Die mohamedanisch-arabische Kulturperiode - August Bebel - E-Book
SONDERANGEBOT

Die mohamedanisch-arabische Kulturperiode E-Book

August Bebel

0,0
0,00 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 0,00 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

In seinem Werk "Die mohamedanisch-arabische Kulturperiode" bietet August Bebel eine detaillierte Untersuchung der kulturellen Entwicklungen im arabischen Raum während der islamischen Expansion. Bebel präsentiert eine gründliche Analyse der Sozialstrukturen, religiösen Praktiken und wissenschaftlichen Errungenschaften dieser Periode. Sein Schreibstil ist präzise und informativ, jedoch auch kritisch gegenüber imperialistischen Interpretationen der Geschichte. Das Buch zeigt Bebels Interesse an interkulturellen Begegnungen und seinem Engagement für Toleranz und Verständnis zwischen verschiedenen Gesellschaften. Es ist ein wichtiger Beitrag zur europäischen Geistesgeschichte des 19. Jahrhunderts und ein Beleg für Bebels intellektuelle Vielseitigkeit und humanistische Werte. August Bebel, ein prominenter deutscher Politiker und sozialistischer Denker, war bekannt für sein Engagement für soziale Gerechtigkeit und politische Reformen. Als Mitbegründer der deutschen Sozialdemokratie und Verfechter der Arbeiterbewegung, war Bebel stark von marxistischen Ideen beeinflusst. Sein Interesse an der arabischen Kulturperiode zeigt seine breite intellektuelle Neugier und seinen Wunsch, historische Ereignisse aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten. Bebels politische Überzeugungen und sein humanistisches Weltbild spiegeln sich deutlich in seinem Werk wider. "Die mohamedanisch-arabische Kulturperiode" ist ein fesselndes Buch, das Lesern sowohl einen Einblick in die Geschichte der islamischen Welt als auch in Bebels kritische Analyse europäischer Vorurteile und imperialistischer Tendenzen bietet. Es ist eine empfehlenswerte Lektüre für Historiker, Kulturwissenschaftler und alle, die an interkulturellem Dialog und sozialer Gerechtigkeit interessiert sind.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



August Bebel

Die mohamedanisch-arabische Kulturperiode

Books

- Innovative digitale Lösungen & Optimale Formatierung -
2017 OK Publishing
ISBN 978-80-272-1503-4

Inhaltsverzeichnis

Vorwort.
I. Vorgeschichte und Entstehung des Mohammedanismus als Hebel arabischer Macht.
II. Weitere Entwickelung mohammedanischer Macht unter Mohammed und den nachfolgenden Kalifen. Die religiös-militärische und steuer-politische Organisation des Reichs.
III. Staatsverwaltung und Gesezgebung.
IV. Soziale Entwickelung.
V. Die Rechtsentwickelung und die Rechtsinstitutionen.
VI. Wissenschaftliche Entwickelung und Dichtkunst.
VII. Die Entwickelung arabischer Kultur in Spanien.
Schluß.

Vorwort.

Inhaltsverzeichnis

In einem Zeitpunkt, wo gewisse Leute eifrig wieder daran sind, die Menschheit, die sehr ernsthaft arbeitet, sich aus den Banden verrotteter Ueberlieferungen zu befreien, unter das alte Geistesjoch zu beugen und ihr die Nebelkappe über Ohren und Augen zu ziehen, dürfte es notwendig sein, gewisse Tatsachen immer wieder in das rechte Licht zu rücken. Man spricht heutzutage so viel von der Menschheit befreienden Mission des Christentums, welches das Heil gebracht habe und übersieht die ungeheure Kulturlücke, die das ganze Mittelalter hindurch, von der Zerstörung des römischen Reichs an bis zum Beginn der Renaissance im fünfzehnten Jahrhundert, uns entgegen gähnt. Man ignorirt, wie das Christentum das ganze Mittelalter hindurch mit der alten Kultur verfahren ist, und man ignorirt, woher die Völker des christlichen Abendlandes sich die Kulturmittel holten, mit Hilfe deren sie sich nach unsäglicher Anstrengung vom Alpdruck des Mittelalters befreiten.

