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Die List der Wanderhure E-Book

Iny Lorentz

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Beschreibung

Die Äbtissin Isabelle de Melancourt hütet in ihrem Waldkloster ein Geheimnis. Leopold von Gordean und seine Ordensritter sind überzeugt, dass es sich um das Versteck des heiligen Grals handelt. Sie überfallen das Kloster, bringen einige Nonnen um und nehmen Isabelle und die anderen gefangen. Die Novizin Justina entkommt ihnen und macht sich in Isabelles Auftrag auf den Weg, den Würzburger Fürstbischof Johann von Brunn um Hilfe zu bitten. Die Schergen des Großmeisters holen sie ein und wollen sie töten. Da greifen die ehemalige Wanderhure Marie und ihr Mann Michel ein. Die beiden ahnen nicht, dass Justinas Rettung für sie der Beginn eines gefahrvollen Weges ist, auf dem ständig der Tod lauert. Alle Bände der historischen Bestseller-Reihe rund um Marie Adler von Iny Lorentz in chronologischer Reihenfolge: • Die Wanderhure • Die Kastellanin • Das Vermächtnis der Wanderhure • Die List der Wanderhure • Die Wanderhure und die Nonne • Die Wanderhure und der orientalische Arzt • Die Tochter der Wanderhure • Töchter der Sünde • Die Wanderhure und der orientalische Arzt

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Seitenzahl: 817

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Iny Lorentz

Die List der Wanderhure

Roman

Knaur e-books

Über dieses Buch

Die Äbtissin Isabelle de Melancourt hütet in ihrem Waldkloster ein Geheimnis. Leopold von Gordean und seine Ordensritter sind überzeugt, dass es sich um das Versteck des heiligen Grals handelt. Sie überfallen das Kloster, bringen einige Nonnen um und nehmen Isabelle und die anderen gefangen. Die Novizin Justina entkommt ihnen und macht sich in Isabelles Auftrag auf den Weg, den Würzburger Fürstbischof Johann von Brunn um Hilfe zu bitten. Die Schergen des Großmeisters holen sie ein und wollen sie töten. Da greifen die ehemalige Wanderhure Marie und ihr Mann Michel ein. Die beiden ahnen nicht, dass Justinas Rettung für sie der Beginn eines gefahrvollen Weges ist, auf dem ständig der Tod lauert.      

Inhaltsübersicht

Erster Teil Der Überfall1. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. Kapitel5. Kapitel6. Kapitel7. Kapitel8. Kapitel9. Kapitel10. Kapitel11. KapitelZweiter Teil Ein Hilferuf1. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. Kapitel5. Kapitel6. Kapitel7. Kapitel8. Kapitel9. Kapitel10. Kapitel11. Kapitel12. KapitelDritter Teil Das Kloster1. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. Kapitel5. Kapitel6. Kapitel7. Kapitel8. Kapitel9. Kapitel10. Kapitel11. Kapitel12. KapitelVierter Teil Der König1. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. Kapitel5. Kapitel6. Kapitel7. Kapitel8. Kapitel9. Kapitel10. Kapitel11. Kapitel12. Kapitel13. Kapitel14. KapitelFünfter Teil Die Statue im See1. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. Kapitel5. Kapitel6. Kapitel7. Kapitel8. Kapitel9. Kapitel10. Kapitel11. Kapitel12. Kapitel13. Kapitel14. Kapitel15. Kapitel16. Kapitel17. Kapitel18. KapitelSechster Teil Die Kirche über dem Tal1. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. Kapitel5. Kapitel6. Kapitel7. Kapitel8. Kapitel9. Kapitel10. Kapitel11. Kapitel12. KapitelSiebter Teil Der Wettlauf1. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. Kapitel5. Kapitel6. Kapitel7. Kapitel8. Kapitel9. Kapitel10. Kapitel11. Kapitel12. KapitelAchter Teil Das Rätsel1. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. Kapitel5. Kapitel6. Kapitel7. Kapitel8. Kapitel9. Kapitel10. Kapitel11. Kapitel12. Kapitel13. Kapitel14. Kapitel15. KapitelNeunter Teil Der Kelch des Kreuzritters1. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. Kapitel5. Kapitel6. Kapitel7. Kapitel8. Kapitel9. Kapitel10. Kapitel11. Kapitel12. Kapitel13. Kapitel14. Kapitel15. Kapitel16. KapitelGlossarPersonenDie KibitzsteinerDas WaldklosterDie FrommbergerDie OrdensritterDie OsmanenAndereGeschichtliche PersonenNachwort
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Erster Teil Der Überfall

 

 

 

1.

Mit einem Gefühl der Bitterkeit las Isabelle de Melancourt den Brief noch einmal durch, den ein Kurier ihr zwei Tage zuvor gebracht hatte. Bislang hatte sie gezögert, Schwester Justina von seinem Inhalt zu unterrichten. Nun blieb ihr nicht mehr viel Zeit, die junge Nonne über die große Änderung zu informieren, die deren Leben in wenigen Tagen nehmen würde.

»Es ist besser, wenn ich es hinter mich bringe«, dachte sie, stand auf und ging zur Tür. Als sie die Hand auf die Klinke legte, vernahm sie auf dem Flur ein Geräusch. Rasch öffnete sie und sah im Schein einer blakenden Fackel den Mönch, der am Nachmittag um Unterkunft für die Nacht gebeten hatte.

»Suchst du etwas?«, fragte sie streng.

Der Mann fuhr herum. »Habt Ihr mich jetzt erschreckt!«, sagte er. »Ich bin auf der Suche nach dem Abtritt, ehrwürdige Mutter. Dabei muss ich mich verlaufen haben.«

»Allerdings! Hier geht es zur Eingangspforte des Klosters. Der Abtritt ist auf der anderen Seite. Du musst den ersten Quergang links nehmen. Verfehlen kannst du ihn nicht, denn es gibt dort nur die eine Tür.«

»Danke, ehrwürdige Mutter!«

Der Mönch, von dem die Äbtissin nur wusste, dass er Landolfus hieß und im Auftrag des Passauer Fürstbischofs reiste, eilte in die gewiesene Richtung und verschwand im Quergang. Der Abtritt wurde ebenfalls von einer Fackel erleuchtet, und so konnte er ihn nicht verfehlen. Zwar trat er ein, benutzte ihn aber nicht, sondern wartete angespannt. Als er wieder auf den Flur trat, beobachtete er, wie Isabelle de Melancourt mit einer Nonne ihre Räume betrat. Es gefiel ihm gar nicht, dass die beiden Frauen zu dieser Stunde noch wach waren, doch das durfte ihn nicht aufhalten.

Wenig später hatte er den Flur so leise wie eine Maus passiert und stieg über die Treppe hinab. Unten angekommen, sah er die Tür vor sich, die in die Pfortenkammer führte. Dort saß die Nonne, die in dieser Nacht Wache halten musste. Durch diesen Raum gelangte man dicht beim äußeren Tor in den ummauerten Hof des Klosters.

Landolfus’ rechte Hand wanderte durch einen Schlitz in seiner Kutte zu dem dort versteckten Dolch und schloss sich um den Griff. Nach wenigen Schritten erreichte er die Tür der Kammer, legte die freie Hand auf die Klinke und drückte sie langsam nach unten.

Mit einem leichten Knarzen schwang die Tür auf. Die Nonne, die ein wenig eingenickt war, schreckte hoch. Sie schien erleichtert, statt einer ihrer Mitschwestern den Mönch eintreten zu sehen.

»Ich muss etwas zu innig gebetet haben«, sagte sie mit einem scheuen Lächeln. Dann musterte sie Landolfus erstaunt. »Ihr seid so spät noch auf?«

»Ich war zu unruhig, um schlafen zu können«, antwortete der Mönch. »Da ich niemanden wecken wollte, dachte ich, ich komme zu dir, und wir können ein wenig miteinander plaudern.«

»Gerne!«

In dem Augenblick zog Landolfus seinen Dolch und stach zu. Die Nonne riss noch den Mund auf, aber statt eines Schreis kam nur noch ein Röcheln über ihre Lippen.

Landolfus drehte den Dolch in der Wunde um, um sicher zu sein, dass sein Opfer starb, und sah zu, wie die Frau zusammensackte und vom Stuhl sank. Im Schein der Fackel, die in einer Halterung an der Wand steckte, breitete sich eine rote Lache auf dem Boden aus.

»Leichtgläubiges Ding!«, spottete der Mönch, während er die Tür öffnete, die von der Kammer zum Haupttor führte. Bevor er hinaustrat, lauschte er angespannt. Es waren jedoch nur die Geräusche des Waldes zu vernehmen, der das Kloster umgab. In den Gebäuden blieb alles still. Allerdings drang immer noch der Schein von Kerzen aus einem Zimmer der Äbtissin, und er hoffte, dass es dieser nicht einfiel, nach ihrer Nachtwächterin zu schauen.

2.

Nachdenklich musterte Isabelle die junge Nonne. Mit den großen, blauen Augen wirkte Schwester Justinas Gesicht noch kindhaft, aber ihre Figur nahm bereits weibliche Formen an, die auch die schlichte Kutte nicht zu verbergen vermochte. Die blonden Augenbrauen, die den ängstlichen Gesichtsausdruck noch unterstrichen, ließen die sonnenhellen Haare erahnen, die sich unter der Haube verbargen.

