Die Liebe, der Mord und die Skyline - Sara Kalling - E-Book

Die Liebe, der Mord und die Skyline E-Book

Sara Kalling

0,0
2,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.

Mehr erfahren.
Beschreibung

Stella gerät ins Grübeln. Wieso hat ihr langjähriger Freund Leonard ihren 29. Geburtstag vergessen? Eine Antwort darauf gibt ihre beste Freundin Alina. Leonard, der als Dozent an der Universität arbeitet, soll angeblich ein Verhältnis mit einem englischen Austauschstudenten angefangen haben.

 

Stella ist geschockt. Um den Wahrheitsgehalt von Alinas Vermutung zu überprüfen reist sie, gemeinsam mit ihrer Freundin, den beiden Männern an die Costa Blanca hinterher. Was Stella nicht weiß – Leonard und sein Freund Tylor verfolgen in Spanien einen infamen Plan. Tylors Tante Sophie soll dort ums Leben kommen, damit sich die beiden ihr Erbe unter den Nagel reißen können. Dafür machen sie sich die Finger aber nicht selbst schmutzig, sondern planen einen Killer damit zu beauftragen.

 

Stella, die nichts davon ahnt und auch nicht genau weiß, wo sie ihren Freund Leonard in der Gegend rund um die Touristenhochburg Benidorm suchen soll, gerät unvermittelt in den Mordkomplott und sieht sich mit unbequemen Wahrheiten konfrontiert. Unterstützung findet sie in dem Kriminalkommissar Manuel. Hinter der Skyline des unbeschwerten Ferienorts Benidorm lauern Geheimnisse, die Stella in einen Strudel aus Liebe, Tod und Verrat ziehen.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2020

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.


Ähnliche


Sara Kalling

Die Liebe, der Mord und die Skyline

Stella an der Costa Blanca – Eine neue Liebe

BookRix GmbH & Co. KG81371 München

Die Liebe, der Mord und die Skyline

Stella an der Coasta Blanca – Ein Roman von Sara Kalling

 

Stella gerät ins Grübeln. Wieso hat ihr langjähriger Freund Leonard ihren 29. Geburtstag vergessen? Eine Antwort darauf gibt ihre beste Freundin Alina. Leonard, der als Dozent an der Universität arbeitet, soll angeblich ein Verhältnis mit einem englischen Austauschstudenten angefangen haben.

 

Stella ist geschockt. Um den Wahrheitsgehalt von Alinas Vermutung zu überprüfen reist sie, gemeinsam mit ihrer Freundin, den beiden Männern an die Costa Blanca hinterher. Was Stella nicht weiß – Leonard und sein Freund Tylor verfolgen in Spanien einen infamen Plan. Tylors Tante Sophie soll dort ums Leben kommen, damit sich die beiden ihr Erbe unter den Nagel reißen können. Dafür machen sie sich die Finger aber nicht selbst schmutzig, sondern planen einen Killer damit zu beauftragen.

 

Stella, die nichts davon ahnt und auch nicht genau weiß, wo sie ihren Freund Leonard in der Gegend rund um die Touristenhochburg Benidorm suchen soll, gerät unvermittelt in den Mordkomplott und sieht sich mit unbequemen Wahrheiten konfrontiert. Unterstützung findet sie in dem Kriminalkommissar Manuel. Hinter der Skyline des unbeschwerten Ferienorts Benidorm lauern Geheimnisse, die Stella in einen Strudel aus Liebe, Tod und Verrat ziehen.

 

 

Kapitel 1: Die Geburtstagsfeier

 

 »Ist heute nicht mein Geburtstag?« Stellas erster Gedanke galt diesem Datum – dem 14. Mai. Sie machte vorsichtig ein Auge auf und schloss es gleich wieder. Hatte sie etwas geträumt? Da war etwas, aber sie konnte sich beim besten Willen nicht mehr daran erinnern. Irgendwie kam ihr die verlorene Erinnerung wichtig vor. Was ihr da entfallen war, was da an Traumgeschichten ihre Nacht bestimmt hatte. Alles weg! »Wie spät ist es, muss ich zur Arbeit?«, ging ihr als nächstes durch den Kopf und sie murmelte es leise vor sich hin, gähnte herzhaft, winkelte die Arme an und streckte sich genüsslich der Länge nach aus. Dann versuchte sie sich an zu erinnern und ihr fiel ein, dass Samstag war. Begeistert und beruhigt zugleich beschloss sie als nächstes zu versuchen, beide Augen zu öffnen. Es fiel ihr jeden Morgen furchtbar schwer, auf Betriebstemperatur zu kommen.

