Die Kyropädie - Xenophon - E-Book

Die Kyropädie E-Book

Xenophon

0,0
1,49 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Es hat mich zuweilen schon der Gedanke beschäftigt, wie viele Demokratien aufgelöst wurden von Solchen die irgend eine andere Verfassung der Demokratie vorzogen; ferner, wie viele Monarchien und Oligarchien vom Volke schon zerstört, und wie Viele die nach unumschränkter Herrschaft strebten zum Theil nach kurzer Zeit völlig gestürzt, zum Theil aber auch, wenn sie nur eine Zeitlang die Herrschaft behaupteten, wegen ihrer Weisheit und ihres Glücks bewundert wurden. Auch im häuslichen Leben glaubte ich die Bemerkung zu machen, wie manche Hausherren eine ziemlich starke Dienerschaft halte, andere dagegen eine sehr kleine, und doch selbst diese wenigen Leute nicht ganz im Gehorsam erhalten können.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Xenophon

Die Kyropädie

Übersetzt

von

Christian Walz,

1854.

© 2023 Librorium Editions

ISBN : 9782385740306

Einleitung.

Ueber Xenophon’s Lebensumstände haben wir nur wenige und unbestimmte Nachrichten; wir müssen uns daher bei manchen Punkten mit dem begnügen was sich durch Zusammenstellung der Angaben späterer Schriftsteller mit den in seinen eigenen Schriften enthaltenen Winken als das Wahrscheinlichste ergibt. Ein desto vollständigeres Bild können wir uns von seinem innern Leben entwerfen, das sich in seinen Schriften so schön entfaltet.

Da er nach Lucian neunzig Jahre alt wurde, und in seiner Griechischen Geschichte noch die Ermordung des Alexander von Pherä (Olymp. 105, 4. vor Chr. 354) erzählt, so fällt das Jahr seiner Geburt etwa in Olymp. 84, 1 (vor Chr. 444), sein Tod in Olymp. 105, 4 oder 106, 1 (354 oder 353 vor Chr.). Sein Vater hieß Gryllos, aus dem Demos Ercheia im Aegeischen Stamme. Durch einen eigenen Zufall kam er in die Gesellschaft des Sokrates. Dieser begegnete ihm einst in einer engen Straße, sperrte ihm den Weg mit vorgehaltenem Stab und fragte ihn nach dem Ort wo diese und jene Lebensmittel verkauft würden. Xenophon gab ihm hierüber Auskunft; Sokrates aber fragte weiter, ob er auch wisse wo rechtschaffene Männer gebildet werden? Als Xenophon hierauf nichts zu antworten wußte, so sagte Sokrates: so folge denn mir und lerne es; und von der Stunde an war er Schüler des Sokrates. Seine ersten Kriegsdienste that er in der Schlacht bei Delion, im siebenten Jahr des Peloponnesischen Krieges (Ol. 89, 1. vor Chr. 424), um welche Zeit er wenigstens zwanzig Jahre alt sein mußte. Er stürzte vom Pferde; Sokrates aber nahm ihn auf die Schultern und trug ihn, während alle Athener flohen, mehrere Stadien weit, bis er ihn in Sicherheit gebracht hatte. Daß er im Verlauf des Peloponnesischen Krieges weitere Dienste gethan habe, darüber findet sich keine Nachricht. Es scheint, er habe diese Zeit seiner wissenschaftlichen Bildung gewidmet. Außer dem beständigen Umgang mit Sokrates benützte er den Unterricht des Sophisten Prodikos in der Beredsamkeit; Sokrates ermunterte ihn, so wie den Theopompos aus Chios, und den Ephoros aus Kumä, zur Geschichtschreibung, indem er Jedem die seinen Fähigkeiten angemessenen Stoffe zutheilte. Nach Beendigung des Peloponnesischen Kriegs eröffnete sich ihm eine unerwartete Laufbahn. Sein Freund Proxenos aus Böotien, der sich am Hofe des Persischen Statthalters Kyrus in Vorderasien aufhielt, lud ihn ein eben dahin zu kommen und die Bekanntschaft des Kyrus zu machen. Der Wunsch nach einer Veränderung seiner Verhältnisse war so lebhaft bei ihm daß er keinen Augenblick zweifelte dem Rufe zu folgen und bei dem Delphischen Orakel, an welches er sich auf den Rath des Sokrates wandte, nicht fragte, ob, sondern, wie er zu Kyrus abreisen solle? Er reiste nach Sardes, der Residenz des Kyrus, und wurde in Kurzem inniger Freund dieses mit ausgezeichneten Tugenden geschmückten Regenten. Ol. 94, 4 (vor Chr. 401) machte Kyrus Anstalten zu einem Zuge nach Persien, um sich von der Oberherrschaft seines argwöhnischen und despotischen Bruders, Artaxerxes Mnemon, Königs von Persien, zu befreien. Er suchte so viel möglich Griechische Truppen, vorzüglich aus dem Peloponnes, an sich zu ziehen, und brachte ein Heer von mehr als zwölftausend Griechen und vierzigtausend Barbaren zusammen. Xenophon machte den Zug mit; weil aber von Athen, das mit dem Perserkönig befreundet war, keine Mannschaft dabei war, so war er ohne militärische Würde. Das Heer zog durch die Küstenländer des mittelländischen Meers hin und gelangte nach glücklicher Ueberwindung vieler Schwierigkeiten bis in die Gegend von Babylon. Hier kam es zur Schlacht; bereits war der Sieg für Kyrus entschieden, schon wurde er als König von Persien begrüßt, als er seinen Bruder Artaxerxes in einem dichten Haufen erblickte. Voll Erbitterung stürzte er mit wenigen Auserlesenen auf ihn los und verwundete ihn durch den Panzer, fiel aber als Opfer seiner Kühnheit. Das ganze Unternehmen ist gescheitert. Die Barbaren welche dem Kyrus gefolgt waren trennen ihr Interesse von dem der Griechen; durch Bruch der Verträge werden die Griechischen Heerführer ermordet, und das Heer, mehr als sechzehntausend Stadien von Ionien entfernt, ohne Wegweiser, ohne sichern Unterhalt, durch Ströme und Berge von der Heimat abgeschnitten und von treulosen Barbaren umgeben, befindet sich in einer verzweifelten Lage. Die Wahl schwankt zwischen Ergebung auf Gnade und Ungnade, und dem Rückzug. Da erhebt sich Xenophon, voll Muth und Einsicht, und zeigt mit einleuchtenden Gründen, wie allein beim Rückzug Rettung möglich sei. Er wird mit vier Andern zum Heerführer gewählt und die Richtung nach dem schwarzen Meere genommen: Xenophon übernimmt die Deckung des Rückzugs. Hier zeigte er so viele Klugheit, Tapferkeit, Ausdauer, eine solche Sorge für die Soldaten, eine so weise Nachgiebigkeit gegen nebenbuhlerische Mitfeldherrn, eine so großmüthige Entsagung, als ihm der Oberbefehl über das ganze Heer angeboten wurde, daß ihm, als Mensch und als Feldherr gleich groß, eine ausgezeichnete Stelle in der Kriegsgeschichte gesichert bleibt, obwohl seine Thätigkeit nicht der glänzende Ruhm gewonnener Siege begleitete. Nachdem er das Heer bis nach Byzanz zurückgeführt hatte trat er mit demselben in die Dienste des thrakischen Königs Seuthes, der sein väterliches Reich wieder zu erobern gedachte. Als dieß gelungen war luden die Spartaner, deren Feldherr Thimbron die Persischen Statthalter Tissaphernes und Pharnabazus bekriegen sollte, das Heer ein in ihre Dienste zu treten. Xenophon führte es nach Pergamos und legte den Oberbefehl in die Hände des Thimbron nieder. Hier schließen Xenophon’s eigne Berichte. Durch die Verbannung, die er sich durch seine Anschließung an Kyrus, welcher die Spartaner gegen die Athener unterstützt hatte, und durch die Uebergabe seines Heers an die Spartaner, zugezogen haben mochte, wurde er an der Rückkehr in sein Vaterland gehindert, und diente nun wahrscheinlich bei dem Heere fort, dessen Oberbefehl (Ol. 95⅔, vor Chr. 398) dem Spartaner Derkyllidas übertragen wurde; denn unter dem Anführer der ehemaligen Truppen des Kyrus dessen Xenophon in der Griechischen Geschichte (III, 2, 7) anonym erwähnt ist wohl er selbst zu verstehen; und der Umstand daß Xenophon der einzige Griechische Schriftsteller ist welcher die Thaten des Derkyllidas würdigt, so wie die Art dieser Würdigung scheint ebenfalls wahrscheinlich zu machen daß er Augenzeuge derselben gewesen sei. Ol. 96½, finden wir ihn bei Agesilaos in Asien; er war Theilnehmer und Augenzeuge der großen Thaten dieses Mannes, und wurde durch längern Umgang mit ihm sein innigster Freund und Verehrer. Als Agesilaos mitten im Laufe seiner Siege aus Asien abgerufen wurde, um dem bedrängten Vaterlande Hülfe zu leisten, zog Xenophon mit ihm zur Schlacht von Koroneia in Böotien (Ol. 96⅔, vor Chr. 394) und kämpfte hier gegen die Thebaner und seine mit den Thebanern verbündeten Landsleute. Von da begleitete er den Agesilaos wahrscheinlich nach Sparta, und erhielt auf sein Verwenden von den Spartanern ein Landgut bei Skillus in Elis, unfern Olympia. Seine Gattin Philesia nebst zwei Söhnen, Diodoros und Gryllos, folgten ihm dahin. Daß er schon vor seinem Zuge nach Asien verheirathet gewesen sieht man aus Cicero (de Invent. I 31), wo Sokrates, welcher während seiner Abwesenheit in Asien starb, einer Gattin des Xenophon erwähnt. Ob diese bis dahin in Athen geblieben oder nach Asien zu ihm gekommen sei ist nicht bekannt. Uebrigens ist kein Grund vorhanden, mit Andern eine zweimalige Verheirathung Xenophon’s anzunehmen. In Skillus lebte er seinen Lieblingsneigungen, dem Landbau, der Jagd und der Pferdezucht; wahrscheinlich war es spöttische Anspielung auf seinen Reitersinn daß seine Söhne die Dioskuren genannt wurden. Hier ist auch die Entstehung nicht nur seiner Schriften über die Haushaltungskunst (Oekonomikos), über die Jagd (Kynegetikos), über die Reitkunst zu suchen, sondern namentlich die Abfassung der Anabasis, in welcher er seinen Landsitz mit so lebhaften Farben schildert. Er richtete ihn nach dem Muster des heiligen Haines der ephesischen Artemis ein. Vor seiner Abreise von Ephesos hatte er bei einem Priester der Artemis eine Summe Gelds von der Beute niedergelegt, welches ihm, wenn er beim Leben bliebe, wieder zugestellt, wenn er umkäme, der Göttin geweiht sein sollte. Als er das Geld wieder erhalten hatte kaufte er bei Skillus ein Stück Landes, baute der Artemis einen Tempel nach dem Muster des ephesischen, ließ ihr Bild von Cypressenholz verfertigen und stiftete ihr zu Ehren ein Fest, an welchem die ganze Umgegend Theil nahm. Das Feld weihte er der Göttin, und verordnete in einer bei dem Tempel aufgestellten Inschrift daß der Zehnte ihr alljährlich dargebracht werden sollte. Als die Eleer (Ol. 102, 2. v. Chr. 368) den Lakedämoniern Skillus wieder nahmen mußte Xenophon mit den Seinigen fliehen, und begab sich nach Korinth, erhielt aber nachher von der Eleïschen Regierung seine Besitzungen zu Skillus zurück nebst der Erlaubniß dort zu wohnen. Von Letzterem scheint er jedoch keinen Gebrauch mehr gemacht zu haben. Als (Ol. 102, 4. vor Chr. 366) die Athener dem Bündnisse mit Böotien entsagten und den Lakedämoniern Beistand leisteten, schickte Xenophon seine zwei Söhne, die er auf Agesilaos’ Rath in Sparta hatte erziehen lassen, nach Athen, um unter dem Athenischen Hülfsheer für die Lakedämonier zu streiten. Sie dienten als Reiter unter Kephisodoros. Diodoros kam wohlbehalten aus dem Feldzug zurück, Gryllos aber fiel in der Schlacht bei Mantineia. Der Vater war eben im Begriff zu opfern, als er die Nachricht vom Tode des Sohnes erhielt; da nahm er den Kranz den er auf dem Haupt hatte ab: als er aber hörte daß er eines edlen Todes gestorben sei, setzte er ihn wieder auf und sprach, ohne eine Thräne zu vergießen, die im Alterthum hochgefeierten Worte: »ich wußte ja daß ich einen Sterblichen gezeugt habe.« Ein Gemälde Euphranor’s im Kerameikos zu Athen stellte die Schlacht von Mantineia vor, und darauf war Gryllos zu erkennen, wie er mit eigener Hand den Epaminondas tödtete. Gryllos erhielt von den Mantineern eine öffentliche Bestattung und eine Reiterstatue zum Denkmal. Diese Annäherung Xenophon’s an die Athener scheint die Widerrufung seines Verbannungsdecretes bewirkt zu haben. Ob er wirklich nach Athen zurückgekehrt sei ist nicht bekannt. Wenigstens machen die dafür angeführten Gründe, daß Xenophon die Verhandlungen in den Athenischen Volksversammlungen um diese Zeit so ausführlich beschreibe und daß seine Unterweisung des Reiterei-Anführers an Kephisodoros, unter welchem seine Söhne dienten, gerichtet sei, seinen Aufenthalt in Athen nicht nothwendig, da Beides bei seiner wieder angeknüpften Verbindung mit Athen auch in der Entfernung geschehen konnte. Er starb in Korinth. Wie hoch er noch nach seinem Tode geachtet wurde beweist der Umstand daß der Artemistempel den er in Skyllus errichtet hatte noch von Pausanias, welcher mehr als vierhundert Jahre nachher Griechenland bereiste, gesehen wurde, und neben demselben ein Denkmal von pentelischem Marmor, nebst einer Figur welche, nach der Versicherung der Nachbarn, den Xenophon vorstellte.

