Die Lexik der Chicanos und ihre Anwendung in Texten - Antje Rohloff - E-Book

Die Lexik der Chicanos und ihre Anwendung in Texten E-Book

Antje Rohloff

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Beschreibung

Magisterarbeit aus dem Jahr 2008 im Fachbereich Romanistik - Hispanistik, Note: 2,3, Technische Universität Dresden (Romanistik Sprachwissenschaft), Sprache: Deutsch, Abstract: Jeder Mensch besitzt in seiner Sprache einen bestimmten Wortschatz, dass heißt ein Repertoire an Wörtern, auf den er situationsbedingt zugreifen kann. Dies ermöglicht ihm in einer ganz bestimmten Situation ein spezielles Vokabular heranzuziehen. So gebraucht man beispielsweise in einem Fachgespräch innerhalb seiner Arbeitsstelle einen anderen Ausdruckswortschatz, als es in der Umgangssprache, wie bei einer Unterhaltung zwischen Freunden, der Fall wäre. Um eine solche Unterhaltung unter Freunden, speziell zwischen zwei Chicanos, geht es auch im anfangs aufgezeigten Textausschnitt. Hat man sich diese kleine Plauderei einmal durchgelesen, wird man feststellen, dass es sich nicht um eine standardspanische Version handelt und sich somit auch nicht auf Anhieb alle Wörter erschließen lassen. Die Chicanos haben sich, bedingt durch verschiedene Aspekte, eine vom Standardspanisch, sowie vom mexikanischen Spanisch abweichende Sprache kreiert. Zu den verschiedenen Aspekten zählen unter anderem die Geschichte und die Kultur dieser Minderheit. Im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit steht die Untersuchung der Lexik der Chicanos. Die Arbeit gliedert sich in einen Theorieteil und einen empirischen Teil. Beginnend mit der Theorie werden sechs verschiedene Punkte betrachtet. Zunächst wird eine Gegenüberstellung des mexikanisch-spanischen Wortschatzes mit den Chicano-Lexien durchgeführt. Hiermit wird eine Einsicht in die Vielfalt der Abweichungen gegeben. Dazu soll außerdem eine Aussage zur Größenordnung gemacht werden, um wie viele Abweichungen es sich hierbei handelt. Da die Chicanos aufgrund ihres heutigen Wohnsitzes im Südwesten Nordamerikas mit der englischen Sprache in Kontakt kommen, ist es unabdingbar, auf die Entlehnungen aus der anderen Sprache näher einzugeben. Hierzu werden die Arten dieser Entlehnungen in Form einer Klassifikation herausgearbeitet und aufgezeigt. Bekannter Weise gliedert sich der Südwesten Nordamerikas in verschiedene Bundesstaaten, auf die sich die Chicanos verteilen. Aufgrund dieses Zustandes wird des Weiteren untersucht, ob es zu einer Dialektalisierung kommt und wie sich diese in ihrer Lexik niederschlägt.[...]

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Veröffentlichungsjahr: 2012

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Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Diskussion des Chicanobegriffs.
3 Geschichtlicher Hintergrund
4 Merkmale der gegenwärtigen Chicanokultur.
5 Züge des mexikanisch-spanischen Wortschatzes.
Kapitel
6.1.1 Das Populärspanisch
6.1.2 Code-Mischung oder Code-Switching.
6.1.3 Caló
6.1.4 Chicano-Englisch
6.2 Anglizismen im Chicano.
6.3 Existieren Dialekte im Chicano?
6.4 Spracherziehung und Chicano-Lexik
6.5 Stilistische Effekte des Gebrauchs von typischen Chicano-Lexien
7.1 Präsentation des Textkorpus
7.3 Methodik der Analyse
7.4 Analyse der spanischen Textstellen mit Chicano-Lexik
7.5 Ergebnisse der Analyse und Ergänzung von Forschungsergebnissen
8 Zusammenfassung.
9 Literaturliste
10 Anhang
10.1 Der achtundzwanzigseitige Textkorpus: die Novelle „Crisol“ von Justo

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1 Einleitung

Jeder Mensch besitzt in seiner Sprache einen bestimmten Wortschatz, dass heißt ein Repertoire an Wörtern, auf den er situationsbedingt zugreifen kann. Dies ermöglicht ihm in einer ganz bestimmten Situation ein spezielles Vokabular heranzuziehen. So gebraucht man beispielsweise in einem Fachgespräch innerhalb seiner Arbeitsstelle einen anderen Ausdruckswortschatz, als es in der Umgangssprache, wie bei einer Unterhaltung zwischen Freunden, der Fall wäre.

Um eine solche Unterhaltung unter Freunden, speziell zwischen zwei Chicanos, geht es auch im anfangs aufgezeigten Textausschnitt. Hat man sich diese kleine Plauderei einmal durchgelesen, wird man feststellen, dass es sich nicht um eine standardspanische Version handelt und sich somit auch nicht auf Anhieb alle Wörter erschließen lassen.

Die Chicanos haben sich, bedingt durch verschiedene Aspekte, eine vom Standardspanisch, sowie vom mexikanischen Spanisch abweichende Sprache kreiert. Zu den verschiedenen Aspekten zählen unter anderem die Geschichte und die Kultur dieser Minderheit.

Im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit steht die Untersuchung der Lexik der Chicanos. Die Arbeit gliedert sich in einen Theorieteil und einen empirischen Teil. Beginnend mit der Theorie werden sechs verschiedene Punkte betrachtet.

Zunächst wird eine Gegenüberstellung des mexikanisch-spanischen Wortschatzes mit den Chicano-Lexien durchgeführt. Hiermit wird eine Einsicht in die Vielfalt der Abweichungen gegeben. Dazu soll außerdem eine Aussage zur Größenordnung gemacht werden, um wie viele Abweichungen es sich hierbei handelt.