Sie tastete die Matratze neben sich ab. »Niemand da!«, murmelte sie enttäuscht. »Wo ist Leonard?«, sprach Stella mit schon festerer und lauterer Stimme. Heute war doch ihr Geburtstag und er hatte ihr hoch und heilig versprochen, noch in der Nacht zurückzukommen, um ihr ein Geburtstagsfrühstück – so wie sie es liebte – ans Bett zu bringen. Toast, ein Frühstücksei, Orangenmarmelade, Butter und gebratenen Speck imaginierte sie vor ihrem inneren Auge. Sie konnte die Köstlichkeiten förmlich riechen. War er vielleicht schon aufgestanden? Sie setzte sich auf die Bettkante und blickte zur anderen Hälfte der Liegefläche. Da war nichts zerwühlt und aus der Wohnung konnte sie auch keine Geräusche hören. Mit einem Seufzer stand sie auf, ging ans Fenster und schob die Vorhänge etwas beiseite. Die hellroten Geranien am schmiedeeisernen Geländer ihres französischen Balkons wiegten sich leicht im Wind. Sie öffnete die Fenstertür einen Spalt und blickte hinaus auf die Germaniastraße. Ein Radfahrer fuhr gerade vorbei und hatte eine gelb-braune Tüte im Fahrradkorb liegen. Da waren vermutlich Brötchen von ihrem Lieblingsbäcker drin. Stella meinte auch aus dieser Entfernung den Duft der Backwaren in der Nase zu haben. Leider konnte sie Leonards Auto nicht auf den Parkplätzen am Straßenrand erspähen. Enttäuscht beugte sie sich wieder zurück ins Zimmer und ließ die Balkontür offen stehen. Der frische Frühlingswind drang ins Schlafzimmer und fasste unter ihr geblümtes Nachthemd. Missmutig hielt sie Ausschau nach den Hausschuhen, die ihre Mutter ihr letztes Jahr als Geburtstagsgeschenk überreichte. Stella fand die Dinger nach wie vor nicht gut und hatte sie eigentlich nur behalten, weil sie zumindest sehr warm waren und sie immer kalte Füße hatte.

Da waren sie! Unter der rechten Ecke des Bettes standen die Pantoffeln fein säuberlich nebeneinander und sie schlüpfte hinein, blickte an sich herunter und sah in die Augen eines Tigerkopfes, der die Spitze der Hausschuhe krönte. »Danke für die Geburtstagswünsche«, sprach sie zur gelb-weiß-schwarzen Katze und hatte schon schlimmste Ahnungen, mit welcher Scheußlichkeit ihre Mutter dieses Jahr anreisen würde.

 

Leonards Unzuverlässigkeit nahm in letzter Zeit inakzeptable Ausmaße an. Stella hatte sich bereits ausdrücklich bei ihm beschwert und musste wohl nochmals ein ernstes Wörtchen mit ihm reden. Allmählich machte sie sich wirklich Sorgen. »Was ist los mit dem Kerl? Er versaut mir meinen neunundzwanzigsten Geburtstag!« Horror hatte sie jetzt schon vor dem nächsten Jahr und der magischen Dreißig. »Vielleicht habe ich nicht richtig nachgesehen.« Stella ging zurück zum Straßenbalkon und schob die Vorhänge ganz beiseite. Sie öffnete die Tür und stellte sich auf die schmale Fläche vor dem Geländer. Gegenüber beobachtete sie die greise Dame in der Seniorenresidenz, die immer fein herausgeputzt die Straße rauf und runter ging. Diesmal stand sie am Fenster und goss ihre Blumen. Für einen Augenblick trafen sich ihre Blicke. Stella winkte ihr freundlich zu und dachte kurz daran, wie sie der Anblick der einsamen Frau immer deprimierte, wenn sie sie allein auf der Straße sah und beide sich mit einem kurzen Lächeln begrüßten. Nächstes Mal wollte sie die Frau auf jeden Fall ansprechen und vielleicht war es sogar möglich, einen Kaffee mit ihr zu trinken und über ihr Leben zu plaudern.