Um die verschiedenen Urtheile über Xenophon, welche bald in Lob bald in Tadel das Maß überschreiten, zu würdigen, muß zwischen seinem Charakter als Mensch und als Bürger unterschieden werden. Als Mensch betrachtet gehört er zwar nicht zu den hervorragendsten und geistreichsten, wohl aber zu den biedersten und liebenswürdigsten Charakteren des Alterthums. Das Griechische Ideal menschlicher Vollkommenheit, gleichmäßige Bildung des Leibes und der Seele, hatte er wie Wenige in sich verwirklicht, und daraus ist die schöne Harmonie hervorgegangen welche sich in seinem ganzen Wesen offenbart. Als ächter Jünger des Sokrates hatte er des Meisters Lehren und Handlungsweise sich so zu eigen gemacht daß er oft mit Verleugnung des eigenen Wesens des Lehrers Worte wiedergab. In dieser Schule gewann er die Klugheit, den praktischen Blick in allen Verhältnissen des Lebens, die sich in allen seinen Schriften ausdrückt; daher seine Frömmigkeit, die stete Rücksicht auf die Winke der Götter, die er mitten im Getümmel des Kriegs erforschte und mit fast abergläubischer Gewissenhaftigkeit ehrte, mochten sie ihm in Träumen, Opfern oder sonstigen Vorbedeutungen kund werden. Durch seine Erinnerungen an Sokrates (eine Schutzschrift gegen seine Ankläger) hat er seinem Lehrer ein unvergängliches Denkmal gestiftet, und von dem Charakter dieses Weisen liefert er uns wohl ein treueres Bild als die Dialogen des über die einfache Lehre des Sokrates sich erhebenden Platon. Daß Geister wie Platon und Xenophon mit einander nicht harmoniren konnten ist aus der verschiedenen Richtung die Jeder nahm schon zum Voraus zu erwarten. Xenophon war Mann des Lebens, Platon Mann der Schule und Haupt einer Secte. Während Platon in kühnem Fluge sich in’s Reich der Ideen erhob blieb Xenophon auf dem Boden der Wirklichkeit, auf welchem er sich mit Einsicht, Kraft und Redlichkeit bewegte. Bei der eigenthümlichen Richtung welche Jeder nahm und auch in seinen Schriften ausdrückte, ist natürlich daß sie auch den Lehrer selbst verschieden darstellten, woraus indessen noch nicht auf wirkliche Feindseligkeit zwischen Beiden, von welcher mehrere Alte sprechen, geschlossen werden darf. – Den Zweck der Vertheidigung des Sokrates hat auch das Gastmahl der Philosophen und die Schrift von der Haushaltungskunst. Die erstere Schrift schildert uns ein Gastmahl, wobei nach Griechischer Sitte Tänzerinnen und Flötenspielerinnen auftreten. Weit entfernt von rigoristischen Lebensansichten ist der heitere Weise anwesend und knüpft an die Vergnügungen des Augenblicks die anziehendsten Gespräche über Schönheit und Liebe. In der Schrift über die Haushaltungskunst schildert Sokrates dem Kritobulos die Schönheit des Landlebens und spricht über eheliches Glück, über den Beruf von Mann und Weib, über Gründung und Erhaltung häuslichen Wohlstandes und häuslicher Ordnung so wahr und edel daß Scipio Africanus die Schrift nie aus den Händen legte, Cicero in seiner Jugend sie übersetzte, und Virgil hie und da sie nachahmte. Von geringerer Bedeutung und nach Einigen nicht ächt ist die Vertheidigung des Sokrates vor den Richtern.

