Die Kreuzritter - Henryk Sienkiewicz - E-Book

Die Kreuzritter E-Book

Henryk Sienkiewicz

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Beschreibung

In "Die Kreuzritter" bringt Henryk Sienkiewicz, der mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnete polnische Autor, die tumultuöse Zeit der Kreuzzüge im 12. Jahrhundert lebendig zum Ausdruck. Mit seinem charakteristischen literarischen Stil, der durch lebendige Beschreibungen und tiefgreifende Charakterstudien geprägt ist, entführt er den Leser in eine Welt voller Abenteuer, Glaubensfragen und Konflikte. Die Erzählung vereint historische Fakten mit fesselnden fiktiven Elementen und zeichnet ein eindringliches Bild vom Leben der Kreuzritter, ihren Kämpfen, Idealen und den Herausforderungen, denen sie gegenüberstehen. Sienkiewicz' meisterhafte Schilderung bietet einen umfassenden Einblick in das moralische Dilemma und die emotionalen Anfechtungen der Protagonisten, während er die großen Themen von Ehre und Opfer in den Mittelpunkt stellt. Henryk Sienkiewicz wurde 1846 in Polen geboren und entwickelte eine tiefe Verbundenheit zu seiner Heimat, die ihn in seinem literarischen Werk maßgeblich beeinflusste. Seine umfassenden Studien über Geschichte und Literatur, zusammen mit einem ausgeprägten Sinn für die nationalen Identität und Werte, verleihen "Die Kreuzritter" eine besondere Authentizität. Sienkiewicz, der oft als Chronist seiner Zeit angesehen wird, spiegelt in diesem Roman die Widerstände und Herausforderungen wider, die Polen während seiner Abhängigkeit erlebte. Sein persönliches Engagement für Freiheit und Gerechtigkeit lässt sich in seiner Schrift deutlich nachvollziehen und verstärkt den historischen Kontext des Werkes. "Die Kreuzritter" ist nicht nur ein packender Roman über Abenteuer und Heldentum, sondern auch ein tiefer Einblick in die menschliche Seele vor dem Hintergrund der historischen Ereignisse. Leser, die sich für Geschichte, Ethik und die menschliche Natur interessieren, werden in diesem Werk sowohl fesselnde Unterhaltung als auch tiefgreifende Reflexion finden. Sienkiewicz nutzt die Vergangenheit, um universelle Fragen zu stellen, die auch in der heutigen Welt relevant sind. Daher ist dieses Buch eine unverzichtbare Lektüre für jeden, der nach Erkenntnissen über Mut, Glaube und die komplexe Natur des Menschseins sucht. In dieser bereicherten Ausgabe haben wir mit großer Sorgfalt zusätzlichen Mehrwert für Ihr Leseerlebnis geschaffen: - Eine prägnante Einführung verortet die zeitlose Anziehungskraft und Themen des Werkes. - Die Synopsis skizziert die Haupthandlung und hebt wichtige Entwicklungen hervor, ohne entscheidende Wendungen zu verraten. - Ein ausführlicher historischer Kontext versetzt Sie in die Ereignisse und Einflüsse der Epoche, die das Schreiben geprägt haben. - Eine Autorenbiografie beleuchtet wichtige Stationen im Leben des Autors und vermittelt die persönlichen Einsichten hinter dem Text. - Eine gründliche Analyse seziert Symbole, Motive und Charakterentwicklungen, um tiefere Bedeutungen offenzulegen. - Reflexionsfragen laden Sie dazu ein, sich persönlich mit den Botschaften des Werkes auseinanderzusetzen und sie mit dem modernen Leben in Verbindung zu bringen. - Sorgfältig ausgewählte unvergessliche Zitate heben Momente literarischer Brillanz hervor. - Interaktive Fußnoten erklären ungewöhnliche Referenzen, historische Anspielungen und veraltete Ausdrücke für eine mühelose, besser informierte Lektüre.

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Henryk Sienkiewicz

Die Kreuzritter

Bereicherte Ausgabe. Staat des Deutschen Ordens (Historischer Roman)
In dieser bereicherten Ausgabe haben wir mit großer Sorgfalt zusätzlichen Mehrwert für Ihr Leseerlebnis geschaffen
Bearbeitet und veröffentlicht von Good Press, 2023
EAN 8596547674542

Inhaltsverzeichnis

Einführung
Synopsis
Historischer Kontext
Autorenbiografie
Die Kreuzritter
Analyse
Reflexion
Unvergessliche Zitate
Notizen

Einführung

Inhaltsverzeichnis

Macht prallt auf Moral, und Geschichte wird zur Frage des Gewissens. Aus dieser Spannung gewinnt Die Kreuzritter seine anhaltende Faszination: Ein historischer Roman, der private Leidenschaften mit der Wucht politischer Entscheidungen verschränkt. Henryk Sienkiewicz entfaltet eine Welt, in der Standesehre, religiöse Bindungen und die Suche nach Gerechtigkeit unlösbar miteinander verbunden sind. Zugleich öffnet der Text einen Blick auf die Mechanismen von Gewalt und Legitimation, die sich hinter glänzenden Rüstungen verbergen. Der Roman interessiert sich weniger für Legenden als für Menschen, die zwischen Pflicht, Loyalität und persönlichem Glück ihren Weg finden müssen.

Als Klassiker gilt das Werk, weil es epochale Breite mit erzählerischer Klarheit verbindet. Sienkiewicz zeigt, wie historische Stoffe mehr sein können als Kulisse: Sie bilden ein Prisma, durch das Gegenwartserfahrungen sichtbar werden. Die Kreuzritter verbindet Abenteuer, Gesellschaftsbild und sittliche Prüfung zu einem narrativen Ganzen von seltener Geschlossenheit. Die anziehende Lesbarkeit, die anschauliche Bildkraft und die Konzentration auf universale Konflikte haben das Buch über die Grenzen seines Entstehungslands hinaus anschlussfähig gemacht. Es steht exemplarisch für eine Traditionslinie des historischen Romans, die Spannung, Charakterentwicklung und Ideen auf hohem Niveau vereint.

Henryk Sienkiewicz (1846–1916), polnischer Schriftsteller und Träger des Nobelpreises für Literatur (1905), verfasste Die Kreuzritter gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Der Roman erschien ursprünglich in Fortsetzungen in den Jahren 1897 bis 1900; die Buchausgabe folgte 1900. Der polnische Originaltitel lautet Krzyżacy; Die Kreuzritter ist eine verbreitete deutsche Übersetzung. Entstanden ist das Werk in der Zeit der Teilungen Polens, deren politisch-kultureller Druck die historische Thematik besonders resonant machte. Diese Eckdaten verorten das Buch präzise: ein Spätwerk des 19. Jahrhunderts mit Blick auf das Mittelalter, geschrieben in einer Periode intensiver nationaler Selbstvergewisserung.

Die Handlung führt in eine spätmittelalterliche Grenzwelt, in der Rivalitäten zwischen Mächten, religiöse Verpflichtungen und persönliche Fehden ineinandergreifen. Im Zentrum stehen ein junger Ritter und sein erfahrener Onkel, die durch Zufall, Pflicht und Herzensdinge in Ereignisse geraten, die von lokaler Auseinandersetzung zu größerer Erschütterung anwachsen. Reisen, Burgen, Märkte und Höfe bilden die Bühnen dieser Bewegung. Übergreifende Konflikte sind präsent, doch die Perspektive bleibt nah an den Figuren, ihrem Mut, ihren Irrtümern, ihren Bindungen. So entsteht eine dichte, ohne Vorwissen verständliche Einführung in eine Epoche, deren Lebensformen Sienkiewicz plastisch macht.

Thematisch richtet sich der Blick auf die Gegenüberstellung von Recht und Macht, von Glauben und Fanatismus, von Ehre und nacktem Eigeninteresse. Die Kreuzritter untersucht, wie Regeln, Rituale und Symbole Ordnung versprechen und doch von Menschen ausgelegt werden, die fehlbar sind. Treue, Freundschaft und Liebe stiften Sinn, werden aber durch Gewalt, Intrige und Prestigedenken bedroht. Der Roman zeigt ferner, wie Gemeinschaften Identität formen, Ausgrenzung erzeugen und Solidarität organisieren. Aus dieser Mischung entsteht ein ethisches Feld, das komplex ist, ohne in Unübersichtlichkeit zu versinken, und das Fragen stellt, die über Zeit- und Ortsgrenzen hinausreichen.

Charaktere werden nicht als Allegorien, sondern als Handelnde entworfen, deren Entscheidungen Konsequenzen haben. Der junge Krieger, der sich zwischen Ritterideal und persönlichem Begehren behaupten muss, sein Verwandter, der Erfahrung in Klugheit verwandelt, und die Frauenfiguren, die Würde, Zärtlichkeit und Entschlossenheit verkörpern, eröffnen unterschiedliche Sichtweisen. Nebenfiguren zeigen die soziale Vielfalt der Epoche: Klerus, Bürgertum, niedere und hohe Ritterschaft. Sienkiewicz lässt so eine Gesellschaft entstehen, in der Rechtssprüche, Gastmähler und Wegstationen ebenso wichtig werden wie Prüfungen des Mutes – und in der kleine Gesten das große Ganze spiegeln.

Erzählerisch beherrscht der Roman den Wechsel zwischen Nahaufnahme und Panorama. Sienkiewicz gestaltet Turniere, Ritte und Ratsversammlungen mit derselben Sorgfalt, mit der er stille Momente des Zweifels, des Trostes oder der Entschlossenheit zeichnet. Die Prosa ist zugänglich, rhythmisch und bildreich; archaisierende Färbungen schaffen historische Nähe, ohne das Verständnis zu hemmen. Humor und Pathos halten einander in Schach, sodass weder Überhöhung noch Nüchternheit dominieren. Dieses Gleichgewicht erklärt, warum das Werk sowohl als spannendes Erzählen funktioniert als auch als Reflexion über Normen, Loyalitäten und die Verführbarkeit menschlicher Gemeinschaften.

Die historische Recherche zeigt sich in Bräuchen, Rechtssitten, Bewaffnung, Kleidung und Alltagspraktiken. Sienkiewicz nutzt diese Details nicht museal, sondern dramatisch: Sie strukturieren Handlung, erzeugen Reibung, setzen Grenzen und öffnen Möglichkeiten. Der Leser erfährt etwas über Wege, Entfernungen, Fehdebräuche und Schutzversprechen – jedoch immer so, dass das Wissen der Figuren den Takt vorgibt. Gerade dadurch entsteht ein Wirklichkeitseindruck, der die historischen Rahmenbedingungen ernst nimmt und zugleich erzählerische Freiheit erlaubt. Die Welt wirkt bewohnt, nicht ausgestellt, und das Mittelalter erscheint als Erfahrungsraum, nicht als Dekor.