Um dies nachzuweisen, dazu schien mir eine populäre Darstellung der mohammedanisch-arabischen Kulturperiode im Orient und in Spanien ein sehr geeignetes Mittel zu sein. Die Darstellung dieser Epoche zeigt ferner, daß keine Religion das Privilegium besizt, der in der Kultur fortschreitenden Menschheit auf die Dauer zu genügen, und für jede der Zeitpunkt kommt, wo sie mit den Kulturbedürfnissen der Menschheit in Widerspruch tritt, weil sie selbst ein vorübergehendes Produkt einer bestimmten Kulturperiode ist.

Für die vorliegende Abhandlung habe ich inbezug auf die Tatsachen hauptsächlich das Werk v. Cremers »Kulturgeschichte des Orients« benuzt, außerdem die bezüglichen Arbeiten von Weil, Draper, Buckle, Henne am Rhin, Yves-Guyot u. s. w.

Borsdorf-Leipzig, September 1883. A. Bebel.

I. Vorgeschichte und Entstehung des Mohammedanismus als Hebel arabischer Macht.

Inhaltsverzeichnis

Der Orient ist die Geburtsstätte der für die moderne Kultur vorzugsweise in Betracht kommenden Religionen. Judentum, Christentum, Mohammedanismus gingen nacheinander aus seinem Schooße hervor, und alle drei entstammen ein und derselben Völkerrace, der semitischen. Eine dieser Religionen baute sich auf der anderen auf und entfaltete nach den Karaktereigentümlichkeiten und dem Bildungsgrad der Völkerschaften, auf die sie vorzugsweise sich ausbreitete, ihr eigenes karakteristisches Wesen.

Wenn es noch eines Beweises bedürfte, daß alle Religionen Menschenwerk sind und aus menschlichen Bedürfnissen hervorgingen, so ist er in der Geschichte ihrer Entstehung und Entwicklung zu finden. Und doch will jede – siehe das schöne Gleichnis Lessings in »Nathan der Weise« von den drei Ringen – sich als die wahre und unfehlbare Religion angesehen wissen.

Aber wie eine Religion aus der anderen hervorging, sich sozusagen auf ihre Vorgängerinnen gepfropft hat, so war auch jede genötigt, in dem Moment ihres Entstehens und ihrer ersten Ausbreitung alle jene in den Zeitumständen und im Volkszustande liegenden Anschauungen, die das Geistesleben des bezüglichen Volkes beherrschten, in sich aufzunehmen, wenn sie anders Einfluß und Geltung erlangen wollte.

Verfolgt man den Ursprung der drei genannten Religionen weiter zurück, so findet die jüdische, als die älteste von den dreien, in der Religion der alten Aegypter, die Moses als einer der Eingeweihten speziell hatte kennen lernen, und diese wieder in der brahmanischen Religion der alten Inder ihre Quelle. Die eine Reihe der Entwicklung aus der altindischen, als der ältesten aller auf den Monotheismus begründeten Religionen, läuft in den Buddhismus und die Lehren des Zoroaster und des Confuzius (Kon-fut-se) aus, und diese Religionen bestehen noch heute im größten Teile Asiens und beherrschen nahezu die Hälfte des Menschengeschlechts; die andere Entwicklungsreihe bilden, nächst der untergegangenen alt-ägyptischen Religion, das Judentum, das Christenthum und der Mohammedanismus. Die beiden lezteren haben sich wieder in verschiedene Bekenntnisse und eine Menge mehr oder weniger untergeordneter Sekten gespalten und nehmen neben einem bedeutenden Teile Asiens und Nordafrikas vorzugsweise Europa in Beschlag, wohingegen in der neuen Welt sich das Christentum als allein maßgebende Religion verbreitete, und zwar in Folge ihrer Eroberung und Kolonisation durch christlich-europäische Kulturvölker.