Auch Xenophon’s politischer Charakter war durch den Umgang mit Sokrates gebildet. Sokrates war Weltbürger und konnte als solcher an dem Treiben des Athenischen Volks kein Gefallen finden; zugleich aber war er zu eigenthümlich als daß er sich anderswo sein Ideal der Staatsverfassung gesucht hätte. Den Widerwillen gegen die Athenische Volksherrschaft hatte Xenophon vom Lehrer geerbt, und er war darin durch die ungerechte Verurtheilung desselben, so wie durch seine eigene Verbannung noch bestärkt worden; aber er bedurfte eines verwirklichten Ideals, welches er in der durch Stätigkeit ausgezeichneten Spartanischen Verfassung fand. Während seines Aufenthalts in Asien hatte er an dem Perser Kyrus und an dem Spartaner Agesilaos Freunde gefunden, und mit eigenen Augen gesehen wie viel Ein Mann mit unbeschränkter Macht, wenn er das Gute will, zu leisten vermag. So wurde die Monarchie sein Ideal; diese unterscheidet er aber genau von der Tyrannei. In seinem Hieron gibt der Herrscher gleiches Namens eine klägliche Schilderung von den Entbehrungen und Leiden die auf der Tyrannei lasten, worauf der weise Simonides die Art und Weise zeigt wie des Herrschers Wirkungskreis zur Quelle des Glücks für Viele werden könne. Die Ausführung der Mittel aber wie ein Regent seiner Bestimmung entsprechen könne gibt er in dem politischen Roman der Kyropädie oder Bildungsgeschichte des Kyrus. Daß diese Schrift nicht als wahre Geschichte, sondern als Roman aufzufassen sei zeigt die Willkür mit welcher Geschichte und Geographie darin behandelt werden. Der Krieg des Kyrus gegen die Meder und die Entthronung des Astyages, ein Factum worin Herodot mit Ktesias trotz aller sonstigen Abweichung übereinstimmt und das Xenophon selbst (Anab. III,4, 8) als bekannt voraussetzt, wird mit Stillschweigen übergangen, aus keinem andern Grunde als um aus dem Bilde alle Züge zu verwischen welche den von dem Schriftsteller beabsichtigten Effect schwächen könnten; in Kyaxares wird eine in der Geschichte sonst nicht erscheinende Person aufgeführt, in der Eroberung von Sardes und Babylon die Zeitrechnung verrückt; selten werden Namen der Könige mit welchen Kyrus in Berührung kam genannt; von Gegenden und Städten wird keine, oder nur eine dürftige Beschreibung gegeben; Kyrus stirbt mitten im Frieden, und von seinen Jahren wird keine Zahl angegeben, Freiheiten die nur einem Dichter erlaubt sind. Zwar läßt sich nicht verkennen daß die Xenophontische Geschichte des Kyrus, namentlich die seiner Geburt und Kindheit, mehr Wahrscheinlichkeit hat als die fabelhaft klingende Erzählung des Herodot, welche von den meisten Geschichtschreibern nacherzählt worden ist; aber dieß beweist nur so viel daß Xenophon sich die durch Mythen verdunkelte Geschichte auf eine Art ausmalte wie sie zu seinem Zweck paßte, welcher war: das Ideal eines Herrschers aufzustellen, und die Mittel anzugeben, wie sich derselbe nicht nur zum Eroberer, sondern auch zum Vater der bezwungenen Völker bilden könne. Daß Xenophon dazu erst durch den Gegensatz gegen die zwei ersten Bücher der platonischen Republik, welche abgesondert von dem übrigen Werk erschienen, veranlaßt worden sei, ist wohl nur Sage; daß er aber seine Abneigung gegen das republicanische Wesen der Griechen aussprechen, und seine Landsleute mit der Monarchie aussöhnen wollte, dieß stimmt mit seinen politischen Grundsätzen überein. An der Wahl des Helden hatte Xenophon’s Aufenthalt an dem Hofe des jüngern Kyrus, und sein eigner Zug nach Asien entschiedenen Antheil; er konnte hier manche Volkslieder und Sagen kennen lernen, die Verfassung des Reiches einsehen; und wohl mochte er auch von dem jüngern Kyrus selbst, den er als Herrscher und Mensch liebte und ehrte, manchen Zug zu seinem Gemälde nehmen. Der Held des Romans steht also zwar auf historischem Boden; aber er wird seiner Umgebung und seinem Zeitalter entrückt, und mit allen Vorzügen Griechischer Bildung ausgestattet. Die Erziehung die er erhält trägt das Gepräge der von Xenophon hochverehrten Spartanischen Einrichtungen; seine Geistesbildung ist attisch; die Regierungsgrundsätze, der Geist der Liebe und des Vertrauens mit welchem er Bundesgenossen und Untergebene an sich fesselt, und die fromme Verehrung der Götter sind Ausfluß Sokratischer Weisheit. Diese europäische Eigenthümlichkeit wußte der Schriftsteller mit jenem Orientalismus glücklich zu vereinen, welcher vornehmlich in dem patriarchalisch-einfachen Sinne des Kyrus, verglichen mit der Despotie des Assyrerkönigs, anschaulich hervortritt.

Uebereinstimmend mit der angegebenen Richtung seines Geistes ist Xenophon’s Geschichtschreibung. Diese ist von keiner höhern Idee beherrscht, sondern einfach annalistisch, und auf das praktisch Bemerkenswerthe gerichtet. Zwar ist dem Geschichtschreiber der Gedanke an das Walten der Götter über die menschlichen Angelegenheiten nicht fremd; aber er macht ihn nicht zur leitenden Idee, und da wo er ihn geltend macht wird er der Darstellung nicht selten nachtheilig. Wo er einmal ein unmittelbares Eingreifen der Götter erblickt, da überhebt er sich oft des Eindringens in die natürlichen Gründe der Begebenheiten, obwohl dieser Glauben im eigenen Handeln nie Veranlassung zur Trägheit und Sorglosigkeit wird. Denn er ist der festen Ueberzeugung daß nur der Thätige und Wachsame den Beistand der Götter zu erwarten habe. Betrachten wir einzelne seiner Geschichtswerke, so theilt sich seine Griechische Geschichte in zwei Theile. Die zwei ersten Bücher können als Vollendung des Thukydideischen Werkes gelten, dessen Herausgabe nach Einigen von Xenophon herrührt. Die Zeit nach dem Peloponnesischen Krieg bis zur Schlacht von Mantineia bildet den Inhalt der fünf folgenden Bücher. Keinen seiner politischen Neigung günstigern Stoff konnte Xenophon finden als die Spartanische Suprematie. Die Griechische Geschichte wird Geschichte der Spartaner, und Xenophon Geschichtschreiber der Dorier und Herold der Thaten des Agesilaos. Dieser ist das Hauptbild des Gemäldes; was sonst erzählt wird dient als Verzierung. Während der Geschichtschreiber von seinem Helden mehreres minder Bedeutende erzählt spricht er von Alkibiades, Konon, Timotheos, Iphikrates, Pelopidas, Epaminondas entweder gar nicht, oder mit fühlbarer Kälte. Siciliens gleichzeitige Geschichte hatte er in den zwei ersten Büchern nach Art des Thukydides fortgeführt; in der zweiten Hälfte wird jenes Land nur in dem Augenblick erwähnt als es Hülfe nach Sparta sendet. Auch Athen tritt erst dann wieder auf den Schauplatz der Geschichte als es sich mit den bedrängten Spartanern gegen die Thebaner verbindet. Neben dieser eigenthümlichen Auswahl des Stoffes verbirgt sich nie die Richtung aufs Praktische und jene Neigung die Fehler und Tugenden der Feldherren, so wie die Art wie sie ihre Krieger sich bildeten und an sich fesselten, im Einzelnen darzustellen. – Die Anabasis bildet gewissermaßen zwischen den genannten zwei Theilen seiner Griechischen Geschichte das Mittelstück. Die Zweifel an der Aechtheit dieser Schrift werden gehoben, wenn man die in’s Einzelne gehende, nur für einen Augenzeugen mögliche Beschreibung des ganzen Zuges, und die genaue Anwendung der Regeln welche Xenophon in der Kyropädie dem Feldherrn ertheilt, und in der »Griechischen Geschichte« bald rügend, bald lobend erwähnt, in Betrachtung zieht. – Als Anhang zur »Griechischen Geschichte« ist die in die Charakteristik tiefer eingehende Lobrede auf Agesilaos zu betrachten. In seiner Schrift über die Spartanische Staatsverfassung macht er diesem Staate gleichsam eine öffentliche Danksagung für die ihm erwiesenen Wohlthaten, und spricht unverhohlen seine Vorliebe für diese Verfassung aus, anders als in der Darstellung der Athenischen Verfassung, die er in einer nur fragmentarisch erhaltenen Schrift darstellt. Schonend rechtfertigt er die Gebrechen des letztern Staats durch die bestehenden Verhältnisse. Die Schrift über die Verbesserung der Einkünfte fällt wahrscheinlich erst in Ol. 106, 1, wo durch den Bundesgenossenkrieg die Einkünfte Athens sehr gesunken waren. Seine Anleitung für den Reitereianführer war ohne Zweifel für Kephisodoros bestimmt (Ol. 102, 4), welcher den Spartanern zu Hülfe zog. – Die Bruchstücke von Xenophontischen Briefen werden für unächt gehalten.

Bei seinem ländlichen Leben waren Jagen und Reiten seine Lieblingserholungen. Beides behandelte er als Mittel zur Erhaltung der Gesundheit, zur Stählung des Muthes und als fortdauernde Schule des Kriegs; und wenn er den Sokrates im Oekonomikos Landbau und Kriegskunst für die vorzüglichsten Beschäftigungen erklären läßt, so hat er ihm sein eigenes Glaubensbekenntniß in den Mund gelegt. Zwei eigene Abhandlungen über die Jagd und über die Reitkunst theilen uns seine lehrreichen Erfahrungen auch hierin mit.