Da die Chicanos aufgrund ihres heutigen Wohnsitzes im Südwesten Nordamerikas mit der englischen Sprache in Kontakt kommen, ist es unabdingbar, auf die Entlehnungen aus der anderen Sprache näher einzugeben. Hierzu werden die Arten dieser Entlehnungen in Form einer Klassifikation herausgearbeitet und aufgezeigt.

Bekannter Weise gliedert sich der Südwesten Nordamerikas in verschiedene Bundesstaaten, auf die sich die Chicanos verteilen. Aufgrund dieses Zustandes wird des Weiteren untersucht, ob es zu einer Dialektalisierung kommt und wie sich diese in ihrer Lexik niederschlägt.

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In dieser Betrachtung darf auf keinen Fall darauf verzichtet werden, die nachfolgenden Generationen mit einzubeziehen. So wird in Hinsicht auf die Sprache erforscht, ob der typische Chicano-Wortschatz auf die Kinder der Chicanos übertragen und somit eine bestimmte Sprecherziehung vorgenommen wird.

Durch den Einsatz der Chicano-Lexik werden außerdem verschiedene Wortwahleffekte erzielt, die zum Abschluß des theoretischen Teils mittels der vorhandenen Forschungsliteratur genauer geprüft werden.

Im empirischen Teil liegt der spezielle Schwerpunkt auf der Textarbeit mit Chicano-Lexik.

Vor den beiden Hauptpunkten dieser Arbeit muss zunächst eine gewisse Basis, eine Art Kontext, geschaffen werden, um die sprachwissenschaftlichen Untersuchungen besser einordnen und verstehen zu können. An erster Stelle wird der Versuch unternommen eine Definition in Form einer Diskussion für den Chicanobegriff aufzustellen.

Wenn man daraufhin eine erste Vorstellung bekommen hat, um welche Bevölkerungsgruppe es sich hierbei handelt, wird als ein weiterer Schritt auf deren Geschichte näher eingegangen. In diesem Fall wird der Zeitraum vom 19. bis 20. Jahrhundert beleuchtet, der sich von der Unabhängigkeit Mexikos bis zur heutigen Zeit erstreckt. Somit erhält man einen kurzen, aber umfassenden Blick über ihre geschichtliche Entwicklung.

Da diese Untersuchungen allerdings immer noch nicht ausreichen, um sich eine genaue Vorstellung von der Gruppe der Chicanos machen zu können, wird außerdem der soziale Aspekt in die Betrachtungen einbezogen und auch ihre Kultur näher betrachtet. Diese spielt eine sehr große Rolle im Leben der Chicanos und spiegelt verschiedene Charakteristika, bestimmte Denkstrukturen und Handlungsweisen wieder, die man somit besser begreifen kann.

Bevor mit dem ersten großen Schwerpunkt, dem theoretischen Teil, begonnen wird, muss als eine letzte Vorarbeit das mexikanische Spanisch mit all seinen Facetten herausgearbeitet werden, um daraufhin einen Vergleich mit der Chicano-Lexik anstreben zu können. Bei dieser Untersuchung wird nicht nur die Lexik durchleuchtet, sondern auch die Phonetik und die Morphosyntax angerissen, da es auch auf diesen Gebieten einige Besonderheiten gibt, auf die nicht verzichtet werden kann. Diese

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Eigenheiten werden allerdings nur aufgezählt, um einen Eindruck zu bekommen, inwieweit sich das mexikanische Spanisch vom Standardspanischen unterscheidet.

Nachdem alle Vorarbeiten geleistet wurden, folgt der erste Schwerpunkt. Der theoretische Teil bezieht sich auf die vorhandene Forschungsliteratur verschiedener Wissenschaftler, die mit eigenen Methoden einzelne Untersuchungen der sprachwissenschaftlichen Aspekte vorgenommen haben. Die verschiedenen Unterpunkte des The-orieteils sollen in Form der weiter oben bereits formulierten Ziele analysiert werden.

Für den Unterpunkt der Abweichungen muss gesagt werden, dass hierzu ein so genanntes Kontinuum im Bereich der Sprache der Chicanos erarbeitet wird, anhand dessen man dann die Größenordnung angeben kann.

Für den Punkt der Dialektalisierung wird festgelegt, dass sich die Analyse auf die Bundesstaaten Texas, New Mexico mit dem Süden Colorados, Arizona und Kalifornien bezieht.

Um auf die nachfolgenden Generationen eingehen zu können, soll in dem jeweiligen Unterpunkt die Problematik der Spracherziehung im Vordergrund stehen. Wichtig ist an dieser Stelle, zu schauen, wie die Kinder der Chicanos in den Unterricht integriert werden, welche Sprachen gefördert werden und vor allem wie sie mit den unterschiedlichen Sprachsituationen zwischen der Schule und dem Zuhause umgehen.

Als Abschluß des ersten und bereits vorarbeitend für den zweiten Teil, dem Empirischen, werden die stilistischen Effekte der Chicanos herausgearbeitet, die auf eine bestimmte Wortwahl abzielen. An Hand dieser können die Textstellen aus dem Textkorpus im Praxisteil näher erklärt werden.

Der zweite Schwerpunkt liegt auf dem empirischen Teil, in welchem alle im Theorieteil erarbeiteten Sachverhalte an den sich dort abzeichnenden Merkmalen veranschaulicht werden.

Zunächst einmal wird der Textkorpus näher vorgestellt. So werden anfangs einige Angaben, sowohl über den Autor, als auch über den Inhalt der NovelleCrisolgemacht. Für die Erklärung der Wortwahlprozesse, die im zu bearbeitenden Text stattfinden, wird ein lexikologisches Analysemodell erarbeitet und vorgestellt. In einem dritten Unterpunkt wird auf die Methodik der Analyse des Textes eingegangen und eine bestimmte Abfolge festgelegt. Diesem folgt der eigentliche und auch umfangreichste Teil, mit der Herausarbeitung und der Beschreibung der einzelnen Wort- wahlprozesse, die der Autor stellvertretend für die Chicanos vorgenommen hat.

