Die Moorprinzessin - Viola Larsen - E-Book

Die Moorprinzessin E-Book

Viola Larsen

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Beschreibung

In der völlig neuen Romanreihe "Fürstenkrone" kommt wirklich jeder auf seine Kosten, sowohl die Leserin der Adelsgeschichten als auch jene, die eigentlich die herzerwärmenden Mami-Storys bevorzugt. Romane aus dem Hochadel, die die Herzen der Leserinnen höherschlagen lassen. Wer möchte nicht wissen, welche geheimen Wünsche die Adelswelt bewegen? Die Leserschaft ist fasziniert und genießt "diese" Wirklichkeit. "Fürstenkrone" ist vom heutigen Romanmarkt nicht mehr wegzudenken. Als er sie nach Jahren der Trennung wiedersieht, ist sein Herz schwer vor Sehnsucht und Erwartung und ganz erfüllt von der unsinnigen Vorstellung, sie sei immer noch das kleine Mädchen, sein Mündel, das er in dem Schloss seiner Väter in sicherer Obhut zurückließ, als ihn die Erfüllung seines künstlerischen Berufes in die Ferne rief. Das einsame Moor, die Heideinsel, der Frühlingshimmel, die Fahne mit dem silbernen Falken, die zu seiner Begrüßung auf dem Schlossturm weht, all dies nimmt er kaum wahr. Er wartet nur auf den Augenblick, da er sein kleines Mädchen, seine Sabrina, in die Arme schließen kann. Aber dann sieht er sie – und erstarrt. Seine halb erhobenen Arme sinken herab. Auf seinen ausdrucksvollen Zügen malt sich eisige Abwehr. Es währt nur Bruchteile von Sekunden, und Sabrina nimmt die Veränderung in der Haltung des Fürsten gar nicht wahr, denn sie ist nur erfüllt von dem großen Glück des Wiedersehens. »Willkommen daheim, Wolfhart!«, lacht sie selig. »Willkommen auf der Heideinsel!« Ihre frischen Lippen berühren zärtlich seine Wange. * Den ganzen Tag über hat Sabrina diesem Augenblick entgegengefiebert, schon seit dem frühen Morgen. Es ist schließlich ihr Geburtstag, und schon in aller Frühe hat sie Tante Tabea einen gehörigen Schrecken eingejagt, weil sie einfach über die Insel fortgelaufen und nicht mehr wiedergekommen war. Jedes Mal, wenn Sabrina ihre langen, einsamen Wanderungen über die Insel unternimmt, hat Tante Tabea Angst. Denn der mächtige Bau des Schlosses der Fürsten Ravenhill erhebt sich inmitten des Moors auf einer blühenden Heideinsel. Mit seinen beiden Ecktürmen ragt das Schloss einsam

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Fürstenkrone – 101–

Die Moorprinzessin

Wie Sabrina das Leben kennenlernte

Viola Larsen

Als er sie nach Jahren der Trennung wiedersieht, ist sein Herz schwer vor Sehnsucht und Erwartung und ganz erfüllt von der unsinnigen Vorstellung, sie sei immer noch das kleine Mädchen, sein Mündel, das er in dem Schloss seiner Väter in sicherer Obhut zurückließ, als ihn die Erfüllung seines künstlerischen Berufes in die Ferne rief. Das einsame Moor, die Heideinsel, der Frühlingshimmel, die Fahne mit dem silbernen Falken, die zu seiner Begrüßung auf dem Schlossturm weht, all dies nimmt er kaum wahr. Er wartet nur auf den Augenblick, da er sein kleines Mädchen, seine Sabrina, in die Arme schließen kann.

Aber dann sieht er sie – und erstarrt. Seine halb erhobenen Arme sinken herab. Auf seinen ausdrucksvollen Zügen malt sich eisige Abwehr.

Es währt nur Bruchteile von Sekunden, und Sabrina nimmt die Veränderung in der Haltung des Fürsten gar nicht wahr, denn sie ist nur erfüllt von dem großen Glück des Wiedersehens.

»Willkommen daheim, Wolfhart!«, lacht sie selig. »Willkommen auf der Heideinsel!« Ihre frischen Lippen berühren zärtlich seine Wange.