Ausgezeichnetes Lob wurde im Alterthum seiner Darstellung zu Theil, weßwegen Xenophon die Attische Biene oder Muse genannt wurde. Zwar legen ihm die alten Kunstrichter den sogenannten magern Stil bei, und das mit vollkommenem Recht; denn zum Großartigen erhebt er sich nicht, weder in den zahlreichen Reden die er in seine Geschichte verflicht, noch selbst in der Lobrede auf Agesilaos; aber Wohlklang der Sprache und lichtvolle Darstellung, eine von allem rednerischen Schmuck entfernte Einfachheit und Nüchternheit ist das Gepräge seiner ganzen Darstellung. Dieß wollte wohl Quintilian bezeichnen, wenn er sagt: die Gratien selbst scheinen seine Sprache gebildet zu haben. Nehmen wir dazu die Leidenschaftlosigkeit und Ruhe mit welcher er seinen Lehrer gegen die Anschuldigungen der Gegner vertheidigt, die Kraft der Gründe wodurch sich seine eigenen Reden in der Anabasis, so wie die Reden seiner Helden auszeichnen, so werden wir nicht zögern, das weitere Urtheil des genannten Kunstrichters zu unterzeichnen: auf seinen Lippen habe eine gewisse Göttin der Ueberzeugung geruht.

Bei der nachfolgenden Uebersetzung der Kyropädie ist der Text von L. Dindorf und von F. K. Hertlein (Leipzig 1853) zu Grund gelegt, und die frühere Bearbeitung (vom J. 1827) durch ihren Verfasser einer durchgängigen Umgestaltung unterworfen worden.

Erstes Buch.

1.

Es hat mich zuweilen schon der Gedanke beschäftigt, wie viele Demokratien aufgelöst wurden von Solchen die irgend eine andere Verfassung der Demokratie vorzogen; ferner, wie viele Monarchien und Oligarchien vom Volke schon zerstört, und wie Viele die nach unumschränkter Herrschaft strebten zum Theil nach kurzer Zeit völlig gestürzt, zum Theil aber auch, wenn sie nur eine Zeitlang die Herrschaft behaupteten, wegen ihrer Weisheit und ihres Glücks bewundert wurden. Auch im häuslichen Leben glaubte ich die Bemerkung zu machen, wie manche Hausherren eine ziemlich starke Dienerschaft halte, andere dagegen eine sehr kleine, und doch selbst diese wenigen Leute nicht ganz im Gehorsam erhalten können. Dabei zog ich in Erwägung daß ja auch die Rinder- und Pferdehirten Beherrscher der Rinder und Pferde sind, und alle Hirten, sie mögen Namen haben welche sie wollen, mit Recht für Beherrscher der Thiere welche sie hüten gelten. Und bei allen diesen Heerden glaubte ich größere Bereitwilligkeit zu bemerken ihren Hirten, als bei den Menschen, ihren Beherrschern zu gehorchen. Denn die Heerden gehen wohin die Hirten sie leiten; sie bewaiden die Plätze auf die sie getrieben, bleiben von denen weg von welchen sie abgehalten werden; und den Ertrag der aus ihnen erwächst gestatten sie den Hirten zu beliebiger Benützung. Auch habe ich noch nie gehört daß eine Heerde sich gegen ihren Hirten empört habe, entweder um ihm den Gehorsam oder die Benützung ihres Ertrags zu verweigern; vielmehr sind die Heerden gegen alle andern Menschen weniger folgsam als gegen Die welche sie beherrschen und Nutzen von ihnen ziehen. Dagegen verschwören sich die Menschen gegen Niemand lieber als gegen Die bei denen sie die Absicht sich zu ihren Herrschern aufzuwerfen erblicken.

Durch diese Betrachtungen bildete ich mir die Ansicht daß es dem Menschen, wie er einmal ist, leichter sei über alle Thiere als über Menschen zu herrschen. Als ich aber in Erwägung zog daß es einen Perser Kyrus gegeben, welcher sich sehr viele Menschen, Städte und Völker unterworfen, so fand ich mich veranlaßt meine Ansicht dahin zu ändern daß über Menschen zu herrschen weder etwas Unmögliches noch so Schweres sei, wenn man es nur mit Verstand anzugreifen wisse. Zum Beweis dient Kyrus, von welchem bekannt ist daß Leute die einen Weg von vielen Tagen, ja Monaten von ihm entfernt waren, die ihn zum Theil nie sahen, zum Theil voraus wußten daß sie ihn nie sehen werden, ihm gerne und freiwillig gehorchten. Freilich zeichnete er sich auch in einem ungewöhnlichen Grad vor andern Königen aus, mochten sie die Herrschaft von den Vätern ererbt oder durch eigene Kraft erworben haben; der Skythenkönig z. B. wäre, trotz der starken Anzahl seines Volks, nicht im Stande noch ein anderes Volk zu beherrschen, und muß zufrieden sein wenn er sich in der Herrschaft seines Volks behaupten kann. Dasselbe gilt von dem Könige der Thrakier und Illyrier. Auch die übrigen bekannten Völker, wenigstens in Europa, leben, wie man sagt, bis auf den heutigen Tag in Unabhängigkeit und außer Verbindung mit einander. In diesem Zustand der Unabhängigkeit traf Kyrus auch die Völker in Asien. Mit einem kleinen Heere Perser zog er aus, und freiwillig folgten ihm Meder und Hyrkanier. Mit Diesen unterwarf er sich die Syrer, Assyrier, Araber, Kappadokier, beide Phrygien, Lydier, Karier, Phöniker, Babylonier; ferner herrschte er über Baktrier, Indier und Kilikier: über Saken, Paphlagonier, Mariandyner, und viele andere Völker, die man nicht einmal namentlich aufführen kann. Auch die Griechen in Asien und – nach dem Meere herabziehend – die Kyprier und Aegyptier brachte er unter seine Botmäßigkeit. Ueber alle diese Völker, die weder mit ihm, noch unter einander die gleiche Sprache redeten, herrschte er: dessen ungeachtet vermochte er seine Herrschaft so weit auszudehnen, allein durch die Furcht seines Namens, der Alle erschreckte, so daß Keiner es wagte sich wider ihn aufzulehnen: ja er wußte Alle mit einer solchen Begierde seine Gunst zu erwerben zu beseelen daß sie gar nichts Anderes wünschten als immer nach seinem Willen regiert zu werden. Nach allen Richtungen von der Königsburg aus, nach Osten, Westen, Norden, Süden, war die Zahl der von ihm abhängigen Nationen so groß daß sie auch nur zu durchreisen keine geringe Mühe wäre.

Mir ist dieser Mann eine bewunderungswürdige Erscheinung; darum habe ich nachgeforscht, wie viel seine Herkunft, seine natürliche Anlage und seine Erziehung dazu beigetragen ihn zu einem so ausgezeichneten Herrscher zu bilden. Die Ergebnisse meiner Forschungen und eigenen Wahrnehmungen darüber will ich in dieser meiner Erzählung mitzutheilen suchen.

2.