In der literarischen Erinnerung nimmt Die Kreuzritter einen festen Platz ein. Der Roman liegt in vielen Sprachen vor und hat Generationen von Lesenden an historische Stoffe herangeführt. Seine Rezeption zeigte, dass populäre Erzählkunst und anspruchsvolles Geschichtsbild einander nicht ausschließen. Zugleich löste das Buch Debatten darüber aus, wie man über Gewalt, Glauben und kollektive Identität erzählt, ohne Stereotype zu reproduzieren. Gerade diese Reibungen gehören zur Wirkungsgeschichte: Sie halten das Werk offen für neue Fragestellungen und machen deutlich, dass Klassiker nicht durch Einigkeit leben, sondern durch anhaltende Gespräche.

Wer heute zu diesem Roman greift, begegnet nicht nur einer spannenden Handlung, sondern einem Prüfstein historischer Imagination. Die Kreuzritter zeigt, wie Erzählungen Zugehörigkeiten formen und wie leicht Legitimation aus Tradition gewonnen wird. Das fordert zur kritischen Lektüre heraus: Welche Stimmen fehlen? Welche Motive treiben Entscheidungen? Welche Bilder von Ehre, Schuld und Sühne werden aufgerufen? Indem das Buch diese Fragen provoziert, lädt es dazu ein, die eigenen Kategorien von Fremdheit und Nähe zu prüfen und historische Darstellungen als gestaltete, interessengebundene Perspektiven zu verstehen.

Zugleich entfaltet der Roman eine bleibende Aktualität: Er macht sichtbar, wie Propaganda funktioniert, wie Recht verbogen werden kann und wie Individuen Handlungsmacht behaupten. Er reflektiert Loyalität, Zivilcourage und den Preis der Gewalt. In einer Gegenwart, die wieder intensiv über kollektive Identität, Grenze, Religion und staatliche Autorität verhandelt, wirkt die mittelalterliche Bühne keineswegs fern. Vielmehr dient sie als Spiegel, in dem wir die Mechanik von Polarisierung und Versöhnung, von Rache und Gerechtigkeit, von Angst und Hoffnung erkennen können – und als Ansporn, den moralischen Kompass zu schärfen.

Die Kreuzritter ist daher mehr als ein historischer Roman: Es ist eine Schule des Erzählens und des Urteilens. Zeitlos sind seine Qualitäten – plastische Figuren, klare Dramaturgie, ein Reichtum an Szenen, die sich einprägen, und die Fähigkeit, das Große im Kleinen zu zeigen. Wer es heute liest, entdeckt Abenteuer und Nachdenklichkeit, Stoff für Herz und Verstand. Dass das Buch als Klassiker gilt, verdankt sich genau dieser Doppelbewegung: Es fesselt und bildet, es unterhält und prüft. So bleibt es lebendig – als Literaturereignis und als Einladung, Geschichte verantwortungsvoll zu betrachten.

Synopsis

Inhaltsverzeichnis

Henryk Sienkiewicz’ historischer Roman Die Kreuzritter, 1899–1900 erstmals veröffentlicht, führt in die spätmittelalterliche Grenzregion zwischen Polen, Litauen und dem Machtbereich des Deutschen Ordens. Vor dem Hintergrund religiöser Legitimationsformeln, höfischer Rituale und rauer Grenzkriege folgt die Handlung einem jungen Ritter und seinem erfahrenen Onkel. Ihre Wege verbinden private Versprechen mit öffentlichen Konflikten. Das Werk eröffnet eine Welt, in der Ruhm, Frömmigkeit und politische Berechnung einander überlagern, und in der die Frage nach Recht und Gerechtigkeit nicht nur auf dem Schlachtfeld, sondern ebenso vor Gerichten und am Hof verhandelt wird. Die Erzählung setzt klare historische Markierungen, ohne ihre Figuren der Chronik zu opfern.

Am Beginn erreichen der junge Edelmann und sein kriegserprobter Verwandter die königliche Residenz. Zwischen Turnierplatz, Pilgerprozession und höfischem Zeremoniell bindet ihn ein spontanes Liebesgelöbnis an eine zarte Sängerin aus dem Grenzland. Ritterliche Geste und jugendlicher Überschwang geraten jedoch in Konflikt mit Gesandten des Ordens, deren Ehrvorstellungen und Privilegien im Reich Anstoß und Gefährdung bedeuten. Eine juristische Auseinandersetzung droht, in der alte Bräuche, königliche Gnade und das geschulte Recht der Klöster aufeinandertreffen. Sienkiewicz zeichnet dabei den Ton zwischen Heiterkeit und Ernst, während sich erste Risse zwischen persönlicher Ehre und politischer Realität zeigen.

Das Grenzland, in dem die versprochene junge Frau aufwuchs, erscheint als Probe für Loyalität und Geduld. Ihr Vater, ein weithin respektierter Wehrbauer und Grenzherr, ist von jahrzehntelangen Überfällen gezeichnet und misstraut den frommen Worten, hinter denen Eroberungslust steht. Der Orden dehnt sein Recht aus, beruft sich auf Mission und Ordnung, und nutzt Diplomatie wie auch Angst, um Einfluss zu gewinnen. Der Held und sein Onkel schwanken zwischen höfischer Bindung und der Pflicht, das Unrecht der Grenzstreitigkeiten zu benennen. Freundschaften am Hof entstehen, doch die Gewissheit wächst, dass bloße Förmlichkeiten den kommenden Sturm nicht aufhalten können.

Ein einschneidendes Ereignis verschiebt die Handlung vom höfischen Parkett in eine düstere Suche: Die Geliebte verschwindet unter undurchsichtigen Umständen, und Spuren führen in Burgen, in denen Ordensregeln als Deckmantel dienen. Die Reise der Verwandten wird zur Bewährungsprobe. Der eine vertraut auf Geduld, Rechtswege und Vermittlung, der andere brennt auf ritterliche Tat. Unterwegs erleben sie die Härte des Nordostens mit seinen Sümpfen, Wäldern und rastlosen Grenzreitern. Botschaften werden geschickt, Bündnisse geprüft, Lösegeld verhandelt. Die persönliche Not verweist immer stärker auf eine allgemeine Frage: Welche Gerechtigkeit kann von Institutionen erwartet werden, die sich selbst als unfehlbar deuten?

Als Worte nicht mehr ausreichen, treten Herausforderungen und Zweikämpfe an die Stelle langer Verhandlungen. Ein Gesandter des Ordens erscheint am Hof, die Zunge scharf wie ein Schwert, und reizt zu einer Bewährung, die den Ruf ganzer Landschaften betrifft. Die Handlung verdichtet sich in einer Abfolge von öffentlichen Auftritten, rechtlichen Schritten und ritterlichen Proben. Ein blutiger Zwischenfall lässt die Fronten verhärten und löst neue Forderungen nach Sühne aus. Sienkiewicz zeigt, wie symbolische Gesten in Fehden münden, und wie aus Einzelfällen politische Signale werden. Der Spielraum für Vermittlung schrumpft, während Stolz und Angst ein gefährliches Bündnis eingehen.

Zwischen Vorstößen und Rückzügen öffnet der Roman immer wieder das Fenster in den Alltag. Auf dem Land müssen Höfe wieder aufgebaut, Schulden geregelt, Waffen beschafft und Vorräte gesichert werden. Eine bodenständige Nachbarstochter gewinnt an Bedeutung und steht mit Tatkraft und Klugheit für ein anderes Ideal von Bindung als das entrückte Minnelied. Daraus erwächst ein stiller innerer Konflikt: Die Pflicht gegenüber Familie und Gemeinwesen verlangt Verlässlichkeit, die Sehnsucht klammert an einer verklärten Vergangenheit. Die Figuren reifen, ohne ihre Schwächen zu verlieren. Der Roman vermeidet Sentimentalität und zeigt, wie Ethos nicht im Ausnahmezustand, sondern im Alltag geprüft wird.

Der politische Horizont weitet sich. Die Union zwischen Polen und Litauen festigt sich, doch der Orden beharrt auf seiner Mission und reklamiert Grenzaufsicht trotz veränderter Lage. Klösterliche Kanzleien produzieren Schriften, Boten durchqueren Europa, Beschuldigungen und Rechtfertigungen kreisen um Taufversprechen, Verträge und Übergriffe. Auf dem Land sammeln sich die Aufgebote, Bannerträger üben, und die Königsboten rufen zur Heerfahrt. Die Hauptfiguren schließen sich diesen Vorbereitungen an, getragen von persönlichen Motiven und vom Gefühl, dass sich in der kommenden Auseinandersetzung private Rechnungen und öffentliche Ordnung untrennbar berühren werden. Der Roman ordnet das Private behutsam in das große Getriebe der Politik ein.

Schließlich setzt sich das Heer in Bewegung. Märsche, Spähzüge und Feldlager führen zu einer Entscheidungsschlacht bei Grunwald im Jahr 1410. Sienkiewicz schildert die Spannung des Vorabends, das Ritual der Banner, Gebete und Ansprachen, und legt zugleich die innere Tremor der Kämpfenden frei. Strategische Weichenstellungen treten neben zufällige Begegnungen, und persönliche Gelübde prallen auf die brutale Wirklichkeit des Gefechts. Die Erzählung pendelt zwischen Panorama und Nahsicht, ohne die militärische Entscheidung vorwegzunehmen. Im Zentrum bleibt die Frage, ob Recht gegen überlegene Organisation bestehen kann, und welcher Preis für Gerechtigkeit aufgebracht werden darf.

Nach dem Donnern der Waffen kehrt der Text zur Prüfung von Motiven zurück. Er fragt, wie glaubwürdig Frömmigkeit ist, wenn sie Herrschaft tarnt, und wie Gemeinschaften sich gegen Übergriff und Entmutigung wappnen. Die Figuren finden Maßstäbe in Nachbarschaft, Erinnerung und einem Ehrenbegriff, der nicht mit Rachsucht verwechselt werden soll. Sienkiewicz’ Roman wirkt über seine Zeit hinaus, weil er Gewaltkritik, Staatsräson und persönliches Gewissen in Beziehung setzt. Ohne triumphale Geste betont die Erzählung Beharrlichkeit und Mitmenschlichkeit als Gegenkräfte zur Hybris. So bleibt Die Kreuzritter ein Werk, das nationale Erfahrung literarisch bündelt und zugleich universelle Fragen nach Verantwortung stellt.

Historischer Kontext

Inhaltsverzeichnis

Henryk Sienkiewicz’ Roman Die Kreuzritter ist in der Wende vom 14. zum 15. Jahrhundert verortet, vor allem in den Gebieten des Königreichs Polen, des Großfürstentums Litauen und im monastischen Staat des Deutschen Ordens in Preußen. Dominante Institutionen sind die katholische Kirche, der polnische Königshof, die litauische Fürstenmacht und der militärisch organisierte Orden. Städte unter Magdeburger Recht, adelige Grundherrschaften und Kirchensprengel strukturieren den Raum. Diese Ordnung prägt Rechtswege, Steuern, Heeresaufgebote und Alltagsfrömmigkeit. Das Werk spiegelt diese Konstellation, indem es Konflikte um Souveränität, Glaubenslegitimation und herrschaftliche Gewalt in einer von Burgen, Märkten und Pilgerwegen geprägten Landschaft entfaltet.

