Die Legende von Sleepy Hollow, Rip Van Winkle, Der Gespensterbräutigam - Washington Irving - E-Book

Die Legende von Sleepy Hollow, Rip Van Winkle, Der Gespensterbräutigam E-Book

Washington Irving

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Beschreibung

Gemäß der Sage treibt in Sleepy Hollow ein kopfloser Reiter sein Unwesen, ein im Kampf gefallener Hesse, der keinen Frieden in seinem Grab findet. Ichabod Crane, der die kleine Dorfschule in Sleepy Hollow leitet, wird dem spukenden Reiter scheinbar unausweichlich in die Arme getrieben ... Rip Van Winkle ist ein von seiner Frau unterjochter Bauer, der nur in der Natur Ruhe und Frieden finden kann. Bei einem seiner Ausflüge in die Berge begegnet er einer Gruppe kleiner Männlein, die ein sonderbares Fest feiern. Nachdem er von ihrem verzauberten Branntwein getrunken hat, fällt er in einen tiefen Schlaf – aus dem er erst 20 Jahre später wieder erwachen soll ... Die Legende von Sleepy Hollow und Rip Van Winkle sind zwei der bekanntesten Kurzgeschichten der amerikanischen Literatur. In diesem Band liegen sie in einer textgetreuen Übersetzung und mit zahlreichen zeitgenössischen Illustrationen versehen vor. Ergänzt wird der Band durch die Erzählung "Der Gespensterbräutigam".

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Seitenzahl: 111

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Übersetzung von W. A. Lindau, Dresden 1822,

Neubearbeitung von Maria Weber.

Inhalt.

Die Legende von Sleepy Hollow.

Rip Van Winkle.

Der Gespensterbräutigam.

DIE LEGENDE VON SLEEPY HOLLOW.

Ein entzückend träges Land war's, Wo Traumbilder vorm halb geschloß’nen Aug', Und am azurnen Himmel in stetem Strome Wolkenschlösser vorüberziehen.

CASTLE OF INDOLENCE.

IN einer der weiten Buchten, welche in das östliche Gestade des Hudson einlaufen, bei jener Ausdehnung des Flußbettes, die von den alten holländischen Seefahrern der Tappaan-Zee genannt wurde, wo sie immer vorsichtig die Segel einzogen und den Schutz des heiligen Nikolaus anriefen, wenn sie überfuhren – liegt ein kleiner Marktflecken, ein Hafendorf, von einigen Greensburgh genannt, allgemeiner aber unter dem Namen Tarrytown1 bekannt. Diesen Namen sollen in früheren Zeiten die guten Hausfrauen in der Umgegend aufgebracht haben, weil unter ihren Männern die eingewurzelte Gewohnheit herrschte, an Markttagen in der Dorfschenke zu verweilen. Sei dem wie ihm wolle, ich verbürge die Tatsache nicht, sondern berühre sie bloß, um genau und glaubwürdig zu sein. Nicht weit, ungefähr anderthalb Stunden Weges vom Dorfe, liegt ein kleines Tal, oder vielmehr ein Fleckchen Land zwischen hohen Bergen, eines der ruhigsten Plätzchen in der ganzen Welt. Ein kleiner Bach durchfließt es, und murmelt gerade genug, um jemanden in Schlaf zu lullen, und das gelegentliche Pfeifen einer Wachtel oder das Geschrei eines Spechts sind fast die einzigen Töne, die je die einförmige Ruhe unterbrechen.

Ich erinnere mich, daß ich als Knabe meinen ersten Versuch in der Eichhörnchenjagd in einem Wäldchen von hohen Walnußbäumen machte, die eine Seite jenes Tales beschatten. Ich war um die Mittagszeit dahin gewandert, wo in der Natur eine eigene Stille herrscht, und stutzte über den lauten Knall meiner Flinte, der die Sabbatstille ringsumher brach, und lange vom zürnenden Widerhall zurückgeworfen wurde. Sollte ich je eine Zuflucht wünschen, wohin ich mich von der Welt und ihren Zerstreuungen zurückziehen könnte, um den verbliebenen Rest eines bewegten Lebens ruhig zu verträumen, so wüßte ich keines, das mehr verspräche, als dieses kleine Tal.