»Was wünscht Ihr von mir, ehrwürdige Mutter?«, flüsterte Schwester Justina zittrig, als befürchte sie, einen Fehler begangen zu haben.

Lächelnd wies Isabelle de Melancourt auf den zweiten Stuhl. »Setz dich!«

Erleichtert gehorchte die Nonne, denn aus dieser Aufforderung schloss sie, dass sie keinen Tadel zu erwarten hatte. Dennoch nahm sie nur auf der Kante des Stuhles Platz, der im Gegensatz zu dem mit Schnitzereien verzierten Lehnstuhl der Äbtissin völlig schmucklos war.

»Ich habe dich geholt, um …«, setzte Isabelle de Melancourt an und brach dann ab, weil sie immer noch nicht so recht wusste, wie sie dem jungen Mädchen erklären sollte, dass sein Schicksal eine unerwartete und wohl eher unangenehme Wendung nehmen würde. Daher griff sie nach dem Brief und sah Schwester Justina über dessen Rand hinweg an.

»Dein Vater hat geschrieben«, sagte sie mit ehrlichem Bedauern, »und teilt dir mit, dass dir Änderungen bevorstehen.«

Bei dem Wort »Vater« zuckte Schwester Justina zusammen. Sie kannte diesen nur als barschen alten Mann, der sie nach dem Tod der Mutter vor vierzehn Jahren, als sie selbst erst drei Jahre alt gewesen war, ins Kloster gegeben hatte. Danach war er noch zweimal erschienen und hatte sie gemustert wie eine Stute von minderem Wert. Einen Brief von ihm fasste sie daher als schlechtes Zeichen auf.

»Welche Änderungen?«, fragte sie so leise, dass die Äbtissin sie kaum verstand.

»Deine beiden Brüder sind während eines Kriegszugs ums Leben gekommen. Da keiner von ihnen einen Erben in die Welt gesetzt hat, hat dein Vater König Sigismund um das Privileg gebeten, dich zur Erbin seines Titels und seines Besitzes einsetzen zu können.« Das ist erst die Hälfte, dachte Isabelle mitleidig. Das Schlimmste kam nämlich noch.

Schwester Justina sah so aus, als hätte der Blitz neben ihr eingeschlagen. »Meine Brüder sind tot? Aber …«

»Wie sie starben, kann ich dir nicht sagen, denn das hat dein Vater nicht erwähnt. Wie er schreibt, will er nicht, dass sein Besitz als Mitgift an unser Kloster geht. Alles soll einmal seinen Nachkommen zugutekommen.«

An Schwester Justinas Gesicht war abzulesen, dass sie den Sinn dieser Worte nicht begriff. Daher musste die Äbtissin deutlicher werden. »Dein Vater hat beim Papst in Rom einen Dispens für dich erwirkt, so dass du den Schleier ablegen und eine Ehe eingehen kannst.«

»Ich soll heiraten?«, rief die junge Nonne abwehrend und zeigte zum ersten Mal ein wenig Temperament.

»So ist es«, erklärte Isabelle. »Nach dem Willen deines Vaters bist du von heute an nicht mehr Schwester Justina, sondern wieder die Freiin Donata von Frommberg. Es wurde auch ein Ehemann für dich bestimmt, und zwar Hartwin von Frommberg, der jüngere Bruder deines Vaters.«

Jetzt war es ausgesprochen. Isabelle tat das junge Mädchen leid, das zum Spielball väterlicher Interessen geworden war. Doch der Brief des alten Freiherrn ließ ihr keine Möglichkeit, zu Justinas – oder, besser gesagt, zu Donatas Gunsten einzugreifen.

»Hartwin ist ein Bastard – auch wenn mein Großvater ihn als Sohn anerkannt hat. Weshalb soll ich ihn heiraten?«, stieß Donata hervor.

»Weil dein Vater will, dass der Name der Sippe erhalten bleibt und weitere Generationen der Frommbergs auf seinem Besitz leben. Er befürchtet wohl auch, dass Hartwin versuchen könnte, sein Testament anzufechten, um alleiniger Erbe zu werden.«

Es gab nach Isabelles Meinung etliche Gründe für diese Heirat, doch keiner davon versprach einem siebzehnjährigen Mädchen eine Ehe, in der gegenseitige Zuneigung keimen konnte.

»Ich würde dir gerne helfen, aber mir sind die Hände gebunden«, fuhr sie fort. »Dein Vater hat alles durchdacht und sich die richtigen Unterstützer gesucht. Versuchte ich, dich vor dem Schicksal, an einen Bastard deiner Familie verheiratet zu werden, zu schützen, müsste ich mich gegen den Papst und den König stellen. Das aber kann ich nicht. Dein Vater wird in den nächsten Tagen jemanden schicken, der dich nach Hause bringt. Nun geh zu Bett und überschlafe die Neuigkeiten. Morgen im Licht der Sonne sieht alles anders aus.«

Es klang ein wenig Verzweiflung mit, denn Isabelle fühlte sich von dieser Entwicklung ebenso überfahren wie ihr Schützling.

»Ja, ehrwürdige Mutter!«, antwortete Donata, die so wirkte, als würde sie gleich in Tränen ausbrechen.

Für einige Augenblicke überlegte Isabelle, ob sie das junge Mädchen in ihrer Kammer behalten und trösten sollte. Doch welchen Trost konnte sie ihr spenden? Donatas Vater hatte bestimmt, was zu geschehen hatte, und würde sich durch nichts und niemanden davon abhalten lassen.

Mit einem bitteren Gefühl sah sie zu, wie Donata mit hängenden Schultern die Kammer verließ. »Schlaf gut, mein Kind«, rief sie ihr nach und ahnte doch, dass das Mädchen diese Nacht wohl keinen Schlaf finden würde.

Donata drehte sich noch einmal um und knickste. »Auch ich wünsche Euch eine gute Nacht, ehrwürdige Mutter.«

Dann verließ sie das Zimmer. Nach einem kurzen Zögern folgte ihr Isabelle, begleitete sie bis zu ihrer Zelle und wartete, bis das Mädchen den Riegel innen vorgelegt hatte. Normalerweise verschloss keine der Schwestern ihre Zelle, doch in dieser Nacht hielt Bruder Landolfus sich im Klostergebäude auf, und Isabelle wollte vermeiden, dass er eine ihrer Nonnen bedrängte. Es ärgerte sie, dass sie dem Mönch Gastfreundschaft erweisen musste, denn ihr kleines Kloster verfügte nicht über einen Gästetrakt. Landolfus hatte jedoch ein Empfehlungsschreiben des Passauer Fürstbischofs Leonhard von Laiming vorgewiesen, und diesen Herrn durfte sie nicht vor den Kopf stoßen.

Die Äbtissin ahnte, dass auch sie nicht so rasch würde einschlafen können. Daher setzte sie sich wieder an den Tisch und las den Brief des Freiherrn von Frommberg noch einmal. Der Tonfall entbehrte jeglicher Herzlichkeit, aber noch mehr störte es Isabelle, dass er keine Trauer um seine Söhne erkennen ließ. Scheinbar hatte Donatas Vater ihr Ableben einfach so hingenommen und sofort einen Plan geschmiedet, wie er das Erbe an andere Nachkommen seines Namens weitergeben konnte. Seine Tochter und damit auch sie als deren Äbtissin hatte er erst in Kenntnis gesetzt, als alles zu seiner Zufriedenheit geregelt worden war. Nun blieb Donata nichts anderes übrig, als einen Bastardonkel zu heiraten, denn ihr Vater hatte bestimmt, dass nur einer ihrer Söhne mit Hartwin dessen Nachfolger auf Frommberg werden dürfe.

»Hätte ich doch Zeit genug, an Sigismund zu schreiben«, sagte Isabelle zu sich selbst. Einst war sie Sigismunds Geliebte gewesen, und sie vermutete, immer noch einen gewissen Einfluss auf ihn zu haben. Doch bis ihr Bote den König fand, der sich häufig auf Kriegszügen im Ungarland befand oder in ferneren Teilen des Reiches Hof hielt, würde Donata längst verheiratet sein.

Sie bedauerte es, dass sie dem Mädchen nicht helfen konnte, und grübelte immer noch, als sie sich zur Nacht zurechtmachte und ins Bett legte.

3.

Als das Licht im Zimmer der Äbtissin endlich erlosch, atmete Bruder Landolfus auf. Dennoch lauschte er noch eine Weile, ob wirklich alles ruhig blieb. Dann erst verließ er die Pförtnerkammer und trat zum Tor des Klosters. In der Nacht waren die schweren Balken vorgelegt worden, die er allein nicht hochstemmen konnte. Daher öffnete er die kleine Pforte im rechten Torflügel, steckte den Kopf hinaus und ahmte den Ruf einer Eule nach.

Im nächsten Augenblick erscholl ein ähnlicher Ruf, doch die Eule, die da antwortete, hörte sich sehr menschlich an. Kurz darauf rannten dunkle Gestalten auf das Kloster zu. Sie trugen Kapuzenumhänge, die ihr Äußeres verhüllten, und hielten Schwerter in den Händen. Ihr Anführer, ein großer, schlanker Mann mit einem Gesicht, das im Mondschein totenbleich erschien, blieb vor dem Mönch stehen.

»Ist es gelungen, Bruder Landolfus?«, fragte er angespannt.