Von väterlicher Seite soll Kyrus von Kambyses, König der Perser, abstammen (Kambyses war vom Geschlecht der Persiden, die ihren Namen von Perseus haben). Seine Mutter war nach einstimmiger Angabe Mandane, Tochter des Astyages, Königs der Meder. Kyrus war, wie er noch heut zu Tage in den Sagen und Gesängen der Barbaren lebt, von ausgezeichneter Schönheit und Menschenfreundlichkeit, voll Wißbegier und Ehrliebe, so daß er, ein Lob zu verdienen, sich Strapazen aller Art unterzog, alle Gefahren bestand. Dieß wird über seine innern und äußern Anlagen berichtet. Seine Erziehung erhielt er nach Persischen Gesetzen. Diese Gesetze machen sich, im Gegensatz gegen die der meisten Staaten, das gemeine Beste zur ersten Aufgabe. Die meisten Staaten nämlich erlauben Jedem seine Kinder nach Belieben zu erziehen; und selbst den Aelteren verstatten sie in Rücksicht ihrer Lebensart vollkommene Freiheit: nur gebieten sie nicht zu stehlen, nicht zu rauben, nicht mit Gewalt in ein Haus einzubrechen, Keinen unverdienterweise zu schlagen, die Ehe nicht zu brechen, gegen die Obrigkeit nicht ungehorsam zu sein: und auf den Uebertretungsfall ist Strafe gesetzt. Die Persischen Gesetze hingegen sorgen im Voraus dafür den Bürgern die Möglichkeit nach Schlechtem und Schändlichem zu trachten abzuschneiden. Diesen Zweck erreichen sie auf folgende Art. Sie haben einen sogenannten freien öffentlichen Platz, auf welchem die königlichen und sonstigen Staatsgebäude stehen. Von hier sind Waaren und Marktleute mit ihrem Geschrei und gemeinen Wesen anderswohin verwiesen, um alle Berührung dieses Getümmels mit der Wohlanständigkeit der Gebildeten zu verhindern. Dieser Platz um die Staatsgebäude ist in vier Theile getheilt: einer für die Knaben, einer für die Jünglinge, ein anderer für die gestandenen Männer, der vierte für die über die Jahre des Kriegsdienstes Hinausgeschrittenen bestimmt. Das Gesetz verpflichtet jede dieser Abtheilungen auf ihrem Platz zu erscheinen: die Knaben und Männer mit Tagesanbruch, die Aelteren, wann es Jedem bequem ist, außer an bestimmten Tagen, an denen sie erscheinen müssen. Die Jünglinge bleiben auch die Nacht über mit ihren Uebungswaffen bei den Staatsgebäuden, ausgenommen die Verheiratheten. Von diesen wird es nicht verlangt, wenn es ihnen nicht vorher angekündigt worden ist; doch oft zu fehlen gilt nicht für anständig. Jede dieser Abtheilungen hat zwölf Vorsteher (die Perser sind nämlich in so viele Stämme getheilt): zu Vorstehern der Knaben sind aus der Classe der älteren Männer Solche gewählt zu denen man das Zutrauen hat daß sie die Jünglinge am besten bilden werden; zu Vorstehern der Jünglinge sind aus der Classe der gestandenen Männer Solche gewählt von welchen man erwartet daß sie die Jünglinge am besten bilden werden; zu Vorstehern der Männer Solche die sich durch Diensteifer und Gehorsam gegen die Befehle der höchsten Behörden auszeichnen. Auch die Aelteren haben noch ihre Vorsteher, um auch sie zu Vollbringung ihrer Pflichten anzuhalten. Ich will nun die jedem Alter zugetheilten Verrichtungen aufzählen, um dadurch die Art wie sie für die möglichst beste Bildung der Bürger sorgen in noch helleres Licht zu setzen. Die Knaben die in die Schule gehen sind den ganzen Tag mit Erlernung der Gerechtigkeit beschäftigt. Dieß geben sie auch als Zweck des Schulbesuchs an, wie bei uns das Lesen und Schreiben. Ihre Vorsteher sprechen ihnen den größten Theil des Tages Recht. Denn auch unter Knaben, wie unter Männer, kommen Beschuldigungen wegen Diebstahls, Raub, Gewaltthätigkeit, Betrug, Schmähung u. s. w. vor – wie zu erwarten ist. Wer in einem dieser Punkte als schuldig erfunden wird, den bestrafen sie. Sie züchtigen aber auch die deren Anklagen als ungegründet erfunden werden. Ihre Gerichtsbarkeit dehnen sie auch auf ein Verbrechen aus das zwar den bittersten Haß unter den Menschen erzeugt, aber am wenigsten vor Gericht gezogen wird, ich meine den Undank. Von wem nun bekannt wird daß er im Stande war Dank zu erstatten, es aber unterlassen hat, der wird nachdrücklich gestraft. Sie gehen hiebei von der Meinung aus daß der Undankbare auch die Pflichten gegen Götter, Eltern, Vaterland und Freunde vernachläßige. Auch ist wohl im Gefolge der Undankbarkeit stets die Schamlosigkeit und überhaupt alles Schändliche: denn diese ist die gefährlichste Verführerin dazu. Sie lehren die Knaben auch ein geordnetes, besonnenes Benehmen: und dazu trägt das Beispiel der Aelteren, die sie den ganzen Tag über in Ordnung sehen, viel bei. Auch zum Gehorsam gegen die Obrigkeit werden sie angeleitet: und auch hiezu ist es sehr behülflich daß sie auch die Aelteren einen strengen Gehorsam gegen die Obrigkeit einhalten sehen. Auch zur Mäßigkeit im Essen und Trinken werden sie angehalten; wobei es ebenfalls von großem Nutzen ist wenn sie sehen wie auch die Aelteren sich nie entfernen, um ihren Hunger zu stillen, ehe die Vorsteher sie entlassen; ferner daß die Knaben nicht bei der Mutter speisen, sondern bei dem Lehrer, wann die Vorsteher das Zeichen geben. Als Speise bringen sie von Hause Brod, als Zuspeise Kresse mit, zum Trinken, auf den Fall daß sie Durst bekommen, einen Becher, um aus dem Flusse zu schöpfen. Außerdem lernen sie Bogenschießen und Wurfspieße werfen. Dieß treiben die Knaben bis zum sechszehnten oder siebzehnten Jahre; dann treten sie unter die Jünglinge ein.

Die Jünglinge haben folgende Lebensart. Von der Zeit an da sie aus der Classe der Knaben ausgetreten bleiben sie, wie schon gesagt, zehn Jahre lang die Nacht über bei den Staatsgebäuden, theils um die Stadt zu bewachen, theils um selbst in Ordnung zu bleiben; denn dieses Alter bedarf wohl der meisten Aufsicht. Aber auch den Tag über stellen sie sich den Obrigkeiten in öffentlichen Geschäften zur Verfügung. Wenn es sein muß, so bleiben sie Alle bei den Staatsgebäuden; zieht aber der König auf die Jagd, so nimmt er die eine Hälfte der Wache mit sich, die andere läßt er zurück. Dieß kommt jeden Monat öfters vor. Diejenigen welche auf die Jagd mitziehen müssen mit Pfeilen und, außer dem Köcher, mit einem Schwert in der Scheide oder mit einer Streitaxt bewaffnet sein; ferner mit einem kleinen Schild, nebst zwei Spießen, um den einen abzuschleudern, den andern im Fall der Noth mit der Hand zu führen. Sie machen deshalb die Jagd zum Gegenstand öffentlicher Vorsorge, und der König ist dabei, wie im Krieg, der Anführer, und jagt nicht nur selbst, sondern ist auch dafür besorgt daß die Andern jagen, weil sie darin die beste Vorübung zum Krieg erblicken. Denn die Jagd gewöhnt früh aufzustehen, und Kälte und Hitze zu ertragen; sie übt im Marschiren und Laufen; auch muß man ein Thier, es mag aufstoßen wo es will, mit Pfeil und Wurfspieß treffen. Es fehlt aber bei der Jagd auch nicht an Gelegenheiten den Geist zu stählen, wenn sich Einem ein starkes Thier entgegenstellt. Denn man muß es erlegen, wenn es in die Nähe kommt, und sich vor seinem Anfalle decken. Hieraus sieht man daß auf der Jagd nicht leicht eine Uebung vorkommt die nicht im Kriege wiederkehrt.

Auf die Jagd nehmen sie ein reichlicheres Frühstück mit als die Knaben, was natürlich ist; im Uebrigen aber ist kein Unterschied. Während des Jagens kommen sie nicht zum Frühstücken; wenn sie aber wegen eines Thiers verweilen müssen, oder sonst Lust haben die Jagd zu verlängern, so machen sie ihr Frühstück zum Mittagsmahl, und jagen den folgenden Tag wieder bis zum Mittagessen. Diese zwei Tage rechnen sie dann für Einen, weil sie nur die Speise für Einen Tag verzehren. Dieß thun sie, um sich zu gewöhnen, damit sie es, wenn es im Krieg sein muß, schon können. Als Zuspeise haben die Leute dieses Alters was sie auf der Jagd erlegen; haben sie nichts der Art, so nehmen sie Kresse. Sollte aber der Eine oder der Andere glauben, Essen und Trinken schmecke ihnen nicht, wenn sie bloß Kresse zum Brod haben, und lauteres Wasser zum Trinken, der bedenke, wie süß Brei und Brod dem Hungrigen, Wasser dem Durstigen schmeckt.

Die zurückbleibenden Abtheilungen treiben die Uebung dessen was sie als Knaben gelernt haben fort, schießen mit Bogen und Wurfspieß, und stellen beständige Wettkämpfe darin mit einander an. Auch öffentliche Wettkämpfe werden in diesen Künsten gehalten, wobei Preise ausgesetzt sind. Die Abtheilung welche die meisten wohlgeübten, tapfern und folgsamen Leute aufweisen kann wird von den Bürgern gelobt und nicht nur die gegenwärtigen Vorsteher, sondern auch die frühern Lehrer derselben gepriesen. Die zurückbleibenden Jünglinge werden von den Obrigkeiten zur Versehung von Wachen, zu Aufsuchung von Verbrechern, zu Verfolgung von Räubern und zu andern Diensten verwendet welche Stärke und Geschwindigkeit erfordern. Dieß sind die Beschäftigungen der Jünglinge. Haben sie ihre zehn Jahre erstanden, so treten sie unter die gestandenen Männer. Hier bleiben sie von der Zeit ihres Eintritts an fünfundzwanzig Jahre unter folgenden Beschäftigungen. Vorerst lassen sie sich, wie die Jünglinge, von den Obrigkeiten in öffentlichen Geschäften gebrauchen, wozu bereits verständige und noch kräftige Männer erfordert werden. Kommt es aber zu einem Feldzug, so besteht für sie, die eine solche Schule gemacht haben, die Bewaffnung nicht mehr in Bogen und Wurfspießen, sondern sie erhalten die für das Handgemenge erforderlichen Waffen: einen Panzer um die Brust, einen kleinen Schild in die linke Hand (wie die Perser abgebildet werden), in die rechte ein Schwert oder einen Säbel. Aus ihrer Mitte werden alle Beamten genommen, ausgenommen die Lehrer der Knaben. Nach Zurücklegung ihrer fünfundzwanzig Jahre sind sie etwas über fünfzig Jahre alt, und dann treten sie in die Classe der Aelteren, welche auch diesen Namen führen. Diese machen keinen Feldzug mehr außer Lands, sondern bleiben zu Hause und sprechen in allen öffentlichen und Privatangelegenheiten Recht. Sie haben auch die Entscheidung über Leben und Tod, sie besetzen alle obrigkeitlichen Aemter; und wenn es Einer der Jünglinge oder Männer in Erfüllung der ihm obliegenden Pflichten fehlen läßt, so zeigen ihn die Vorsteher seiner Abtheilung, und wer sich sonst gedrungen fühlt, an, und die Aelteren schließen ihn, nach vorher gehaltenem Verhör aus, und der Ausgeschlossene ist sein Lebenlang ehrlos.