Die träge Ruhe des Ortes und die eigene Gemütsart seiner Bewohner, die von den ursprünglichen niederländischen Ansiedlern abstammen, haben dem einsamen Tal vor langer Zeit den Namen Sleepy Hollow2, eingebracht, und die jungen Landleute, die es bewohnen, heißen überall in der Umgegend die Sleepy-Hollow-Jungen. Ein schläfriger, verträumter Einfluß scheint über dem Land zu walten und die Atmosphäre zu durchdringen. Einige sagen, ein deutscher Arzt hätte das Tal in der frühesten Zeit der Ansiedelung bezaubert, andere wollen, es hätte ein alter Indianerhäuptling, der Wahrsager oder Zauberer seines Stammes, hier seine Künste getrieben, ehe Master Hendrick Hudson das Land entdeckte. So viel ist gewiß, daß der Ort immer noch unter dem Einfluß einer gewissen Zaubergewalt steht, die die Gedanken der guten Leute in ihren Bann zieht und sie dazu bringt, in ständiger Träumerei zu wandeln. Sie hängen jeder Art von Wunderglauben nach; unterliegen Trancen und Visionen, sehen oft seltsame Erscheinungen, hören Musik und Stimmen in der Luft. Die ganze Umgegend ist voll von örtlichen Märchen, Spukgeschichten und Zwielicht-Aberglauben; Sternschnuppen und Lufterscheinungen ziehen öfter leuchtend über das Tal, als in anderen Teilen der Gegend, und der Alp mit seinem Gefolge scheint es zum Lieblingsschauplatz seiner Gaukeleien erkoren zu haben.

Der herrschende Geist dieses bezauberten Gebietes aber, der Oberfeldherr gleichsam aller luftigen Mächte, ist die Gestalt eines Reiters ohne Kopf. Einige sagen, es sei der Geist eines hessischen Reiters, dem in irgendeinem namenlosen Gefecht während des Freiheitkrieges eine Kanonenkugel den Kopf weggerissen hätte, und der nun immerfort von den Landleuten gesehen wird, wie er bei nächtlichem Dunkel wie auf den Flügeln des Windes dahin eilt. Sein Spuk ist nicht auf das Tal beschränkt, und erstreckt sich zuweilen auf die benachbarten Straßen, und besonders in die Gegend einer nicht weit entfernten Kirche. Die glaubwürdigsten Geschichtschreiber dieser Gegenden, welche die zerstreuten Sagen über dieses Gespenst sorgfältig gesammelt und verglichen haben, melden allerdings, der Reiter, dessen Leib auf dem Kirchhofe begraben worden sei, reite allnächtlich auf das Schlachtfeld, um seinen Kopf zu suchen, und wenn er zuweilen wie ein mitternächtlicher Windstoß durch das Tal fahre, habe er sich verspätet, und habe es eilig, vor Tagesanbruch zum Kirchhof zurückzukehren.

Dies ist es, was der Aberglaube zu erzählen weiß, und was den Stoff zu mancher seltsamen Geschichte in diesem Schattengebiete gegeben hat. An jedem ländlichen Herd in der ganzen Gegend ist das Gespenst als „der kopflose Reiter von Sleepy Hollow“ bekannt.

Es ist bemerkenswert, daß der erwähnte Hang zum zweiten Gesichte nicht bloß den eingeborenen Bewohnern des Tales eigen ist, sondern unbewußt von jedem eingesogen wird, der sich eine Zeitlang darin aufhält. Wie munter er auch gewesen sein mag, bevor er das schläfrige Gebiet betrat, er wird gewiß in kurzer Zeit dem bezaubernden Einfluß der Luft erliegen und beginnen, seltsame Träume zu träumen und Erscheinungen sehen. Ich will übrigens dieses friedlichen Plätzchens mit allem möglichen Lob erwähnen; denn in diesen abgelegenen niederländischen Tälern, die man hier und da im großen Staat New York findet, bleiben Bewohner, Sitten und Gebräuche unverändert, während der große Strom der Menschenwanderung und der Fortschritt, der so unablässige Veränderungen in anderen Teilen dieses rastlos strebenden Landes hervorbringt, unbemerkt an ihnen vorübergeht. Sie gleichen jenen kleinen Buchten stillen Wassers, die an reißende Ströme grenzen, wo der Strohhalm und die Luftblase ruhig im Wasser liegen, oder sich langsam in der hafenähnlichen Bucht drehen, ungestört von der ungestüm vorüberrauschenden Flut. Viele Jahre sind zwar verflossen, seit ich die einlullenden Schatten von Sleepy Hollow betrat, und ich frage mich, ob ich noch immer dieselben Bäume und dieselben Bewohner in dem geschirmten Schoße des Tales ihr Scheinleben fortsetzen sehen würde.