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Die empirische Basis beschränkt sich auf nur einen Text. Zum einen erweist es sich als äußerst schwierig einen geeigneten Textkorpus in der vorhandenen Literatur und auch im Internet zu finden. Auf der anderen Seite ist es im Rahmen dieser Magisterarbeit nicht möglich, weitere Texte hinzuzuziehen, da der zu untersuchende Teil der Novelle einen ausreichenden Anteil an Textstellen mit Chicano-Lexik aufweist.

Zusammenfassend werden noch einmal alle Ergebnisse dieser Analyse aufgezeigt und damit die vorher erarbeiteten theoretischen Bausteine bestätigt oder wiederlegt. Zu den Zitaten muss hinzugefügt werden, dass der Autor dieser Arbeit von der Annahme ausgeht, dass die Leser genügend Sprachkenntnisse in der englischen und spanischen Sprache besitzen, so dass auf eine Übersetzung ins Deutsche verzichtet wird. Für die verwendeten Beispiele in den einzelnen Kapiteln werden zum einen die entsprechenden Originalsätze oder Ausdrücke in Klammern gesetzt. Zum anderen erfolgt eine Angabe der deutschen, beziehungsweise der englischen Entsprechungen ebenfalls in Klammern nur dann, wenn es sich um Begriffe handelt, die einer Übersetzung bedürfen, um den Zusammenhang besser verstehen zu können.

Bezogen auf den Forschungsstand kann gesagt werden, dass es Wissenschaftler gibt, die sich seit Beginn des 20. Jahrhunderts sowohl mit der Phonetik, der Morphologie, als auch mit der Lexik des Chicanos beschäftigen. Der überwiegende Teil der Untersuchungen bezieht sich allerdings auf die Beeinflussung des Spanischen durch das Englische. Hierzu liegt eine große Bandbreite an wissenschaftlichen Aufzeichnungen vor. Zu einigen in dieser Arbeit untersuchten Unterpunkten existieren allerdings keine oder unzureichende Publikationen von Wissenschaftlern, was das Aufzeigen unterschiedlicher Sichtweisen unmöglich macht. Außerdem muss an dieser Stelle angeführt werden, dass man auf genau ein Chicano-Wörterbuch zugreifen kann, da bis heute kein weiteres erschienen ist. Dieses wiederum wurde bereits 1985 veröffentlicht und umfasst somit aufgrund einer fehlenden Neuauflage nicht den aktuellen Wortschatz. Verschiedene Institutionen haben einzelne Listen mit Chicano-Lexien angelegt, aber bei weitem nicht so umfangreich, wie es Galvan mit seinem Wörter- buch getan hat.

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2 Diskussion des Chicanobegriffs

Wenn man den AusdruckChicanozum ersten Mal hört und sich dessen Sinn nicht erschließen kann, ist es sinnvoll, sich eines Lexikons zu bedienen und das Wort nachzuschlagen. In einem solchen Nachschlagewerk wird der Terminus mit der„Be-zeichnungfür die Spanisch sprechende Bevölkerungsgruppe mexikanischer Herkunft in den USA, besonders in Südtexas und Kalifornien“(Zwahr92000: 717) angegeben. Diese allgemeingültige Aussage wird in wissenschaftlichen Studien allerdings verschiedenartig von den Forschern aufgefasst und wiedergegeben. Die Wissenschaftler lassen sich aufgrund ihrer unterschiedlichen Ansichten in drei verschiedene Gruppen einteilen:

a) ausschließlich der BegriffMexican-Americanb) ausnahmslos der AusdruckChicanoc) Verwendung vonMexican-Americanbis zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Geschichte, dann erfolgt ein Wechsel zuChicano

Im Laufe der letzten Jahrzehnte wurden sehr viele Vermutungen darüber angestellt, welchen Ursprung das WortChicanobeansprucht, wobei keine als wirklich gesichert gilt. Einerseits beruhen viele Darlegungen darauf, dass es seinen Ursprung im Náhuatl, einer in Mexiko verbreiteten indigenen Sprache, hat. So existiert die Behauptung, dass die Indianer selbst das Wort ‚Mexicano’ als die Zusammensetzung ‚Me-shi-ca-noh’aussprachen,wobei das weiche ‚shi’ durch das harte ‚chi’ ersetzt wurde. Andererseits gibt es auch Überlegungen dazu, dass dieses Wort eine Mischung aus zwei verschiedenen Wörtern ist. Als Beispiel hierfür lassen sich die Zusammensetzungen ‚Chihuahua’ + ‚Mexicano’, ‚Chicago’ + ‚Mexicano’ oder auch die Kombination von ‚chico’ + ‚ano’ aufzeigen. Auf jeden Fall soll damit die Verbindung angegeben werden, dass es sich um Amerikaner mit mexikanischer Abstammung handelt, wobei die mexikanischen Amerikaner selbst das WortChicanoin Abwechslung mit dem TerminusMexican-Americangebrauchen (vgl. Ortego 1973: xv). Der BegriffChicanohat jedoch nicht nur Erklärungsversuche auf der sprachwissenschaftlichen Ebene zu bieten, sondern weist ebenso im sozialen Bereich ein paar Ansätze auf. Er wird zu Beginn des 19. Jahrhunderts eher als etwas Abschätzendes gebraucht und bezieht sich dabei auf die Mexikaner, welche zur unteren sozialen Klasse gehören. Die ungelernten Arbeiter, die gerade erst nach Nordamerika gekommen

waren, standen hierbei besonders im Mittelpunkt (vgl. Villanueva31994: 7).