Der Deutsche Orden hatte seit dem frühen 13. Jahrhundert eine Territorialherrschaft in Preußen aufgebaut. Ausgangspunkte waren kaiserliche und päpstliche Bestätigungen sowie Einladungen polnischer Fürsten, die sich Schutz gegen heidnische und rivalisierende Mächte erhofften. Aus einer Hospital- und Rittergemeinschaft wurde ein straff geführter Ordensstaat mit Hochmeister, Komtureien und einer eigenen Verwaltung. Der Anspruch, heidnische Völker zu missionieren, legitimierte militärische Expansion. Zugleich etablierte der Orden Städte, Burgen in Backsteingotik, Zollstellen und Handelsprivilegien. Diese Verbindung aus spirituellem Auftrag und weltlicher Macht bildet einen zentralen historischen Rahmen des Romans.

Die polnische Seite gewann im 14. Jahrhundert Profil unter König Kasimir III., genannt der Große (reg. 1333–1370). Er konsolidierte Grenzen, reformierte Recht und Verwaltung, förderte Städte und sicherte durch Burgenbau und Diplomatie die Stellung des Reiches. 1364 wurde in Krakau eine Universität gegründet, die bald zu einem Zentrum gelehrter Bildung wurde. Die dadurch gestärkte städtische und höfische Kultur wirkt in die Romanwelt hinein: Rechtssicherheit, Handelswege und ein höfisches Selbstverständnis stellen den Hintergrund, vor dem Konflikte mit dem Orden nicht als Randerscheinung, sondern als Kernfrage staatlicher Souveränität erscheinen.

Nach Kasimirs Tod folgte die Personalunion mit Ungarn. König Ludwig von Anjou gewährte 1374 das Privileg von Koszyce, das die Steuerlast der polnischen Szlachta reduzierte und ihren politischen Einfluss stärkte. Diese Stärkung des Adels beeinflusste Heeresaufgebote, Landrechte und das Selbstbild der politischen Nation. Die anschließende Thronfolgekrise mündete in die Krönung Jadwigas (1384), deren Regentschaft als gewandte Außenpolitik und kirchliches Patronat in Erinnerung blieb. Sienkiewicz’ Erzählhorizont berührt diese Konstellationen: Adelsprivilegien, dynastische Bündnisse und religiöse Legitimation liefern entscheidende Impulse für die Konfliktlinien, die er aus historischer Perspektive nachzeichnet.

Ein neuralgischer Punkt war die Union zwischen Polen und Litauen. Mit der Vereinbarung von Krewo (1385) akzeptierte Großfürst Jogaila die Taufe, heiratete Jadwiga und wurde 1386 als Władysław II. Jagiełło König von Polen. Die Christianisierung Litauens ab 1387 unterstellte weite Gebiete kirchlicher Ordnung und band Eliten an polnische und römische Strukturen. Politisch entstand eine Doppelmonarchie mit abgestimmter Außenpolitik. Dieses Bündnis veränderte die Kräftebalance an der Ostsee fundamental und entzieht den Ordenskriegen ihre bisherige missionarische Legitimation – eine Spannung, die Sienkiewicz in der Darstellung von Feindschaft, Rechtfertigung und Gewaltmittel sichtbar macht.

Die Reaktion des Ordens war von Diplomatie und Propaganda geprägt. Ordensvertreter stellten die Aufrichtigkeit der litauischen Bekehrung in Frage und reklamierten fortdauernde Missionsrechte, insbesondere in Samogitien, einem Grenzraum wiederholter Aufstände. Papsthof und Reich dienten als Foren konkurrierender Rechtstitel. In dieser Gemengelage wurden Siege, Eide, Urkunden und Gutachten zu Waffen des Streits. Der Roman spiegelt diese Diskurse, indem er zeigt, wie religiöse Semantik politisch funktionalisiert wird und wie sich Rechtsansprüche in militärische Aktionen übersetzen – ein Kernmechanismus spätmittelalterlicher Herrschaftskonflikte in Osteuropa.

Ökonomisch formte der Ostseeraum die Handlungsmöglichkeiten. Die Hanse verband Hafen- und Binnenstädte, und Danzig/Gdańsk fungierte als kritischer Umschlagplatz. Die Vistula bot eine Achse für Holz, Salz, Getreide und Pelze, auch wenn der große polnische Getreideexport erst später voll einsetzte. Ordenszölle, Stapelrechte und Stadtrechte bestimmten Gewinnspannen und Loyalitäten. Kaufleute, Mühlen, Brauereien und Tuchhandwerk prägten den Alltag. In dieser Welt konkurrieren Städte um Freiheiten, Landesherren um Rente und Händler um sichere Wege – ein Hintergrund, den Sienkiewicz’ Szenen von Reise, Markt und Belagerung sozial glaubhaft machen.

Die Gesellschaft gliederte sich in eine landbesitzende Szlachta, städtische Bürgerschaften und eine ländliche Bevölkerung, deren Abhängigkeiten sich im 14./15. Jahrhundert verfestigten. Der Klerus stellte eine gelehrte Elite, die Recht, Bildung und Seelsorge prägte. Mehrsprachigkeit war üblich: Latein in Kirche und Kanzlei, Polnisch und Deutsch in Städten und auf Märkten, Ruthenisch in litauischen und ruthenischen Gebieten. Eheallianzen, Patronage und Vasallität banden die Eliten, während bäuerliche Pflichten Abgaben, Frondienste und Robot umfassten. Diese sozialen Strukturen bieten dem Roman seine Konfliktarena aus Ehre, Rechtsanspruch und sozialer Verwundbarkeit.

Die Militärkultur um 1400 verband ritterliche Reiterei mit berittenen und fußkämpfenden Kontingenten, Armbrustschützen und Hilfstruppen. Plattenrüstungen, Lanzenangriffe und geordnete Rotten bestimmten das Gefecht. Belagerungstechnik – von Wurfmaschinen bis zu frühen Pulvergeschützen – entwickelte sich spürbar, kam jedoch vor allem gegen Mauern zum Einsatz. Der dichte Burgenkranz des Ordens und die königlichen Burgvogteien Polens machten Märsche, Versorgung und Kundschaftsdienste kriegsentscheidend. Sienkiewicz nutzt diese Rahmenbedingungen, um Loyalität, Disziplin und militärische List als soziale Werte zu inszenieren, ohne die technischen Realitäten seiner Epoche zu ignorieren.

Der lange Vorlauf des polnisch-ordensstaatlichen Konflikts umfasst Grenzkriege, Scharmützel und Rechtssachen. Strittig blieb die Herrschaft über Pommerellen mit Danzig, das der Orden zu Beginn des 14. Jahrhunderts an sich gebracht hatte. Schiedsverfahren unter päpstlicher Mitwirkung und wechselnde Schutzherrschaften erzeugten ein Geflecht aus Urteilen, Kompromissen und Friktionen. Wiederkehrende Auseinandersetzungen an der litauischen Grenze, Überfälle und Gegenstrafzüge hielten die Region in ständiger Alarmbereitschaft. Im Roman verdichten sich diese Faktoren zu persönlicher Feindschaft, verletzter Ehre und lokalen Inkorporationskämpfen, die den großen politischen Konflikt im Kleinen spiegeln.

Die sogenannte Große Schlacht von 1409–1411, häufig als Großer Krieg bezeichnet, bildet den historischen Höhepunkt. 1410 kam es bei Grunwald/Tannenberg zur Entscheidungsschlacht zwischen dem polnisch-litauischen Heer unter König Władysław II. Jagiełło und Großfürst Vytautas auf der einen sowie dem Deutschen Orden unter Hochmeister Ulrich von Jungingen auf der anderen Seite. Der Orden erlitt eine schwere Niederlage, der Hochmeister fiel. Der anschließende Zug auf Marienburg scheiterte am zähen Widerstand. Der Erste Friede von Thorn (1411) beendete die Feindseligkeiten vorerst und legte Entschädigungen fest, ohne alle Streitpunkte zu lösen.

Diese Ereignisse stärkten die Position der polnisch-litauischen Union in Mitteleuropa und schwächten den militärischen Nimbus des Ordens. Zugleich blieben Grenz- und Besitzfragen ungeklärt; weitere Kriege und Schiedsverfahren folgten in den Jahrzehnten danach. Für die Zeitgenossen war Grunwald sowohl militärische Zäsur als auch symbolische Selbstvergewisserung eines Reichsverbunds, der seine Legitimität nun weniger aus Bekehrung, sondern aus Rechtsanspruch und geordnetem Regiment ableitete. Diese Deutung lässt sich in Sienkiewicz’ Anlage wiederfinden, die staatliche Stärke aus Einigkeit, Disziplin und gerechter Ordnung herleitet.

Der Alltag der dargestellten Epoche war von Agrarwirtschaft und Grundherrschaft geprägt. Dreifelderwirtschaft, Viehzucht und Waldnutzung sicherten die Versorgung. Salz aus Wieliczka und Bochnia, Metallwaren, Honig und Wachs bildeten begehrte Güter. Reisegeschwindigkeit und Nachrichtenabläufe waren begrenzt; Flüsse fungierten als Transportadern. Die Pestwellen des 14. Jahrhunderts trafen Polen und Litauen nach heutiger Forschung tendenziell weniger heftig als manche westeuropäischen Regionen, doch blieben Bevölkerungsverluste und Arbeitskräftemangel spürbar. Diese Rahmenbedingungen erklären die Bedeutung von Vorräten, Geleit und Marktfrieden im Roman und schärfen das Bewusstsein für Verwundbarkeit.

Kulturell dominierte die katholische Frömmigkeit mit Wallfahrten, Bruderschaften und einem Kirchenjahr, das Alltag und Arbeit rhythmisierte. Das Krakauer Studium wurde um 1400 mit Jadwigas Vermächtnis neu belebt und entwickelte sich zu einem bedeutenden Zentrum der Scholastik und später der Rechts- und Naturlehre. Skriptorien, Predigt und höfische Dichtung verbreiteten Wissen vor der Ausbreitung des Buchdrucks. Handwerkliche Qualität, Wappenwesen und Turnierkultur stifteten soziale Codes, die in Ehre, Rang und Verpflichtung mündeten. Sienkiewicz greift diese Symbole auf, um Charaktere durch fromme Praxis, Bildungsideale und höfische Rituale glaubwürdig zu verorten.