*

Den ganzen Tag über hat Sabrina diesem Augenblick entgegengefiebert, schon seit dem frühen Morgen. Es ist schließlich ihr Geburtstag, und schon in aller Frühe hat sie Tante Tabea einen gehörigen Schrecken eingejagt, weil sie einfach über die Insel fortgelaufen und nicht mehr wiedergekommen war. Jedes Mal, wenn Sabrina ihre langen, einsamen Wanderungen über die Insel unternimmt, hat Tante Tabea Angst. Denn der mächtige Bau des Schlosses der Fürsten Ravenhill erhebt sich inmitten des Moors auf einer blühenden Heideinsel.

Mit seinen beiden Ecktürmen ragt das Schloss einsam und stolz in die düstere Landschaft hinein und ist im Laufe unzählbarer Jahre doch eins geworden mit ihr.

So ist auch an diesem Geburtstag Tante Tabea wieder von Angst um Sabrina geplagt gewesen. Genau in dem Augenblick, da der klagende Ruf eines Moorhundes die Stille des Morgens zerreißt, die die Landschaft fast gespenstisch einhüllt, wird im Schloss eines der vielen Fenster geöffnet, ein rundes, von silbergrauem Haar und einem weißen Spitzenhäubchen umrahmtes Gesicht erscheint, und zwei graue Augen spähen durch funkelnde Brillengläser besorgt über die Heide­insel.

Fräulein Tabea, die das Hauswesen auf Schloss Ravenhill leitet, schüttelt bekümmert den Kopf, vermeidet es aber, über das Moor zu blicken. Dann formt sie beide Hände zu einem Trichter, schöpft tief Atem und ruft, so laut sie kann: »Sabrina! Sabrina!«

»Sabrina!«, äfft ein dünnes Echo, das aus dem Nichts zu kommen scheint, ihr nach, und Fräulein Tabea seufzt: »Rein außer Rand und Band ist sie heute, die Sabrina! Wo kann sie nur hingelaufen sein? So groß ist die Insel doch wahrhaftig nicht, dass man sich darauf verirren könnte!«

Noch einmal sieht sie aufmerksam und angstvoll über die leichtgewellte Fläche der Heideinsel, die zwischen Kiefern und hellstämmigen Birken im rosenroten Schimmer der Erika erglüht. Aber so sehr sie sich auch anstrengt, kein Zipfelchen von Sabrina ist zu erspähen.

Fräulein Tabea liebt die Heideinsel so sehr, wie sie das Moorland fürchtet. In den dreißig langen Jahren, die sie nun auf Schloss Ravenhill lebt, hat sich ihre Furcht vor dem tückischen braunen Moor nicht gemindert, sondern vertieft. Aber die Heide ist schön, und ihr gehört Fräulein Tabeas ganze Liebe. Und wie immer, wenn ihr Blick über die Heide schweift, gerät sie auch jetzt ins Träumen. Aber energisch ruft sie sich bald darauf zur Ordnung, denn sie hat wahrhaftig keine Zeit zu versäumen, wenn alle Arbeit, die ihrer wartet, bis zur Ankunft Seiner Durchlaucht noch getan werden soll.

Seufzend schließt sie darum das Fenster und wendet sich zurück in den Raum, in dessen großzügiger Weitläufigkeit ihre kleine rundliche Gestalt fast verschwindet.

Vor langen Jahren ist Fräulein Tabea während einer Wanderung durch das Moor einmal so unglücklich gestürzt, dass sie sich ein Fußleiden zuzog. Jeden ihrer Schritte begleitet deshalb das Aufpochen eines Stockes auf dem glänzenden Parkett. So auch jetzt, als sie den unbewohnten Teil des Obergeschosses verlässt, das sie nur betreten hat, um an einem der Fenster nach Sabrina Ausschau zu halten. Mit kleinen energischen Schritten durchquert sie den dunklen Flur und geht, so rasch sie es vermag, die breite Holztreppe zum Erdgeschoss hinunter.

Durch die hohen Fenster der Halle fällt gedämpft das milde Sonnenlicht.