Der Mönch nickte. »Jawohl, Euer Exzellenz. Der angeblich vom Passauer Bischof stammende Schrieb hat mir alle Türen geöffnet. Doch kommt jetzt! Die Äbtissin ist erst vor kurzem zu Bett gegangen. Wenn sie etwas bemerkt, könnte sie den Zugang zur Pfortenkammer versperren. Bis wir diese Tür oder einen der beiden anderen Zugänge aufgebrochen hätten, bliebe ihr genug Zeit, sich uns zu entziehen.«

»Die Melancourt darf uns auf keinen Fall entkommen!«, erklärte sein Anführer grimmig. »Das gilt auch für ihre Nonnen. Treibt die Weiber zusammen!«

Das Letzte galt seinen Männern, die in den Hof strömten und das dunkle Hauptgebäude des Klosters anstarrten, als könnten ihre Blicke ihnen den Haupteingang öffnen.

»Gibt es noch weitere Zugänge von außen in diese alte Burg?«, fragte der Anführer.

»Ein zweites Tor führt dort hinten bei dem Turm hinaus in den Wald.« Der Mönch wies auf einen Rundturm, der das Klostergebäude um mehrere Klafter überragte.

»Drei Männer gehen wieder nach draußen und bewachen den Eingang beim Turm!«, befahl der Anführer und wandte sich erneut Landolfus zu. »Führe uns hinein!«

Mit einer knappen Geste wies der Mönch auf die Pfortenkammer und trat ein. Leopold von Gordean folgte ihm, blickte kurz auf die tote Nonne herab und strich mit einer zärtlichen Geste über seinen Schwertgriff.

»Das war gute Arbeit, Landolfus! Die hat nicht mehr schreien können.«

»Sonst würde es hier von Nonnen nur so wimmeln! So aber schlafen die Weiber süß und selig«, spöttelte der Mönch nicht ohne Stolz.

»Für viele von ihnen wird es kein Erwachen mehr geben!« Der Hochmeister trat beiseite und ließ seine Krieger ein. Die Kammer war zu klein für so viele Männer, und so schlichen die ersten bereits durch den Gang, der in den Klostertrakt hineinführte, während von draußen immer noch Leute hereinkamen.

»Wie viele Nonnen gibt es hier, und wo schlafen sie?«, fragte der Hochmeister.

»Ich habe beim Abendessen vierundzwanzig gezählt«, berichtete Landolfus. »Zwar ist mir in einer anderen Kammer aufgetischt worden, doch konnte ich die Frauen heimlich beobachten. Die meisten schlafen im ersten Stock des linken Flügels. Hier in diesem Flügel gibt es eine Kapelle, und darüber befinden sich die Zimmer der Äbtissin. Zwischen den Flügeln liegen die Eingangshalle mit dem Haupttor und das Refektorium. Wenn wir dort eindringen, müssen wir sehr leise sein, sonst hören uns die Melancourt oder eines ihrer Weiber.«

Der Hochmeister nickte und wies die an ihm vorbeidrängenden Männer zum wiederholten Mal an, achtzugeben. »Was auch geschieht, die Äbtissin muss lebend in unsere Hände fallen! Sie allein kennt das Geheimnis, das wir ergründen wollen. Ihr erkennt sie an ihrem roten Haar. Nehmt also den Nonnen die Hauben ab, bevor ihr sie tötet!«

»Sollen wir die anderen wirklich umbringen?«, fragte einer seiner Gefolgsleute, der sich Eusebius nannte, erschrocken.

»Nicht alle! Lasst ein paar am Leben, damit wir sie vor Isabelle de Melancourts Augen foltern können. Wenn sie sieht, wie ihre Weiber leiden, wird es ihre Zunge lösen. Und nun macht rasch!«

Nach seinen Männern verließ auch Leopold von Gordean die Kammer, durchschritt den Flur und trat in die Eingangshalle des Klosters. Von dort aus beobachtete er zufrieden lächelnd, wie seine Männer leise die Treppe zu den Schlafräumen emporstiegen. Es hatte lange gedauert, bis er die richtige Spur gefunden hatte, aber hier würde er eines der größten Geheimnisse dieser Welt enträtseln können und damit mehr Macht erringen als je ein Mensch vor ihm.

4.

Isabelle de Melancourt lag noch wach und dachte über Schwester Justina nach, die nun wieder Donata von Frommberg hieß, und ärgerte sich über deren Vater. Das Lebensglück seiner Tochter war dem Mann anscheinend gleichgültig, Hauptsache, sie brachte in ihrer Ehe Söhne zur Welt, welche den Namen Frommberg weitertragen würden.

Es ist zum Verzweifeln, dachte sie. Wir Frauen sind der Willkür der Männer ausgeliefert und immer wieder deren Opfer. Ihr selbst hatte der dunkle Schatten, der über einem ihrer Ahnen lag, es versagt, ein anderes Leben zu führen als das einer Nonne. In diesem Kloster hatte sie endlich Frieden gefunden vor den üblen Nachreden über das schlechte Blut, das angeblich in ihren Adern floss und das jede eheliche Verbindung mit einem gleichrangigen Mann verhinderte. Als Geliebte jedoch wäre sie vielen dieser Männer hochwillkommen gewesen. Diesen Weg beschritten etliche Frauen, die in ähnlicher Situation waren wie sie, und sie war ihm ebenfalls eine Weile gefolgt, bis ihr Stolz sich dagegen aufgebäumt hatte, die willige Dienerin hoher Herren zu sein.

Sie seufzte, weil ihre Gedanken sich in eine Vergangenheit verirrten, die sie vergessen wollte, stand auf und entzündete die Kerze ihrer Laterne. Das schwache Licht würde ihr den Weg in die Klosterapotheke weisen, um dort jenes Mittel zu holen, das ihr schon öfter dabei geholfen hatte, ein wenig Ruhe zu finden.

Als sie auf den Flur hinaustrat, stutzte sie. Hatte da nicht eine Stufe geknarzt? Isabelle drehte sich um, blickte die Treppe hinab und sah flackerndes Licht und schwankende Schatten an der Wand auftauchen. Fremde waren in ihr Kloster eingedrungen! Um diese Zeit waren das mit Sicherheit keine Freunde.

»Wie konnte das geschehen?«, flüsterte sie und wich von der Treppe zurück. Erneut vernahm sie das Knarzen der Stufe und sah im nächsten Moment einen Kopf über den Stufen erscheinen, der auf breiten Schultern zu sitzen schien. Das Licht der Fackel spiegelte sich auf dem blank polierten Stahl einer Schwertklinge.

Isabelle schüttelte ihre Erstarrung ab und rannte auf den Gebäudetrakt zu, in dem ihre Nonnen schliefen.

»Da ist eine!«, rief der Mann, der als Erster die Treppe heraufgekommen war.

»Das muss die Äbtissin sein! Sie darf nicht entkommen!«

Als Isabelle Landolfus’ Stimme erkannte, zischte sie eine Verwünschung. Schnell bog sie in den Flur ein und schlug die Tür, die diesen gegen den Rest des Klosters abschloss, so heftig hinter sich zu, dass es laut hallte. Noch während sie den Riegel vorschob, streckte eine der Nonnen den Kopf aus ihrer Zelle.

»Was ist geschehen, ehrwürdige Mutter?«

»Ein Überfall! Rasch, weck die anderen! Nehmt die Waffen zur Hand! Landolfus muss Schwester Agneta überwältigt und Feinde eingelassen haben.«

Mittlerweile waren alle Nonnen erwacht. Die meisten kamen mit nicht mehr als ihren Hemden bekleidet aus ihren Zellen. Ein paar streiften noch rasch ihre Kutten über, während die Eindringlinge schon draußen an der Tür rüttelten. Mit bleichen Gesichtern eilten die Schwestern in die Kammer, in der sie ihre Waffen aufbewahrten.

Da die Klostergemeinschaft Männer nicht einmal als Knechte bei sich dulden durfte, mussten Isabelle und ihre Nonnen ihr Kloster selbst verteidigen und hatten sich auch auf einen solchen Fall vorbereitet.

»Macht auf! Wenn ihr euch ergebt, geschieht euch nichts«, rief jemand von draußen herein.

»Er lügt!«, flüsterte Isabelle den anderen Frauen zu. Zu ihrem Ärger aber las sie in einigen Gesichtern die Bereitschaft, auf das Angebot einzugehen. Daher scheuchte sie diese Nonnen nach hinten und rief ihre engsten Vertrauten zu sich.

»Nehmt die Bogen zur Hand und stellt euch zu dritt nebeneinander auf«, befahl sie.

Ihre Stellvertreterin sah sie fragend an. »Wie viele Feinde mögen es sein?«

»Ich konnte sie nicht zählen, aber es sind viele«, antwortete Isabelle.

»Sollten wir nicht besser fliehen? Die Treppe am anderen Ende des Flurs führt direkt zum Seiteneingang«, schlug Schwester Eulalia vor.

Sofort wichen einige Nonnen bis zu der Treppe zurück.

Isabelle schüttelte den Kopf. »Landolfus hat gestern überall herumgeschnüffelt und ganz bestimmt den Seiteneingang entdeckt. Also werden die Kerle ihn bewachen.«

»Das wissen wir erst, wenn wir nachgesehen haben!« Bevor Isabelle Schwester Eulalia zurückhalten konnte, eilte diese die Treppe hinab.

»Komm zurück!«, rief Isabelle ihr nach. Doch da schlugen die Eindringlinge mit einem schweren Gegenstand gegen die Flurtür, und sie sah mit Schrecken, dass das Holz splitterte. Schnell wich sie hinter die Bogenschützinnen zurück und befahl ihnen, auf die Eindringlinge zu schießen.