Um aber ein deutlicheres Bild von der ganzen Persischen Verfassung zu entwerfen will ich Einiges nachholen, wobei ich mich, vermöge des schon Gesagten, ganz kurz fassen kann. Die Zahl der Perser gibt man auf hundertundzwanzigtausend an. Keinen von Diesen schließt das Gesetz von Ehrenstellen und Staatsämtern aus; Jeder darf seine Kinder in die öffentlichen Schulen der Gerechtigkeit schicken. Die welche im Stande sind ihre Kinder ohne Arbeit zu ernähren machen von diesem Rechte Gebrauch; nicht so Diejenigen welche Jenes nicht vermögen. Die welche unter den öffentlichen Lehrern erzogen wurden dürfen ihre Jugend unter den Jünglingen zubringen; Denen aber welche diese Schule nicht gemacht haben ist es nicht erlaubt. Die welche ihre Zeit unter den Jünglingen ausgehalten und ihre Pflichten erfüllt haben, dürfen unter die Männer eintreten, und sind zu Staatsämtern und Ehrenstellen befähigt; Diejenigen aber welche ihre Zeit nicht aushalten, werden auch nicht unter die Zahl der Männer aufgenommen. Die endlich welche sich unter den Männern untadelhaft betragen kommen zu den Aelteren. So bilden die Aelteren einen Verein von Männern die alles Schöne durchlaufen haben. Das ist die Verfassung der Perser, dieß ihre Aufsicht, wodurch sie den höchsten Grad der Tugend zu erreichen glauben. Von ihrer Mäßigkeit im Essen und Trinken und von der Verarbeitung des Genossenen hat man noch jetzt ein Zeugniß. Es ist nämlich noch heut zu Tage bei den Persern schändlich auszuspucken, sich zu schneuzen und Blähungen zu haben, oder des Harnens oder eines ähnlichen Bedürfnisses wegen auf die Seite zu gehen und dabei gesehen zu werden. Dieß wäre nicht möglich, wenn sie nicht sehr mäßig lebten und die Feuchtigkeiten durch Arbeiten so verzehrten daß sie einen andern Ausweg finden.

Dieß ist es was ich von den Persern im Allgemeinen zu sagen hatte. Nun komme ich auf den eigentlichen Gegenstand der Abhandlung, auf die Thaten des Kyrus, wobei ich mit seinen Knabenjahren anfange.

3.

Bis zu seinem zwölften Jahre oder etwas darüber wurde Kyrus auf die angegebene Weise erzogen, und zeichnete sich sowohl durch schnelle Auffassung Dessen was er lernen sollte als auch durch Geschick und Muth in allen Verrichtungen vor allen seinen Altersgenossen auffallend aus. Um diese Zeit beschied Astyages seine Tochter mit ihrem Sohne zu sich; denn die Nachricht daß er gar tüchtig und wacker sei machte ihn begierig ihn zu sehen. Mandane reiste daher mit ihrem Sohne Kyrus zu ihrem Vater ab. Sobald sie angekommen und Kyrus in Astyages den Vater seiner Mutter erkannte, so umarmte er ihn sogleich, wie er von Natur ein liebevoller Knabe war, als ob er einen alten Bekannten und Freund umarmte; und als er ihn mit bemalten Augen, aufgetragenen Farben und künstlich angelegten Haaren nach Medischer Weise geschmückt sah (denn das Alles, purpurne Kleider, Oberröcke, Ketten um den Hals, Spangen um die Hände ist Medische Tracht; die Perser zu Hause dagegen kleiden sich noch heut zu Tage schlechter, und leben auch sonst einfacher), als er, sage ich, den Schmuck seines Großvaters sah, so betrachtete er ihn und sprach: »Mutter, wie schön ist doch mein Großvater!« Auf die Frage der Mutter, welchen von Beiden, seinen Vater oder den Großvater, er für den Schönern halte, antwortete Kyrus: »Liebe Mutter, unter den Persern ist mein Vater der Schönste, unter den Medern aber, so viel ich deren unterwegs und an der Pforte gesehen, ist dieser mein Großvater bei Weitem der Schönste.« Da drückte ihn Astyages an sein Herz, ließ ihm ein schönes Kleid anziehen, und beehrte und schmückte ihn mit Halsketten und Armspangen. Wenn er ausritt, so ließ er ihn auf einem Pferd mit goldnem Zaum herumführen, wie er selbst zu reiten pflegte. Kyrus, als ein Knabe der das Schöne und die Ehre liebte, hatte große Freude an dem Kleide; und daß er reiten lernen durfte, darüber war er ganz entzückt. Denn in Persien, wo die gebirgigte Gegend Pferde zu halten und zu reiten sehr erschwert, ist es etwas Seltenes auch nur ein Pferd zu sehen. Als sodann Astyages mit seiner Tochter und Kyrus speiste, so wollte er dem Knaben den Gaumen auf alle Art kitzeln, damit er desto weniger das Heimweh bekäme; er ließ ihm daher die verschiedensten Leckereien und Brühen und die ausgesuchtesten Bissen vorsetzen. Da sprach Kyrus: »lieber Großvater, wie viele Mühe hast du doch bei dem Essen, wenn du nach allen diesen Schüsseln die Hände ausrecken und diese verschiedenen Speisen kosten mußt.«

Astyages. Nun denn, scheint dir dieses Mahl nicht weit besser als ein Persisches?

Kyrus. O nein, lieber Großvater. Bei uns ist der Weg zur Sättigung viel einfacher und gerader; denn uns führt Brod und Fleisch zu diesem Ziel: ihr strebt eben dahin, kommt aber erst durch viele Krümmungen, Berg auf und ab irrend, mit Mühe dahin wo wir schon längst angekommen sind.

Astyages. Ganz recht, mein Sohn; aber dieses Umherirren macht uns keine Beschwerde; koste einmal, so wirst du finden, wie gut das schmeckt.

Kyrus. Aber du hast ja, lieber Großvater, einen Ekel vor diesen Speisen.

Astyages. Woraus schließest du das, mein Sohn?

Kyrus. Daraus daß du, wenn du das Brod angreifst, die Hand an nichts abwischest; wenn du aber eine dieser Speisen berührst, so reinigst du sogleich die Hand mit dem Handtuch, als wäre es dir sehr widerlich daß sie dir dadurch beschmutzt wurde.

Astyages. Wenn du dieser Meinung bist, mein Sohn, so iß wenigstens Fleisch, damit du als kräftiger Jüngling heimkehrest.

In diesem Augenblick ließ er ihm viel Fleisch von wilden und zahmen Thieren vorsetzen. Als Kyrus diese Masse Fleisches sah sprach er: »Erlaubst du mir auch wirklich, lieber Großvater, über all dieses Fleisch nach Belieben zu verfügen?« – »Allerdings, mein Sohn,« war die Antwort. Da vertheilte denn Kyrus das Fleisch unter die Diener seines Großvaters, und sagte Jedem etwas: »Dir dieß, weil Du mich so bereitwillig reiten lehrst;« – »Dir, weil Du mir einen Spieß geschenkt, den ich noch habe:« – Dir, weil Du meinen Großvater so gut bedienst;« – »Dir, weil Du meine Mutter ehrst.« Und so fuhr er fort, bis alles Fleisch das er erhalten hatte ausgetheilt war. »Wie,« sagte Astyages, »gibst du dem Sakas, meinem Mundschenken, den ich am meisten ehre, nichts?« Sakas war ein schöner Mann, und hatte den Ehrenposten, Die welche vor Astyages wollten vorzuführen, und Die welche vorzuführen ihm nicht an der Zeit schien abzuweisen. Schnell fragte Kyrus, der nichts weniger als schüchtern war: »sage mir doch, Großvater, warum ehrst du diesen Mann so?« Astyages erwiderte scherzend: »siehst du denn nicht wie schön und anständig er den Wein einschenkt?« Denn die Mundschenken dieser Könige verrichten ihr Amt mit vieler Zierlichkeit, füllen die Schaalen mit der größten Reinlichkeit und reichen sie dann auf drei Fingern so daß Der welcher trinken will sie bequem fassen kann. »So befiehl doch, o Großvater,« sagte Kyrus, »dem Sakas, auch mir den Becher zu geben, damit auch ich dir zierlich einschenke und deine Gunst gewinne, wenn ich kann.« Astyages gab den Befehl. Da nahm Kyrus die Schaale, spülte sie so säuberlich aus wie er es bei Sakas gesehen, legte sein Gesicht in eben so ernste Falten und überreichte dem Großvater die Schaale mit einem gewissen Anstand, so daß er seiner Mutter und dem Astyages viel Stoff zum Lachen gab. Kyrus selbst lachte laut auf, sprang auf seinen Großvater zu, küßte ihn und sprach: »Sakas, um dich ist’s geschehn: ich werde dich von deinem Posten verdrängen; denn ich werde nicht nur sonst schöner einschenken als du, sondern auch den Wein nicht selbst austrinken (die königlichen Mundschenken schöpfen nämlich, wenn sie die Schaale reichen, mit dem Schöpfer etwas heraus, das sie sich in die linke Hand gießen und schlürfen, damit sie, wenn sie den Trank vergiften wollten, keinen Nutzen davon hätten). Darauf fragte Astyages scherzend: »Warum hast du denn, Kyrus, da du den Sakas im Uebrigen nachahmtest, nicht auch von dem Wein geschlürft?« – »Bei Gott,« antwortete er, »weil ich fürchtete, in dem Gefäß möchte Gift gemischt sein. Denn als du an deinem Geburtsfest deinen Freunden einen Schmaus gabst bemerkte ich deutlich daß er euch Gift einschenkte.« – »Und wie bemerktest du dieses, mein Sohn?« – »Nun, weil ich sah daß es euch an Leib und Seele schwach wurde. Denn was ihr uns Knaben nicht gestattet, das thatet ihr selbst. Ihr schrieet Alle zusammen, ohne einander ein Wort zu verstehen. Auch sanget ihr so daß man herzlich lachen mußte. Ohne auf den Sänger zu hören, schwuret ihr daß er vortrefflich singe. Jeder rühmte seine Stärke; nachdem ihr aber aufgestanden waret, um zu tanzen, konntet ihr nicht einmal aufrecht stehen, geschweige nach dem Takte tanzen. Ihr hattet gänzlich vergessen, Du, daß du König, die Andern, daß du ihr Gebieter seiest. Damals bekam ich denn auch den ersten Begriff daß also das was ihr damals thatet die Redefreiheit ist; wenigstens konntet ihr den Mund nie schließen.« – »Nun, mein Sohn,« sagte Astyages, »wie geht es denn deinem Vater? wird er nicht berauscht, wenn er trinkt?« – »Nein, beim Zeus,« erwiderte Kyrus. – »Wie macht er es denn?« – »Er hört auf, so lang er noch Durst hat; sonst aber empfindet er dabei gar keine Unannehmlichkeit: ich glaube, das kommt daher, mein Großvater, daß er keinen Sakas zum Mundschenken hat.« – Hierauf sagte die Mutter: »woher kommt es denn, mein Sohn, daß du mit Sakas immer im Streit liegst?« – »Weil ich ihn, so wahr Gott lebt, hasse,« – erwiderte Kyrus; »denn oft, wenn ich zu meinem Großvater gehen will, verwehrt mir dieser garstige Mensch den Zutritt. Aber ich bitte dich, Großvater, vergönne mir nur drei Tage die Herrschaft über ihn.« – »Und wozu wolltest du diese Herrschaft über ihn benützen?« fragte Astyages. »Ich würde mich,« sagte Kyrus, »wie er, an den Eingang stellen; und wenn er dann zum Frühstück eintreten wollte, so würde ich sagen: man kann noch nicht zum Frühstück gehen, der Großvater ist mit einigen Leuten beschäftigt. Käme er sodann zum Mittagessen, so würde ich sagen: er ist im Bade; und wenn es ihm endlich um’s Essen recht ernstlich zu thun wäre, so würde ich sagen: er ist im Gemach der Frauen. So würde ich ihn durch Verwehrung des Eintritts zu dir ebenso hinhalten wie er es mir macht.« Auf diese Art erheiterte er sie manchfach über Tisch. Und den Tag über, wenn er seinem Großvater oder dem Bruder seiner Mutter irgend einen Wunsch ansah, konnte ihm nicht leicht ein Anderer in Erfüllung desselben zuvorkommen; denn mit dem größten Vergnügen that er ihnen Alles was in seinen Kräften stand zu Gefallen.