Es lässt den grünen Schieferstein des Kamins magisch aufleuchten, und Fräulein Tabea beschließt, bis zur Ankunft des Herrn vorsorglich ein Feuer im Kamin anzuzünden, denn die Abende sind selbst nach einem sonnigen Tag auf der Heideinsel im Moor kühl.

Auf dem Kachelsims unter den hohen Fenstern steht Sabrinas Geburtstagstisch. Fräulein Tabea rückt die silbernen Leuchter rechts und links der prachtvollen Geburtstagstorte zurecht und findet es sehr schön, dass Wolfhart Fürst von Ravenhill nach über dreijähriger Abwesenheit gerade zu Sabrinas achtzehnten Geburtstag heimkehrt. Während sie die Vase mit blühendem Heidekraut auf dem Geburtstagstischchen betrachtet, fragt sie sich jedoch, was der Fürst wohl dazu sagen wird, dass aus seinem Mündel in den vergangenen drei Jahren eine junge Dame geworden ist.

Wieder muss sich Fräulein Tabea zur Ordnung rufen, und eilends setzt sie ihren Rundgang fort, der sie nun ins Musikzimmer führt, in dem der weltberühmte Dirigent Fürst von Ravenhill die meiste Zeit verbringt, wenn er auf das Schloss seiner Väter heimkehrt. Sie rückt auch hier auf dem niedrigen Klubtischchen die kristallene Vase mit blühendem Heidekraut zurecht und kehrt in die Halle zurück, von der aus sie durch eine weitere, von schweren Vorhängen halb verdeckte Tür in den Speisesaal gelangt.

Dieser Raum ist in seiner klassischen Strenge das schönste Gemach von Schloss Ravenhill, doch dafür hat Fräulein Tabea im Moment keinen Blick. Zornig reißt sie ein Staubtuch an sich, was das Hausmädchen Fine nach dem Staubwischen wahrscheinlich vergessen hat, und nimmt sich grimmig vor, dem jungen Ding ganz gehörig den Kopf zurechtzusetzen.

Wieder in der Halle angelangt, überlegt sie nun ganz genau, was jetzt der Reihe nach noch zu tun ist, um den Empfang des Herrn würdig zu gestalten.

»Sönke muss die Fahne hissen«, murmelt sie vor sich hin und streckt mit erhobener Hand den linken Daumen aus. »Steff muss das Kaminfeuer anzünden!« Dabei erhebt sie wie drohend den Zeigefinger, und die übrigen Finger folgen nach, als sie halblaut fortfährt: »Fine muss die Jagdstiefel Seiner Durchlaucht putzen, Sönke muss seine Gewehre reinigen, und ich, barmherziger Himmel, ich muss ja noch einen Baumkuchen backen, denn ein Empfang ohne Baumkuchen ist kein Empfang!«

Die rechte Hand schwer auf den Elfenbeinknauf ihres Stockes gestützt, das Staubtuch über den Arm und die linke Hand drohend erhoben, so steht Fräulein Tabea wie ein Feldherr auf dem Schlachtfeld inmitten der Halle von Schloss Ravenhill, als Sabrina wie ein Wirbelwind hereinstürmt.

»Was tust du denn da, Tante Tabea?«, fragt sie lachend, und ihre silberne Glockenstimme weckt ein dünnes zärtliches Echo in dem hohen Raum. »Beschwörst du die Götter, auf dass das böse Moor die Insel nicht fresse?«

Gekränkt lässt Fräulein Tabea die erhobene linke Hand sinken, dann schüttelt sie missbilligend den Kopf.

»Spotte nicht«, verweist sie das junge Mädchen ernst, »denn das Moor lässt nicht mit sich spotten!« Sie seufzt und fährt rasch fort: »Aber damit du es genau weißt, ich habe eben aufgezählt, was bis zur Ankunft des Herrn noch getan werden muss. Doch wo hast du die ganze Zeit über gesteckt? Ich war schon in Sorge um dich, Sabrina!«

Aber ungeachtet des gestrengen Tones, ruhen Fräulein Tabeas Augen voll Stolz und herzlicher Liebe auf der zauberhaften Erscheinung des jungen Mädchens, das immer noch lachend vor ihr steht.