Stella nahm die geparkten Autos genauer in Augenschein. »Leos Auto ist wirklich nicht dabei«, stellte sie erneut fest und hoffte, ihren Freund doch noch auf der Couch im Wohnzimmer oder in der Küche vorzufinden. Viel Hoffnung hatte sie da allerdings nicht mehr.

 

Und diese Zweifel waren durchaus gerechtfertigt. Enttäuschenderweise war das Geburtstagskind allein in der Wohnung. Mit einem Gähnen hob sie den blauen Wasserbehälter aus dem Elektrokocher und drehte den Wasserhahn auf. Sie ließ das Leitungswasser ein paar Sekunden laufen, bevor sie den Plastikbehälter bis zum Minimalstrich füllte, auf den Ständer zurückstellte und die Taste am Gerät drückte. Das rote Licht reflektierte auf der beschichteten Holzplatte ihrer Küchenzeile. Leonard hätte wahrscheinlich frischen Kaffee aufgebrüht. Ihr reichte jetzt ein schneller gefriergetrockneter Kaffee. Also kamen zwei Löffel von den braunen Körnern in einen großen Becher und Stella setzte sich auf einen Küchenstuhl, um sich ganz ihren Gedanken hinzugeben. Hatte sie etwas falsch gemacht? Warum verhielt sich Leonard in letzter Zeit so komisch? War sie ihm vor einigen Wochen vielleicht doch zu sehr auf die Füße getreten, als die Feier zu Sebastians Beförderung stattfand und sie ein paar Bemerkungen über Leonards berufliche Stagnation gemacht hatte? Stella konnte sich wirklich keinen Reim auf dieses Verhalten machen. Sonst redeten sie doch immer offen über ihre Beziehungsprobleme und räumten Missverständnisse sofort aus. Sie musste sich unbedingt mit ihrer besten Freundin Alina austauschen. Alina war die Tochter eines Griechen und einer Deutschen. Ihr freundliches Wesen und ihr attraktives Äußeres mit dem schulterlangen, gelockten schwarzen Haar, waren Stella in der Schule sofort aufgefallen. Alina betrat nach den großen Sommerferien das Klassenzimmer und wurde von der Lehrerin als neue Schülerin vorgestellt. Sie war genauso groß wie Stella, hatte aber dunkelbraune Augen und einen dunklen Teint. Dieses ansteckende Lachen! Stella musste damals unbedingt neben ihr die Schulbank drücken und fand glücklicherweise eine Freundin fürs Leben.

 

Stella wurde durch das Klacken des Kochers und den fast zeitgleichen Klingelton des Telefons aus ihren Grübeleien gerissen.

»Das ist nicht Leonard«, sagte sie beim Gang in den Flur. Auf einem schmalen Tisch an der Wand lag das Homehandy. Sie hatte ihrem Freund eine eigene Melodie zugeordnet. Einen Samba, weil er diesen Tanz besonders gern mit ihr aufs Parkett legte. Sie drückte die grüne Taste. »Sandkrug«, kam es langsam aus ihrem Mund und gleichzeitig registrierte sie, dass sie die Nummer des Anrufers kannte.

»Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag von Simon, Lena und mir!«, trällerte Alina ihr ins Ohr. »Chronia polla!« Aus dem Hintergrund hörte sie Simon und die vierjährige Tochter singen »Zum Geburtstag viel Glück, zum Geburtstag viel Glück ...«.

Stella war unterdessen in die Küche zurückgegangen, goss das dampfende Wasser auf die braunen Körner und rührte in der Flüssigkeit herum. Den Telefonhörer hatte sie zwischen Kopf und Schulter eingeklemmt.

»... zum Geburtstag, liebe Stella, zum Geburtstag viel Glück!«

»Moment«, antwortete Stella und nahm einen vorsichtigen Schluck aus dem Becher, dann sprach sie weiter: »Ich danke euch für die Wünsche! Wollt ihr heute Nachmittag zu mir kommen? Ich hole gleich Kuchen vom Bäcker am Südring. Gerade fuhr noch ein Radfahrer mit einer Tüte von denen die Straße entlang.«

Die Stimme am anderen Ende der Verbindung änderte sich in der Tonlage nach unten. »Hat sich Leonard schon um dich gekümmert?«, fragte Simon.