Recht und Verwaltung strukturierten Herrschaftsalltag. Voivodschaften, Kastellaneien und starostiale Ämter sicherten königliche Präsenz, während Städte mit Magdeburger Recht eigene Gerichte und Räte führten. Landrecht, Lehnsbindungen und königliche Privilegien regelten Eigentum und Dienstpflichten; Münzreformen verbesserten den Zahlungsverkehr. Der Orden besaß parallel ein differenziertes Verwaltungssystem mit Komtureien, das Steuern, Zölle und Lehnsgüter erfasste. Diese parallelen Rechtswelten erklären Konflikte um Zuständigkeit, Gerichtsbarkeit und Strafgewalt – Themen, die im Roman als Streit um Rechtsschutz, Übergriff und Wiedergutmachung dramatisch greifbar werden.

Als Sienkiewicz den Roman 1899–1900 publizierte, existierte kein unabhängiger polnischer Staat. Das geteilte Polen stand unter der Herrschaft Russlands, Preußens/Deutschlands und Österreich-Ungarns. In der russischen Teilungszone wirkten Zensur, Russifizierung und Repression. Sienkiewicz nutzte den historischen Roman, um nationale Identität zu stärken, ohne direkte Gegenwartsattacke zu formulieren. Der Rückgriff auf eine Zeit polnisch-litauischer Einigkeit und einen Sieg über eine deutschsprachig dominierte Macht bot Anknüpfungspunkte für ein Publikum, das unter Druck kultureller Assimilation stand. Die historische Genauigkeit dient so zugleich als Medium politischer Ermutigung.

Der Roman kommentiert seine Zeit, indem er mittelalterliche Konstellationen als Spiegel nationaler Selbstbehauptung nutzt. Die Darstellung des Ordens als machtbewusster, rechtlich argumentierender, zugleich gewaltbereiter Akteur verweist auf zeitgenössische Erfahrungen mit Bürokratie, Militarismus und Sprachpolitik. Polnische und litauische Solidarität erscheinen als Tugenden, die Partikularinteressen übersteigen. Zugleich lässt die Erzählung Raum für Ambivalenzen ritterlicher Kultur – Mut, Ehre, Rache, Gnade – und betont die Bedeutung institutioneller Ordnung. So wird aus der Rekonstruktion eines konkreten Konflikts eine leise Kritik an Unterdrückung und eine Ermutigung zu rechtlich fundierter, gemeinschaftlicher Selbstbehauptung.

Autorenbiografie

Inhaltsverzeichnis

Henryk Sienkiewicz (1846–1916) war ein polnischer Romancier, Erzähler und Publizist, dessen Werk in der Epoche der Teilungen Polens entstand und nationale Selbstvergewisserung mit populärer Erzählkunst verband. Mit historischen Epen und psychologischen Romanen erreichte er eine Leserschaft weit über Polen hinaus; 1905 erhielt er den Nobelpreis für Literatur. Viele seiner Bücher gehören bis heute zum Kanon und wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt. Seine Prosa zeichnet sich durch anschauliche Geschichtsbilder, dramaturgische Spannkraft und ein ausgeprägtes Sinnbildverständnis aus. Sienkiewicz gilt als einer der prägenden Autoren des europäischen historischen Romans um 1900. Seine Erzählungen prägten Lektüregewohnheiten und kulturelle Debatten der Zeit.

Geboren 1846 im damaligen Kongresspolen, besuchte Sienkiewicz die Szkoła Główna in Warschau (später Universität), wo er Philologie und Geschichte studierte, ohne eine akademische Laufbahn einzuschlagen. Früh wandte er sich dem Schreiben zu und stand zunächst unter dem Eindruck des polnischen Positivismus nach dem Januaraufstand, mit seiner Betonung sozialer Reformen, Bildung und „organischer Arbeit“. Zugleich prägten ihn die realistische Erzählschule und das Modell des historischen Romans, insbesondere Walter Scott. Aus der polnischen Tradition wirkten die Romantiker, deren Bildsprache und patriotische Themen er produktiv transformierte. Diese Spannungen formten seine literarische Signatur nachhaltig.

Seine berufliche Laufbahn begann im Journalismus: In Warschauer Blättern veröffentlichte er Feuilletons, Kritiken und Reportagen und entfaltete eine klare, anschauliche Prosastimme. 1876–1878 reiste er als Korrespondent in die Vereinigten Staaten; die daraus hervorgegangenen „Listy z podróży do Ameryki“ verbanden Beobachtung, Kulturvergleich und soziale Sensibilität. Parallel legte er Erzählungen vor, die das Leben einfacher Menschen und moralische Konflikte fokussierten, darunter „Szkice węglem“, „Janko Muzykant“ und „Latarnik“. Die Verbindung von erzählerischer Ökonomie, Empathie und pointierter Symbolik machte ihn rasch zu einer prägenden Stimme des polnischen Realismus. Seine feuilletonistische Praxis schärfte zudem Rhythmus, Dialogführung und Sinn für szenische Verdichtung.

Den Durchbruch als Epiker brachte die sogenannte Trilogie, drei historische Romane über das 17. Jahrhundert: „Ogniem i mieczem“, „Potop“ und „Pan Wołodyjowski“. In rascher Folge in den 1880er-Jahren erschienen, verbanden sie Abenteuer, militärische Ereignisse und Charakterstudien mit einer starken Vorstellung nationaler Kontinuität. Die serialisierte Veröffentlichung schuf eine breite Debattenkultur und Leserbindung. Stilistisch verknüpfte Sienkiewicz packende Handlung mit gelehrter Recherche und einem Sinn für rhetorische Steigerungen. Zeitgenössische Reaktionen reichten von enthusiastischer Vereinnahmung bis zu kritischen Einwänden, doch die Trilogie wurde rasch zum Fixpunkt populärer Geschichtsvorstellungen. Sie prägte auch spätere Bühnen-, Lesekultur- und Verfilmungstraditionen.

In den 1890er-Jahren weitete er sein Spektrum. „Bez dogmatu“ bot ein modernes, tagebuchartiges Psychogramm eines Intellektuellen; „Rodzina Połanieckich“ zeichnete bürgerliche Milieus. Weltweite Berühmtheit erlangte er mit „Quo vadis“, einem römischen Historienroman, der Antike, religiöse Motive und Massenszenen zu wirkungsstarker Prosa bündelte. Ebenfalls stark rezipiert wurde „Krzyżacy“, ein groß angelegter Roman über den Deutschen Orden. Diese Bücher überzeugten ein breites Publikum durch erzählerische Ökonomie, Bildhaftigkeit und moralische Fragen, die sich über nationale Kontexte hinaus erschließen, und festigten seinen Rang als internationaler Erzähler von epischer Reichweite. Zahlreiche Übersetzungen und Bühnenadaptionen trugen zur raschen, dauerhaften Präsenz im Weltbuchmarkt bei.

1905 wurde Sienkiewicz mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet, was seinen Status als Repräsentant polnischer Kultur bestätigte. Er nutzte seine öffentliche Rolle auch für kulturelle und soziale Anliegen, etwa in Reden zugunsten Bildung, nationaler Selbstbehauptung und historischer Erinnerung. Während des Ersten Weltkriegs lebte er in der Schweiz und engagierte sich gemeinsam mit Ignacy Jan Paderewski in Hilfswerken für Kriegsopfer in Polen. Seine Themen – Pflicht, Glauben, Loyalität, Gewissen – erscheinen dabei sowohl als ethische Programmatik wie als narrative Motoren, die individuellen Konflikten Welthaltigkeit und Gegenwartsbezug verleihen. Sein internationaler Ruhm spiegelte sich in Übersetzungen und Aufführungen seiner Stoffe auf verschiedenen Bühnen.

Zu seinen späten Werken zählt „W pustyni i w puszczy“, ein Abenteuerroman für junge Leser, der seine Begabung fürs anschauliche Erzählen in neue Zielgruppen trug. Sienkiewicz starb 1916 in Vevey; seine sterblichen Überreste wurden später nach Warschau überführt. Sein Nachruhm bleibt lebendig: Viele Werke sind Schullektüre, werden neu aufgelegt und international gelesen. Die Forschung diskutiert weiterhin sein Geschichtsbild, seine Konstruktionen von Heldentum und die Dynamik zwischen nationaler Idee und literarischer Technik. Unabhängig vom Urteil im Detail begründe sein Werk ein dauerhaftes Verständnis von erzählerischer Evidenz und popularisierter Geschichtserfahrung. Seine Texte bleiben Diskursorte für Erinnerung, Identität und populäre Historiografie.

Die Kreuzritter

Hauptinhaltsverzeichnis
Die Kreuzritter. Erstes Buch
Erster Teil.
Erstes Kapitel.
Zweites Kapitel.
Drittes Kapitel.
Viertes Kapitel.
Zweiter Teil.
Erstes Kapitel.
Zweites Kapitel.
Drittes Kapitel.
Viertes Kapitel.
Fünftes Kapitel.
Sechstes Kapitel.
Siebentes Kapitel.
Achtes Kapitel.
Neuntes Kapitel.
Zehntes Kapitel.
Elftes Kapitel.
Dritter Teil.
Erstes Kapitel.
Zweites Kapitel.
Drittes Kapitel.
Viertes Kapitel.
Fünftes Kapitel.
Sechstes Kapitel.
Siebentes Kapitel.
Achtes Kapitel.
Die Kreuzritter. Zweites Buch
Vierter Teil.
Erstes Kapitel.
Zweites Kapitel.
Drittes Kapitel.
Viertes Kapitel.
Fünftes Kapitel.
Sechstes Kapitel.
Siebentes Kapitel.
Fünfter Teil.
Erstes Kapitel.
Zweites Kapitel.
Drittes Kapitel.
Viertes Kapitel.
Fünftes Kapitel.
Sechstes Kapitel.
Siebentes Kapitel.
Sechster Teil.
Erstes Kapitel.
Zweites Kapitel.
Drittes Kapitel.
Viertes Kapitel.
Fünftes Kapitel.
Sechstes Kapitel.
Siebentes Kapitel.
Siebenter Teil.
Erstes Kapitel.
Zweites Kapitel.
Drittes Kapitel.
Viertes Kapitel.
Fünftes Kapitel.
Sechstes Kapitel.
Siebentes Kapitel.
Achtes Kapitel.
Neuntes Kapitel.
Achter Teil.
Erstes Kapitel.
Zweites Kapitel.
Drittes Kapitel.
Viertes Kapitel.
Fünftes Kapitel.
Neunter Teil.
Erstes Kapitel.
Zweites Kapitel.
Drittes Kapitel.
Viertes Kapitel.
Fünftes Kapitel.
Sechstes Kapitel.
Siebentes Kapitel.
Achtes Kapitel.
Neuntes Kapitel.
Zehntes Kapitel.
Elftes Kapitel.
Zwölftes Kapitel.
Zehnter Teil.
Erstes Kapitel.
Zweites Kapitel.
Drittes Kapitel.
Viertes Kapitel.
Fünftes Kapitel.
Elfter Teil.
Erstes Kapitel.
Zweites Kapitel.
Drittes Kapitel.
Viertes Kapitel.
Fünftes Kapitel.
Sechstes Kapitel.
Siebentes Kapitel.
Achtes Kapitel.