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Die Wissenschaftler Vargas, Acuña, Gebler, Moore, Guzmán und Gonzales hingegen siedelten den Ursprung für diesen Begriff in den 1960er Jahren an, als die so genannte Chicano-Bewegung aufkam. Zaragosa Vargas (vgl. 2005: 1) erklärt in seinem Werk, dass sich der TerminusMexican-Americanab den 1960er Jahren zum AusdruckChicanoumwandelte, um in der Zeit der Bürgerrechtsbewegung eine eigene Identität zu erlangen. Dem schließt sich der Wissenschaftler Rodolfo Acuña (62007: 266) an, welcher sich ebenfalls auf die Zeit der Bewegung und insbesondere auf die Jugendbewegung bezieht und den TerminusChicanomit folgenden Worten beschreibt:

„[…] the students also adopted the label ‚Chicano’, partly in response to the Black Power movement, which had changed its identification from ‚Negro’ to ‚Black’. The adoption of Chicano was an attempt to dedicate the movement to the most exploited sector of the U.S. Mexican community, those whom traditional Mexicans and Mexican Americans pejoratively called ‚Chicanos’.“

Die Forscher Leo Grebler, Joan W. Moore und Ralph Guzmán (1970: 583), die in ihrem Werk durchgehend den TerminusMexican-Americanverwenden, verweisen auf den AusdruckChicanomit folgender Angabe:

„[…] chicano has emerged as a term of self-reference among the young activists in all states.“Der Geschichtsprofessor Manuel G. Gonzales (1999: 8) bezeichnet die Einwanderer, welche in den Südwesten Nordamerikas gingen, alsMexicanos.Des Weiteren verwendet er den BegriffMexican-Americanfür diejenigen, welche in den mexikanischen Gebieten geboren wurden, die heute zu Nordamerika gehören. Den BegriffChicanos/Chicanasdefiniert er mit folgenden Worten:

„To avoid confusion, the term Chicanos (and/or Chicanas) will be employed to specify members of the Mexican community who, during the 1960s and subsequently, endorsed the major tenets of Chicanismo; that is, Mexican American who, as the journalist Rubén Salazar defined them, had a non-Anglo image of themselves.“

Der Wissenschaftler Theißen (vgl. 1997: 138f.) geht noch einen Schritt weiter und führt an, dass sich zu Beginn der siebziger Jahre der inhaltliche Schwerpunkt des Begriffes zu einem kulturell orientierten Selbstverständnis verschob. Weg von einer eher abfälligen und hin zu einer allgemeinen Bedeutung umfasst der BegriffChicanonun nicht mehr nur die ursprünglichen Bewohner des ehemaligen mexikanischen Gebietes, sondern auch die mexikanischen Einwanderer, die in den letzten Jahrzehnten legal oder illegal nach Nordamerika kamen.

Zuletzt kann außerdem der Wissenschaftler Julian Nava (vgl. 1969: 106ff.) aufgeführt werden, der anhand einer graphischen Darstellung vier unterschiedliche Typen aufzeigt, welche sich selbst je nach einzelnen Eigenschaften, wie Sprache, Bräuchen,

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Beruf oder Wohlstand mehr dem Mexikanischen oder mehr dem Amerikanischen zuordnen können. Er zählt zu den Mexikanern die Menschen, die so genannten ‚Wet-backs’,‚braceros’,‚residentaliens’,‚green-carders’ und die Touristen. Zu den Nordamerikanern zählt er alle anderen, die sich weder selbstMexican-Americansnennen, noch von anderen als solche bezeichnet werden. Dazwischen setzt der Wissenschaftler die erste Generation derMexican-Americans,die in Mexiko geboren wurden, aber heute Staatsbürger Nordamerikas sind. Und auch die zweite Generation steht dazwischen, welche sich ausMexican-Americanszusammensetzt, die allerdings bereits in den USA geboren sind. Nava selbst verwendet in seinem Werk den AusdruckChicanogar nicht, sondern bezieht sich immer auf den BegriffMexican- American.

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3 Geschichtlicher Hintergrund

Die wichtigsten Eckdaten der mexikanisch-amerikanischen Geschichte für diese Arbeit liegen im 19. und 20. Jahrhundert, welche aus zwei verschiedenen Perspektiven betrachtet werden. Einerseits ist es unabdingbar sich der mexikanischen Geschichte zu widmen, da sich das Geschehen bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts auf mexikanischem Gebiet abspielte. Andererseits muss ebenfalls die Geschichte Nordamerikas hinzugezogen werden, da sich seit 1848 ein Großteil des mexikanischen Gebietes in den Händen der Nordamerikaner befindet. Auch durch die verschiedenartige Betrachtung, sowohl der politischen, als auch der wirtschaftlichen und sozialen Aspekte, ist es notwendig, die Geschichte beider Länder in Betracht zu ziehen. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts stand Mexiko noch unter der Herrschaft Spaniens. Doch bereits im September 1810 forderte der Priester Miguel Hidalgo y Costilla mit seinem berühmten „Grito de Dolores“ (Schrei von Dolores):„Longlive our Lady of Guadalupe! Death to bad goverment! Death to the gachupines!“die Menschen zur Revolution auf (vgl. Gonzales 1999: 59f.). Nach einem elf Jahre dauernden Kampf rief General Agustín de Iturbide im September 1821 die Unabhängigkeit aus, welche im Vertrag von Córdoba unterzeichnet wurde (vgl. Cosío Villegas21974: 80ff.). Die erste Republik entstand 1824. Zum ersten Präsidenten Mexikos wählte man Guadalupe Victoria, welcher den eigentlichen Namen Manuel Félix Fernández trug (vgl.

Meier/Ribera61993: 53).