Ein schlichtes gelbes Leinenkleidchen mit breitem Schulterkragen umschließt Sabrinas schlanke, biegsame Gestalt. Das hellbraune Lockenhaar, das bis auf die schmalen Schultern Sabrinas fällt, umrahmt in weichen glänzenden Wellen ein klares, reines Antlitz. Die Augen des jungen Mädchens sind strahlend blau wie kristallene Bergseen und ruhen, von seidigen Wimpern beschattet, unter sanft geschwungenen Brauenbögen. Eine gerade Nase und ein kirschroter fein geschwungener Mund vervollständigen den Liebreiz dieses schönen Mädchenantlitzes.

»Glaubst du, dass Wolfhart bald kommen wird, Tante Tabea?«, fragt sie rasch.

»Das verhüte der Himmel!«, stöhnt Fräulein Tabea, die an ihren Baumkuchen denkt. Sie schickt sich eilends an, die Halle zu verlassen, um in der Schlossküche ihre Weisungen zu erteilen. Doch Sabrina bleibt dicht an ihrer Seite.

»Glaubst du, Wolfhart wird diesmal länger bleiben?«, forscht sie. »Ach, Tante Tabea, wenn er doch nur länger bleiben wollte! Was meinst du dazu?«

»Sönke muss die Fahne hissen!«, erwidert Fräulein Tabea geistesabwesend.

»Aber, Tante Tabea«, entrüstet sich Sabrina, »das ist doch keine Antwort auf meine Frage.«

Fräulein Tabea öffnet die Küchentür, erst dann wendet sie sich wieder an Sabrina und erkundigt sich: »Hast du etwas gefragt, mein Kind?«

»Ja, ich habe gefragt, ob du glaubst, dass Wolfhart diesmal länger bleiben wird. Ich wünsche mir das so sehr! Ach, Tante Tabea, was wird er mir wohl aus Tokio mitbringen?«

»Das Staubtuch!«, ruft Fräulein Tabea da aus und wedelt der bestürzten drallen Fine mit dem Tuch vor der Nase hin und her. »Ein Staubtuch gehört in den Besenschrank und nicht in den Speisesaal! Merken Sie sich das für die Zukunft! Außerdem haben Sie vergessen, im Obergeschoss Staub zu wischen. Es ist eine Schande! Als ich noch so jung war wie Sie, Fine …« Sie unterbricht sich, um dann verzweifelt zu zetern: »Nun hören Sie doch endlich auf, wie eine Verrückte das Herdfeuer zu schüren, Fine! Eine Küche ist keine Räucherkammer, und falscher Eifer ist von Übel!«

In diesem Augenblick öffnet sich die zweite Tür der ebenerdig gelegenen Küche, die unmittelbar auf den mit groben Kopfsteinen gepflasterten Schlosshof führt. In ihrem Rahmen erscheint ein älterer Mann, der in seiner grünen Gartenschürze, mit aufgekrempelten Hemdsärmeln, derben Schafstiefeln und einem gewaltigen Schlapphut auf dem schlohweißen Haar wie aus dem Märchenbuch geschnitten wirkt.

»Oh, Sönke«, empfängt Fräulein Tabea ihn erleichtert. »Sie kommen wie gerufen.«

Die dunklen Augen des Gärtners und Schlossfaktotums blitzen Fräulein Tabea unter buschigen weißen Brauen an.

»Was gibt es denn jetzt schon wieder?«, erkundigt er sich missbilligend, denn er schätzt es keineswegs, wenn er zu irgendwelchen häuslichen Arbeiten herangezogen wird.

»Sie müssen sofort die Fahne hissen!«, erklärt Fräulein Tabea. »Seine Durchlaucht kommt doch heute zurück.«

»Ach, du großer Jammer!«, erwiderte, Sönke, und es klingt nicht eben erfreut. Sekundenlang sieht es so aus, als wolle er seinen Worten noch etwas hinzufügen.

Doch ein mahnender Blick Fräulein Tabeas lässt ihn schweigen.

»Schön«, sagt er gemütlich, »dann werde ich nun eben die Fahne hissen!« Er stapft wieder aus der Küche, wendet sich an der Tür aber noch einmal um und bemerkt warnend: »Hoffentlich ist es Seiner Durchlaucht auch recht, wenn wir die Fahne hissen, Fräulein Tabea!« Damit schließt er langsam die Tür hinter sich.

Fräulein Tabea lässt sich auf der gemütlichen Eckbank nieder, die sich um den blankgescheuerten Holztisch der Schlossküche zieht, und sagt streng: »Fine, putzen Sie sofort die Jagdstiefel Seiner Durchlaucht! Und sagen Sie Steff Bescheid, er soll Feuer im Kamin der Halle anzünden. Beeilen Sie sich, Seine Durchlaucht kann jeden Augenblick hier sein!«

Mit lautem Knall schließt sich die Küchentür hinter der übereifrigen Fine, der anscheinend der Schrecken über diese letzte Mitteilung in die Glieder gefahren ist. Aber sonderbarerweise unterlässt Fräulein Tabea eine Zurechtweisung.

»Ich glaube«, erklingt da Sabrinas süße Silberstimme, »alle haben Angst vor Wolfharts Rückkehr: Sönke, Steff, Fine und die anderen.«

»Rede keinen Unsinn!«, fährt Fräulein Tabea auf. »Niemand hat Angst vor Seiner Durchlaucht. Du siehst Gespenster, Sabrina!« Bei dem Wort Gespenster zuckt Fräulein Tabea unwillkürlich zusammen.

»Du hast natürlich keine Angst vor Wolfhart, Tante Tabea!«, lacht Sabrina. »Dafür fürchtest du dich vor …«

»Pst!« Warnend legt Fräulein Tabea den Zeigefinger auf die Lippen. Sie ist blass geworden, aber sie fasst sich sofort wieder und sagt streng: »Jetzt verschwindest du am besten aus der Küche, Sabrina. Ich muss nämlich den Baumkuchen machen …«

»Tante Tabea!«, schmeichelt Sabrina. »Ich habe doch heute Geburtstag, und zu Geburtstagskindern muss man nett sein. Sei also nett, Tante Tabea, und sage mir ganz genau, was Wolfhart in dem Telegramm geschrieben hat!«

»Gewiss, mein Kindchen!«, versichert Fräulein Tabea. »Er hat geschrieben – er hat geschrieben …« Sie verstummt für eine Weile, um dann zu murmeln: »Man nehme das zu Schaum geschlagene Eiweiß von sieben frischen Hühnereiern …«

»Aber, Tante Tabea!«, unterbricht Sabrina sie lachend. »Das hat Wolfhart doch niemals telegrafiert!«

Verwirrt blickt Fräulein Tabea auf. »Ich wiederhole mein Baumkuchenrezept, damit ich keine Zutaten vergesse. Tu mir jetzt die einzige Liebe an, Sabrina, und lass mich mit dem Baumkuchen allein!«

»Sofort, Tante Tabea! Ich möchte ja nur noch wissen, warum alle Angst vor Wolfhart haben?«

»Zitronat!«, verkündet Fräulein Tabea, um sofort ärgerlich hinzuzufügen: »Du kannst mit deiner Fragerei den sanftesten Menschen aus der Ruhe bringen, Sabrina. Ich muss doch jetzt meinen Baumkuchen …«

Zärtlich schließt Sabrina Fräulein Tabea in ihre Arme und küsst sie liebevoll auf die Wange.

»Ich gehe ja schon, Tante Tabea! Großer Gott, im Grunde genommen bist du auch ganz verdreht, seit Wolfhart seine Rückkehr angekündigt hat.«

»Aber nicht aus Angst«, wehrt sich Fräulein Tabea sofort, »nur wegen des Baumkuchens. Für mich ist Seine Durchlaucht der großherzigste, gütigste und edelste Mensch unter der Sonne. So, und jetzt verschwinde, Sabrina, sonst …« Scherzhaft drohend erhebt sie den Schaumschläger, und Sabrina zieht sich schleunigst zurück.

In dem dunklen Flur, der von der Küche zur Halle und zu dem rückwärtigen Treppenaufgang des Schlosses führt, trifft Sabrina den Knecht Steff, einen frischen, jungen, stets heiteren Burschen, der gerade einen Korb Feuerholz in die Halle schleppt.

