Die Moosburger - Marco Rota - E-Book

Die Moosburger E-Book

Marco Rota

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Beschreibung

Ben, Juna, David und Nika machen eine magische Entdeckung und stolpern in ein Abenteuer um eine längst vergessene Welt. Sie finden Portale, entdecken fantastische Orte und lernen geheimnisvolle Wesen kennen. Eines wird den vier Freunden bald klar: Die vergessene Welt ist in Gefahr und nur sie können sie retten. Doch dabei kommen ihnen nicht nur gruselige Kreaturen in die Quere, sondern auch persönliche Probleme, vor denen sie nicht einfach davonlaufen können. Mit farbigen Illustrationen. QR-Code und Link zu Bonusmaterial: Buchtrailer, Einblick in die Dreharbeiten, zusätzliche Fotos, Infos zu den Darsteller*innen, Entstehung der Geschichte und vieles mehr!

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Seitenzahl: 183

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Für alle, die von Anfang an dabei waren.

Inhaltsverzeichnis

KAPITEL 1: BEN

DAVID

JUNA

KAPITEL 2: DAVID

BEN

JUNA

KAPITEL 3: DAVID

BEN

KAPITEL 4: DAVID

BEN

KAPITEL 5: JUNA

DAVID

BEN

KAPITEL 6: JUNA

DAVID

JUNA

KAPITEL 7: DAVID

BEN

DAVID

JUNA

DAVID

KAPITEL 8: BEN

DAVID

KAPITEL 9: BEN

DAVID

BEN

KAPITEL 10: JUNA

DAVID

BEN

KAPITEL 11: JUNA

DAVID

KAPITEL 12: JUNA

KAPITEL 13: DAVID

JUNA

KAPITEL 14: BEN

JUNA

KAPITEL 15: DAVID

BEN

JUNA

KAPITEL 16: BEN

JUNA

KAPITEL 17: DAVID

JUNA

KAPITEL 18: BEN

KAPITEL 19: DAVID

BEN

KAPITEL 20: DAVID

BEN

KAPITEL 21: DAVID

JUNA

KAPITEL 22: DAVID

JUNA

KAPITEL 23: DAVID

JUNA

BEN

KAPITEL 24: DAVID

DANKSAGUNG

BONUSMATERIAL

Über den Autor

KAPITEL 1

BEN

Wir hocken seit einer guten Stunde auf dieser Ruine fest und egal, was unsere Lehrerin darüber erzählt, es wird nicht spannender.

»Die Moosburg geht auf Graf Hartmann den Vierten von Kyburg zurück. Im Jahre 1254 hat er diese Burg für seine Frau erbaut.«

Pah! Alles, was heute noch davon übrig ist, sind ein paar verwinkelte Wände, bei denen man die Steine einzeln sieht. Die stehen auf einem Grashügel und sind von einer Handvoll Bäume umgeben. Damit konnte dieser Graf eine Frau beeindrucken?

Wir sitzen um eine Feuerstelle, in der noch nicht einmal ein Feuer brennt, umgeben von diesen Steinwänden und hören der Lehrerin zu.

»Später gehörte die Burg den Habsburgern …«

Laber, laber … Langsam habe ich das Gefühl, dass die langweiligsten Themen in der Schule immer als aufregende Exkursion getarnt werden, damit sich zuerst alle darauf freuen und motiviert mitkommen, nur um später von der Langeweile gequält zu werden.

Wenn ich so in die Runde blicke, geht es den anderen genau gleich. Gähnende Gesichter.

Es ist Freitag, kurz vor dem Wochenende und nur noch eine Woche bis zu den langersehnten Sommerferien. Müsste man in den letzten Schulwochen nicht etwas Spannenderes unternehmen als eine Projektwoche? Zum Beispiel in einen Freizeitpark gehen und dort mit den epischsten Achterbahnen fahren. Oder in einer Trampolinhalle waghalsige Hindernisse überwinden, wie ich es durch Parkour gewohnt bin. Leider steht unsere Lehrerin auf dieses Kulturgedöns und Spaß kommt erst ganz weit hinten. Bin ich froh, dass es heute der letzte Tag ist und ab Montag noch mal eine Woche ansteht, die hoffentlich nicht so langweilig ist.

Mein Blick schweift ab. Auf einer der Mauern sitzt eine Krähe und versucht mühsam, etwas aus den Burgritzen herauszupicken. Ein leichter Wind zieht über die Ruine und schenkt Abkühlung.

»So, jetzt habt ihr noch etwas Freizeit«, verkündet unsere Lehrerin, die sicher auch gemerkt hat, dass wir immer unruhiger werden. »In der Ruine findet ihr Informationstafeln, die euch noch mehr über die Moosburg erzählen. Lest sie durch, bis ich die Feuerstelle eingeheizt habe.«

Ein kollektives Stöhnen durchbricht die Ruhe. Als ob das besser wäre als ihr monotoner Vortrag.

Sie versucht uns zu motivieren, indem sie in die Hände klatscht und »Hopp, hopp! « ruft, doch das funktioniert nur teilweise. »Für alle die möchten, habe ich ein Arbeitsblatt zu den Informationstafeln vorbereitet.«

Okay, höchste Zeit, die Flucht zu ergreifen, bevor sie auf die Idee kommt, dass diese öde Exkursion prüfungsrelevant ist. Die Begriffe Freizeit und Arbeitsblatt passen für mich einfach nicht zusammen. Ich marschiere zu der Informationstafel, die am weitesten von der Feuerstelle entfernt steht. Sie zeigt die Umrisse der ursprünglichen Burganlage.

