mit und dann ab mit euch.“ 

Ariadne gab ihrem Bruder ein Zeichen. „Oh -äh – Mutter, kann ich noch etwas Milch bekommen?“, fragte er. Dazu musste sie nämlich in den Kriechkeller, der Krug auf dem Tisch war leer. 

„Aber sicher“, erwiderte sie und öffnete die Klappe. Kaum war sie dahinter verschwunden, rutschte Ariadne von ihrem Stuhl, erhaschte einige kleine Fladenbrote, nahm sich zwei Äpfel aus dem großen Korb und verstaute alles in ihrem Leinenbeutel. Als die Mutter einen frischen Krug Milch auf den Tisch stellte, saß sie wieder an ihrem Platz.  

„Kann ich schon vorgehen? Ich bin fertig mit Frühstück“, sagte sie beiläufig, „ Reynehild wartet sicher schon draußen.“ Ohne eine Antwort abzuwarten, flitzte sie aus der Tür hinaus. Natürlich wollte sie in Wirklichkeit den Hügel zu Großtante Berthelinas Haus hinaufrennen, um Blandina das Frühstück zu bringen. Ingaborg sah ihr kopfschüttelnd nach. Was war nur los heute Morgen?  

„Habt ihr euch gestritten?“, fragte sie ihren Sohn. Parzival machte ein erstauntes Gesicht. „Gestritten? Ariadne und ich? Wie kommst du da denn drauf? - Oh, ich muss jetzt aber auch los – bis später!“ Damit flitzte Parzival ebenfalls hinaus. Vor der Haustür wäre er beinahe mit seinem Vater zusammengestoßen, der nochmal von der Arbeit zurückgekehrt war, weil er seine kleine Tonpfeife vergessen hatte. Die rauchte er immer in den Pausen. 

„Nanu, Sohn? Du bist noch nicht zu spät, brauchst also nicht zu rennen“, sagte er lachend. 

„Sicher – entschuldige Vater – will aber nicht der Letzte sein heute – bis dann!“ Weg war er. 

„Ingaborg, was ist mit unserem Sohn los?“, fragte er seine Frau, als er in die Küche trat. 

„Nur unser Sohn?“, fragte sie zurück. „Die sind beide heute wie umgekrempelt. Ich sage dir, die hecken was aus.“ 

„Kinder“, murmelte Gilbrecht, während er sich am Kopf kratzte, „wird schon nicht so schlimm sein, haben früher auch immer mal was angestellt. Wird sich aufklären.“