Die Frauen waren ihre besten Kämpferinnen und liebten es, sich beim Schießen auf Zielscheiben zu messen. Auch konnte in dieser Enge kein Pfeil fehlgehen. Einige der in den Flur quellenden Krieger stürzten schreiend zu Boden, doch zu mehr als zwei Schüssen kamen die Frauen nicht, dann waren die Angreifer über ihnen.

Isabelles Stellvertreterin hieb dem Ersten den nutzlos gewordenen Bogen ins Gesicht und zog ihr Kurzschwert. Hier im Flur war diese Waffe besser geeignet als die langen Schlachtschwerter der Feinde. Doch die Männer waren im Kampf geübt. Zwei Angreifer konnten die Bogenschützinnen noch abwehren, dann wurden sie niedergemacht.

Andere Nonnen verteidigten sich noch mit ihren Kurzschwertern, wurden aber immer weiter nach hinten auf die Treppe zugedrängt. Die ersten stiegen schon nach unten, weil ihnen der Seiteneingang Rettung zu versprechen schien. Da der Kampf gegen die erfahrenen Krieger sinnlos wurde, befahl Isabelle allen, nach unten zu flüchten, und schloss sich ihnen als Letzte an. Zu ihrer Überraschung folgten ihnen die Feinde nicht sofort. Dafür aber hörte sie, wie oben einer befahl, dass zehn Männer nach draußen eilen und die Flucht der Nonnen verhindern sollten. Fast gleichzeitig erklang der Schmerzensschrei der Nonne, die als Erste zum Seiteneingang geeilt war und diesen geöffnet hatte.

Als Isabelle das Erdgeschoss erreichte, sah sie, wie die Feinde nun auch durch diesen Eingang ins Kloster eindrangen. Ihre wie Schafe zusammengedrängten Nonnen vermochten keinen Widerstand mehr zu leisten. Einige wurden von den mordgierigen Kerlen niedergemacht, der Rest warf sich zu Boden und flehte um Gnade.

»Gebt acht, dass ihr mir nicht die Melancourt umbringt!«, erklang erneut jene schneidende Stimme, die Isabelle bereits vernommen hatte. Das musste der Anführer sein. Sie versuchte, sich zu erinnern, ob sie den Mann kannte, entschied dann aber rasch, dass sie derzeit andere Sorgen hatte.

Isabelle versteckte sich hinter der Treppe, stieß gegen jemanden und konnte im letzten Augenblick einen Aufschrei zurückhalten. Die andere Person blieb ebenfalls stumm. Als Isabelle nach ihr tastete, fühlte sie den festen Stoff einer Kutte in ihrer Hand. Es war also eine ihrer Nonnen.

»Sei ganz ruhig«, wisperte sie ihr zu. »Sobald wir können, schleichen wir uns in den Keller.«

»Aber dort sitzen wir wie eine Maus in der Falle«, kam es kaum hörbar zurück.

Schwester Justina!, fuhr es Isabelle durch den Kopf.

Sie spürte die Angst, die das Mädchen in den Klauen hielt, aber auch die tausend ungestellten Fragen, die sie beide bewegten. Wer waren die Angreifer und was wollten sie hier? Schlichte Räuber konnten es nicht sein. Die besaßen nur selten Ritterschwerter und liefen auch nicht mit Umhängen herum, die an einen Ritterorden erinnerten.

Bei dem Gedanken überlief es Isabelle heiß und kalt. Diesen Männern ging es nicht darum zu plündern, denn dafür war ihr Kloster zu arm. Zudem lag es versteckt in einem Winkel des Waldgebirges, und die nächste Straße, die diese Bezeichnung verdiente, führte in knapp drei Meilen Entfernung daran vorbei. Wer hierherkam, hatte konkrete Absichten. Sollte etwa ihr Geheimnis verraten worden sein?, fragte sich Isabelle. Oder folgten die Eindringlinge nur einem Gerücht?

Auf jeden Fall war wieder unschuldiges Blut geflossen, wie schon einmal zu jener Zeit, in der ihr Vorfahr versucht hatte, das Geheimnis zu schützen. Ich hätte mich niemals darauf einlassen dürfen, es zu bewahren, fuhr es Isabelle durch den Kopf. Doch nach dem Tod ihrer Tante war sie die letzte Nachfahrin des Ritters Raoul de Melancourt und an dessen Vermächtnis gebunden.

Während diese Gedanken wie Blitze durch ihren Kopf zuckten, beobachtete Isabelle, dass die Angreifer ihre überlebenden Nonnen wieder nach oben scheuchten, wo sie von den anderen Kriegern in Empfang genommen wurden.

»Habt ihr die Melancourt?«, erklang die schneidende Stimme des Anführers erneut auf.

»Eines der Weiber wird sie wohl sein«, rief ein Krieger von der Treppe aus zurück.

»Sechs von euch bleiben unten und bewachen den Seiteneingang. Ich will nicht, dass uns das Weib entkommt.«

»Jetzt müssen wir in den Keller«, flüsterte Isabelle Donata zu und schob diese zurück, um die Falltür heben zu können. Sie musste vorsichtig sein, damit die Wachen beim Eingang kein Geräusch vernahmen. Zu ihrem Glück achteten die Männer dort mehr auf das, was sich oberhalb der Treppe ereignete.

Einer der Wächter stieß einen seiner Kumpane in die Seite. »Was meinst du? Wird der Hochmeister uns die Nonnen überlassen? Mir wär schon danach, wieder einmal ein Stück warmes Weiberfleisch unter mir zu spüren.«

»Kämpfe gegen die Versuchung an, Bruder, denn sie bedroht dein Seelenheil!«, gab der andere tadelnd zurück.

Inzwischen hatte Isabelle ihre Ruhe zurückgewonnen. Sie schob Donata zur Kellertreppe und flüsterte ihr ins Ohr, sich nach unten zu tasten. Sie fragte sich, in welchem Alptraum sie gefangen war. Hochmeister war der Titel des Oberhaupts des Deutschen Ritterordens, aber dieser Mann würde wohl kaum wie ein Dieb des Nachts in ihr kleines Waldkloster eindringen. Auch sahen die Umhänge der Angreifer anders aus als die der Deutschritter. Sie waren dunkel, ob schwarz oder braun, vermochte Isabelle in dem flackernden Schein der Fackeln nicht zu sagen. Sie hatte auch nicht bemerkt, ob Kreuze darauf genäht waren. Dabei wäre es für sie wichtig, mehr über ihre Feinde zu erfahren.

»Ich bin unten!«, meldete sich Donata fast zu laut aus dem Keller.

Isabelle warf einen letzten Blick auf die Männer, die wie Statuen vor der Pforte standen, dann folgte sie dem Mädchen in die Dunkelheit.

5.

Landolfus musterte die gefangenen Nonnen, die wie verschreckte Hühner vor ihm standen, und suchte nach deren Oberin. Auf seine Anweisung hin zogen einige Krieger den Frauen, die eine Kutte trugen, die Hauben ab, doch keine war Isabelle de Melancourt.

»Was ist? Hast du sie?«, fragte sein Anführer scharf.

»Sie ist nicht bei den gefangenen Weibern! Hoffentlich wurde sie nicht an der Seitenpforte erschlagen«, antwortete Landolfus besorgt.

»Das wäre verheerend! Die Melancourt ist der Schlüssel zu dem, was wir suchen. Die anderen Weiber wissen bestimmt nicht darüber Bescheid.« Der Hochmeister wandte sich mehreren seiner Gefolgsleute zu. »Bringt die toten Nonnen herauf und untersucht sie. Wehe, die Äbtissin ist unter ihnen.«

Die meisten seiner Krieger schienen unter dieser Drohung zu schrumpfen. Aber einer schüttelte den Kopf. »Die haben wir mit Gewissheit nicht erschlagen! Ich habe das Weib vor ein paar Jahren in Nürnberg gesehen und es vorhin wiedererkannt. Sie ist als Letzte nach unten gegangen.«

»Dann müsste sie unter den Gefangenen sein«, herrschte der Hochmeister ihn an. »Wahrscheinlich hat sie sich irgendwo versteckt. Durchsucht das Kloster! Findet die Melancourt!«

Seine Männer gehorchten so schnell, als wäre der Teufel hinter ihnen her.

Gordeanus stieß eine der toten Bogenschützinnen mit der Fußspitze an. »Diese Weiber haben vier unserer Mitbrüder getötet und zwei weitere verletzt. Dafür werden sie bezahlen! Bringt alle bis auf sechs um!«

Bevor seine Untergebenen den Befehl befolgen konnten, mischte sich Landolfus ein. »Das würde ich nicht tun, Euer Exzellenz. Wenn Isabelle de Melancourt uns entkommen sein sollte, brauchen wir die Weiber als Speck für die Falle, in der sie sich fangen soll. Hinaus kann sie nicht, denn wir bewachen beide Zugänge zum Kloster. Also muss sie sich irgendwo versteckt halten. Ein paar unserer Männer sollen in jedem Stockwerk, in jedem Trakt dieses Gebäudes und in allen Nebengebäuden verkünden, dass Ihr jede Stunde eine Nonne hinrichten lasst, wenn die Äbtissin sich nicht ergibt. Dann muss sie es mit ihrem Gewissen ausmachen, ob sie deren Tod in Kauf nimmt oder sich stellt.«

»Der Vorschlag ist gut! Trotzdem werde ich dich nicht loben. Es ist nämlich deine Schuld, dass die Äbtissin sich verbergen konnte.«

Der Hochmeister kehrte Landolfus den Rücken und befahl einem seiner Männer, mehr Fackeln zu entzünden. »Hier ist es ja so düster wie in einer Neumondnacht«, setzte er hinzu.