Die Kreuzritter. Erstes Buch

Historischer Roman aus dem XV. Jahrhundert

Inhaltsverzeichnis

Erster Teil.

Erstes Kapitel.

Inhaltsverzeichnis

In Tyniec, in dem zur Abtei gehörenden Wirtshause »Zum wilden Auerochsen« saßen einige Leute und lauschten der Erzählung eines erfahrenen Kriegers, der, aus fernen Landen angelangt, von seinen Abenteuern im Krieg und auf der Reise berichtete.

Es war ein bärtiger Mann, in den besten Jahren, breitschultrig und von riesenhaftem Wuchse, seine Haare waren durch eine netzförmige, mit Glasperlen benähte Haube zusammengehalten, er trug ein Lederkoller, auf dem der Panzer ganze Streifen zurückgelassen hatte, darüber einen Gürtel aus Kupferringen, worin ein Messer in einer Hornscheide steckte, und ein kurzes Schwert an der Seite.

Dicht bei ihm am Tisch saß ein Jüngling mit langen Haaren, der froh in die Welt hinaus schaute, offenbar sein Gefährte, vielleicht auch sein Knappe, denn er war ebenfalls für die Reise angethan und auf seinem Lederkoller zeigten sich ähnliche Spuren von der Rüstung. Die übrige Gesellschaft bestand aus zwei Landleuten aus der Umgegend von Krakau und drei Städtern in roten, gefältelten Mützen, deren dünne Enden an der Seite bis zu den Ellbogen herabhingen.

Der Wirt, ein Deutscher, welcher den Kragen seiner fahlgelben Kapuze bis über das Kinn heraufgezogen hatte, goß ihnen aus einer Kanne nahrhaftes Bier in die Thonkrüge und lauschte aufmerksam den Berichten der Krieger.

Noch aufmerksamer aber lauschten die Städter. Die Feindschaft, welche seit der Zeit der Lokietek’s[1] zwischen den Städtern und den Landedelleuten geherrscht hatte, war beinahe erloschen, und die Bürgerschaft trug ihr Haupt weit höher als dies in späterer Zeit der Fall war. Damals wurde sie noch »des allerdurchlauchtigsten Kuniges und Herren« genannt, ihre Bereitwilligkeit » ad concessionem pecuniarum« wurde auch besonders geschätzt, und daher kam es zuweilen vor, daß in den Wirtshäusern die Edelleute mit den Kaufleuten tranken. Diese wurden sogar gern gesehen. Hatten sie doch stets bares Geld in Händen und zahlten sie doch häufig für die Träger der Wappenschilder.

So saßen sie auch jetzt plaudernd beisammen, indem sie von Zeit zu Zeit dem Wirte winkten, auf daß er ihnen die leeren Becher fülle.

»Ihr habt wohl schon ein großes Stück von der Welt bereist, edler Ritter,« sagte einer der Kaufleute.

»Ja, nur wenige von denen, welche jetzt von allen Seiten in Krakau zusammenströmen, haben schon soviel gesehen,« antwortete der vor kurzem angelangte Ritter.

»Und gar viele strömen dort zusammen,« fügte der Bürger hinzu. »Große Festlichkeiten giebt’s ja, und große Glückseligkeit herrscht im Königreiche. Man sagt, und ich glaube es auch, daß der König befahl, der Königin Prunkbett mit perlenbesetztem Brokat auszupolstern und den gleichen Baldachin darüber anzubringen. Und allerlei Spiele und Turniere werden veranstaltet, wie sie die Welt bisher noch nie gesehen hat.«

»Gevatter Gamroth, unterbrecht den Ritter nicht,« bemerkte der zweite Kaufmann.

»Ich unterbreche ihn nicht, Gevatter Eiertreter, ich denke mir nur, er wird auch gern wissen, was man sagt, weil er gewiß selbst nach Krakau reist. Und ich kehre heute nicht mehr in die Stadt zurück, weil die Thore so früh geschlossen werden, und bei Nacht lassen mich die Amphibien, welche in den Hobelspänen entstehen, doch nicht schlafen, also haben wir Zeit für alles.«

»Und auf ein Wort gebt Ihr zwanzig zurück, Ihr werdet alt, Gevatter Gamroth.«

»Und doch bin ich noch im stande, ein Stück feuchten Tuches unter einem Arm zu tragen.«

»Ach was! Vielleicht eines, das so dünn wie ein Sieb ist!«

Ein weiterer Streit wurde durch den fremden Kriegsmann unterbrochen, welcher sagte: »Ich werde sicher in Krakau bleiben, weil ich von den Wettkämpfen gehört habe und froh bin, wenn ich meine Kraft innerhalb der Schranken erproben kann – und meinem Bruderssohn hier geht es ebenso, denn obgleich er noch jung und ein rechter Milchbart ist, hat er schon manchen Panzer auf der Welt zu Gesicht bekommen.«

Die Gäste schauten den Jüngling an, der fröhlich lächelte und, nachdem er seine langen Haare hinter die Ohren gestrichen hatte, den Bierkrug an die Lippen setzte.

Der alte Ritter aber fügte hinzu: »Uebrigens, wenn wir umkehren wollten, wüßten wir gar nicht, wohin wir uns wenden sollten.«

»Ei,« fragte einer der Edelleute, »woher seid Ihr denn und wie nennt Ihr Euch?«

»Macko aus Bogdaniec nenne ich mich, und dieser junge Mann, der Sohn meines leiblichen Bruders, nennt sich Zbyszko. ›Tepa Podkowa‹ ist unser Wappenschild, und unser Schlachtruf: ›Hagel‹!«

»Wo liegt denn Euer Bogdaniec?«

»Traun! Fragt lieber, wo es lag, Herr Bruder, denn es ist schon vom Erdboden verschwunden. Noch zur Zeit des Krieges der Grzymalitezyc mit den Naleczy wurde Bogdaniec zu Asche niedergebrannt, und was übrig geblieben war, wurde uns weggenommen; die Knechte aber flohen alle. So blieb nur der leere Grund und Boden, denn auch die Bauern der Nachbarschaft wanderten fort in die Steppe. Mit meinem Bruder, dem Vater dieses Jünglings, habe ich das Haus wieder aufgebaut, aber im folgenden Jahre hat uns das Wasser alles weggerissen. Dann starb mein Bruder, und ich blieb allein mit der Waise. Da sagte ich mir: Hier kann ich es nicht aushalten! Und zu jener Zeit sprach man viel vom Krieg und auch davon, daß Jasko aus Olesnica, den der König Wladislaw zu dem Mikolaj aus Moskorzow nach Wilna sandte, eifrig in Polen Ritter suche. Da ich nun den würdigen Abt Janek aus Tulcza kenne, verpfändete ich ihm meinen Grund und Boden, und für das Geld kaufte ich mir eine Rüstung, ein Pferd, kurz, ich versah mich, wie es üblich ist für den Kriegsdienst, den Knaben, der erst zwölf Jahre alt war, setzte ich auf einen Klepper, und fort ging’s zu Jasko von Olesnica!«

»Mit dem Jüngling?«

»Damals war er noch kein Jüngling, aber stramm ist er schon als Knabe gewesen. In seinem zwölften Jahre legte er zuweilen die Armbrust auf den Boden, stemmte sich mit dem Bauche dagegen und drückte den Schneller derart, daß selbst keiner von den Engländern, die wir bei Wilna gesehen haben, sich hätte rühmen können, er verstehe den Bogen besser zu spannen.«

»So stark ist er gewesen?«

»Meinen Helm trug er hinter mir her, und als er dreizehn Jahre alt wurde, trug er auch meinen langen Schild.«

»Und an Kriegszügen hat es wahrlich nicht gefehlt.«

»Witold[2]s wegen. Der Fürst befand sich bei den Kreuzrittern und jedes Jahr unternahm er Kriegsfahrten gegen Litauen und wendete sich nach Wilna. Mit ihm zog allerlei Volk. Deutsche, Franzosen, Engländer, die am besten den Bogen zu spannen verstanden, Böhmen, Schweizer und Burgunder. Sie haben die Wälder durchstreift, Schlösser erbaut, und zuletzt haben sie Litauen mit Feuer und Schwert schrecklich verwüstet, so daß das ganze Volk, welches dies Land bewohnt, es schon verlassen und ein anderes suchen wollte, ja gerne bis ans Ende der Welt oder sogar zu den Kindern des Belial gewandert wäre, nur um fern von den Deutschen zu sein.«

»Daß alle Litauer mit Weibern und Kindern fortziehen wollten, hörten wir wohl, doch glaubten wir es nicht.«

»Aber ich habe gar viel miterlebt. Ha! wäre nicht Mikolaj aus Moskorzow, nicht Jasko aus Olesnica, und wären wir nicht gewesen – das sage ich, ohne mich zu rühmen – so stünde auch Wilna nicht mehr.«

»O, das wissen wir. Ihr habt die Burg ja nicht übergeben.«

»Nein, wir haben sie nicht übergeben. Und nun merket wohl auf das, was ich Euch sage, denn ich bin ein erfahrener, des Krieges kundiger Mann. Die Alten sprachen immer von dem bissigen Litauer, und sie sprachen wahr. Sie schlagen sich gut, die Litauer, aber mit den Rittern können sie sich im offenen Felde nicht messen. Ganz anders ist’s im dichten Wald – oder auch dann, wenn die Pferde der Deutschen im Morast versinken.«

»Die Deutschen sind die besten Krieger!« riefen die Städter.