Als nun Mandane Anstalt machte zu ihrem Gemahl zurück zu kehren, so bat Astyages sie den Kyrus zurück zu lassen. Sie antwortete, sie sei zwar bereit in Allem sich nach dem Willen ihres Vaters zu richten; jedoch den Knaben wider seine Neigung zurück zu lassen möchte manche Schwierigkeit haben. Darauf wandte sich Astyages an Kyrus und sprach zu ihm: »lieber Sohn, wenn du bei mir bleibst, so soll dir vor’s Erste Sakas über den Eintritt zu mir nichts mehr zu sagen haben, sondern es soll bei dir stehen, wann du willst, zu mir zu kommen: und je öfter du zu mir kommen wirst, desto dankbarer werde ich dir dafür sein. Sodann stehen dir meine Pferde, und von den andern so viele du willst, zu Dienste: und wenn du heimkehrst bekommst du mit, welche du willst. Beim Essen kannst du einen beliebigen Weg einschlagen, um zu dem was nach deinen Begriffen mäßig ist zu gelangen. Die gegenwärtig im Thiergarten befindlichen Thiere schenke ich dir, und noch verschiedene andere will ich zusammentreiben lassen; diese kannst du dann, sobald du reiten gelernt, verfolgen und mit Bogen und Wurfspieß erlegen, wie die großen Männer. Auch Knaben die mit dir spielen will ich dir schaffen: und was du sonst wünschest darfst du nur sagen, so wirst du es erhalten.« Nachdem Astyages dieß gesagt hatte, fragte die Mutter den Kyrus, ob er bleiben oder heimkehren wolle? Kyrus war nicht im Mindesten unschlüssig, sondern erklärte schnell, er wolle bleiben. Als ihn die Mutter nach dem Grund fragte erwiderte er: »Zu Haus, liebe Mutter, bin ich unter meinen Kameraden im Bogenschießen und Wurfspießwerfen der Beste und gelte dafür; hier aber stehe ich den Kameraden im Reiten nach, wie ich nur zu gut weiß; und ich muß dir gestehen, liebe Mutter, daß mich Dieß sehr kränkt. Wenn du mich aber hier lässest, und ich reiten gelernt habe, so hoffe ich dir, wenn ich unter den Persern bin, jene im Fußdienst Geübten leicht zu übertreffen; und wenn ich hieher zu den Medern komme, so will ich es versuchen meinem Großvater, unter seinen guten Reitern der Beste, Hülfe zu leisten.« Darauf sagte die Mutter: »aber, mein Sohn, wie wirst du hier Gerechtigkeit lernen, da deine Lehrer dort sind?« Kyrus antwortete: »liebe Mutter, diese verstehe ich schon aus dem Grunde.« – »Wie kannst du das wissen?« fragte Mandane. – »Weil mich der Lehrer als einen in der Gerechtigkeit gut Bewanderten schon zum Richter über Andere aufstellte. Nur wegen Eines Richterspruchs bekam ich einmal Schläge, weil ich nicht recht entschieden haben sollte. Der Fall war dieser. Ein großer Knabe, der ein kurzes Unterkleid hatte, zog einem andern kleinen Knaben, der ein langes Unterkleid hatte, dieses aus und gab ihm dafür das seinige; das lange Unterkleid von Jenem aber zog er selbst an. Da ich nun Diesem Recht zu sprechen hatte, so war ich der Meinung, es sei für Beide das Beste wenn Jeder das für ihn passende Unterkleid habe. Darüber gab mir dann der Lehrer Schläge und sagte: wenn ich über das Passende zu entscheiden habe, so sei dieß Verfahren ganz recht; wenn aber zu entscheiden sei Wem das Kleid gehöre, so komme in Betracht, Wer mit Recht im Besitze sei, Derjenige welcher es mit Gewalt genommen, oder Der welcher es sich machen ließ oder käuflich an sich brachte. Sodann sagte er, das Gesetzmäßige sei gerecht, das Widergesetzliche gewaltthätig. Der Richter müsse immer nach dem Gesetz sprechen. Auf diese Art, liebe Mutter, habe ich das Recht von Grund aus erlernt: sollte mir hie und da noch etwas fehlen, so kann mich dieß ja mein Großvater lehren.« – »Lieber Sohn,« erwiderte die Mutter, »nicht Dasselbe gilt bei deinem Großvater und bei den Persern für Recht. Dein Großvater hat sich zum unumschränkten Herrn aller Meder gemacht; bei den Persern aber gilt Gleichheit für Recht. Dein Vater ist der Erste, dessen ganzes Thun nichts als Vollziehung der Befehle des Staats ist; seine Einnahme besteht in dem was der Staat ihm ausgesetzt; das Maß ist ihm nicht durch das Begehren, sondern durch das Gesetz bestimmt. Nimm dich also wohl in Acht daß man dich nach deiner Rückkehr nicht halb todt schlagen muß, wenn du statt königlicher Grundsätze tyrannische gelernt hast, mit welchen der Glaube verbunden ist man müsse mehr als Alle haben.« – »Darüber sei ganz ruhig, liebe Mutter,« erwiderte Kyrus; »dein Vater versteht sich besser darauf Einen Genügsamkeit mit Wenigem als hohe Ansprüche zu lehren. Siehst du denn nicht daß er auch alle Meder gelehrt hat weniger als er zu besitzen? Gewiß wird er mich so wenig als irgend einen Andern mit dem Grundsatz des Mehrhabenwollens aus seiner Schule entlassen.«

4.

Dergleichen schwatzte Kyrus viel; endlich reiste die Mutter ab, Kyrus aber blieb, und wurde daselbst erzogen. An seine Kameraden schloß er sich bald so fest an daß sie ganz vertraut mit einander wurden. Auch ihre Väter hatte er bald an sich gefesselt, indem er sie besuchte und die Liebe zu ihren Söhnen offen an den Tag legte; so daß sie, wenn sie eine Bitte an den König hatten, ihren Söhnen auftrugen den Kyrus um Auswirkung derselben zu ersuchen. Kyrus aber machte es sich, vermöge seiner Menschenfreundlichkeit und Ehrliebe, zur wichtigsten Angelegenheit Alles um was ihn die Knaben baten auszuwirken; und Astyages konnte dem Kyrus keine Bitte abschlagen. Denn z. B. als er krank war, verließ Kyrus seinen Großvater keinen Augenblick und zerfloß in Thränen; und man konnte wohl sehen, wie ängstlich er fürchtete, der Großvater möchte ihm sterben. Wenn aber Astyages bei Nacht Etwas wünschte, so war Kyrus der Erste der es merkte; er lief am schnellsten herbei, um ihm jeden gedenkbaren Dienst zu leisten. Und dadurch gewann er die Gunst des Astyages vollkommen.