Er stellte sich vor den gefangenen Nonnen in Positur. »Ihr habt gehört, was Bruder Landolfus eben gesagt hat. Es ist auch in eurem Interesse, dass die Äbtissin sich uns ergibt, denn ihr wollt gewiss nicht sterben. Also nennt uns die Orte, an denen sie sich versteckt haben kann.«

Eine der Nonnen, eine groß gewachsene, hübsche Frau mit bernsteinfarbenen Flechten, spie ihn an. »Das ist alles, was Ihr von uns bekommt!«, rief sie voller Hass. »Ihr seid ein Räuber, ein Mörder und ein Schurke, der der ewigen Verdammnis nicht mehr entkommen kann. Ihr …«

Zu mehr kam sie nicht, denn der Hochmeister packte sie am Kiefer und erstickte die weiteren Worte. Er zog die Nonne so nahe an sich heran, dass sich ihre Stirnen fast berührten.

»Nicht mir ist die Hölle bestimmt, sondern deiner Herrin, enthält sie der Kirche doch die heiligste Reliquie der Christenheit vor! Deren Kraft allein würde ausreichen, die heidnischen Osmanen aus Ungarn und aus ganz Europa zu vertreiben. Mit ihr könnte eine neue, Christus geweihte Zeitepoche beginnen, an deren Ende die Vernichtung aller Heiden und das ewige Reich Gottes stünde.«

Nach dem letzten Wort versetzte er der Nonne einen Stoß, der sie zu Boden stürzen ließ, und wechselte einen kurzen Blick mit Landolfus. »Wenn Isabelle de Melancourt sich nicht ergibt, wird dieses Weib als Erste sterben.«

Landolfus nickte und fragte die Nonne streng nach ihrem Namen. Ängstlich wie ein Vögelchen blickte sie zu ihm auf.

»Schwester Hilaria.«

»Brav«, lobte Landolfus sie und rief dann, so laut er konnte, dass Schwester Hilaria in einer Stunde sterben werde, sollte Isabelle de Melancourt sich nicht stellen.

6.

Isabelle und Donata waren ungesehen in den Keller gestiegen und befanden sich nun in geradezu ägyptischer Finsternis. Während Donata aus Angst, gegen irgendeinen abgestellten Gegenstand zu stoßen, stehen blieb, tastete Isabelle sich zu einem kleinen Wandschrank vor, öffnete diesen und holte Stahl, Feuerstein und eine Zunderbüchse heraus. Es war mühsam, in der Dunkelheit Funken zu schlagen. Doch nach mehreren Versuchen gelang es ihr, und sie blies die kleine Flamme in der Büchse vorsichtig an. Deren Licht erhellte kaum ihr Gesicht, dennoch konnte Isabelle eine der Kerzen, die ebenfalls in dem Wandschrank lagen, an ihr anzünden.

Nun war es hell genug, ihre Umgebung erkennen zu können. Donata kam auf Isabelle zu und klammerte sich an sie. »Die Schurken werden den Zugang zu diesem Keller bald gefunden haben. Dann sind auch wir verloren.«

»Komm mit!«, gab Isabelle zur Antwort und schritt mit der Kerze in der Hand voraus.

Zitternd folgte Donata ihr. »Was waren das für böse Menschen, die uns mitten in der Nacht überfallen haben?«

Isabelle schnaubte wütend, ohne den Schritt zu verlangsamen. »Das wüsste ich auch gerne. Doch jetzt müssen wir zusehen, dass wir von hier verschwinden.«

»Aber die Fremden haben Wachen an beiden Eingängen aufgestellt!«

»Ich sagte nicht, dass wir einen davon benützen würden.« Isabelle wandte sich dem Gewölbe zu, in dem die Vorräte des Klosters aufbewahrt wurden. Von der Decke hingen Schinken und Würste. Zwischen ihnen war ein langes Brett angebracht, auf dem Brot so in Körben aufbewahrt wurde, dass es nicht von Mäusen oder Ratten erreicht werden konnte. Im Halbdunkel kaum erkennbar war ein Weinfass aufgebockt, und in der hintersten Ecke befand sich ein weiteres, sehr großes Fass, das man auf keinem Karren transportieren konnte und das Donatas Wissen zufolge noch nie mit Wein gefüllt worden war. Genau auf dieses ging Isabelle zu.

»Halte mir das Licht!« Sie drückte der Jüngeren die Kerze in die Hand und zerrte am Spundhahn. Noch während Donata sich fragte, was das sollte, hielt Isabelle diesen in einer Hand und griff mit der anderen durch das entstandene Loch. Ein Klacken ertönte, dann schwang die Vorderseite des Fasses auf wie eine Tür.

Isabelle wies mit einer einladenden Geste auf die dunkle Öffnung. »Das ist ein Geheimgang, durch den wir das Kloster ungesehen verlassen können. Sind wir erst einmal draußen, werden wir Hilfe holen und unsere Mitschwestern retten.«

Sie wollte eben in das Fass steigen, als von oben Landolfus’ Stimme ertönte. »Isabelle de Melancourt! Wir wissen, dass du dich hier irgendwo versteckt hast. Wenn du dich nicht ergibst, werden wir jede Stunde eine deiner Nonnen töten. Hast du gehört? Wir töten jede Stunde eine deiner Frauen, solltest du dich weiter vor uns verborgen halten!«

»Das sind keine Menschen, sondern Teufel!«, flüsterte Donata mit bebenden Lippen.

Unwillkürlich nickte Isabelle und fragte sich, was sie tun sollte. Sie traute es diesen Schurken zu, auch die restlichen ihr anvertrauten Nonnen umzubringen. Der Gedanke, dass in der nächsten Nacht um die Zeit alle tot sein würden, entsetzte sie. Allerdings ahnte sie, dass die Schurken da oben sie auch weiterhin mit ihren Mitschwestern erpressen würden, um an ihr Ziel zu gelangen. Sie hatte geschworen, das Geheimnis ihres Ahnherrn niemals preiszugeben, was auch immer geschah. Es überlief sie heiß und kalt, und der Wunsch, das eigene Leben auf Kosten der anderen zu retten, wurde schier übermächtig. Dann aber schüttelte sie den Kopf. Wenn sie ihre Mitschwestern im Stich ließ, würde sie nie mehr in einen Spiegel sehen können, ohne darin neben ihrem eigenen die totenbleichen, anklagenden Gesichter ihrer Nonnen zu sehen.

Sie zog Donata zu sich und sah sie mahnend an. »Höre mir gut zu, mein Kind! Du fliehst durch den Geheimgang und holst Hilfe. Ich stelle mich den Feinden, um unsere Mitschwestern zu retten.«

Donata blickte sie entsetzt an. »Aber wie soll ich Hilfe holen? Hier lebt doch weit und breit niemand!«

»Vielleicht solltest du zu …«, begann Isabelle, brach dann aber ab, denn im weiten Umkreis gab es tatsächlich keinen Menschen, der ihr und den anderen Nonnen helfen konnte. Sie überlegte, Donata zu König Sigismund zu schicken, der ihr einst seine Gunst geschenkt hatte, dachte dann aber daran, dass dieser überall im Reich, ja sogar im fernen Ungarn weilen konnte, und entschied sich anders.

»Hier hast du Geld! Kauf dir unterwegs ein Pferd, reite nach Würzburg und verlange, vor den Fürstbischof Johann von Brunn geführt zu werden. Reiche ihm diesen Ring und fordere ihn auf, den Schwur, den er mir einst geleistet hat, zu erfüllen.«

Hastig steckte Isabelle dem Mädchen ihre Geldkatze mit den Goldmünzen zu, die sie aus alter Tradition stets bei sich trug, zog sich einen der beiden Ringe vom Finger und drückte ihn Donata in die Hand. Dann schob sie das Mädchen ins Fass.

»Pass auf, dass dir die Kerze nicht ausgeht, denn der Weg hinaus ist beschwerlich. Viel Glück, mein Kind! Wenn du auf der Flucht Zeit findest, bete für uns! Ich fürchte, es wird nötig sein.«

»Vielleicht solltet Ihr doch mitkommen«, flüsterte das Mädchen.

Isabelle schüttelte den Kopf. »Es ist mein Schicksal, zu bleiben und mein Kreuz auf mich zu nehmen, so wie es unser Herr Jesus Christus auf Golgatha getan hat.«

Nach diesen Worten schloss sie den Zugang zum Geheimgang, drehte den falschen Zapfhahn wieder fest in das Spundloch und kehrte in den vorderen Teil des Kellers zurück. Ein wenig wunderte es sie, dass die Eindringlinge die Falltür noch nicht entdeckt hatten. Allerdings war diese im Dunkel der Nacht unter der Treppe kaum zu erkennen. Sobald das Licht des Tagesgestirns die Schatten der Nacht vertrieben hatte, würde es anders sein. Doch so lange konnte sie nicht warten. Dennoch würde sie einen Großteil der Stunde, die als Ultimatum genannt worden war, verstreichen lassen, damit Donata einen kleinen Vorsprung erhielt.

7.