»Und wie eine Mauer stehen sie Mann bei Mann, durch ihre eisernen Rüstungen derart geschützt, daß kaum die Augen durch das Visir zu sehen sind. Dicht aneinander gedrängt, schreiten sie auch vorwärts. Gewöhnlich sind’s die Litauer, die losschlagen. Aber dann werden sie wie Sand zerstreut, oder sie müssen als Brücke dienen und werden zertreten. Doch nicht nur Deutsche sind unter den Kreuzrittern zu finden, denn jedes Volk, das es auf der Welt giebt, dient bei ihnen. Und tapfer sind sie! Zuweilen beugt sich ein Ritter herab, streckt die Lanze aus und stößt allein, noch vor der Schlacht, in einen ganzen Kriegshaufen, wie sich ein Habicht auf eine Herde stürzt.«

»Christus!« rief Gamroth aus, »welche sind denn die tüchtigsten unter ihnen?«

»Es kommt auf die Waffe an. Die Armbrust weiß der Engländer am besten zu handhaben, denn er kann einen Panzer mit dem Pfeile durchbohren und eine Taube auf hundert Schritte weit treffen. Die Böhmen hingegen hauen mit dem Beile furchtbar drein, und den zweischneidigen Hirschfänger weiß niemand besser zu führen als der Deutsche. Der Schweizer zerschlägt gerne den Helm mit der eisernen Keule, aber die besten Krieger sind die, welche aus des Franzmannes Landen kommen. Sie kämpfen zu Pferd und zu Fuß und rufen Dir herausfordernde Worte zu, aber verstehen kannst Du sie nicht, denn ihre Sprache klingt, wie wenn eine zinnerne Schüssel geschüttelt wird, und doch sind sie ein gottesfürchtiges Volk. Sie haben uns durch die Deutschen vorgeworfen, daß wir mit den Heiden und Sarazenen gegen das Kreuz kämpfen, und haben sich verpflichtet, die Wahrheit dieser Behauptung durch einen ritterlichen Zweikampf zu beweisen. Auch ein Gottesgericht soll abgehalten werden zwischen vier von ihren und vier von unsern Rittern, und der zur Zusammenkunft bestimmte Ort ist der Hof Wenzels, des römischen und böhmischen Königs.«

Noch größere Neugierde erfaßte nun die Landleute und die Kaufleute, sie streckten ihre Köpfe über die Krüge zu Macko hinüber und fragten: »Wer von unsern Rittern ist denn dabei? Sprecht schnell!«

Doch Macko führte zuerst den Krug an die Lippen und trank, dann erwiderte er: »Ei, fürchtet nur nichts für sie. Es ist Jan aus Wloszczow, der Kastellan von Dobrzin, es ist Mikolaj aus Waszmuntow, es ist Jasko aus Zdakow und Sarosz aus Czeckow, lauter hochgepriesene Ritter und tapfere Jungen. Ob nun mit der Lanze, dem Schwert oder der Streitaxt gekämpft wird – das alles ist nichts Neues für sie. Da werden die Leute etwas zu sehen und etwas zu hören bekommen – denn wie ich schon erwähnt habe, dem Franzmann kannst Du die Gurgel zudrücken, und er sagt Dir noch heldenmäßige Worte. So wahr mir Gott helfe und das heilige Kreuz, jene werden unaufhörlich schwatzen, die Unsrigen aber sie besiegen.«

»Das wird uns zu großem Ruhme gereichen, wofern nur Gott seinen Segen dazu giebt,« sagte einer der Edelleute.

»Und der heilige Stanislaw!« fügte ein zweiter hinzu.

Und zu Macko gewandt, bemerkte er in eifrigem Tone: »Nur weiter! Sprecht! Ihr rühmt die Tapferkeit der deutschen und andern Ritter, Ihr sagt, sie könnten die Litauer leicht beugen. Aber Euch zu beugen wäre ihnen sicherlich schwerer geworden! Haben sie nicht eben so gerne auf Euch losgeschlagen? Und was ist mit Gottes Willen dann geschehen? Lobt und preist doch die Unsrigen!«

Doch Macko aus Bogdaniec war offenbar kein Prahler, denn er entgegnete bescheiden: »Die welche aus fernen Landen einwandern, nehmen gerne den Kampf mit uns auf, aber wenn sie es einmal gethan haben, schwindet ihr Mut schon einigermaßen, denn wir sind ein zähes Volk, und diese Zähigkeit wird uns häufig vorgeworfen. ›Ihr verachtet den Tod, – sagen unsere Feinde – aber die Sarazenen unterstützt Ihr, und dafür werdet Ihr verdammt sein!‹ Durch diese Lügen ist unser Ingrimm noch gewachsen; der König und die Königin ließen die Litauer taufen, und jeder ist ein Bekenner Christi, wenn schon nicht jeder ihn versteht. Als der Teufel in der Kathedrale in Plock auf die Erde geworfen wurde, befahl sogar unser gnädigster Herr, ein Endchen Licht zu dessen Ehren aufzustellen, und die Priester mußten ihm erst sagen, daß es sich nicht gehöre – das ist ja eine bekannte Geschichte. Was darf man also von einem gewöhnlichen Menschen verlangen? Mancher sagt sich selbst: Befiehlt der Knäs, daß ich mich taufe, so taufe ich mich; befiehlt Christus, daß ich mich an die Stirne schlage, so schlage ich mich an die Stirne; aber weshalb sollte ich den alten heidnischen Teufeln das bißchen Quark nicht gönnen, ihnen die gebratenen Rüben nicht vorwerfen, oder den Schaum vom Biere nicht für sie abgießen? Thue ich es nicht, so können mir die Pferde krepieren, die Kühe räudig werden, ihre Milch kann blutig kommen oder die Ernte kann schlecht ausfallen. Gar viele handeln so, wodurch sie schweren Verdacht auf sich laden. Und doch thun sie es nur aus Unwissenheit und aus Furcht vor den Teufeln. Ehemals war es jenen Teufeln wohl. Sie hatten ihren Forst und große Hütten, auch Pferde zum Reiten, und den Zehnten nahmen sie sich. Doch jetzt ist der Forst ausgehauen, zu essen ist nichts da – die Glocken in den Städten schlagen an, also muß sich der Unflat in den dichtesten Wald verkriechen und dort heult er vor Angst. Kommt nun ein Litauer in das Gehölz, so geschieht es häufig, daß ihn ein Teufel am Schafpelz zerrt und sagt: Gib her! Manche wagen nicht, sich zu widersetzen, wieder andere wollen den Teufeln nichts freiwillig überlassen und suchen sie zu fangen. Einer dieser wackeren Jungen schüttete gedörrte Erbsen in eine Ochsenblase, und sogleich fuhren dreizehn Teufel hinein. Da zog er die Blase zu, befestigte ein Holzpflöckchen daran und brachte sie zum Verkauf nach Wilna zu den Franziskanern, welche ihm gerne zwanzig Skotus dafür gaben, um die Feinde des Namens Christi aus dem Weg zu räumen. Ich selbst habe die Blase gesehen, aus der sich ein furchtbarer Gestank weithin verbreitet hat, denn auf diese Weise zeigen die bösen Geister ihre Furcht vor dem Weihwasser.«

»Und wer hat berechnet, daß es ihrer dreizehn gewesen sind?« fragte der bedächtige Kaufmann Gamroth.

»Das hat ein Litauer berechnet, welcher es mit ansah, wie sie in die Blase hineinkrochen. Daß sie sich darin befanden, darüber herrscht kein Zweifel, denn dies war an dem Gestank zu erkennen, und deshalb wollte niemand das Holzpflöckchen entfernen.«

»Wie wunderlich ist dies, wie gar wunderlich!« rief einer der Edelleute.

»Ich habe schon die größten Wunder gesehen, allein davon kann man nicht reden. Gute Leute sind die Litauer, aber auch recht sonderbare. Sie haben zottige Haare, und kaum die Fürsten kämmen sich, von gebratenen Rüben leben sie und ziehen diese allen andern Speisen vor, weil sie meinen, es mache kräftig und mutig. Bei ihnen in ihren Hütten sind auch Haustiere und Schlangen zu sehen, und im Essen und Trinken kennen diese Menschen kein Maß, die verehelichten Weiber werden mißachtet von ihnen, aber die Jungfrauen verehren sie und gestehen ihnen große Rechte zu.«

»Ich kann es bestätigen,« fügte Zbyszko hier ein. »Und die meisten Mädchen sind schön. Oder,« fragte er, zu seinem Onkel gewendet, »ist Nyngalla vielleicht nicht schön?«

»Wer ist denn diese Nyngalla?« erkundigte sich einer der Städter.

»Wie? Habt Ihr noch nichts von Nyngalla gehört?« fragte Macko.

»Noch kein Wort hörten wir von ihr!«

»Wir sprechen ja von der Schwester des Fürsten Witold, der Gattin Henryks, des masovischen Fürsten.«

»Welchen Fürsten Henryk meint Ihr? Es gab einen masovischen Fürsten dieses Namens, der Elektor von Plock war, aber er ist gestorben.«

»Das ist eben derselbe. Er wurde durch den Tod abgerufen, weil sein Leben offenbar Gott nicht wohlgefällig war. Denn obwohl er die geistliche Würde bekleidete, schloß er doch eine unrechtmäßige Ehe mit Nyngalla. ›Ich gebe mir selbst den Dispens; der Papst, wenn nicht der von Rom, so doch der von Avignon, wird ihn sicherlich bestätigen,‹ soll er gesagt haben. Der Zorn Gottes war groß, aber Witold konnte sich nicht widersetzen – und die Vermählung ward gefeiert, zum großen Kummer meines Zbyszko hier, welcher selbst, nach deutscher Sitte, die Fürstin Ryngalla zur Herrin seines Herzens erwählt und ihr ewige Treue gelobt hatte …«

»Fürwahr,« warf Zbyszko plötzlich ein, »das ist richtig! Und später hörten wir von den Leuten, daß die Fürstin Ryngalla, nachdem sie eingesehen hatte, daß es sich nicht für sie gezieme, mit dem Elektor zu leben, weil er trotz seiner Vermählung doch nicht auf seine Würde verzichten wollte, und daß über solcher Ehe der göttliche Segen nicht walten könne, ihren Gatten vergiftet habe. Auf diese Kunde hin bat ich einen heiligen Einsiedler in der Nähe Lublins, mein Gelübde zu lösen.«

»Ein Einsiedler war es wohl«, bemerkte Macko lachend, »doch ob es ein heiliger gewesen ist, weiß ich nicht, denn wir überraschten ihn an einem Freitag im Walde, als er die Knochen eines Bären mit dem Beile spaltete und das Mark aussaugte, bis es ihm in der Kehle stecken blieb.«

»Aber er sagte, Mark sei kein Fleisch, und außerdem habe er sich die Erlaubnis erbeten, Mark zu genießen, weil er dann des Nachts immer wunderbare Traumgesichte habe und vom folgenden Morgen an bis zum Mittag prophezeien könne.«

»Na! Na!« versetzte Macko. »Und die schöne Ryngalla ist Witwe und braucht Dich vielleicht in ihrem Dienst.«

»Umsonst würde sie ausschicken, denn ich wähle mir selbst eine andere Herrin, der ich bis zum Tode dienen werde, und später werde ich mir auch eine Gattin gewinnen.«

»Den Rittergürtel wirst Du Dir zuerst gewinnen.«

»Nun ja! Nach der Entbindung der Königin werden doch gewiß Turniere stattfinden? Und da wird der König manchen zum Ritter schlagen. Ich stelle mich jedem. Der Fürst würde mich nimmer aus dem Sattel gehoben haben, wenn mein Pferd sich nicht auf die Hinterbeine gesetzt hätte.«

»Es werden aber bessere dort sein als Du.«

Hier riefen die Landleute aus der Gegend von Krakau: »Bei Gott! Vor der Königin werden sich solche wie Du nicht herauswagen können, wohl aber Ritter, die in der ganzen Welt berühmt sind. Wie kannst Du Dich mit Leuten messen, mit denen sich weder hier, noch am böhmischen noch am ungarischen Hofe jemand messen kann? Was ist das für ein Gerede? Bist Du denn besser als sie? Und wie alt bist Du denn?«

»Achtzehn Jahre!« antwortete Zbyszko.