Mexiko kämpfte nicht nur für seine Unabhängigkeit von Spanien. Das Land wollte ebenso wenig seine nördlichen Territorien an Nordamerika verlieren. Durch die Nähe ließen es die Nordamerikaner nicht unversucht, mexikanische Gebiete anzugliedern (vgl. Gonzales 1999: 58). Die erste gute Gelegenheit bot sich ihnen unbewusster Weise bereits Anfang der 1820er Jahre, als viele Nordamerikaner nach Texas gingen, einem damaligen Teil des mexikanischen Staates Coahuila, um dort als mexikanische Bürger zu leben, zu arbeiten und ihr neues Land zu unterstützen. Durch aufkommende Unstimmigkeiten zwischen Mexiko und Texas, wie die Ablehnung der Abschaffung der Sklavenhaltung seitens der Texaner, wurde 1836 die Unabhängigkeit von Texas ausgerufen. Nach dem Sieg über General Antonio López de Santa Anna und seinen mexikanischen Truppen, wurde Texas 1848 ein Staat der USA. Nun besaßen die Nordamerikaner eine gute Ausgangsposition, um neue Territorien zu gewinnen (vgl. Nava 1969: 60f.). Zunächst wollte man versuchen die GebieteAlta California

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undNuevo Méxicokäuflich zu erwerben, womit John Slidell beauftragt und nach Mexiko geschickt wurde. Die Mexikaner lehnten jedoch jegliche Gespräche ab. Der 1844 gewählte nordamerikanische Präsident James K. Polk entsandte General Zachary Taylor in das Grenzgebiet zwischen Mexiko und Texas zur Beobachtung. Die provozierten Mexikaner beantworteten die Einmischung mit Schüssen, woraufhin die Nordamerikaner den Krieg gegen Mexiko 1846 deklarierten. Nordamerika bekam im Februar 1848 durch die Unterzeichnung des von Nicolas P. Trist ausgearbeiteten VertragesGuadalupe Hidalgogroße Teile Mexikos zugesprochen (vgl. Meier/Ribera

61993: 61ff.). Den letzten nordamerikanischen Eroberungsversuch stellte der so ge-

nannteGadsden Purchasedar. Da die Nordamerikaner Texas und Kalifornien mit einer direkt verlaufenden Eisenbahnlinie verbinden wollten, welche somit mexikanisches Gebiet durchkreuzen würde, schickte man James Gadsden nach Mexiko, um das Gebiet namensLa Mesillakäuflich zu erwerben. Da die mexikanische Regierung dringend Geld benötigte, wurde im Dezember 1853 der Vertrag vonMesillageschlossen (vgl. Gonzales 1999: 92). Das verlorene Territorium besteht somit aus den heutigen Bundesstaaten Kalifornien, Arizona, Nevada, Utah, Teilen Colorados, New Mexiko und Texas, also dem gesamten Gebiet oberhalb des Flusses Rio Grande. Viele Mexikaner blieben in ihren Gebieten ansässig und wurden demzufolge Staatsbürger von Nordamerika, wobei ihnen die Regierung die vollen bürgerlichen und politischen Rechte laut Vertrag garantierte (vgl. Meier/Ribera61993: 66ff.). In den ersten dreißig Jahren der Unabhängigkeit befand sich Mexiko in einem ständigen Zustand der Aufruhr und Revolte und musste 50 Regierungen durchlaufen, welche fast ausschließlich aus militärischen Putschen hervorgingen. In dieser Zeit konnte sich die Wirtschaft nicht entwickeln und es entstand Armut und Isolation in

allen Bereichen (vgl. Cosío Villegas21974: 97ff.).

Als man 1855 Benito Juárez, ein Indianer der Zapotec, zum Präsidenten von Mexiko wählte, wurden durch ihn verschiedene Reformen eingeleitet. Durch seinen irrtümlichen Glauben, dass die Reichen und die Kirche den Armen helfen würden, entfachte sich 1858 ein Bürgerkrieg. An diesem beteiligte sich auch Europa, da Mexiko im Ausland hoch verschuldet war. Teilweise schaltete sich auch Nordamerika ein, um neue Territorien zu erlangen. Vor allem Frankreich beteiligte sich maßgeblich am Krieg, indem die Franzosen 1862 in Mexiko eindrangen und eine Monarchie mit dem Habsburger Ferdinand Maximilian einsetzte. Als die Nordamerikaner 1865 ihren eigenen Bürgerkrieg beendet hatten, wollten sie sich wieder ausgiebig um Mexiko kümmern. Um ihren eigenen Zielen näher zu kommen, legten sie Frankreich nahe,

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sich aus Mexiko zurückzuziehen. Nach dem Truppenabzug und der Hinrichtung Maximilians 1867, wurde Mexiko wieder eine freie Republik unter Benito Juárez (vgl. Nava 1969: 61ff.).

In den nächsten zehn Jahren beschäftigten sich die Mexikaner hauptsächlich mit der Restaurierung der Republik. Durch den Bau der ersten Eisenbahnlinien wollte man die Armut vertreiben und die Wirtschaft neu beleben. Da der Präsident Juárez allerdings kein Geld für Investitionen besaß und auch nicht auf finanzielle Unterstützung aus dem europäischen Ausland hoffen konnte, scheiterten seine Reformversuche

(vgl. Cosío Villegas21974: 115ff.). Nach seinem Tod wurde 1876 der General Porfirio Díaz zum neuen Präsidenten gewählt. Seine errichtete Diktatur sollte 35 Jahre andauern (vgl. Nava 1969: 64f.). Er kurbelte durch viele ausländische Unternehmen, welche nach Mexiko kamen, die Wirtschaft wieder an, wobei er allerdings auch durch die Industrielle Revolution begünstigt wurde. Der Bergbau wurde weiter ausgebaut, die Ölproduktion gefördert und die Eisen- und Stahlindustrie aufgebaut (vgl. Gonzales 1999: 115f.). Am Ende der Regierungszeit von Díaz besaß Mexiko ein komplexes Netzwerk an Bahnlinien. Die Kommunikation über Post, Telegraphenmasten und Telefonleitungen wurde erweitert und Banken gegründet, was die Expansion von Landwirtschaft, Mienen, Kommerz und Industrie ermöglichte (vgl. Cosío

Villegas21974: 125). Díaz brachte den Menschen zwar mehr Sicherheit, aber nur auf Kosten ihrer Freiheit. Die ausländischen Unternehmer wurden reicher und die mexikanische Bevölkerung immer ärmer und abhängiger (vgl. Gonzales 1999: 116). In Nordamerika kamen durch die geschaffenen Bahnlinien zahlreiche Nordamerikaner in die neu gewonnenen Gebiete und ließen sich dort nieder. Dadurch bildeten sich verschiedene Konfliktherde, was an den drei Staaten Kalifornien, Texas und New Mexico kurz aufgezeigt werden muss.