In diesem Schlupfwinkel der Natur wohnte, in einem lange zurückliegenden Zeitraum der amerikanischen Geschichte, das heißt, vor etwas mehr als dreißig Jahren, ein wackerer Mann namens Ichabod Crane, welcher sich in Sleepy Hollow aufhielt, oder, wie er sagte, dort zauderte, um die Kinder der Umgegend zu unterrichten. Er stammte aus Connecticut, einem Staat, der die vereinigten Staaten mit Pionieren sowohl für den Geist, wie auch für den Wald versorgt, und jährlich ganze Scharen von Holzfällern und Landschullehrern aussendet. Der Name Crane3 paßte nicht übel zu seiner Gestalt. Er war hoch gewachsen, aber ungemein dünn, mit schmalen Schultern, langen Armen und Beinen, Händen, die eine Meile aus seinen Ärmeln baumelten, Füßen, die zu Schaufeln hätten dienen können, und seine Gliedmaßen schlackerten an seinem Körper. Sein Kopf war klein und oben abgeflacht, mit ungeheuren Ohren, großen, wäßrig grünen Augen, einer langen spitzen Schnepfennase, und das Ganze sah aus wie ein Wetterhahn, der auf dem Spindelhalse saß, um anzusagen, woher der Wind wehte. Wenn man ihn an einem windigen Tage längs dem Rande eines Hügels hinschreiten sah, und die Kleider wie ein Sack um ihn flatterten, hätte man ihn für den Genius des Hungers halten können, der auf die Erde hinabstieg, oder für eine aus dem Feld entlaufene Vogelscheuche.

Sein Schulhaus war ein niedriges Gebäude, das einen einzigen großen Raum enthielt, und nur plump aus Balken zusammen gesetzt war; die Fenster waren teils verglast, teils mit Blättern alter Schreibhefte verklebt. In Freistunden war es sehr sinnreich durch eine in den Türgriff geflochtene Weidenrute, und Pfähle, die gegen die Fensterladen gestellt waren, verwahrt, so daß ein Dieb sehr leicht hätte hereinkommen können, aber einige Schwierigkeit gefunden haben würde, wieder hinauszukommen; eine Idee, die vom Architekten Yost Van Houten wahrscheinlich aus der Konstruktion einer Aalreuse entlehnt wurde. Das Schulhaus hatte eine einsame, aber ziemlich angenehme Lage, am Fuße eines waldigen Hügels, nahe an einem Bache, und war von einer gewaltigen Birke beschattet. Von dort konnte man an einem schläfrigen Sommertage das dumpfe Gemurmel der Stimmen seiner Schüler, wenn sie ihre Aufgaben lernten, wie das Summen eines Bienenschwarmes hören, nur zuweilen unterbrochen von der respektgebietenden Stimme des Lehrers, oder vielleicht von dem furchtbaren Ton der Rute, wenn er einen Faulenzer auf dem blumigen Pfad des Wissens antrieb. Man muß es der Wahrheit gemäß gestehen, er war ein gewissenhafter Mann, der immer an den goldenen Spruch dachte: „Sparst du die Rute, so verhätschelst du das Kind.“ Ichabod Cranes Schüler wurden gewiß nicht verhätschelt.

Nun denke man aber nicht, er hätte zu jenen grausamen Schulgebietern gehört, die am Leid der Untertanen Freude finden; nein, er verwaltete die Gerechtigkeit eher mit gehöriger Unterscheidung, als mit Strenge, nahm die Bürde von den Schultern des Schwachen und legte sie dem Starken auf. Ein mageres Bürschlein, das schon beim bloßen Anblick der Rute winselte, wurde nachsichtig behandelt; aber die Ansprüche der Gerechtigkeit wurden befriedigt, indem der zähe, starrköpfige, stämmige niederländische Bube, der unter der Rute trotzte und zürnte, und mürrisch und verbissen wurde, eine doppelte Abreibung erhielt. Alles dies nannte er, „seine Pflicht für die Eltern tun“, und nie fügte er eine Züchtigung zu, ohne die für den leidenden Knaben so tröstliche Versicherung hinzuzufügen, der Gestrafte werde „daran gedenken und es ihm sein Leben lang danken“.

Nach den Schulstunden war er sogar der Gefährte und Spielgeselle der größeren Knaben, und an Feiertagsnachmittagen führte er Kleinere heim, die hübsche Schwestern hatten, oder deren Mütter gute Hausfrauen waren, die über einen gut gefüllten Vorratsschrank verfügten. Er war freilich in einer Lage, die es ihm gebot, mit seinen Schülern auf gutem Fuße zu stehen. Seine Einkünfte aus der Schule waren gering und hätten kaum ausgereicht, um ihn mit dem täglichen Brot zu versorgen, da er ein gewaltiger Esser war, und, wenn auch mager, doch die Kraft hatte, sich wie eine Anaconda auszudehnen; um ihm aber seinen Unterhalt zu erleichtern, erhielt er, nach der ländlichen Sitte in jenen Gegenden, in den Häusern der Bauern, deren Kinder er unterrichtete, Kost und Wohnung. So lebte er abwechselnd eine Woche bei jedem, und machte die Runde in der Umgegend, mit seinen sämtlichen Habseligkeiten in einem baumwollenen Tuche.