Klima, Bodenbeschaffenheit und Nahrung wirken auf die physische Entwicklung und den Karakter eines Volkes und die daraus sich ergebenden ökonomischen und sozialen Gestaltungen beeinflussen seine intellektuelle Entwicklung. Die leztere wird in dem Maße wachsen, wie günstige äußere Umstände ihr zu Hilfe kommen. Dahin gehören: nicht allzuschwierige Beschaffung einer auskömmlichen Lebensweise, eine Natur, die in ihren Erscheinungen und Einwirkungen mehr die Entwicklung des Verstandes als der Phantasie begünstigt, und wo fremde oder alte Kultureinflüsse sich geltend machen, daß diese der Fassungskraft und dem Karakter des neuen Volks entsprechen und ihm ihre Aufnahme leicht machen. Hingegen fördert alles, was die Phantasie begünstigt, die Religion, und hemmt den intellektuellen Fortschritt. Dahin gehören insbesondere die unverstandenen Naturerscheinungen. Sie wirken auf das Gefühl, erregen die Phantasie und begünstigen die Mytenbildung. Je gewaltiger die Naturerscheinungen auftreten, je mehr sie den Menschen erschrecken und ihn schädigen, desto mehr wird er von Furcht erfüllt sein und alles versuchen, die wider ihn empörten Mächte, die er sich nicht anders als lebende, mit Willen begabte Wesen vorstellen kann, zu besänftigen und mit sich auszusöhnen.

Die religiösen Vorstellungen hängen also mit der Naturerkenntnis auf das innigste zusammen, sie werden umso abergläubischer und roher sein, je tiefer die Naturerkenntnis steht, und diese selbst hängt wieder ab von der Macht, welche die Natur und die ganze Umgebung des Menschen auf die Entwicklung seines Verstandes ausüben.

Soll also eine neue Religion auf Anhänger und Ausbreitung rechnen können, so ist ihr erstes Erfordernis, daß sie in ihren Lehren dem Kulturgrad der bezüglichen Völker entspricht. Steht sie unter demselben, wird sie ebensowenig auf allgemeine Verbreitung rechnen können, als wenn sie über demselben steht. Im ersteren Falle wird sie günstigsten Falles die rückständigsten Klassen des Volkes, im zweiten die vorgeschrittensten befriedigen, sie wird aber weder in dem einen noch in dem andern Falle eine einschneidende Wirksamkeit erlangen und endlich entweder gänzlich untergehen oder erst nach Jahrhunderten, auf höherer Entwicklungsstufe der Menge, für die sie berechnet war, Eingang und Ausbreitung finden.

So wird also keine Religion auf die Dauer bei einem geistig fortschreitenden Volke bestehen bleiben können, es sei denn, daß sie umgeformt wird, wodurch sie aber ihren eigentlichen Karakter verliert und mehr oder weniger aufhört, Verehrung und Befriedigung zu wecken. Das hat z. B. der Protestantismus sehr deutlich gezeigt.

Die Entwicklung der Religion läuft also schließlich in lezter Instanz auf die Abschaffung aller Religionen, den Ateismus hinaus, womit selbstverständlich nicht gesagt ist, daß ein solcher Zustand sich künstlich, etwa durch gesezgeberische Akte in einem Zeitalter, wo das religiöse Bedürfnis noch überwiegt, herbeigeführt werden könne. Ueber das unsinnige und verkehrte eines solchen Schrittes belehren uns am besten die bezüglichen Akte der französischen Revolution, die wesentlich mit die Rückkehr zur Monarchie herbeiführten.

Die lezte Entwicklungsstufe in Anbetracht der Religion, der Ateismus, ist bis heute von keinem Volke in seiner Gesammtheit erreicht worden; es ist aber unzweifelhaft, daß die vorgeschrittensten Kulturvölker sich dieser lezten Sprosse auf der religiösen Stufenleiter nähern, und für sie das Verschwinden des Kultus nur noch eine Frage der Zeit ist. Beweis für diese Auffassung ist, daß heute keine der Kirchen mehr vermag, die reißend zunehmende Zahl der Gleichgiltigen unter ihren Angehörigen in ihren Schooß zurückzuführen, und daß kein neues Religionssystem mehr Aussicht auf größeren Anhang hat, auch wenn es dem vorgeschrittensten religiösen Standpunkt entspricht.

Das Facit der bisherigen Erörterungen also ist, daß ein beliebiges Volk in einem beliebigen Zeitpunkt sich ebensowenig für einen gegebenen sozialen und politischen Zustand als für einen beliebigen religiösen eignet. Daher die tägliche Erscheinung bei zum Christentum neu bekehrten heidnischen Völkern, daß sie, troz aller Aeußerlichkeiten des Christentums, Wilde bleiben und wo sie Kulturvölker werden, dies nicht durch die Annahme des Christenthums, sondern durch die Aufnahme modernerKulturmittel geschieht.