Die mexikanische Bevölkerung wurde in Kalifornien, bedingt durch den Goldrausch ab 1849, von den Nordamerikanern und Europäern überrannt. Der Anteil der mexikanischen Amerikaner wurde auf anfangs 25 Prozent und zehn Jahre später auf nur noch 10 Prozent reduziert. Die Mexikaner und die Kalifornier rückten immer mehr in den Fokus der Diskriminierung, wobei ihnen oft Gewalt und auch Tötungen wiederfuhren. Dies gipfelte darin, dass ein Gesetz erlassen wurde, welches ihnen untersagte die Mienen zu betreten, um ihnen das Anrecht auf das Gold zu verbieten. In Texas profitierten, im Gegensatz zu Kalifornien, viele Mexikaner vom wirtschaft- lichen Aufschwung, beispielsweise in der Rinderzucht, der Schafzucht oder im

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Baumwollanbau. Die Nordamerikaner benötigten sehr viele Arbeitskräfte, woraufhin viele Mexikaner über die Grenze gingen.

Aber auch in diesem Bundesstaat kam es zu Gewalttaten und Diskriminierungen gegenüber den dunkelhäutigeren Mitmenschen, da man ihnen den Aufstieg und höher gestellte Positionen nicht gönnte. Auch in New Mexico gab es immer wieder Konflikte zwischen den Nordamerikanern und den Mexikanern. Die Situation entspannte sich erst durch den wirtschaftlichen Aufschwung, der in Verbindung mit dem Bau der Eisenbahnlinien stand. Im Bereich der Holzverarbeitung, der Rinderzucht, der Mineralienförderung und auch der Baumwolle benötigten die Nordamerikaner dringend zahlreiche Arbeitskräfte, woraufhin viele Mexikaner nach New Mexico aufbra-

chen (vgl. Meier/Ribera61993: 70ff.).

In Mexiko kamen zu Beginn des 20. Jahrhunderts die ersten politischen Stimmen auf, dass es an der Zeit für eine Republik und der Auflösung des Regimes von Díaz sei. Obwohl Francisco I. Madero, ein ehrgeiziger Freund von Díaz, die nächsten Wahlen gewinnen und einen Wechsel einleiten wollte, wurde Díaz 1910 wiedergewählt (vgl. Cosío Villegas21974: 132f.). Aber aufgrund von Korruption in allen Bereichen der Regierung, Jahren einer untauglichen und schwachen Führung und vielen sozialen Problemen, kam es noch im selben Jahr zur Revolution (vgl. Gonzales 1999:

115). Diese kann man in drei Phasen einteilen (vgl. Cosío Villegas21974: 151):

1910 - 1920 Abschaffungdes Regimes von Díaz a)

1921 - 1940 Reformierungdes Agrarbereiches, Verfestigung b)

1941 - 1970 Phaseder Festigung, politische Stabilität, wirtschaftli-c) cher Fortschritt

Bedingt durch die Revolution kam es bis 1930 zu einer Flucht von hunderttausenden Mexikanern, meist auf illegale Art und Weise. Obwohl die ausgewanderten Mexikaner in Nordamerika mit vielen Problemen, wie Rassenvorurteilen und Diskriminierungen, zu kämpfen hatten, war es für sie dennoch nicht so gewaltsam, wie in ihrem Heimatland. Die mexikanische Immigration wurde sowohl durch die Regierung Nordamerikas, als auch von privaten Unternehmen unterstützt, da man während des Ersten Weltkrieges mehr Arbeitskräfte in den Fabriken und auf den Feldern benötigte (vgl. Nava 1969: 87f.). Durch die Teilnahme Nordamerikas am Ersten Weltkrieg, änderte sich das Muster der Immigration. Man erließ 1917 ein Gesetz, welches die

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Einwanderung regeln sollte. An erster Stelle stand der landwirtschaftliche Sektor und später kamen der Eisenbahnbau und die Steinkohlebergwerke hinzu. Dies führte zum ersten Mal in der Geschichte der Chicanos zu einem Dominoeffekt. Durch die Immigration der Mexikaner, die für niedrige Löhne im Südwesten Nordamerikas arbeiteten, mussten die mexikanischen Amerikaner auf andere Gebiete, wie den Mittleren Westen und den Nordosten, ausweichen, um sich dort Arbeit zu suchen. Viele gingen aufgrund ihrer besseren Bildung und der Beherrschung der englischen Sprache, in größere Städte wie Chicago, Kansas City oder Detroit. Viele verschiedene Industriezweige holten sich Arbeitskräfte bis nach Pennsylvania, Ohio oder Michigan. Das Gesetz hatte andererseits die Wirkung, dass viele Mexikaner nach Mexiko zurückgingen, aus Angst in die Armee einberufen zu werden. Viele mexikanische Amerikaner hingegen bewiesen ihre Loyalität im Armeedienst. Sie mussten aber dennoch weitere Erfahrungen mit Diskriminierung und Rassismus sammeln, was teilweise auch zur Asylsuche in Mexiko führte (vgl. Meier/Ribera61993: 114ff.). Die Immigration der Mexikaner wurde durch die Weltwirtschaftskrise Ende der 1920er Jahre abrupt gestoppt. Millionen von Menschen in Nordamerika verloren ihre Arbeit und die Löhne sanken so stark ab, dass sie sich unterhalb des Existenzminimums befanden. Ein Großteil der Mexikaner ging aufgrund dieses Ereignisses freiwillig ins eigene Land zurück. Andere wurden mittels des Programms zur Rückführung finanziell von der Regierung unterstützt. Auf der anderen Seite versuchten die Nordamerikaner viele Illegale ausfindig zu machen und zu deportieren, wobei die Kinder, welche in Nordamerika geboren wurden, ebenfalls mitgingen. Die Rückführung der Mexikaner aus Nordamerika hatte kaum begonnen, als die eigenen Landsleute die Regierung erneut zu überreden versuchten, mexikanische Kleinbauern hinzu zu ziehen, um die Bebauung der Felder gewährleisten zu können, während die Vereinigten Staaten von Amerika seit 1941 am Zweiten Weltkrieg teilnahm, wofür ebenfalls Kräfte benötigt wurden. So wurde zwischen Nordamerika und Mexiko für die Zeit von 1942 bis 1960 ein Vertrag geschlossen, welcher es Tausenden von mexikanischen Kleinbauern erlaubte, für eine bestimmte Zeitperiode nach Nordamerika gehen zu können. Andererseits meldeten sich erneut viele mexikanische Amerikaner freiwillig zum Kriegsbeitritt und wurden danach mit Auszeichnungen geehrt (vgl. Nava 1969: 88ff.).