»Dann kann Dich ja jeder zwischen den Fingern zermalmen.«

»Wir werden sehen!«

Doch Macko warf hier ein: »Ich habe gehört, daß der König die Ritter reichlich belohne, welche aus dem litauischen Kriege zurückkehren. Sagt an, die Ihr von Krakau kommt, ist dies wahr?«

»Bei Gott, es ist wahr!« entgegnete einer der Edelleute. »Auch ist die Freigebigkeit des Königs in der ganzen Welt bekannt. Aber in seine Nähe zu gelangen, ist nicht leicht, da es in der Stadt von Gästen wimmeln wird, welche wegen der Entbindung der Königin und der Taufe kommen, um dadurch unsern Herrn zu ehren oder ihm Huldigung darzubringen. Der ungarische König wird dort sein, auch der römische Cäsar, wie man sagt, und verschiedene Fürsten, Wojwoden und Ritter werden erscheinen, weil jeder denkt, daß er nicht mit leeren Händen weggehen wird. Man spricht sogar davon, daß selbst der Papst Bonifazius komme, da er der Gunst und Hilfe unseres Herrn gegen seinen Feind in Avignon bedürfe. Bei dem Andrange wird man nicht leicht Zutritt zum König bekommen, aber wem es dennoch gelingt, Zutritt zu erlangen und wer einen Kniefall vor dem Herrn macht, der wird seiner Verdienste wegen reichlich belohnt werden.«

»Dann will ich den Kniefall thun, denn auch ich habe mir schon Verdienste erworben, und wenn der Krieg ausbricht, ziehe ich mit. Kriegsbeute ist mir wohl zu teil geworden, und vom Fürsten Witold erhielt ich Vergütung, Not leide ich also nicht, aber der Abend meines Lebens naht schon heran, und im Alter, wenn die Knochen mürbe werden, hat der Mensch doch gerne einen friedlichen Winkel.«

»Gerne sah der König stets die, welche unter Jasko aus Olesnica von Litauen zurückgekehrt sind – und sie alle bekommen satt zu essen.«

»Da seht Ihr’s! Ich bin aber jetzt erst aus dem Krieg zurückgekehrt. Ihr müßt nämlich wissen, daß die Deutschen den Frieden zwischen dem König und dem Fürsten Witold büßen mußten. Der schlaue Fürst sicherte sich seine Geiseln, und dann ging es los auf die Kreuzritter! Schlösser wurden zerstört, verbrannt, die Ritter aufs Haupt geschlagen und ein großer Teil des Volkes ausgerottet. Mit Swidrygiello zugleich, der zu ihnen geflohen war, wollten sich nun die Deutschen rächen. So kam es wieder zu einem großen Kriegszug. Selbst der Meister Kondrad eilte mit zahlreichem Volk herbei. Wilna ward belagert, von ungeheuren Türmen aus versuchte man, die Burg zu zerstören, durch Verrat versuchte man, hineinzugelangen, aber nichts ward damit erreicht. Und bei dem Rückzuge wurden so viele Krieger hingestreckt, daß kaum die Hälfte zurückkam. Auch gegen Ulryk von Jungingen, des Großmeisters Bruder, der Vogt von Samland ist, zogen wir ins Feld. Aber in Schrecken versetzt durch den Fürsten, floh der Vogt unter lauten Klagen, und durch diese Flucht ward der Frieden wieder hergestellt, die Stadt neu erbaut. Und ein heiliger Ordensbruder, der barfuß auf glühendem Eisen zu gehen vermag, hat prophezeit, daß von nun an, so lange die Welt steht, sich unter Wilnas Mauern keine bewaffneten Deutschen mehr zeigen werden. Aber wessen Hände haben mitgeholfen, daß es so kommen kann und sie sich nicht mehr zeigen werden?«

Bei diesen Worten streckte Macko aus Bogdaniec seine großen, ungewöhnlich starken Hände aus, während die andern beistimmend nickten und riefen: »Ja! Ja! In dem, was Ihr sagt, ist ein Fünkchen Wahrheit enthalten.«

Das Gespräch wurde durch heftigen Lärm unterbrochen. Er drang zu den Fenstern herein, deren Scheiben man entfernt hatte, denn die Nacht war warm und schön. In der Ferne vernahm man Stimmen, Gesang und das Schnauben von Pferden. Die Anwesenden staunten darüber, weil die Stunde schon vorgerückt war und der Mond hoch am Himmel stand. Der deutsche Wirt lief hinaus in den Hof, aber bevor noch seine Gäste im stande gewesen, die Krüge bis zur Neige zu leeren, kehrte er eilig zurück und rief: »Irgend eine Hofgesellschaft naht heran!«

Gleich darauf zeigte sich an der Thüre ein junger Bursche in blauem Oberrock, die gefältelte rote Mütze auf dem Haupte. Er blieb stehen, betrachtete die Anwesenden, und als er den Wirt erblickte, sagte er: »Wischt die Tische dort ab und bringt Lichter herbei. Die Fürstin Anna Danuta wird hier Rast machen.«

So sprach er und entfernte sich dann wieder. In der Schenke machte sich eine Bewegung kund, der Wirt rief nach dem Gesinde, und die Gäste schauten voll Verwunderung einander an.

»Die Fürstin Anna Danuta,« begann einer der Bürger. »Das ist Kiejstuts Tochter, die Gattin Janusz’ von Masovien. Sie hielt sich vierzehn Tage in Krakau auf und fuhr dann nach Zator zum Fürsten Wenzel zu Besuch. Wahrscheinlich befindet sie sich nun wieder auf der Rückreise nach Krakau.«

»Gevatter Gamroth,« sagte der zweite Bürger, »laß uns lieber in die Scheune gehen und unser Heulager aufsuchen, allzu hohe Gesellschaft ist das für uns.«

»Daß sie bei Nacht fahren, dies wundert mich nicht,« ließ sich Macko vernehmen, »denn bei Tage brennt die Sonne allzu sehr, aber weshalb kommen sie in dies Wirtshaus, da sie doch das Kloster vor Augen haben?«

Hier wendete er sich zu Zbyszko mit den Worten: »Sie ist eine leibliche Schwester der schönen Ryngalla!«

Und Zbyszko rief: »Juhei! Sicherlich befinden sich viele masovische Jungfrauen bei ihr.«

Zweites Kapitel.

Inhaltsverzeichnis

An der Thüre erschien jetzt die Fürstin, eine Frau in mittleren Jahren, in einem roten Mantel und einem enganliegenden grauen Gewande mit goldenem Gürtel, der vorn durch einen großen Ring am Kleide festgehalten war. Hinter der freundlich lächelnden Herrin zeigten sich einige Hoffräulein, ältere und auch halbwüchsige. Kränze aus Lilien und Rosen schmückten ihre Stirnen, und viele hatten Lauten in den Händen. Wieder andere trugen frische Blumensträuße, die sie wohl unterwegs gepflückt hatten. Bald war die ganze Stube voll, denn nach den Mädchen kamen mehrere Höflinge und Pagen. Heiter und guter Dinge traten alle ein, mit strahlenden Gesichtern, laut sprechend und singend, wie trunken von der schönen Nacht und dem hellen Mondschein. Unter den Höflingen befanden sich auch zwei fahrende Schüler, der eine mit einer Laute, der andere mit der Zither am Gürtel. Eines der Mägdlein, das noch ganz jung, vielleicht zwölf Jahre alt war, trug eine kleine, mit Kupfernägeln beschlagene Laute hinter der Fürstin her.

»Gelobt sei Jesus Christus!«[1q] sagte die Fürstin, in der Mitte des Gastzimmers stehen bleibend.

»Von Ewigkeit zu Ewigkeit, Amen!« antworteten die Anwesenden, sich tief verneigend.

»Wo ist der Wirt?«

Als dieser der Fürstin Worte vernahm, drängte er sich vor und ließ sich nach deutscher Sitte auf die Knie nieder.

»Wir wollen hier rasten und uns stärken,« sagte die Herrin. »Tummelt Euch also, denn wir sind hungrig.«

Die Bürger hatten sich bereits entfernt. Zwei Edelleute vom Orte, sowie Macko aus Bogdaniec und der junge Zbyszko verbeugten sich jetzt abermals und wollten die Gaststube verlassen, um die Gesellschaft nicht zu stören, aber die Fürstin hielt sie zurück.

»Ihr seid Edelleute, Ihr stört uns nicht. Macht Euch mit unseren Hofherren bekannt. Woher hat Euch Gott geführt?«

Nun gaben sie ihre Namen, ihr Geschlecht, ihre Beinamen und die Dörfer an, von denen sie die Namen trugen.

Als dann die Fürstin von Macko gehört hatte, woher er kam, klatschte sie in die Hände und rief: »Das trifft sich gut! Erzählt uns von Wilna, von meinem Bruder und meiner Schwester. Kommt Fürst Witold[3] zur Entbindung der Königin und zur Taufe hierher?«

»Er wollte kommen, weiß aber nicht, ob es ihm möglich sein wird. Deshalb sandte er durch die Fürsten und Bojaren der Königin vorerst eine silberne Wiege als Geschenk. Mit dieser Wiege sind auch wir, mein Neffe und ich, gekommen und unterwegs haben wir sie bewacht.«

»Befindet sich diese Wiege hier? Ich möchte sie sehen. Ganz aus Silber ist sie?«

»Ja, ganz aus Silber. Aber sie befindet sich nicht hier. Sie ist schon nach Krakau[4] gebracht worden.«

»Und was thut Ihr hier in Tyniec?«

»Wir kehrten hierher zurück, zu dem Prokurator des Klosters, unserm Blutsverwandten, um der Obhut des ehrwürdigen Ordens zu übergeben, was wir im Krieg gewannen und was der Fürst uns als Schenkung überließ.«

»Möge Gottes Segen darüber walten! Ist es ansehnliche Beute? Doch sagt, warum es noch ungewiß ist, ob mein Bruder kommt?«

»Für den Feldzug zu den Tataren rüstet er sich.«

»Ich sage Euch, mich quält nur das eine: die Königin hat diesem Feldzuge kein glückliches Ende prophezeit, und was sie prophezeit, trifft immer ein.«

Macko lachte. »Ei, unserer gottesfürchtigen Herrin will ich nicht widersprechen, aber mit dem Fürsten Witold zieht unsere ganze ritterliche Streitmacht aus, und es sind tüchtige Burschen, gegen die niemand aufkommt.«

»Zieht Ihr nicht mit?«

»Ich bin ja nebst den andern mit der Wiege abgesandt worden und habe zudem fünf Jahre lang den Harnisch nicht abgelegt,« entgegnete Macko, auf die vom Panzer im Lederkoller zurückgelassenen Spuren deutend. »Doch, sobald ich genügend der Ruhe gepflegt habe, gehe ich mit, und wenn ich auch selbst nicht mitgehe, so bringe ich doch meinen Bruderssohn Zbyszko dem Herrn Ipytko aus Mielsztyn, denn unter diesem Heerführer ziehen all’ unsre Ritter aus.«

Die Fürstin Danuta blickte auf die schöne Gestalt Zbyszkos, aber das Gespräch ward durch den Eintritt eines Mönches unterbrochen, der nach der Begrüßung der Fürstin ihr demütig vorhielt, daß sie ihre Ankunft nicht durch einen Boten kund gethan habe, und daß sie sich nicht im Kloster, sondern in diesem gewöhnlichen Wirtshause aufhalte, das ihrer hohen Würde unwert sei. Im Kloster sei doch kein Mangel an Gemächern und Wohnungen, worin jedermann Unterkunft finde, und nun erst die hohe Frau, die Gattin des Fürsten, von dessen Vorfahren und Blutsverwandten die Abtei so viele Wohlthaten erhalten habe.