Man wird einem Volke mit vergleichsweiser Leichtigkeit irgend einen sozialen, politischen und religiösen Zustand aufzwingen können, der von seinem eigenen bisherigen Zustand sich nicht allzusehr unterscheidet, man wird dies aber nicht können, weder nach unten, indem man das Volk tief unter seinen Kulturgrad herabdrückt, noch nach oben, indem man es plözlich und künstlich über denselben erhebt. Der Abstand darf kein zu großer sein. Daher der so häufige rasche Niedergang von Religions-, Staaten- und sozialen Gebilden in Ländern und bei Völkern, wo das künstliche Experiment eines raschen Emporhebens versucht wurde und eine Zeit lang zu glücken schien. Wir erleben dieses Beispiel in der Gegenwart sehr häufig bei Völkern wie den Ureinwohnern von Nord- und Südamerika und den Ureinwohnern anderer Erdteile, denen die moderne Zivilisation statt Vorteil den Untergang bringt.

Es kann also gar kein Zweifel sein, daß die religiösen Ideen mit dem gesammten Kulturzustand eines Volks in innigster Beziehung stehen. Die Religionen entwickeln sich wie das ganze Menschenwesen und wie der politische und soziale Zustand einer Gesellschaft nach bestimmten Gesezen. Es ist also ein Widersinn, zu sagen, dieser oder jener Religionsstifter sei ein Betrüger gewesen, wie es eben so falsch ist, wenn man seiner Person speziell einen ganz besonderen, außergewöhnlichen Einfluß auf eine bestimmte Religionsbildung zuschreibt. Geht man den Vorgängen der Zeiten auf den Grund, dann findet man stets, daß es keineswegs nur jener Eine war, der einem späteren Zeitalter als der eigentliche Religionsstifter, als Gründer durch sich selbst, gilt und darum verehrt wird, und die von ihm gelehrten Grundsäze und Anschauungen allein besaß, sondern daß in der Regel sowohl vor ihm wie gleichzeitig mit ihm, eine mehr oder weniger große Zahl frommer Schwärmer vorhanden war, die in dem gleichen Sinne und Geiste wirkten und ihm schon vorgearbeitet hatten. Es waren nur besondere zufällige Umstände, welche gerade diesen bestimmten Einen zur hervorragenden Geltung kommen ließen. Irgend ein nebensächlicher Umstand hätte eben so gut einen anderen an seinen Plaz stellen können.

So wäre z. B. die religiöse Reformation sicher gekommen, auch wenn Luther nicht auftrat und durch Anschlagen seiner 95 Tesen an die Schloßkirche zu Wittenberg dem Papsttum den Krieg erklärte. Der Kampf gegen das Papsttum und die alte Kirche lag in der Zeit und war längst entbrannt. Luther gab durch seine Handlung dem religiösen Kampf nur eine bestimmte Richtung und Form und wurde dadurch in seiner Person die Fahne, um welche sich das Heer der Streiter, oft mit sehr abweichenden Ansichten, sammelte. Oder wäre die moderne soziale Bewegung in Deutschland nicht gekommen, wenn Lassalle keine Gelegenheit hatte, sein berühmtes Antwortschreiben an das leipziger Arbeiter-Comité zu verfassen? Die soziale Bewegung lag in der Luft, sie war bereits vorhanden; Lassalle gab der sozialen Bewegung, wie Luther der religiösen, nur Richtung und Form. Und so wenig der heutige Protestantismus noch lutherisch ist, so wenig ist die heutige soziale Bewegung noch lassallisch.

Die hier angesprochenen Ansichten gelten von religiösen Systemgründern in höherem Grade als von wissenschaftlichen Systemgründern, weil die Moralsäze, auf denen sich alle Religionssysteme aufbauen, eine große Stabilität und Gleichartigkeit in der ganzen Menschheitsentwicklung besizen, so daß das religiöse System nur die Form schafft, wohingegen wissenschaftliche Systeme erst durch höhere Erkenntnis, eine große Summe von Erfahrungen und Beobachtungen und tiefes Denken erforscht und festgestellt werden können, also auch ihrem ganzen Inhalte nach neu sein werden.