Stella fühlte eine Beklemmung um ihr Herz und sprach langsam: »Ich weiß nicht wo er ist. Eigentlich wollte er sich doch nachts in die Wohnung schleichen und morgens neben mir liegen. Ich bin schon etwas enttäuscht!«

Simon räusperte sich deutlich. »Gestern um 18 Uhr sah ich Leo noch im Büro. Er sprach mit einem Austauschstudenten aus London, der wohl in Salisbury geboren wurde und ihn ständig Lenny nannte. Leo erklärte mir, dass er noch ein paar berufliche Dinge besprechen müsste und trotzdem versuchen wollte, rechtzeitig bei dir zu sein. Das hat dann anscheinend nicht geklappt.«

Stella zog die Augenbrauen hoch und blickte zur Decke. »Lenny hat er ihn genannt? Das machen doch nur seine englischen Verwandten aus Wiltshire. Seid mir bitte nicht böse, wenn ich jetzt auflegen möchte. Vielleicht ruft er gleich an und es ist besetzt.«

Stella setzte sich auf einen Küchenstuhl und nahm einen weiteren Schluck aus dem Kaffeebecher. Ihre rotblonden Haare schimmerten im strahlenförmig einfallenden morgendlichen Sonnenlicht und ein Träger ihres Nachthemdes war zur Seite gerutscht. Sie betrachtete die kleinen Sommersprossen auf ihrem Oberarm und dachte daran, dass Leonard die besonders süß fand und gern mit seinen Lippen berührte.

Stella ging erneut ihre Erinnerungen an die Ereignisse der letzten Zeit durch und versuchte Leonards Verhalten mit irgendeinem Vorfall in Verbindung zu bringen. Sie konnte sich nicht erinnern, dass Leo etwas von einem Studenten aus Salisbury erzählt hatte. Manchmal sprach er doch von seiner Arbeit an der Uni und hob besondere Studenten hervor. Einen Engländer hatte er nicht erwähnt. »Gehört Salisbury nicht zu Wiltshire?«, fragte sie sich und nahm ihr Smartphone aus der Handtasche auf dem Küchentisch. Der Wikipedia-Eintrag bestätigte, dass Salisbury eine Stadt in der englischen Grafschaft Wiltshire ist.

Mit einer Hand auf der Tischplatte stützte sie sich ab, erhob sich vom Stuhl und schlurfte mit den Tigerhausschuhen ins Bad. Wenn das Plüschtier an ihren Füßen Gefühle hätte, hätte es jetzt sicher laut gebrüllt. Sie nahm die elektrische Zahnbürste aus der Ladestation und blickte in den Spiegel. Für einen Moment dachte sie beim Betrachten ihres Abbilds, dass man ihr die Enttäuschung ansah.

Das Telefon klingelte erneut und sie setzte die Zahnbürste wieder ab, eilte in die Küche, wo der Hörer liegen geblieben war. Das war sein Samba-Klingelzeichen!

»Ja, bitte!«, sprach sie betont förmlich in den Apparat.

»Hallo, Schatz! Ich umarme dich und wünsche dir alles Gute zum Geburtstag«, brachte Leonard mit aufgesetzt wirkendem Enthusiasmus hervor.

Stella schluckte. »Wo warst du?«

Simon sprach bemüht weiter: »Schatz, entschuldige bitte tausend Mal! Ich hatte noch sehr lange in der Uni zu tun. Es tut mir so leid und ich habe ein schlechtes Gewissen. Ich sitze im Auto und bin in zehn Minuten bei dir. Hoffentlich ist ein Parkplatz frei.«

»Bis gleich«, kam es kurz angebunden aus Stellas Mund. Sie drückte die Taste mit dem roten Hörer am Telefon und verschwand wieder im Bad. »Zehn Minuten«, dachte sie und machte mit ihrer Morgentoilette weiter. Sie stellte sich unter die Dusche und genoss das warme Wasser auf ihrem Körper. Anschließend föhnte und richtete sie ihre Haare, zog sich an und schminkte sich etwas. Schließlich dauerte es vierzig Minuten, bis sie wieder einen Schluck von dem mittlerweile kalten Kaffee nahm. Leonard war immer noch nicht da.