Die Leiharbeiter, auchbracerosgenannt, stellten die Initiatoren einer weiteren Im- migrationswelle dar. Diese erstreckt sich über die Zeit des Zweiten Weltkrieges ab

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Geschichtlicher Hintergrund13

172).

In den 60er und 70er Jahren kam es zur so genannten Chicano-Bewegung, in der sich viele mexikanische Amerikaner für zahlreiche soziale Veränderungen stark machten. Durch das niedrige Jahreseinkommen gehörten in dieser Zeit immer noch sehr viele zu den Armen. Die überwiegende Mehrheit der Familien konnte ihre Kinder nicht zur Schule schicken und war auf die Hilfe der sozialen Führsorge angewiesen. Somit mangelte es bereits bei den Kindern an Bildung und machte eine Veränderung des sozialen Standes unmöglich. Immer mehr mexikanische Amerikaner verließen die ländlichen Gegenden und zogen in die Städte, da man dort mehr verdienen konnte. Sie beteiligten sich selbst aktiver an Wahlen, um mehr am politischen Geschehen teilzuhaben und mehr für ihre eigenen Rechte zu kämpfen. Ebenso wurden sie nach und nach in verschiedenen Bereichen der öffentlichen Einrichtungen eingesetzt. Da der Schlüssel zum Erfolg die Bildung ist, ermöglichte man vielen Kindern und Jugendlichen der mexikanischen Amerikaner zur Schule und an Universitäten gehen zu können (vgl. Nava 1969: 96ff.).

Durch das Stadtleben veränderte sich für zahlreiche Familien die Lebensweise, da viele von ihnen eine Arbeit fanden, der sie das ganze Jahr nachgehen konnten. Auch die Frauen stiegen in das Berufsleben ein. Speziell für die mexikanischen Amerikaner wurden Handelskammern und andere soziale Institutionen gebildet (vgl. Mei-

er/Ribera61993: 250ff.).

Die aus Hunderten von Organisationen bestehende Chicano-Bewegung konzentrierte sich auf Probleme wie Bildung, Ausbildung und Einkommen. Zu diesen Organisationen gehörten an erster Stelle die Gewerkschaften, welche sich vor allem um die Farmarbeiter kümmerten. Sie führten mit Hilfe von Studentenvereinigungen, Kir-chenorganisationen, sowie zivilrechtlichen Gruppen Streiks in Form von Demonstrationen, Märschen und Predigten durch.

Einer der berühmtesten Repräsentanten dieser Bewegung war César Chávez, der für die Farmarbeiter viele Neuerungen erkämpfte. Er setzte die medizinische Versorgung, eine Rente und eine Versorgung im Fall von Arbeitslosigkeit durch. Ab Mitte der 1960er Jahre begannen sich studentische Vereinigungen zu bilden, welche sich vor allem für die Einstellung von mexikanischen Ausbildern, Beratungslehrern, sowie für eine zweisprachige und zweikulturelle Ausbildung einsetzten. Auch in den Vierteln, denbarrios,in denen die mexikanischen Amerikaner größtenteils leben, hielt die Bewegung Einzug. DieBrown Beretsstellen dort die bekannteste

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Organisation dar. Sie versuchen vor allem die polizeiliche Gewalt und den Drogenkonsum in der Gemeinschaft zu bekämpfen.

Ab den 70er Jahren zeichnete sich der Feminismus als eine weitere Bewegung ab, welche sich für mehr Rechte der Frauen, wie dem Fürsorgerecht, der Kinderbetreuung, der Abtreibung und der sexuellen Diskriminierung am Arbeitsplatz einsetzte. Die Chicano-Bewegung stellte den Höhepunkt in der Geschichte der mexikanischen Amerikaner dar, denn durch diese Organisationen wurde es möglich, zu einer politischen Vertretung zu gelangen, um ihre bürgerlichen Rechte zu schützen (vgl. Gonza- les 1999: 196ff.).

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4 Merkmale der gegenwärtigen Chicanokultur

In ihrer Geschichte mussten die mexikanischen Amerikaner ihre kulturelle Identität immer wieder auf ein Neues suchen. Die Zeit der Chicano-Bewegung, auchmovimientogenannt, stellte dabei den entscheidenden Wendepunkt dar. Die Verschiedenartigkeit, durch die sich die Gemeinschaft der Chicanos auszeichnet, macht die Suche nach kultureller Identität nicht einfach. So unterscheiden sie sich beispielsweise aufgrund ihrer Bildung, den Gebrauch der spanischen oder englischen Sprache, des Grades ihrer kulturellen Anpassung in der nordamerikanischen Gesellschaft oder ihres Berufes.