Kyrus war vielleicht etwas zu geschwätzig, theils in Folge seiner Erziehung, weil ihn der Lehrer anhielt über das was er that Rechenschaft zu geben, und wenn er Recht sprach, sich von Andern geben zu lassen; theils war es Folge seiner Wißbegierde, indem er die Anwesenden unaufhörlich fragte, wie es sich mit Diesem oder Jenem verhalte. Auf Fragen die man an ihn machte gab er, vermöge seines Scharfsinns, schnelle Antwort. Dieß Alles wirkte zusammen um ihn geschwätzig zu machen. Aber wie man dem Körper von Jünglingen die schnell groß geworden doch noch das Jugendliche ansieht, das die Minderjährigkeit verräth, so leuchtete auch bei Kyrus aus seiner Geschwätzigkeit nicht Dreistigkeit, sondern eine gewisse kindliche Einfachheit und Freundlichkeit hervor. Daher man ihn immer lieber noch weiter sprechen hörte als schweigend sah.

Als er aber mit zunehmender Größe dem Jünglingsalter nahe rückte, so wurde er in seinen Reden kürzer, in seiner Stimme ruhiger. Er wurde voll Bescheidenheit, so daß er sogar erröthete wenn er mit Aelteren zusammentraf. Das hündische Wesen, auf Alle ohne Unterschied zuzugehen, verlor sich allmählich. So war er nun zwar ruhiger, aber in Gesellschaft äußerst liebenswürdig. Bei Wettkämpfen z. B., welche Kameraden oft mit einander anstellen, forderte er seine Gespielen nie in den Uebungen in denen er sich stärker wußte heraus; sondern er fieng solche an in denen er sich seiner Schwäche wohl bewußt war, und sagte dabei, er wolle es besser machen als sie. Noch ehe er fest im Sattel saß begann er bereits Pferde zu besteigen, um zu Pferd mit dem Wurfspieß oder Bogen zu schießen. Wurde er besiegt, so lachte er sich selbst am meisten aus. Weil er sich aber durch das Besiegtwerden die Uebungen in denen er besiegt wurde nicht entleiden ließ, vielmehr die Versuche es besser zu machen immer wiederholte, so that er es seinen Kameraden im Reiten bald gleich, ja, weil er die Sache mit Liebe betrieb, in Kurzem sogar zuvor; auch hatte er die Thiere in dem Thiergarten durch Verfolgen, Schießen und Erlegen bald ausgeräumt, so daß Astyages keine mehr für ihn herbeitreiben lassen konnte. Als nun Kyrus sah daß er ihm mit dem besten Willen keine lebendige Thiere mehr herbeischaffen konnte sagte er zu ihm: »lieber Großvater, was sollst du dir mit dem Aufsuchen der Thiere viele Mühe machen? Wenn du mich mit dem Oheim auf die Jagd schickst, so will ich glauben, alle Thiere die ich erblicke werden für mich gehalten.« Aber unerachtet seines großen Verlangens auf die Jagd zu ziehen konnte er doch nicht mehr so inständig bitten wie als Knabe, sondern er nahte sich ihm etwas schüchterner. Und den Dienst des Sakas, dem er früher den Vorwurf gemacht daß er ihn nicht zu dem Großvater lasse, verrichtete er nun gegen sich selbst. Denn er gieng nie zu ihm, wenn er nicht voraus wußte daß es gelegene Zeit sei; und den Sakas bat er, ihm durchaus zu sagen, wenn er gelegen oder ungelegen komme; daher liebte ihn auch Sakas, wie alle Andern, über die Maßen.

Als Astyages seinen großen Drang nach einer Jagd im Freien wahrnahm, so ließ er ihn mit dem Oheim ausziehen, und gab ihm ältere Aufseher zu Pferde mit, um ihn vor Unwegen und wilden Thieren zu bewahren. Kyrus aber erkundigte sich bei seinen Begleitern angelegentlich, welchen Thieren man sich nicht nähern, und welche man kecklich verfolgen dürfe. Diese sagten: Bären, Löwen, wilde Schweine und Parder haben schon Manchen der sich ihnen genaht zerrissen: Hirsche aber, Gazellen, wilde Schafe und wilde Esel sind unschädlich. Sie sagten ihm ferner, vor Unwegen müsse er sich ebenso in Acht nehmen wie vor den Thieren: denn schon oft sei Roß und Mann in Abgründe gestürzt. Kyrus hörte diese Lehren alle mit Begierde an; als er aber einen Hirsch aufspringen sah vergaß er Alles was er gehört, setzte ihm nach, und sah gar nichts mehr als wohin er floh. Sein Pferd fiel bei einem Sprung den es machte auf die Kniee; und wenig fehlte, so hätte es ihn abgeworfen. Indeß blieb er mit Mühe sitzen, und das Pferd stand wieder auf. Als er aber das freie Feld erreichte erlegte er den Hirsch mit dem Wurfspieß, ein schönes und großes Stück. Kaum wußte er sich jetzt vor Freude zu fassen; die Aufseher aber sprengten herbei, schalten ihn, stellten ihm vor, in welche Gefahr er sich begeben habe, und sagten, sie wollten ihn beim Großvater verklagen. Kyrus war abgestiegen und hörte dieß mit Mißmuth an; als er aber ein Geschrei vernahm schwang er sich auf sein Pferd, wie begeistert, und da er einen Eber gerade auf sich losstürzen sah sprengt er auf ihn los, zielt glücklich, trifft ihn auf die Stirne, und erlegt ihn. Bei’m Anblick dieser Keckheit schalt ihn nun auch der Oheim. Dessen ungeachtet aber bat ihn Kyrus, ihm zu gestatten das was er bekommen dem Großvater nach Hause zu bringen. Der Oheim antwortete: »wenn aber der Großvater von deinem kecken Nachsetzen hört, so wird er nicht allein dir Vorwürfe machen, sondern auch mir, weil ich es zuließ.« – »Wenn er will mag er mich geißeln,« erwiderte Kyrus, »wenn ich es ihm nur gegeben habe. Und wenn du, lieber Oheim, Lust hast, so strafe mich ab; nur thue mir diesen Gefallen.« Zuletzt sagte Kyaxares: »thue was du willst: du bist einmal, wie es scheint, gegenwärtig unser König.« So brachte denn Kyrus die Thiere dem Großvater heim und sagte, diese habe er selbst für ihn gejagt. Die Wurfspieße zeigte er zwar nicht, stellte sie aber, mit Blut befleckt, an einen Ort wo er glaubte der Großvater werde sie sehen. Astyages erwiderte: »ich nehme zwar deine Gaben recht gerne an, mein Sohn: doch bedarf ich ihrer nicht so nothwendig daß du dich deßwegen in Gefahr zu begeben brauchst.« Kyrus antwortete: »lieber Großvater, wenn du ihrer nicht bedarfst, so bitte ich dich, überlasse sie mir, damit ich sie unter meine Kameraden austheile.« – »Ja wohl, lieber Sohn,« sagte Astyages, »du kannst nicht nur diese, sondern auch von den andern, so viel du willst, haben und austheilen an wen dir’s beliebt.« Kyrus nahm sie, gab sie den Knaben und sprach:

»Knaben, was war das doch für ein Kinderspiel, so lange wir in dem Thiergarten jagten. Es kommt mir gerade vor, als ob man gefesselte Thiere jagte. Denn erstens waren sie in einem kleinen Raum; sodann waren sie klein, hager und schäbig; das eine war lahm, das andere verstümmelt. Wie schön, wie groß, wie fett erschienen dagegen die Thiere auf den Bergen und Fluren. Die Hirsche sprangen wie beflügelt himmelwärts; die wilden Schweine rannten heran, wie man uns von tapfern Männern sagt, und bei ihrer breiten Gestalt war es nicht möglich sie zu verfehlen. Selbst todt erscheinen mir diese schöner als jene eingezäunten lebendig. Würden wohl auch euch eure Väter auf die Jagd lassen?« – »Recht gerne,« war die Antwort, »wenn Astyages es befehlen würde.« – »Wer könnte nun wohl dieß bei Astyages für uns anbringen?« fragte Kyrus. – »Wer könnte ihn dazu besser bereden als du?« – »Nein, beim Zeus,« erwiderte Kyrus; »ich weiß gar nicht, was für ein Mensch aus mir geworden ist. Denn es ist mir nicht mehr möglich mit meinem Großvater zu reden, oder ihm gerade in’s Gesicht zu sehen. Wenn ich so fortfahre, so fürchte ich noch ein vollkommener Tölpel und Schwachkopf zu werden. Galt ich doch als Kind für einen so gewaltigen Schwätzer.« Darauf sagten die Knaben: »das ist doch schlimm, wenn du nicht einmal für uns eine Bitte auswirken kannst, sondern wir um Das was du thun könntest einen Andern ersuchen müssen.« Diese Rede gieng dem Kyrus zu Herzen; schweigend entfernte er sich, sprach sich selbst Muth ein und gieng hinein, nachdem er berathschlagt hatte, wie er es beim Großvater am angenehmsten anbringen und für sich und die Knaben die Bitte auswirken könnte. Er fieng daher folgendermaßen an: