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Sybella Jersch wurde 1959 als Jüngstes von drei Mädchen im Schwarzwald geboren. 2017 erkrankte sie an einer schweren Posttraumatischen Belastungsstörung. Sie bekam schwere Depressionen, Panikattacken und Krampfanfälle. In einer psychiatrischen Klinik war das Backen als Therapie eine große Hilfe. 2020 veröffentlichte sie ihr erstes Buch mit dem Titel "Backen mit Leidenschaft". Nach diesem Erfolg wollte sie anderen Menschen an ihrem Kampf gegen die Krankheit teilhaben lassen. In diesem Buch beschreibt sie, wie sie als Kind mit fünf Jahren sexuell missbraucht wurde und dadurch eine Art Mauer in ihrem Kopf entstand. Eine Mauer, hinter der all das Schlimme zugemauert wurde, damit sie ein normales Leben führen konnte. Über fünfzig Jahre hielt diese Mauer stand, bis sie 2017 zu bröckeln begann und ihr Kampf gegen das Vergessene begann.
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Seitenzahl: 52
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Sybella Jersch
DIE MAUER IN MEINEM KOPf
© 2021 Sybella Jersch
Verlag und Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg
ISBN
Paperback: 978-3-347-38456-9
Hardcover: 978-3-347-38457-6
e-Book: 978-3-347-38458-3
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung,
Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung
Inhaltsangabe
Kapitel 1 Mein Leben steht Kopf
Kapitel 2 Mein Leben in der Klinik
Kapitel 3 Der Krankenhausalltag
Kapitel 4 Meine große Liebe
Kapitel 5 Nichts ist wie es vorher war
Kapitel 6 Meine Lieblingstherapien
Kapitel 7 Die Mauer in meinem Kopf
Kapitel 8 Meine Herkunft
Kapitel 9 Die Mauer bekommt Risse
Kapitel 10 Wieder in der Klinik
Kapitel 11 Mein eigener Weg
Kapitel 12 Der Durchbruch
Kapitel 13 Die kleine Kinderseele braucht Schutz
Kapitel 14 Der lautlose Schrei
Kapitel 15 Mein gruseliger Traum
Kapitel 16 Irgendetwas fehlt
Kapitel 17 Vergebung
Kapitel 18 Heilung
Kapitel 19 Meine Eltern und mein Onkel
Kapitel 20 Gefühlkaos bei meinem Mann
Kapitel 21 Zurück ins Leben
Kapitel 1
Mein Leben steht Kopf
Endlich hatten mein Mann und ich unsere Traumwohnung gefunden. Eine wunderschöne Erdgeschosswohnung mit Terrasse, Garten und einem riesigen Kirschbaum vor der Terrasse.
Wir waren unglaublich glücklich mit der neuen Wohnung. Es gab viel zu renovieren, aber wir machten uns voller Elan an die Arbeit.
Alles änderte sich jedoch, als ich alleine in der neuen Wohnung war. Ich sah zufällig aus dem Fenster und erblickte ein Augenpaar, das mich anstarrte. Einfach nur braune Augen mit grünen Sprengeln. Ich war wie gelähmt. Ich schaute weg und als ich wieder aus dem Fenster schaute, waren sie immer noch da. Was war nur mit mir los? Mir wurde gleichzeitig heiß und kalt. Mir war übel und schwindelig. Und plötzlich – waren die Augen verschwunden.
Ich sagte niemandem etwas und redete mir ein, dass es nie passiert wäre. Ich wusste ja, dass da keine Augen sein konnten.
Aber leider mehrten sich diese Vorfälle. Plötzlich waren diese fürchterlichen Augen am Fenster. Augen, die mich anstarrten. Gierig anstarrten. War ich verrückt geworden? Ich fühlte mich nirgends mehr sicher. Fühlte mich beobachtet und verfolgt. Bekam Platzangst und fühlte mich eingeengt. Das war nicht mehr normal. Endlich erzählte ich es meinem Mann und meinen erwachsenen Kindern und sie rieten mir, zu meiner Ärztin zu gehen.
Was sie vermutete, war unfassbar. Alle Symptome sprächen für eine Posttraumatische Belastungsstörung und ich sei höchstwahrscheinlich als Kind sexuell missbraucht worden.