»Steff«, fragt Sabrina ohne Umschweife, »warum haben Sie Angst vor Fürst Wolfhart?«

»Habe ich das?«, fragt Steff lachend zurück. »Nun ja, vielleicht, gnädiges Fräulein, vielleicht habe ich Angst vor Seiner Durchlaucht, aber es ist schwer zu erklären, warum.«

Seine Stirn kraust sich, so angestrengt denkt er nach. »Für mich ist Seine Durchlaucht eben der ernsteste und herrischste Mensch unter der Sonne.«

Damit will Steff an Sabrina vorbei, aber diese hält ihn am Ärmel seiner grünen Joppe fest.

»Haben Sie in der vergangenen Nacht Tante Tabea wieder erschreckt?«, fragt sie halb lachend, halb ernsthaft.

Trotz des Dämmerlichtes, das im Flur herrscht, erkennt Sabrina ganz deutlich, dass eine tiefe und verräterische Röte in Steffs frische Wangen steigt. Aber er macht dabei runde Unschuldsaugen und versichert treuherzig: »Wo denken Sie denn hin, gnädiges Fräulein! Ich war es diesmal nicht! Auf meine Ehre, gnädiges Fräulein, ich war es nicht!«

»Aber Sie wissen, wer oder was es war?«, forscht Sabrina unbarmherzig weiter.

»Gott bewahre.« Steff schüttelt bekümmert seinen Rotschopf. »Dass Fräulein Tabea aber auch eine so schreckliche Angst vor Gespenstern hat, kann ich nicht verstehen«, bemerkt er noch grinsend, um dann mit seinem Holzkorb Sabrina zu entschlüpfen.

Diese verharrt an der Treppe, die unmittelbar vom Flur zu den oberen Stockwerken des Schlosses führt. Als sie aber Fine das Lied vom Heideröschen singen hört, eilt sie entschlossen die knarrende Holzstiege hinauf.

Im Korridor des Obergeschosses hockt Fine, umgeben von den Jagdstiefeln Seiner Durchlaucht, auf einem Schemel und rückt mit einer gewaltigen Stiefelbürste dem Leder zu Leibe, dass es eine wahre Pracht ist. Dabei singt sie falsch und laut.

Als Sabrina sich ihr jetzt nähert, bricht ihr Gesang mit einem Schreckenslaut ab, und polternd fällt die Stiefelbürste zu Boden.

»O heilige Gertrude!«, stammelt Fine. »Haben Sie mich jetzt aber erschreckt, gnädiges Fräulein!«

»Sie werden doch nicht auch an Gespenster glauben wie Tante Tabea?«, meint Sabrina lachend. »Fine, ich möchte Sie etwas fragen …«

»Ja, gnädiges Fräulein?«

»Fine«, forscht Sabrina ernsthaft, »warum haben Sie Angst vor Seiner Durchlaucht?«

Fine wird rot, zieht den Kopf ein bisschen ein und meint erst nach einer Weile unschlüssig: »Angst habe ich nicht richtig, gnädiges Fräulein, ich habe nur einen Heidenrespekt vor Seiner Durchlaucht.« Sie zuckt die rundlichen Schultern und fügt zögernd hinzu: »Für mich ist der Herr eben der finsterste, nein, der traurigste Mensch unter der Sonne. Er lacht nie, er scherzt nie, und er sieht einen immer so merkwürdig an.«

Eine kleine Weile ist es still.

»Sonderbar«, sagt Sabrina plötzlich versonnen, »bei mir war Fürst Wolfhart immer heiter und …«

»Ja, zu Ihnen, gnädiges Fräulein!«, stimmt Fine zu und bearbeitet eifrig das Leder der Jagdstiefel. »Sie sind ja auch der Augapfel Seiner Durchlaucht. Aber sonst ist Seine Durchlaucht immer so unzugänglich, wortkarg und todtraurig, dass man sich in seiner Gegenwart nicht einmal zu niesen getraut.«

Sie richtet sich ein wenig auf, und ihr rundes, frisches Gesicht wirkt ausgesprochen komisch, als es sich jetzt in düstere Falten zieht.

»Ich glaube, dass Seine Durchlaucht an einem Kummer krankt, dass er ein Geheimnis mit sich herumschleppt …«

Sie kommt nicht weiter, denn Sabrinas glockenhelles Lachen unterbricht ihren Satz.