Das Telefon klingelte erneut und Stellas Eltern überschütteten sie mit ihren Geburtstagswünschen. Kaum hatte sie aufgelegt, klackte es an der Wohnungstür. Ein paar Sekunden später stand Leonard mit einem breiten Grinsen und unrasiert in der Küchentür. Mit einem erneuten »Hallo, Schatz!« ging er auf sie zu und versuchte sie zu umarmen. Stella blieb auf dem Küchenstuhl sitzen und verspürte keinerlei Lust, zur Begrüßung ihres Geliebten aufzustehen. Sie ließ es kurz geschehen und drückte Leonard dann energisch von sich weg. Ihre Blicke trafen sich und Leonard konnte in Stellas Augen ihr Unverständnis erkennen. »Jetzt schnell handeln«, dachte er und zog ein kleines Kästchen aus der Innentasche seines verknitterten Sakkos.

»Du siehst ungepflegt aus! Warst du nicht in deiner Wohnung?«, erkundigte sich Stella und blickte ihm vorwurfsvoll in die Augen.

Leonard nahm Haltung an und stellte sich gerade vor ihr auf. Er hatte immer noch das Geschenk in der Hand. »Ich habe die Nacht im Büro verbracht und auf dem Sofa geschlafen. Vielleicht kann ich mal kurz unter die Dusche? Hier ist mein Präsent für dich.« Er hielt Stella das schwarze Samtkästchen entgegen. Sie reagierte nicht. »Liebste Stella, sei mir bitte nicht mehr böse!« Leonard hatte den Arm wieder zurückgezogen und klappte das Kästchen auf. Das Sonnenlicht erhellte mittlerweile die gesamte Küche und fiel effektvoll auf den Diamantring in einer Weißgoldfassung, der in einem schwarzen Samtkissen ruhte.

Stella war sprachlos, stand auf, zog den Ring aus der Halterung und streifte ihn über ihren rechten Ringfinger. »Das ist doch der Ring, den wir bei unserem letzten Sonntagsspaziergang in der Auslage eines Kö-Juweliers gesehen haben«, stellte sie erstaunt fest. »Der war doch so teuer! Du spinnst!«

Das glitzernde Teil führte tatsächlich dazu, dass Stella ihren Ärger zunächst vergaß und Leonard um den Hals fiel. »Danke, Schatz! Mein erster Brilli. Meine Mutter wird begeistert sein und Alina ist bestimmt neidisch.« Während sie ihre Umarmung löste, fragte sie: »Hast du ein neues Parfüm? Den Geruch kenne ich gar nicht an dir.«

Leonard sah sie erstaunt an und sprach unsicher: »Das Geld für den Ring habe ich nicht als Lehrbeauftragter verdient, sondern mit mehreren Schreibaufträgen und einer großen Radiosendung. Der Duft ist aus England und ich habe ihn bei meinem letzten Aufenthalt in London bei Harrods getestet und gekauft. Es soll sich um einen klassischen Duft für Gentlemen handeln, der schon vor hundert Jahren angesagt war.«

»Hundert Jahre«, sagte Stella. »Ich bin noch nicht sicher, wie ich den finde. Zunächst hatte ich den Geruch von alten Vorhängen in der Nase. Wahrscheinlich hingen die schon hundert Jahre in einem englischen Club. Mit etwas Abstand wirkt der Duft dann besser.«

Leonard zog das Revers seines Sakkos näher zur Nase und roch daran. »Also, mir gefällt der Duft. Nächstes Mal nehme ich wieder das Parfüm, das du mir geschenkt hast.«

»Mein Magen knurrt«, bemerkte Stella und wollte zunächst nicht weiter über ihren morgendlichen Ärger nachdenken. »Ich habe mir schon die ganze Zeit ein opulentes Frühstück vorgestellt. Kannst du zum Bäcker fahren und Brötchen besorgen?«

Ein Lächeln erschien auf Leonards Gesicht. »Ich hab schon welche mitgebracht. Die habe ich leider im Auto liegen lassen. Bin gleich wieder da!« Er drehte sich um und Stella hörte die Tür hinter ihm ins Schloss fallen. Das Geräusch kam ihr diesmal sehr unangenehm vor.