Donata hastete durch den Geheimgang, immer in der Sorge, der Luftzug könnte ihre Kerze löschen, so dass sie für immer in diesem feuchten, modrig riechenden Stollen eingeschlossen sein würde. Der Gang war teilweise in den Fels gehauen worden, andere Stellen bestanden aus unregelmäßig behauenen Steinen, und an einigen dieser Stellen wuchs Wurzelwerk von oben hinein. Einmal musste Donata sich sogar zwischen zwei besonders dicken Wurzeln hindurchzwängen. Daraus schloss sie, dass der Geheimgang lange nicht mehr benutzt worden war.

Eine Bewegung weiter vorne entlockte ihr einen Schreckensruf. Nach zwei vorsichtigen Schritten atmete sie erleichtert auf, denn es war nur eine Eidechse gewesen. Dennoch bewegte sie sich, als ginge sie auf rohen Eiern. Sie wollte die Tiere der Tiefe nicht berühren, galten sie doch als Diener des Satans, die dieser aussandte, um in der Welt der Menschen für ihn zu spionieren.

Donata befürchtete schon, der Gang würde nie ein Ende finden, da stand sie auf einmal vor einem verrosteten Gitter. Sie zerrte daran, doch es gab nicht nach.

»Herr im Himmel! Lieber, gütiger Christus, hilf mir!«, flehte sie und zog mit aller Kraft. Ebenso gut hätte sie versuchen können, einen Felsen zu verrücken. Verzweifelt hielt sie inne und betrachtete das Gitter.

»Die ehrwürdige Mutter hätte mir sagen müssen, wie ich es öffnen kann«, rief sie und spürte, wie ihr die Tränen kamen.

Dann aber straffte sie die Schultern. Gewiss gab es eine Möglichkeit, hier herauszukommen. Sie musste sie nur finden. Als sie das gesamte Gitter mit der Kerze ableuchtete, entdeckte sie ganz links oben und weit rechts unten je einen Riegel. Diese waren verrostet, doch nachdem sie den Rost mit dem Silberring an der Geldkatze ein wenig abgekratzt hatte, ließen sie sich zurückziehen.

Erleichtert öffnete Donata das Gitter und schlüpfte hinaus. Sie drehte sich noch einmal um, zog das Gitter wieder zu, griff hindurch und schob die beiden Riegel in ihre Krampen. Dabei stellte sie fest, dass diese so angebracht waren, dass sie jemand von außen nur durch gründliches Tasten im Dunkeln entdecken konnte. Sie prägte sich die beiden Stellen ein, denn sie würde die Retter – falls sie welche fand – wahrscheinlich auf diesem Weg ins Kloster führen müssen. Männer, die drohten, eine ihrer Mitschwestern nach der anderen abzuschlachten, wenn die Äbtissin sich nicht in ihre Hände begab, würden auch mögliche Belagerer mit ihnen erpressen.

Als Donata weiterging, fiel ihr ein, dass sie keine Nonne mehr war, denn ihr Vater hatte sie in den Laienstand zurückversetzen lassen. Sollten seine Boten sie nicht in ein paar Tagen abholen? Nun überlegte sie, auf diese Leute zu warten und sie zu bitten, Isabelle de Melancourt und den anderen Nonnen beizustehen.

Dann aber schüttelte sie den Kopf. Was war, wenn die Männer sich weigerten und sie zu ihrem Vater brachten, ohne auch nur einen Finger für die gefangenen Nonnen im Kloster zu rühren? Die Äbtissin hatte ihr aufgetragen, zum Würzburger Fürstbischof Johann von Brunn zu gehen, damit dieser ihnen beistand. Dieser Bitte würde sie Folge leisten, und wenn sie den gesamten Weg zu Fuß zurücklegen musste.

Mit diesen Überlegungen erreichte Donata das Ende des Geheimgangs, der nach dem Gitter eine scharfe Biegung gemacht hatte und sich noch ein paar Schritte dahinzog. Büsche und dicke Baumwurzeln hatten den Ausgang überwuchert, und sie musste sich durch rauhes Gehölz zwängen. Als sie endlich draußen stand, ragten um sie herum die Baumriesen des uralten Waldgebirges auf und bildeten mit ihren Kronen ein schier endloses Dach, unter dem es so dunkel war, dass sie kaum die Hand vor Augen sehen konnte. Die Kerze war ihr keine Hilfe mehr, denn der erste Windstoß im Freien hatte sie trotz ihrer schützenden Finger ausgeblasen.

Am liebsten hätte Donata sich auf den Boden geworfen und ihren Tränen freien Lauf gelassen. Die Angst vor möglichen Verfolgern und vor den wilden Tieren des Waldes trieb sie jedoch weiter. In der Wildnis um das Kloster herum gab es Bären und Wölfe, aber auch Auerochsen, die nicht weniger gefährlich waren.

Ihr wurde klar, dass sie ganz auf die Hilfe des Himmels angewiesen war, wenn sie ihr Ziel erreichen wollte. Außer dem Geld der Äbtissin und dem Ring, den sie dem Fürstbischof übergeben sollte, besaß sie nur ihre Kutte, ein einfaches Hemd auf der Haut, Sandalen mit dünnen Sohlen und ein kleines hölzernes Kreuz an einer Kette aus Holzperlen. Für eine Reise nach Würzburg, für die selbst ein Reiter etliche Tage benötigte, war sie erbärmlich schlecht ausgerüstet.

Zwischen tiefster Verzweiflung und dem Willen schwankend, alles zu tun, um ihre ehemaligen Mitschwestern zu retten, tastete sie sich zwischen den Bäumen dahin und betete leise den Rosenkranz, um ihre Angst zu bezwingen.

8.

Isabelle de Melancourt! Was ist nun? Wenn du nicht sofort hier erscheinst, wird die erste deiner Nonnen sterben!«

Landolfus’ Worte fuhren wie eine Raspel über Isabelles Nerven. Jetzt gilt es, dachte sie. Entweder ergab sie sich, oder sie würde sich für immer der Feigheit bezichtigen müssen und wohl auch den Todesschrei ihrer Mitschwester niemals vergessen können.

»Nun, hörst du nicht? Gleich ist es so weit!«, brüllte Bruder Landolfus, so laut er konnte. Er hatte es kaum gesagt, da hallte der Entsetzensschrei einer Frau durch den Raum.

»Nein, nicht, Gnade!«

Nun hielt es Isabelle nicht mehr im Keller. Mit einer resignierenden Geste öffnete sie die Falltür und stieg nach oben. Die Wachen, die bislang nur den Seiteneingang des Klosters im Auge behalten hatten, fuhren herum und glotzten sie im flackernden Licht einer Fackel verdattert an.

»Ich glaube, da ist sie!«, quetschte einer von ihnen heraus.

Ein anderer stürmte die Treppe hinauf. »Wir haben die Äbtissin!«

»Na also! Sagte ich es doch«, rief Bruder Landolfus mit einem boshaften Lachen und blickte den Hochmeister triumphierend an.

Dieser kaute angespannt auf seinen Lippen herum und trat dann ein paar Schritte vor, um nach unten zu sehen. Als er der Äbtissin ansichtig wurde, die mit müden Schritten die Treppe hinaufstieg, nickte er zufrieden.

»Sei mir willkommen, Isabelle de Melancourt!«

Die Äbtissin erwiderte seinen Blick mit zornerfüllter Miene. »Da dies hier mein Kloster ist, wäre es an mir, Gäste willkommen zu heißen. Ihr gehört jedoch nicht hierher.«

»Du bist immer noch so stolz und schön wie damals, als du mit Sigismund das Bett geteilt hast. Aber dein Stolz kann dir nicht mehr helfen. Der König wird es übrigens auch nicht, denn der hat genug mit Hussiten und Türken zu tun.« Gordeanus lachte höhnisch auf und deutete dann auf die anderen Nonnen. »Sperrt die Weiber ein und räumt die Toten weg. Sie sollen sie morgen begraben.«

Einer seiner Männer nickte und packte eine der Toten, doch Landolfus gebot ihm Einhalt. »Noch nicht! Bringt alle hierher. Und ihr Weibsleute haltet still, damit ich euch zählen kann.«

Das Letzte galt den gefangenen Frauen, die sich in ihrer Angst eng aneinanderdrängten.

»Was hast du im Sinn?«, fragte der Hochmeister verwirrt.

»Als ich am Nachmittag ins Kloster kam, habe ich vierundzwanzig Nonnen gezählt. Doch eben bin ich nur auf dreiundzwanzig gekommen. Eine fehlt! Habt ihr die Nonne aus der Pförtnerstube auch heraufgebracht?«, fragte Landolfus. Als die Männer nickten, zählte er die Gefangenen noch einmal laut durch und sah sich dann mit verkniffener Miene zu seinem Anführer um. »Auch jetzt komme ich nur auf dreiundzwanzig Weiber!«

»Vielleicht hast du dich gestern verzählt«, sagte Isabelle, um ihn zu verunsichern.

Der Mann achtete nicht auf sie, sondern winkte zwei seiner Kumpane zu sich. »Los, steigt in den Keller und durchsucht ihn. Wahrscheinlich hält die letzte Klosterfrau sich dort verborgen.«

Die beiden Männer gehorchten, kehrten aber bald wieder zurück. »Dort unten gibt es nichts anderes als die Vorräte für die Klosterküche.«

»Habt ihr in jeden Winkel und hinter jeden Kasten geschaut?«, fragte Landolfus scharf.