Aber die Fürstin antwortete in heiterem Tone: »Wir sind nur hier eingekehrt, um unsere Glieder wieder einigermaßen zu strecken, und in der Frühe müssen wir uns nach Krakau aufmachen. Bisher schliefen wir bei Tag und fuhren bei Nacht, der Kühle wegen, und obwohl hier bei unserer Ankunft die Hähne schon krähten, wollte ich die gottesfürchtigen Mönche nicht wecken, vornehmlich nicht mit solcher Gesellschaft, welche mehr an Gesang und Tanz als an Ruhe denkt.«

Da jedoch der Mönch noch weiter in sie drang, fügte sie hinzu: »Ich bleibe hier. Wir haben jetzt die beste Zeit, einige weltliche Gesänge anzuhören, aber zum Frühgottesdienst gehen wir in die Kirche, um den Tag mit Gott zu beginnen.«

»Man wird eine Messe lesen für das Wohlergehen des gnädigen Fürsten und der gnädigen Fürstin,« sagte der Mönch.

»Der Fürst, mein Gatte, wird erst nach vier oder fünf Tagen ankommen.«

»Unser Herrgott kann auch aus der Ferne seinen Segen verleihen, und mittlerweile möge es uns armen Klosterbrüdern vergönnt sein, Wein hierher zu bringen.«

»Wir werden uns dankbar dafür erweisen,« erwiderte die Fürstin.

Kaum hatte der Mönch sich entfernt, so rief sie: »Schnell, Danusia, steige auf die Bank und erfreue unser Herz mit dem nämlichen Liede, das Du in Zator gesungen hast.«

Als sie dies hörten, trugen zwei Hofherren eine Bank herein. Die fahrenden Schüler setzten sich an die beiden Enden, und das junge Mädchen, welches der Fürstin die mit Kupfernägeln beschlagene Laute nachgetragen hatte, stellte sich hinauf. Ihr Haupt war mit einem Blumenkranze geziert, die Haare hingen aufgelöst über ihre Schultern herab, sie hatte ein himmelblaues Gewand an und rote Schühchen mit langen Spitzen. Wie sie so dastand, sah sie aus wie ein wunderbar schönes Kind auf einem Heiligenbild oder in einem Kripplein in der Kirche. Offenbar war es aber nicht das erste Mal, daß sie so dastand, um der Fürstin vorzusingen, denn nicht die geringste Verwirrung zeigte sich auf ihrem Gesichte.

»Singe, Danusia, singe!« riefen die Hofdamen.

Nun nahm sie die Laute zur Hand, hob den Kopf in die Höhe wie ein Vogel, der zu singen anfängt, und die Aeuglein zudrückend, begann sie mit ihrem Silberstimmchen:

»Wie wär’ ich gerne Ein Gänslein klein, Ich flög’ in die Ferne Zu Jasio mein!«

Die fahrenden Schüler begleiteten sie, der eine auf der Zither, der andere auf seiner großen Laute, die Fürstin, welche weltliche Gesänge über alles liebte, neigte das Haupt bald auf die eine, bald auf die andere Seite, und das Mädchen sang weiter, mit einer zarten, frischen, kindlichen Stimme, die klang wie Vogelgezwitscher im frühlingsgrünen Walde

»In Schlesien flög’ ich nieder Auf grünem Rain, Die Waise sieh wieder, Jasiulek mein!«

Und wieder begleiteten die fahrenden Schüler. Der junge Zbyszko aus Bogdaniec aber, der, von Kindheit an nur an den Krieg und dessen fürchterliche Erscheinungen gewöhnt, in seinem ganzen Leben noch nichts Aehnliches erschaut hatte, berührte den Arm eines neben ihm stehenden Masuren und fragte: »Wer ist das?«

»Ein Mägdlein vom Hofe der Fürstin. An fahrenden Sängern, welche den Hof ergötzen, fehlt es nicht, aber sie ist die beliebteste Sängerin, und die Fürstin hört keine andern Gesänge so gerne wie die ihrigen.«

»Mich wundert dies nicht. Sie ist ja ein wahrer Engel, und ich kann den Blick nicht von ihr abwenden. Wie wird sie genannt?«

»Und das wißt Ihr nicht? Danusia! Jurand aus Spychow, ein mächtiger und tapferer ›Comes‹, welcher zu den Landsassen gehört, ist ihr Vater.«

»Ach! Solch ein Wesen haben noch keine menschlichen Augen gesehen.«

»Sie wird auch von allen geliebt, sowohl ihres Gesanges als ihrer Schönheit wegen.«

»Und wer ist ihr Ritter?«

»Sie ist ja noch ein Kind.«

Durch den Gesang Danusias ward das Gespräch unterbrochen. Zbyszko blickte sie von der Seite an. Während er ihre hellen Haare, ihr erhobenes Köpfchen, ihre zugedrückten Augen und ihre ganze Gestalt betrachtete, die zugleich von dem Scheine der Wachslichter und von den durch die offenen Fenster fallenden Mondstrahlen beleuchtet wurde, staunte er immer mehr. Ihn dünkte, er habe dies schöne Bild schon einmal gesehen, ob im Traume oder zu Krakau auf einem Kirchenfenster, wußte er jedoch nicht zu sagen.

Und abermals den Arm des Hofherrn berührend, fragte er leise: »An Euerm Hofe ist sie?«

»Ihre Mutter kam aus Litauen mit der Fürstin Anna Danuta, und diese verheiratete sie an den Grafen Jurand von Spychow. Sie stammte aus einem mächtigen Geschlechte, war anmutig und mild, auch ward sie mehr als alle andern Mädchen von der Fürstin geschätzt. Sie selbst liebte die Fürstin innig, deshalb gab sie ihrer Tochter den gleichen Namen – Anna Danuta. Vor fünf Jahren nun, als bei Zlotorja die Deutschen unsern Hof überfielen, starb sie vor Schrecken. Damals nahm die Fürstin das Kind zu sich, und seit jener Zeit leitet sie dessen Erziehung. Der Vater kommt häufig an den Hof und sieht es mit Vergnügen, daß es seiner Tochter gut geht und daß sie unter dem Schutze der Fürstin steht. Allein so oft er Danusia anschaut, so oft vergießt er Thränen um die verstorbene Gattin, und dann sinnt er nur darauf, Rache an den Deutschen zu nehmen, für das, was sie ihm angethan. In ganz Masovien liebte niemand seine Ehefrau so innig, wie er die seine geliebt hatte – und ihretwegen hat er schon gar viele Deutsche ums Leben gebracht.«

Zbyszkos Augen blitzten und die Adern auf seiner Stirne schwollen an. »So ward also ihre Mutter von den Deutschen getötet?« fragte er.

»Ja und nein! Sie starb durch den Schrecken. Vor fünf Jahren war ja Frieden im Lande, niemand dachte an Krieg, und jeder konnte ungefährdet seines Weges ziehen. Der Fürst befand sich auf der Reise nach Zlotorja, wo er einen Turm bauen lassen wollte, er fuhr allein mit seinem Hofstaate, ohne Krieger, wie gewöhnlich zur Zeit des Friedens. Da überfielen ihn die Deutschen ohne Kriegserklärung, ohne jede Veranlassung. Aller Gottesfurcht Hohn sprechend, auch nicht bedenkend, daß seine Vorfahren ihnen viele Wohlthaten erwiesen hatten, banden ihn auf ein Pferd und führten ihn mit sich fort. Seine Leute aber wurden vollständig aufs Haupt geschlagen. Lange befand sich der Fürst in Gefangenschaft, und erst als König Wladislaw ihnen mit Krieg drohte, gaben sie Jurand aus Angst frei. Aber bei jenem Ueberfall starb Danusias Mutter, denn ihr Herz zog sich krampfhaft zusammen und stand dann plötzlich still.«

»Und Ihr, Herr, seid Ihr dabei gewesen? Wie nennt Ihr Euch? Ich vergaß es.«

»Mikolaj aus Dlugolas heiße ich, und Obuch werde ich genannt. Bei dem Ueberfall bin ich zugegen gewesen. Ich habe es mit angesehen, wie ein Deutscher, der Pfauenfedern als Helmzier trug, die Mutter Danusias an dem Sattel festbinden wollte, und wie sie vor seinen Augen starb. Auf mich haben sie mit der Hellebarde geschlagen, ich trage noch ein Merkmal davon.«

Bei diesen Worten zeigte er auf eine tiefe, sich unter den Haaren bis zu den Augenbrauen hinziehende Narbe in der Hirnschale.

Ein kurzes Schweigen folgte. Zbyszko blickte wieder auf Danusia, dann fragte er: »Und Ihr sagt, Herr, sie habe noch keinen Ritter?«

Doch wartete er die Antwort nicht ab, da in diesem Augenblick der Gesang verstummte. Einer der fahrenden Schüler, ein feister, starker Mensch, hatte sich plötzlich erhoben, wodurch sich die Bank auf eine Seite neigte. Danusia schwankte und streckte die Händchen aus, aber ehe sie noch fallen oder herabhüpfen konnte, sprang Zbyszko vor wie eine Wildkatze und fing sie in seinen Armen auf.

Die Fürstin, welche zuerst vor Schrecken laut geschrien hatte, lachte sogleich wieder und rief: »Das ist Dein Ritter, Danusia! Sei uns gegrüßt, o Ritter, und gieb uns die liebliche Sängerin zurück.«

»Allzu keck war die Art, wie er sie auffing!« ließen sich nun die Stimmen einiger Hofleute vernehmen.