»Trotzdem muss ich noch zum Bäcker und Kuchen für die Kaffeetafel besorgen«, sprach sie vor sich hin und wollte den Küchentisch decken. Doch zunächst fiel ihr etwas anderes ein. Sie ging in den Flur und stellte sich vor den Spiegel. In ihren Designer-Jeans und dem blauen Lieblingspullover war sie zufrieden mit sich. Lieber wäre sie mit ihren 1,74 m noch ein Stückchen größer gewesen, andererseits fand sie, dass sie so hervorragend zu Leonards 1,86 m, seinem sportlichen Körper und den dunklen Haaren passte. Jetzt auch noch der Ring. Sie hielt die Hand mit etwas Abstand vor den Spiegel und betrachtete den Diamanten von allen Seiten. Dann stellte sie sich mit herunter hängenden Armen hin und drehte die Hand etwas, damit sie ihr neues Schmuckstück weiterhin im Spiegel glitzern sehen konnte. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. Sie beschloss jetzt erst mal zufrieden zu sein und den weiteren Tag zu genießen.

 

Zurück in der Küche stellte das Geburtstagskind das Radio an, fing an mitzusingen und sich tänzerisch zwischen Tisch, Stühlen und Einbauküche zu bewegen. Die üblichen Chart-Hits waren jetzt genau das Richtige. Sie schob die Vorhänge ganz beiseite und öffnete das Fenster. Ihr Diamantring reflektierte das Licht jetzt noch beeindruckender und sie begann endlich, sich auch wie ein Geburtstagskind zu fühlen.

 

 

 

 

Kapitel 2: What happened in England?

 

Einige Wochen vorher ... Tante Gertruds weißes Reihenhaus in dem kleinen Ort beim berühmten Steinkreis von Stonehenge hatte schöne weiße Sprossenfenster und dahinter einen langgestreckten Garten. Ein großes Gewächshaus mit Tomaten bildete das Ende dieses Gartens. In Sichtweite konnte man die Dorfkirche mit dem verwunschenen Friedhof sehen. Die gepflegten Vorgärten und die Heckenwege außerhalb des Orts sorgten für ein typisch englisches Ambiente. Leonard fühlte sich sehr wohl in dieser Gegend. Er ging jeden Abend in die Kneipe neben dem Gotteshaus, spielte Dart und trank Bier ohne Schaum. Seine Tante kam mindestens zwei Mal die Woche mit. Sie hatte es mit den Pfeilen zu einigem Ruhm gebracht und war sogar mal bei der nationalen Meisterschaft dabei gewesen. Etliche Trophäen in der Wohnzimmer-Vitrine zeugten von ihren Erfolgen. Der Raum wurde wie eine deutsche gute Stube behandelt und Gertruds Freund, ihre Kinder und die anderen Gäste durften dort nur zu besonderen Anlässen auf dem Ledersofa und in den Sesseln Platz nehmen. Alltags saßen sie in der Wohnküche mit der alten Couchgarnitur, deren Stoff mit roten englischen Rosen übersät war. Ein Sessel am Fenster war der Stammplatz der alten Katze, die bereits 20 Jahre auf dem Buckel hatte und eine besondere Vorliebe für Leonards Streichelkünste. Wenn der deutsche Gast den Raum betrat hob sie erwartungsvoll den Kopf und wartete nur darauf, wo er es sich bequem machen würde, um sich flugs zu ihm zu schleichen und nach kurzem Zögern mit einem Sprung auf seinem Schoss zu landen.

 

Der Gast lag morgens gern etwas länger im Gästezimmer in der oberen Etage. Er blickte unter die Dachschräge, reckte und streckte sich, hörte auf die Geräusche in der darunter liegenden Küche. Er versuchte aufgrund der Bewegungen seiner Tante und des Geschirrklapperns zu erraten, mit welchem Teil des Frühstücks sie gerade beschäftigt war. Leonard liebte englisches Frühstück und war immer in Vorfreude auf die Spiegeleier, die kleinen weißen Bohnen in Tomatensauce, die Würstchen und den gebratenen Speck. Den briet seine Tante gewohnheitsmäßig zum Schluss, öffnete ein Fenster und die Küchentür. Das war dann das Zeichen für ihn, langsam aufzustehen, das Bad aufzusuchen und im Morgenmantel die alte Holztreppe hinunter zu gehen.