»Natürlich«, antwortete der Mann. »Im Keller ist keine Menschenseele. Ich würde vorschlagen, dass wir noch einmal das gesamte Kloster durchsuchen. Vielleicht hat sich das fehlende Weibsstück in ihrer Zelle verkrochen oder steckt in einem der Nebengebäude.«

»Tut das!«, wies der Hochmeister seine Leute an und richtete den Blick auf Isabelle. »Du weißt, wo die andere Nonne ist! Sag es, oder das erste der anderen Weiber stirbt!«

Isabelle musterte den Mann, der einen roten Kapuzenumhang aus dickem Stoff trug. Das Kreuz, das darauf eingestickt war, hatte sie in dieser Art noch nie gesehen. Mit einer Querstange, die kürzer war als bei anderen Kreuzen, aber weitaus dicker, glich das Symbol mehr einem Hammer denn dem Kreuz Jesu.

Trotz ihrer Angst und dem entsetzten Gesicht Schwester Hilarias, die als erstes Opfer auserkoren war, schüttelte sie den Kopf. »Ich weiß es nicht.«

Das ist nicht einmal gelogen, dachte sie. Donata befand sich längst im Wald, und die genaue Stelle hätte sie beim besten Willen nicht zu nennen vermocht.

»Sag es!«, herrschte der Hochmeister sie an und zog sein Schwert. »Tust du es nicht, bist du schuld am Tod dieser Braut Christi!«

»Ich weiß es wirklich nicht!« Isabelle brüllte so laut zurück, wie sie konnte, und es gelang ihr, Gordeanus zu verunsichern.

Dieser musterte spöttisch Schwester Hilaria, die so bleich wirkte, als hätte der tödliche Schlag sie bereits getroffen, sah dann Isabelle an, die seinen Blick hasserfüllt zurückgab, und wandte sich zuletzt an Landolfus.

»Sie mag die Wahrheit sprechen. Andererseits will ich nicht den geringsten Anschein von Lüge durchgehen lassen. Hackt der Nonne daher die rechte Hand ab. Dann wissen die Weiber, dass mit uns nicht zu spaßen ist.«

»Nein! Übt Gnade! Bitte nicht!«, flehte Hilaria.

Landolfus packte sie und bog ihren Arm nach vorne. Aber sie wehrte sich so, dass zwei seiner Kumpane ihm helfen mussten, die Schwester festzuhalten. Als das gelungen war, schwang ein Dritter sein Schwert.

Es gab ein hässliches Geräusch, als die scharfe Klinge den Knochen durchtrennte. Schwester Hilarias abgeschlagene Hand flog durch den Raum und fiel Isabelle vor die Füße. Blut spritzte auf und benetzte Landolfus und seine Helfer. Der Mönch gab der Verletzten einen Stoß, der sie zu den anderen gefangenen Nonnen trieb.

»Verbindet sie, sonst blutet sie aus wie ein geschlachtetes Schwein.«

Während die Frauen ihre Mitschwester mit Streifen von ihren eigenen Gewändern verbanden, trafen vorwurfsvolle Blicke die Äbtissin.

Der Hochmeister bemerkte zufrieden, dass er einen Keil zwischen die Melancourt und ihre Untergebenen getrieben hatte. Das wollte er ausnützen. Als er nun auf die Nonnen zutrat, klang seine Stimme beinahe sanft.

»Ich bedauere, euch Kummer und Leid zufügen zu müssen. Daran ist nur diese Frau schuld! Sagt ihr mir, wo eure geflohene Mitschwester sein könnte!«

Isabelle begriff, dass sie die anderen nicht davon abhalten konnte zu reden, und war froh, dass keine von ihnen wusste, wohin Donata geflohen war. Sie kannten nicht einmal deren richtigen Namen. Bei dem Gedanken zuckte sie zusammen, denn in ihrer Kammer lag noch der Brief des Freiherrn von Frommberg. Wenn dieser seltsame Hochmeister das Kloster durchsuchen ließ, würden seine Männer auch dieses Schreiben finden und wissen, dass bald Leute kommen würden, um das Mädchen abzuholen.

Ob Donatas Verwandte uns helfen?, fragte sich Isabelle und empfand mit einem Mal einen Funken Hoffnung.

Währenddessen forderte der Hochmeister eine Adelina genannte Nonne auf zu reden. Diese schüttelte den Kopf und kniff die Lippen zusammen.

Eine andere besaß weniger Widerstandskraft und stieß die Worte so schnell heraus, dass sie einzeln kaum zu verstehen waren. »Schwester Justina fehlt! Sie ist die Jüngste von uns.«

»Sie hat recht«, stimmte ihr Eulalia zu. »Die Äbtissin hatte sie am Abend zu sich geholt.«

»Das stimmt! Ich habe gesehen, wie Schwester Justina ihre Kammer verließ und zu den Zellen der anderen Nonnen ging«, erklärte Landolfus eifrig.

»Sie war noch bei uns, als Ihr uns angegriffen habt, mein Herr«, setzte Schwester Adelina hinzu. »Ich sah noch, wie sie mit uns die Treppe hinabstieg, um zum Seiteneingang zu gelangen. Dann habe ich sie aus den Augen verloren.«

»Gibt es unter der Treppe noch einen anderen Weg nach draußen oder einen versteckten Keller?«, fragte der Hochmeister nach.

Die Nonne nickte. »Man kommt von dort unten in die Küche. Sonst wäre es ja sinnlos, die Lebensmittel im Keller aufzubewahren.«

Landolfus stieß eine leise Verwünschung aus. »Dieses Miststück kann in die Küche geflohen sein. Seht dort noch einmal nach, und durchsucht alle Türen und Korridore, die sie von dort aus erreichen kann.«

Sofort eilten mehrere Männer davon, und neben Landolfus und dem Hochmeister blieben nur zwei Bewaffnete zurück. Isabelle fragte sich, wie sie die Situation ausnutzen konnte. Neun ihrer Nonnen waren unverletzt geblieben. Gemeinsam hätten sie die vier Kerle vielleicht überraschen und deren Waffen erbeuten können, um dann gegen die im ganzen Kloster verteilten Männer vorzugehen. Doch als sie in die Gesichter ihrer Mitschwestern blickte, las sie darin nur Angst und Verzweiflung, aber keine Bereitschaft mehr, sich gegen ihr Schicksal aufzulehnen. Isabelle fragte sich, wer diese Männer und vor allem ihr Anführer sein mochten. Dieser schien einiges über sie zu wissen, doch sie selbst hatte ihn noch nie gesehen. Auf jeden Fall hatte er auf ganzer Linie gesiegt.

Nicht auf ganzer, verbesserte sich Isabelle sogleich. Donata war entkommen, und mit jeder Viertelstunde, die sie hier gewann, entfernte sich das Mädchen weiter vom Kloster. Doch selbst wenn Donata Würzburg erreichte und von Fürstbischof Johann von Brunn Hilfe erhielt, konnte es für sie alle zu spät sein. Daher schwankte sie nun doch, ob sie nicht reden sollte. War ihr Familiengeheimnis es wert, dafür zu sterben und darüber hinaus auch noch ihre Mitschwestern zu opfern? Sie war noch zu keiner Entscheidung gelangt, als die ersten Männer zurückkehrten.

»Euer Exzellenz, wir haben die vermisste Nonne nicht gefunden«, berichtete einer.

»Ihr müsst sie finden!« Der Hochmeister ballte die Fäuste und drohte ins Unbestimmte hinein. Seine Männer verschwanden erneut, und man hörte sie fluchend Türen aufreißen und wieder zuschlagen.

9.

Als die Schatten der Nacht wichen, war allen klar, dass Schwester Justina, wie Donata von Frommberg für die anderen Nonnen noch immer hieß, sich nicht mehr im Kloster aufhielt. Gordeanus stand mit versteinerter Miene im Flur und bewegte seine Kiefer, als kaue er auf diesem Problem herum. Zwar sagte er nichts, doch Isabelle war sich sicher, dass er Donata und auch sie in Gedanken verfluchte.

»Wie kann diese Nonne entkommen sein?«, fragte er Landolfus.

Dieser hob in einer hilflosen Geste die Hände. »Ich weiß es nicht. Vielleicht gibt es einen Geheimgang.«

Isabelle benötigte ihre gesamte Selbstbeherrschung, um sich den Schrecken über diese Worte nicht anmerken zu lassen. Wenn die Kerle richtig nachdachten, kamen sie auf den Keller und würden diesen gründlich untersuchen. Dabei konnte ihnen das leere Weinfass mit dem Zugang zu dem unterirdischen Stollen nicht entgehen. Doch zu ihrer Erleichterung winkte der Hochmeister ab.

»Gäbe es einen solchen Gang, hätte die Melancourt ihn benutzt, um zu fliehen.«

»Aber fortgeflogen kann die Nonne nicht sein!«, wandte Landolfus ein.

Da schob einer ihrer Begleiter einen Kameraden nach vorne. »Sag du es, Bruder Eusebius«, flüsterte er.