Bestimmte Moralsäze ergeben sich sozusagen von selbst, wo immer Menschen zusammenleben. Ihr geselliges Zusammenwirken bedingt, daß sie einen Moralkodex sich geben, der je nach ihrem Kulturzustand in äußere Formeln zusammengefaßt wird, aber in seiner Grundauffassung überall derselbe ist. Daß auf Zusammenleben angewiesene Menschen den gegenseitigen Diebstahl, den Totschlag, den Mord und die offene Uebervorteilung verurteilen, liegt so sehr in dem Wesen des gesellschaftlichen Verkehrs, daß ohne diese Schranken jeder gesellschaftliche Verkehr und jedes Zusammenleben unmöglich wäre. Die moralischen Grundanschauungen, welche das gesellschaftliche Verhältnis erzeugt, bilden daher überall die Basis für die Rechtsbildung. Jede organisirte menschliche Gemeinschaft, Stamm, Stämmeverband, Volk, Völkerverband wird sie als Grundlage ihrer Verbindung betrachten. So werden Moralgrundsäze wie der: »was du nicht willst, das man dir tu, das füge auch keinem anderen zu« in jedem menschlichen Gemeinwesen als ideale Rechtsanschauung und erstes Moralgesez angesehen werden, auch wenn dieser Gedanke nicht klar formulirt dem Einzelnen zum Bewußtsein gekommen ist. Dagegen spricht nicht, daß die Staatsgeseze und die Staatseinrichtungen weder auf primitivster, noch auf der heutigen höchsten Kulturstufe diesem Gedanken keinen reinen Ausdruck geben. Hier spielen eben die Machtverhältnisse hinein, die wieder der Ausdruck von der Verteilung der materiellen Machtmittel sind, deren Träger, seien es nun Einzelne oder ganze Klassen, es vermocht haben, in ihrem Interesse der Gesammtheit oder wenigstens der großen Mehrheit die Anschauung beizubringen, daß solche Abweichungen von den allgemeinen Grundsäzen berechtigte und nicht zu ändernde oder nicht zu vermeidende seien.

Aber daß jede Herrschaft die Billigung der Mehrzahl für sich haben muß und selbst der unumschränkteste Despot auf die Dauer nicht zu herrschen imstande wäre, wenn er die Grenzen des allgemeinen Rechsbewußtseins willkürlich durchbräche, spricht für die große Macht der moralischen Anschauungen, sowie auch dafür, daß geistige Strömungen sich nicht nachBelieben erzeugen und leiten lassen.

Der ursprünglichste und naheliegendste Moralgrundsaz ist jener von der Gleichheit aller. Daher finden wir in den ältesten wie in den modernsten Religionssystemen diesen Grundsaz ausgesprochen. Es gibt ferner keinen Moralsaz im Christentum, den der fünfhundert Jahre ältere Buddhismus und der noch viel ältere Brahmaismus nicht auch lehrte; die Lehre von der Gütergemeinschaft findet sich darin und wurde im Buddhismus in einer der Zeit zusagenden Weise von den Frömmsten verwirklicht, ehe man an das Christentum dachte.

Wäre es nicht eine tausendfach festgestellte Thatsache, daß ein und dieselben Gedanken in den verschiedensten Gehirnen und in den verschiedensten Zeitaltern, ohne daß ihre Träger gegenseitig Kenntniß von einander zu haben brauchen, sich bildeten, wenn nur gleichartige Zustände vorhanden sind, welche dann auch die gleichartigen Gedanken erzeugen, so müßte man das Christenthum in seinen wesentlichsten Lehren einen einfachen Abklatsch des Buddhismus und des noch älteren Brahmaismus nennen. Womit nicht bestritten wird, daß das Christentum tatsächlich sowohl Anschauungen als Gebräuche zahlreich dem Brahmaismus und Buddhismus entnommen hat. Nur daß das Christentum nach den anders gearteten Zuständen und Anschauungen der späteren Zeit, in der es entstand, sich entsprechend modifizirte; wie es sich denn troz aller Kämpfe und Opposition seiner Vertreter, vom ersten Jahrzehnt seines Bestehens an bis heute beständig modifizirt und anbequemt hat, weil es der Zeitgeist dazu zwang, wollte es Aussicht auf Bestand haben.