 

Leonard besuchte seine Tante Gertrud jedes Frühjahr und so hatten sich gewisse Rituale eingespielt. Neben dem Frühstück und den Besuchen in der Dorfkneipe gehörten auch gemeinsame Ausflüge in die Umgebung dazu. Oft hatte Gertrud aber keine Zeit und Leonard erkundete allein den Südwesten Englands. Die Kathedrale von Salisbury und die von Wells, die Städte Glastonbury, Bath, Bristol und viele andere Sehenswürdigkeiten hatte er sich bereits angesehen. Auf dem Programm stand natürlich auch mehrmals die steinzeitliche Kultstätte Stonehenge. Dieses Jahr wollte Leonard sich endlich mal in Avebury umsehen. In dem Ort waren Reste von drei äußeren Steinkreisen erhalten, eine Straße lief durch das Welterbe-Denkmal und das Dorf lag teilweise sogar innerhalb dieser Kreise. Die Häuser waren tatsächlich, sicher zum Ärger der Archäologen, auch mit Hilfe etlicher fehlender Steine aus den Kreisen erbaut worden.

 

Leonard stand nun auf dem äußeren Erdwall Aveburys und blickte sich um. Am Rand dieser Erhebung war in der Dorfmitte eine alte, beeindruckende Kirche zu sehen, die sein Interesse weckte. Deshalb ging er zurück zur Straße, ein Stück an Häusern mit gepflegten Vorgärten vorbei und erneut über den Wall zu diesem Sakralbau.

Der Ort hatte eine besondere Ausstrahlung, die er schon an einigen Plätzen auf der Erde gefühlt hatte und die diesen Besuch für ihn zu etwas Besonderem machte. Es war eine mystische Atmosphäre, die ihn umgab, die etwas Ungreifbares vermuten ließ und den Atem der Geschichte spürbar machte. Hier passierten geheimnisvolle Dinge, die Leonard in seinen Vorstellungen oft in eine parallele Ebene verlegte, die seine Phantasie beflügelten und gleichzeitig auch ein unheimliches Gefühl in ihm aufkommen ließ. Trotzdem war er in der Lage, diese Stimmung zu genießen und dachte an die Erzählungen des Freundes seiner Tante, der gerne von etlichen Begegnungen mit Geistern berichtete, die seine Wege und die seines Sohnes gekreuzt haben sollen.

Eine Zeit lang blieb er stehen und sah sich den alten Friedhof und die Kirche in Ruhe an. Ein Schaukasten am Eingang zum Gelände trug in goldenen Buchstaben die Aufschrift St. James. Auf dem verwilderten Rasen umkreiste er die alten Gemäuer, umrundete einige verfallene Grabsteine und stand schließlich vor der Kirchentür. Die verwitterte Metallklinke quietschte etwas, während er sie herunter drückte. Ein dunkler Vorraum umgab ihn zunächst und dann betrat er mit erwartungsvollen Gefühlen das Kirchenschiff. Ergriffen blickte er sich um. Niemand außer ihm war anwesend. Dieses Erlebnis hatte er für sich und nahm zufrieden auf einer Kirchenbank am Mittelgang Platz. Spärliches Licht durch buntes Glas und ein paar Sonnenstrahlen, die genau den Altar trafen, gaben dem Ganzen eine zusätzliche Wirkung.