Der Hochmeister fuhr herum. »Was soll er sagen?«

»Nun, es war so: Als es in der Nacht hieß, die Nonnen wären alle gefangen, haben wir unseren Posten beim Haupteingang verlassen. Wir konnten doch nicht ahnen, dass eines der Weiber sich noch versteckt halten würde. Sie kann sich daher durch die Küche auf den Hof geschlichen haben und in den Wald geflohen sein.«

»Und das sagst du mir erst jetzt?«, herrschte Gordeanus ihn an. »Bei Gott, in diesen Stunden kann die Nonne bereits etliche Meilen weit gekommen sein. Sucht alle Wege ab, die vom Kloster wegführen, und auch den Wald. Ihr müsst sie finden!«

»Ist das wirklich notwendig?«, fragte Landolfus. »Dieses Kloster liegt sehr abgelegen, und es gibt im weiten Umkreis niemanden, den diese Nonne um Hilfe bitten kann. Sie wird in der Wildnis umkommen. Hier gibt es noch Bären und Wölfe, und die haben durchaus Appetit auf Mädchenfleisch.«

Ein paar Männer lachten wie über einen guten Witz, doch sie verstummten, als sie die zornige Miene ihres Anführers sahen. Als er sprach, hielt Gordeanus seine Stimme im Zaum, damit keine der Nonnen ihn hören konnte. »Ich will dieses Kloster zum neuen Zentrum unserer Gemeinschaft machen. Aber das können wir nur, wenn keine Nonne entkommt und uns des Überfalls beschuldigen kann. Anderen können wir erklären, dass wir das Kloster von den frommen Frauen übernommen hätten. Wohin diese sich gewandt hätten, wüssten wir jedoch nicht.«

Isabelle hatte jedes Wort verstanden. Zu ihrem Ärger mochte dieser Streich sogar gelingen. Es kamen nur selten Besucher zum Kloster, und die Verwandten der Nonnen würden sich mit dieser Erklärung zufriedengeben. Wenn sie und ihre Mitschwestern nicht mehr auftauchten, konnte die Schuld leicht auf die Hussiten geschoben werden, die immer wieder die Landstriche um Böhmen herum verheerten.

Während Isabelle stumm die Mächte des Himmels anflehte, Donata beizustehen, bestimmte Landolfus zwölf Männer, die, in Dreiergruppen aufgeteilt, die Umgebung durchsuchen sollten.

»Kommt nicht ohne das Weibsstück zurück!«, rief er ihnen nach, als sie das Kloster verließen.

Unterdessen hatte Gordeanus sich beruhigt und wies auf die gefangenen Nonnen. »Sperrt die Weiber endlich ein, aber so, dass keine von ihnen entkommen kann. Ihre Oberin bringt in ihre Räume. Ich werde sie dort verhören.«

Isabelle sah mit hilfloser Wut zu, wie sich die überlebenden Nonnen von nur drei Männern ins Erdgeschoss scheuchen und im Keller einsperren ließen. Sie selbst wurde von zwei Kerlen in ihre Zimmerflucht geschleppt und in ihr Empfangszimmer gestoßen. Der Hochmeister folgte ihnen gemächlichen Schrittes, setzte sich dann auf ihren eigenen Lehnstuhl und nickte seinen beiden Männern zu.

»Zieht sie aus! Ich will sicher sein, dass sie keinen versteckten Dolch bei sich trägt.«

Isabelle versteifte sich, aber sie wusste, dass sie die Kerle nicht hindern konnte, den Befehl zu befolgen.

Die beiden rissen lachend ihre Kutte entzwei, zerfetzten ihr Hemd und drehten sie einmal um die eigene Achse. Dann wandten sie sich feixend an ihr Oberhaupt.

»Sie trägt keinen Dolch bei sich, Euer Exzellenz!«

»Das sehe ich! Bleibt neben ihr stehen und achtet darauf, dass sie keinen Unsinn macht. Und nun zu dir, Isabelle de Melancourt. Du wirst mir sagen, wo du den Heiligen Gral versteckt hältst.«

»Der Gral ist doch nur ein Märchen!«, antwortete Isabelle mit einem harten Auflachen.

Der Blick des Hochmeisters wurde eisig. »Wir beide wissen genau, dass er kein Märchen ist. Dieser verfluchte Tempelritter – dein Vorfahr Raoul de Melancourt – hat ihn gefunden und in unsere Lande gebracht. Das haben mehrere Templer zugegeben, die man in Paris und in Rom verhört hat. Anstatt die kostbare Reliquie der Christenheit zu weihen, behielt Raoul sie für sich und hat sie versteckt. Danach hat er unter Missachtung seines Keuschheitsgelübdes Kinder gezeugt und diese in sein Geheimnis eingeweiht. Seitdem wird das Wissen um den Gral in eurer Familie von Generation zu Generation weitergegeben. Zu meinem Glück haben nicht alle Mitglieder deiner Familie geschwiegen, und so ist mir ein interessanter Brief in die Hand gefallen.«

Einen Augenblick lang verstummte der Mann, um dann mit leidenschaftlicher Stimme weiterzusprechen. »Dein Vorfahr Raoul und alle seine Nachkommen bis hin zu dir haben eine große Sünde begangen, indem sie den Heiligen Gral vor der Welt versteckt hielten. Welche Wunder hätte diese machtvolle Reliquie in der Hand kundiger Glaubensritter vollbringen können! Jerusalem wäre noch unser, und über Konstantinopel würde das Kreuz herrschen und nicht der Halbmond von Mahomets heidnischen Anhängern.«

»Der Gral ist wirklich nur eine Sage«, antwortete Isabelle mühsam beherrscht. »Mein Ahne Raoul mag einen goldenen Becher oder Pokal aus dem Heiligen Land als Beute mit nach Hause gebracht haben, doch wenn es so war, ist das Ding längst verschollen. Vielleicht wurde er auch verkauft oder verschenkt. Ich für meinen Teil weiß nichts von ihm.«

»Du lügst!« Mit einem Schritt war der Hochmeister bei ihr und zog seinen Dolch.

Isabelle sah ihm furchtlos ins Gesicht. Wenn er sie umbrachte, würde er vielleicht ihre Nonnen freigeben – und damit hätte ihr Tod einen Sinn.

Doch dem Hochmeister war klar, dass vor ihm der einzige Mensch stand, der ihm das Geheimnis, dem er nachspürte, offenbaren konnte. Mit einer höhnischen Grimasse fuhr er mit der Dolchspitze über Isabelles Wangen, den Hals und ihre rechte Brust.

Isabelle spürte den Schmerz, als er die empfindliche Haut ihrer Brustwarze mit der Dolchspitze ritzte, verzog aber keine Miene.

»Ich könnte dir die Brüste abschneiden«, drohte er.

»Seid Ihr ein Ritter oder ein Metzger?«, fragte sie in bissigem Spott.

Er zog den Dolch zurück und schlug mit der linken Hand zu. Die harte Ohrfeige ließ Isabelle gegen einen ihrer Bewacher taumeln. Mit einem spöttischen Lachen hielt dieser sie fest und quetschte ihren Busen mit seinem Unterarm ein.

»Wenn du Seiner Exzellenz nicht gehorchst, könnten einige unserer Ritter vergessen, dass sie ein Keuschheitsgelübde abgelegt haben«, flüsterte er ihr ins Ohr.

»Schweine seid ihr! Nichts als unreine Schweine!«, stieß Isabelle aus.

Die Antwort war eine weitere Ohrfeige des Hochmeisters. »Du hast eben Jesu Worte erfüllt und mir neben der einen auch die andere Wange hingehalten«, sagte er lachend, wurde dann aber sofort wieder ernst. »Ich kann auch anders! Für jede Stunde, die du schweigst, werde ich eine deiner Nonnen köpfen lassen.«

»Jesus Christus wird sich ihrer annehmen, und ich werde ihr Schicksal teilen!« Isabelle wusste im Augenblick keine andere Antwort mehr. Wenn alle ihre Nonnen starben, so hatte auch sie kein Recht mehr zu leben.

Der Hochmeister begriff, dass es ihr vollkommen ernst damit war, und trat einen Schritt zurück. Während er die nackte Frau mit finsterem Blick musterte, überschlugen sich seine Gedanken. So rasch würde er die verlangte Auskunft nicht von der Melancourt erhalten. Da nützte es auch nichts, sie mit dem Leben der anderen Nonnen zu erpressen. Sie würde nur noch halsstarriger werden und am Ende ihren eigenen Tod in Kauf nehmen, und sei es nur, um auf diese Weise über ihn zu siegen. Doch er hatte nicht Jahre seines Lebens geopfert, diesem Geheimnis nachzuforschen, um kurz vor dem Ziel zu scheitern.

Mit einem Lächeln, das seine Überlegenheit beweisen sollte, setzte er sich wieder auf den Stuhl der Äbtissin. »Bringt sie in eine der leeren Zellen und sorgt dafür, dass sie nicht entkommen kann«, befahl er seinen Männern.

Diese packten Isabelle und schleiften sie zur Tür hinaus. Kurz darauf stand sie in einer Kammer, in die nicht mehr hineinpasste als ein Bett und ein Stuhl, und starrte auf das schießschartengroße Fenster, durch das vielleicht eine Taube entfliehen konnte, aber kein Mensch. Voller Wut zischte sie Verwünschungen, die einer frommen Äbtissin eigentlich nicht über die Lippen kommen dürften. Wenn ihr Feind sie wenigstens zu ihren Frauen gesteckt hätte, wäre es ihnen vielleicht möglich gewesen, durch den Geheimgang zu fliehen. Nun aber waren sie alle gefangen. Die Einzige, die außer ihr diesen Fluchtweg gekannt hatte, war ihre Stellvertreterin gewesen, und die hatten die Kerle umgebracht.

10.

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