Es kann auch nicht bloßer Zufall sein, daß unsere hauptsächlich in Betracht kommenden Religionssysteme dem Orient entsprangen und zwar auf einem und demselben Gebiete geboren wurden. Die Wiege des Judaismus, des Christianismus und des Mohammedanismus standen geographisch nahe beieinander. Die Gegend, wo Abraham seine Heerden weidete und schließlich begraben worden sein soll und die Orte, wo Mohammed geboren und gestorben ist und hauptsächlich wirkte, sind nicht sehr viele Tagereisen von einander entfernt, und die Wiege des Christentums stand wieder in der Heimat des Judentums.

Der Orient, und zwar hauptsächlich Indien, wird auch als die Geburtsstätte der Menschheit angesehen. Dort, wo die Natur so reich und üppig sich entfaltet, daß der Mensch mit geringster Mühe seinen Lebensunterhalt sich erwerben kann, entwickelte sich vermuthlich zuerst die höhere Kultur, wenigstens stammt von dort die älteste Kultur, die wir kennen, und verbreitete sich in dem Maße wie die Menschen sich vermehrten und neue Wohnpläze suchten, nach den verschiedensten Richtungen, namentlich nach Norden und Westen. Möglich, ja wahrscheinlich, daß schon sehr frühzeitig Ansiedler aus Vorderindien durch das arabische Meer nach dem südwestlichen Arabien, dem ungemein fruchtbaren Lande Yemen und von dort, durch das rote Meer, nach dem nicht minder fruchtbaren und üppigen Nilthal im nordöstlichen Afrika gelangten und sich von hier aus weiter verbreiteten.

In der dicht zusammengedrängten Bevölkerung des Niltales, das auf der einen Seite das rote Meer, auf der anderen die große lybische Wüste hat, gestaltete sich ein Staatswesen, das gleich dem indischen in ein starres Kastenwesen ausartete. Dahingegen war das ungeheure Gebiet des heutigen Arabiens und Syriens, mit seiner Abwechslung von fruchtbaren Landstrichen und seinen weiten Hochebenen ganz darnach angetan, der Bevölkerungszersplitterung Vorschub zu leisten und die starre Unterjochung und kastenartige Abscheidung zu verhindern. So bildete sich hier im Laufe der Jahrtausende statt eines strengen, nach Kasten abgeschlossenen Staatswesens, ein vielgestaltiges, reich gegliedertes Familien- und Stammesleben aus, das sich auf einen Flächenraum, fünfmal so groß als das deutsche Reich, verbreitete. Von gleicher Race, war die Bevölkerung sehr ungleich in Lebensweise und Beschäftigung. In dem fruchtbaren Boden des südöstlichen Arabiens, und in den Gegenden längs der Meeresküste entstand frühzeitig eine hohe Kultur, gefördert durch lebhaften Handel und Verkehr; dasselbe war im Norden in Syrien und längs der Küste der Fall, wo das phönizische Reich sich bildete und durch seinen Reichtum und seine Kultur eine Zeit lang das erste aller Reiche um das mittelländische Meer herum wurde.

Im Inneren Arabiens, wo Berge und Wälder die Bildung von Feuchtigkeit in Gestalt häufiger Regen begünstigen und in Folge davon auf den mächtig ausgedehnten Hochebenen sich fettgrasige Weiden bildeten und zahlreichen Heerden Nahrung boten, entwickelte sich ein nomadisches Hirtenleben mit seiner Einfachheit und Naturwüchsigkeit. Nur wenn im Frühjahr die heftig hereinbrechenden Gewitterregen erhebliche Strecken der angrenzenden Wüste unter Wasser sezten und wie mit einem Zauberschlage dem Boden einen üppigen Pflanzenwuchs entlockten, zogen die Hirten auf kurze Zeit in die Ebene. Streit und Zank der einzelnen Stämme um die besten Weidepläze blieben dabei nicht aus und nicht selten entstanden daraus blutige Fehden.