 

Minutenlang verharrte Leonard auf der Bank und ließ sich von der Atmosphäre gefangen nehmen. Dann wurde seine Einkehr durch das Quietschen der Türklinke gestört. Er drehte sich sofort um und sah einen jungen Mann das Kirchenschiff betreten. »Interessanter Typ«, dachte er und war wieder auf der weltlichen Seite des Lebens angelangt. Der Besucher blickte sich um und ging dann an der linken Seite zum Altar. Er war sehr groß, bestimmt 1,90 m, dachte Leonard, sehr schlank und doch breit in den Schultern, die Haare dunkelblond und nach oben gegelt. Den Blick in alle Richtungen drehend blieb er im Sonnenstrahl stehen, der bislang allein den Altar erhellt hatte. Leonard betrachtete ihn aufmerksam. Der Besucher drehte sich nach einiger Zeit um und durchschritt dann den Mittelgang bis zu Leonards Sitzbank. Auf der gegenüberliegenden Seite setzte er sich hin und wendete ihm lächelnd den Kopf zu. »It´s a very nice and calm place«, sagte er zu seinem Sitznachbarn über den Gang.

Leonard sah zunächst nur die strahlend blauen Augen und die lustig hochgezogenen Augenbrauen, die mittig über der Nase zusammenliefen. »Ja, äh yes, it´s a very nice place with a stunning atmosphere«, kam es leicht zögernd aus seinem Mund.

»Ach, du fängst mit dem Wörtchen ja an, bist du aus Deutschland?«, fragte sein Gegenüber auf Deutsch mit einem leichten englischen Akzent.

»Ja«, sagte Leonard einsilbig und mit einem erstaunten Gesichtsausdruck. »Und du?«

Sein Gegenüber stand auf und kam zu seinem Platz. »Rück mal rüber«, sagte er. »Dann kann ich leiser mit dir reden. Ich habe in Kirchenräumen immer das Gefühl, im Flüsterton sprechen zu müssen.

Leonard rutschte auf der Bank nach rechts und der große Blonde setzte sich neben ihn. »Ich studiere Germanistik in London und besuche hier gerade meine Tante Sophie, die in der Nähe ein nettes Anwesen besitzt. Außerdem hatte ich gerade das bestimmende Gefühl, dass ich mich neben dich setzen muss.«

Leonard sah ihn erstaunt an. »Ich besuche gerade meine Tante Gertrud, die hier in der Nähe ein nettes Reihenhaus besitzt. Das ist ja ein Zufall! Außerdem hatte ich die Hoffnung, dass du dich neben mich setzt.«

Der Blonde grinste. »Zufall oder Bestimmung? Ich heiße übrigens Tylor und, falls es dich interessiert, bin 24 Jahre alt und wohne in London.« Er streckte seine rechte Hand aus und hielt sie Leonard entgegen.

Der griff mit der Rechten nach links und sagte: »Leonard oder Leo in Kurzform heiße ich. Meine englischen Verwandten sagen Lenny zu mir. Ich bin schon satte 33 Jahre alt.«

Tylor zwinkerte mit den Augen, die Leo jetzt noch blauer und strahlender erschienen. »Die 33 Jahre sieht man dir nicht an. Freut mich, dich kennenzulernen. Aus welchem Ort in Deutschland kommst du denn?«

»Ich lebe und arbeite in Düsseldorf.«

»Düsseldorf! Die Stadt mit dem lustigen Umlaut. Ich überlege ein paar Auslandssemester einzulegen, um mein Studium abzurunden. Wäre Düsseldorf für mich geeignet?«, wollte Tylor als nächstes wissen.

»Ist ja verrückt«, sagte Leonard. »Ich arbeite an der dortigen Universität und die wäre durchaus für dich geeignet.«

Tylor schien sich zu konzentrieren. »Heinrich Heine wurde in Düsseldorf geboren«, sagte er und fing an zu zitieren:

 

»Im wunderschönen Monat Mai,

Als alle Knospen sprangen,

Da ist in meinem Herzen, ...«

 

»... Die Liebe aufgegangen«, ergänzte Leonard.

Beide lachten spontan und dachten sofort an den Raum, in dem sie das taten.

»Sollen wir rausgehen?«, fragte Tylor und Leonard stand auf, um seine Zustimmung zu signalisieren. Sie gingen in den Vorraum, gaben sich die quietschende Klinke in die Hand und setzten sich draußen auf eine Bank vor dem Seitenschiff. Tylor führte das Gespräch fort. »Wie lange bist du denn noch in Wiltshire? Wenn du Lust hast, gehen wir morgen Abend in einen Club in Swindon. Der hat erst vor kurzem aufgemacht und soll fantastisch sein.«