Er hatte verschiedene Mittel, sich nützlich und angenehm zu machen, damit die Kosten seiner Ernährung den Beuteln der ländlichen Gönner, die das Schulgeld für eine große Last und die Schulmeister für bloße Parasiten hielten, nicht zu lästig fallen sollten. Zuweilen leistete er den Bauern in leichten wirtschaftlichen Arbeiten Beistand, half beim Heumachen, besserte die Zäune aus, führte die Pferde zum Wasser, trieb die Kühe auf die Weide und sägte Holz zur Winterfeuerung. Er legte auch seine ganze gebieterische Würde und unbeschränkte Herrschaft, womit er in seinem kleinen Reiche, der Schule, waltete, beiseite, und wurde wunderbar freundlich und einschmeichelnd. In den Augen der Mütter fand er Gnade, wenn er die Kinder, zumal die Jüngsten, verhätschelte; und dem kühnen Löwen gleich, der zuweilen so großmütig das Lamm hält, saß er oft mit einem Kinde stundenlang auf dem Knie und stieß mit dem Fuße an eine Wiege.

Zusätzlich zu seinen anderen Berufen, war er der Gesangslehrer der Umgegend, und strich so manchen blanken Schilling für den Unterricht im Psalmensingen ein. Er bildete sich nicht wenig darauf ein, wenn er an Sonntagen mit einer Anzahl erlesener Sänger seinen Platz dem Chore gegenüber nahm, wo er nach seiner Meinung einen vollständigen Sieg über den Pfarrer davontrug. So viel ist gewiß, seine Stimme überschrie jede andere in der Versammlung, und man hört in dieser Kirche noch immer ein zitterndes Beben, das man an einem stillen Sonntagmorgen gar eine Viertelstunde weit, auf der andern Seite des Mühlenteiches, noch vernimmt, und das man für einen Nachhall aus Ichabod Cranes Nase hält. Und so gelang es dem würdigen Schulmann, mithilfe verschiedener Mittel, welche man für gewöhnlich „auf Biegen und Brechen“ nennt, sich leidlich durchzuschlagen, und wer nicht wußte, was es bedeutet, Kopfarbeit zu leisten, könnte meinen, er müßte ein ungemein einfaches Leben haben.

Der Schulmeister gilt in der Regel gewöhnlich für einen ziemlich wichtigen Mann in dem weiblichen Kreise der Dorfbewohner, und man hält ihn ein wenig für einen nicht arbeitenden Vornehmen, der den rohen Bauernburschen an Geschmack und Geist unendlich überlegen ist und in Gelehrsamkeit nur dem Pfarrer nachsteht. Sein Erscheinen bewirkte daher eine ungewöhnliche Bewegung am Teetisch in einem Pächterhaus, und es wurde ein Teller mit Kuchen oder Zuckerwerk mehr aufgetischt, oder vielleicht gar mit der silbernen Teekanne geprahlt. Unser Gelehrter hatte daher ein besonderes Glück, die lächelnden Blicke aller Landmädchen auf sich zu ziehen. Wie glänzte er an Sonntagen unter ihnen auf dem Kirchhof! Da pflückte er ihnen bald Trauben von den wilden Reben, die sich um die umstehenden Bäume schlangen, las zu ihrer Unterhaltung alle Grabschriften auf den Leichensteinen, oder schlenderte mit einem ganzen Schwarm längs dem Mühlenteiche, während die ungebildeteren Bauerntölpel schüchtern hinterherschlichen und ihn um seine überlegene Feinheit und Eleganz beneideten.

Durch seine fast nomadische Lebensweise war er eine Art von wandernder Zeitung, und trug den ganzen Vorrat von Klatschgeschichten der Umgegend von Haus zu Haus, weshalb denn sein Erscheinen immer sehr willkommen war. Die Weiber schätzten ihn überdies als einen Mann von großer Gelehrsamkeit, da er mehre Bücher von Anfang bis Ende gelesen hatte und Cotton Mather's Geschichte der Hexerei in Neu-England vollkommen auswendig kannte, woran er übrigens steif und fest glaubte.