Was, ich? Sexuell missbraucht? Als Kind? Das konnte doch gar nicht wahr sein. Da hätte ich doch eine Erinnerung an so etwas Schreckliches. Das hätten doch meine Eltern merken müssen. Oder irgendjemand. Und wie sollte das passiert sein? Und wann? Und wer sollte es gewesen sein? Tausend Fragen stürzten auf mich ein. Aber keine einzige Antwort. Mit dieser unfassbaren Diagnose ging ich nach Hause. Ich war am Boden zerstört. Grübelte und grübelte. Warum hatten Mama und Papa nicht auf mich aufgepasst? Wer hatte mir das angetan? Und was hatte er mit mir gemacht? Ich wollte es unbedingt wissen.
Meine Symptome häuften sich. Ich bekam schwere Depressionen. Mein ganzer Körper wehrte sich gegen diese Erinnerungen mit schweren Krampfanfällen. Erinnerungen, die wie Bilder in meinen Kopf schossen. Mein ganzer Körper verkrampfte sich. Arme, Beine, meine gesamte Muskulatur wurden zu einer Masse, die sich verkrampfte. Diese Anfälle kamen manchmal bis zu zehnmal am Tag. An ein normales Leben war nicht mehr zu denken. Mein Zustand verschlimmerte sich so sehr, dass ich in eine psychiatrische Klinik musste.
Mein Mann begleitete mich in die Klinik. Als wir dort ankamen und die Einrichtung und die Patienten sahen, wollte ich wieder nach Hause. Weg von diesen sonderbaren Menschen, die nur im Viereck um die Abteilung liefen. Zurück in meine gewohnte Umgebung. Aber ich hatte mich nun mal entschieden, herauszufinden, was mit mir geschehen war. Und dies war wohl der Weg dahin. Mein Mann tröstete mich und meinte, dass ich es bestimmt schaffen würde. Er nahm mich an die Hand und wir meldeten mich an. Ich bekam ein Zimmer zugewiesen, in dem schon zwei Mitpatientinnen wohnten. Eine Patientin hatte mehrfach versucht, sich das Leben zu nehmen. Eigentlich lag sie den ganzen Tag nur im Bett und grübelte. Die andere hatte eine bipolare Störung. Sie wiederum war den ganzen Tag unterwegs. Sie waren sehr nett und wir kamen gut miteinander aus. Das Zimmer war sehr klein. Die Fenster nur einen Spalt zu öffnen. Es gab keinerlei Privatsphäre. Die Toilette und die Dusche für Männer und Frauen waren auf dem Gang.
Ich wurde ärztlich untersucht und mir wurden Medikamente verordnet. Das Klinikpersonal war sehr freundlich und hilfsbereit und ich hatte die Hoffnung, dass man bald herausfinden würde, was mir als Kind angetan worden wäre und ich in zehn Tagen wieder zuhause und gesund wäre.
Aus diesen zehn Tagen sollte eine Odyssee von drei Jahren werden.
Kapitel 2
Mein Leben in der Klinik
Der Alltag in der Klinik war schwer und eintönig. Alles hatte seine geregelte Routine. Um 6.30 Uhr aufstehen, in einer Reihe vor dem Ärztezimmer anstehen, um meine Medikamente zu bekommen. Das Essen wurde in einem großen, lieblos eingerichteten Raum eingenommen. Als „Neue“ wurdest du angestarrt und beobachtet. Um punkt acht Uhr mussten wir unsere Zimmer verlassen. Um 8.30 Uhr begannen die verschiedenen Therapien. Walking, Sport, Schwimmen, Kochen und Backen. Da ich ein begeisterte Hobbybäckerin und Hobbyköchin bin, entschied ich mich für das Backen. Aber selbst da stieß ich schnell an meine Grenzen. Einen stinknormalen Kopfsalat anrichten – und meine Kräfte waren am Ende.
Ich, die ein Leben lang gearbeitet habe, zwei Arbeitsstellen habe, die gut durchorganisiert ist. Ist körperlich am Ende wegen eines Salates.
Ich wollte endlich wissen, was mit mir los war. Ich wollte Antworten.
Leider ist das, was man möchte und das, was man bekommt, nicht immer dasselbe.
Ich bekam einen sehr netten Therapeuten zugewiesen. Er erklärte mir als Erstes, dass sie in diesem Krankenhaus gar nicht meine Posttraumatische Belastungsstörung behandeln, da ich psychisch und physisch nicht in der Lage sei, alles zu verarbeiten. Hier würde ich nur stabilisiert, um dann später, so in einem halben Jahr, sich um die Belastungsstörung zu kümmern. Und er erklärte mir, dass mein Aufenthalt in dieser Klinik mehrere Wochen dauern würde. War also nichts mit „in zehn Tagen wieder gesund“.