Wichtige Punkte während der Immigrationszeit waren außerdem die Rassenkonstellationen, regionale und kulturelle Unterschiede, sowie das kulturelle Klima zwischen Nordamerika und Mexiko, mit denen sich die Chicanos immer wieder konfrontiert sahen. Diese Merkmale haben sich im Laufe der Zeit stark verändert. Einerseits traten unter den mexikanischen Immigranten verschiedene kulturelle Eigenschaften auf, womit sie sich gegenseitig bereits beeinflussten. Andererseits traf man in den städtischen und ländlichen Umgebungen in Nordamerika, wo man sich niederließ, noch einmal auf örtliche kulturelle Unterschiede, mit denen sie sich eben-falls arrangieren mussten (vgl. Meier/Ribera61993: 234).

Wichtig ist jedoch, dass die oben bereits erwähnte Chicano-Bewegung dafür stand, seit den 1960er Jahren einen nationalistischen Gegendiskurs zu bilden. Damit wollten die Chicanos eine eigene „Nation“ demonstrieren, welche mit den Vorstellungen einer kollektiven Identität verknüpft war. Seit diesem Zeitpunkt gaben sie sich selbst den NamenChicano,um ihre Eigenständigkeit noch einmal hervorzuheben. Sie orientierten sich an vielen anderen sozialen Bewegungen dieser Zeit, besonders an der Bewegung der Afro-Amerikaner, und setzten sich vorwiegend gegen die Rassendiskriminierung ein (vgl. Pisarz-Ramírez 2005: 26f.).

Was aber macht eine bestimmte Kulturgruppe aus, bzw. unter welchen Gesichts- punkten erkennt man eine Kultur?

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Worten:

„Culture might be said to be something like the expression and way and style of life of a people.“

Der Ethnologe Edward B. Tylor (zitiert in: Greverus 1978: 57) stellt folgende Kulturdefinition zur Verfügung:

„Culturoder Civilisation im weitesten ethnographischen Sinne ist jener Inbegriff von Wissen, Glauben, Kunst, Moral, Gesetz, Sitte und allen übrigen Fähigkeiten und Gewohnheiten, welche der Mensch als Mitglied seiner Gesellschaft sich angeeignet hat.“Dieses Zitat kann noch durch die Ansicht Herbert Marcuses (zitiert in: Greverus 1978: 55) im Hinblick auf die Kultur als „höhere Kultur“ erweitert werden. Für ihn gehören die Bereiche Literatur, Kunst, Philosophie und Musik zur Kultur, welche von der heutigen Gesellschaft „übernommen,organisiert, gekauft und verkauft“werden.

Allan Figueroa Deck (zitiert in: Heyck 1994: 15) nutzt als Ausgangspunkt für seine Definition von Kultur die folgenden Worte:„themeanings, values, thoughts, and feelings mutually shared by a people.“Darauf aufbauend hebt er bestimmte kulturelle Themen hervor und teilt sie in die verschiedenen Kategorien:„(1)family, (2) religion, (3) community, (4) the arts, (5) the experience of (im)migration and exile, and (6) the question of cultural identity“ein. In diesem Fall sollen nur die ersten vier Punkte genauer durchleuchtet und abschließend auf die kulturelle Identität näher eingegangen werden. Der Autor dieses Werkes legt hierbei für seine Betrachtungen eine Zusammensetzung aller beschriebenen Teile als Definition von Kultur für sich selbst fest.

Die Chicanos stellen neben den Kubanern und Puertoricanern eine Hauptgruppe der Lateinamerikaner in Nordamerika dar. Sie kennzeichnen sich durch ihren Gleichmut, der Religionsverbundenheit, sowie ihrer Zuwendung zu traditionellen Werten aus. Gerade durch diese Eigenschaften gelang es den Chicanos die erlittene Trennung von der Heimat und die Diskriminierungen zu erdulden und den Kampf für ihre eigenen Bürgerrechte nicht aufzugeben (vgl. Heyck 1994: 5).

Im Leben der Chicanos besitzt die Familie den höchsten Stellenwert, da sie den Ort darstellt, wo die eigene kulturelle Identität geformt und bewahrt wird, sowie aus ihr emotionale Unterstützung gezogen wird. Diese Familienorientiertheit hängt einerseits damit zusammen, dass sich ihre Mitglieder einen Schutzraum aufbauen, weil sie in der Gesellschaft nur geringe Bildungs- und Aufstiegschancen bekommen. Ande- rerseits herrscht in der Familie großer Respekt gegenüber älteren Generationen und

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gegenüber dem Familienoberhaupt, was wiederum alsmachismointerpretiert werden kann. Der Mann steht demnach an erster Stelle, wobei die Frau sich diesem unterzu-ordnen hat. Schon allein damit grenzen sich die Chicanos stark von den Nordamerikanern ab, da man bei den Chicanos die Familie als eine Solidargemeinschaft und bei den Nordamerikanern als konsumorientiert und individualistisch wahrnimmt. Die Chicanos übertragen die Bedeutung der Familie im Einzelnen auf die ganze Gemeinschaft und stellen unter dem BegriffLa Razaeine große Familie dar, deren Mitglieder sich aufeinander verlassen und auf den anderen „zählen“ können (vgl. Pisarz-Ramírez 2005: 135ff.).

Im Bezug auf die Erziehung der Kinder steht die Mutter unbestritten an erster Stelle. So werden aber nicht nur die Eltern, sondern die ganze Familie in die Betreuung der Kinder einbezogen. Eine weitere sehr wichtige Rolle spielt die Organisation dercompadrazgo,was eine verwandtschaftliche Beziehung unter sehr guten Freunden darstellt. Hierbei handelt es sich um gegenseitige Hilfe und Unterstützung, in moralischer und auch finanzieller Hinsicht (vgl. Heyck 1994: 18).