Nach den ersten gelesenen Wörtern verdrängt ein merkwürdiges Geräusch meine Gedanken. Ich höre ein tiefes, dumpfes Trommeln. Rhythmische Schläge, die geheimnisvoll klingen. Ich schaue mich um, um herauszufinden, woher diese Klänge kommen, aber ich kann nichts erkennen. Was ist das nur?

Ich blicke zu Melanie, die neben mir steht. Im Gegensatz zu mir liest sie den Text der Informationstafel ganz vertieft durch. »Hörst du das auch?«

Sie schaut mich stirnrunzelnd an. Natürlich hat sie ein Arbeitsblatt in der Hand. »Was denn?«

Ich zögere kurz. »Na ja, dieses … Trommeln.«

Sie nimmt sich einen Augenblick Zeit, um hinzuhören, und starrt in die Luft. Dann zuckt sie mit den Schultern. »Ich höre nichts.« Sie wendet sich wieder der Informationstafel zu.

Okay, entweder hört Melanie schlecht, oder ich bilde mir das gerade ein. Aber es klingt zu real, als dass es nur in meinem Kopf trommelt. Ich gehe zur nächsten Tafel und frage Hannes. Aber er schüttelt den Kopf.

Hä? Jemand muss das doch auch hören. Mittlerweile habe ich das Gefühl, dass das Trommeln näher ist als vorher. Ich versuche, es zu lokalisieren.

Unauffällig überquere ich die Ruine und bleibe dort stehen, wo es am lautesten trommelt. Bei der Mauer, wo der Abhang auf der anderen Seite am steilsten ist.

Unsere Lehrerin ist mit der Feuerstelle beschäftigt – die Gelegenheit, einen Abstecher zu machen. Ich husche zum Ende der Mauer, wo der Abhang nicht mehr so steil ist. Von hier aus kann ich auf die andere Seite springen.

Einen Moment warte ich ab, damit mich niemand bemerkt, dann wage ich den Sprung, lande und schleiche geduckt die Ruinenmauer entlang. Das rhythmische Trommeln wird lauter.

Der Boden ist rutschig. Meine neuen Turnschuhe auf diese Exkursion anzuziehen, entpuppt sich jetzt als keine gute Idee. Mama wird bestimmt sauer sein, wenn sie den Schlamm an den Schuhen entdeckt.

Im Schatten der Bäume taste ich mich vor. Hier ist es deutlich kühler als oben in der Ruine. Langsam gehe ich weiter und komme an die Stelle, an der das Trommeln am lautesten ist.

Es ist kräftig. Der tiefe Bass vibriert in meinem Brustkorb. Das kommt aus der Mauer, davon bin ich überzeugt.

Mit den Händen fahre ich über die rauen, kalten Steine, die dicht aufeinanderliegen. Nichts, das mir merkwürdig erscheint. Eine Ruine eben. Bei einem Stein, den ich gerade berühre, verstummt das Trommeln und ich halte den Atem an.

Der klobige Stein fühlt sich an, als ob ich ein vibrierendes Handy ertastet hätte. Irgendetwas stimmt da nicht. Und jetzt? Reindrücken? Oder rausziehen? Das Adrenalin schießt mit einem Kribbeln durch meinen Körper und ich muss mich selbst daran erinnern, wieder zu atmen.

Was, wenn sich dahinter ein wertvoller Schatz verbirgt? Oder die verweste Mumie von diesem Grafen, wie auch immer er hieß. Ich halte kurz inne. Soll ich es wagen? Ich atme tief durch die Nase ein und durch den Mund wieder aus. Das beruhigt mich.

Okay, ich werde jetzt an diesem Stein ziehen und es wird bestimmt nichts passieren. Alles so wie immer. Ich versuche, mir das einzureden, aber die Bilder in meinem Kopf überschlagen sich.

Langsam ziehe ich den Stein zu mir. Er sitzt lockerer als die anderen, weshalb ich ihn etwas hin und her bewegen kann. Ja, gleich gibt er nach.

»Hey! Was machst du da unten?«

Erschrocken lasse ich vom Stein ab und rudere mit den Armen, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren. Als ich wieder sicheren Stand habe, blicke ich nach oben, direkt in die Augen meiner Lehrerin. Sie beugt sich über die Mauer und sieht verärgert aus.

»Habe ich nicht gesagt, dass ihr in der Ruine bleiben sollt?«

»Entschuldigung. Ich komme gleich hoch.«

»Ja, das rate ich dir auch, Ben.«

DAVID

Ich umklammere den Schläger mit beiden Händen und versuche, die vielen auf mich gerichteten Blicke zu ignorieren. Den Schweiß, der mir trotz Schweißband über die Augenbrauen tropft, blinzle ich weg.

»Bereit?« Mein Trainer nickt mir zuversichtlich zu. Er hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben und glaubt an mich, nicht wie mein Vater. Ich nicke. Er drückt den Knopf.

Die Maschine katapultiert den ersten Ball übers Netz. Ich fixiere ihn, bringe mich in Position und erwische das gelbe Ding perfekt mit dem Tennisschläger.

»Super! Genau so!« Das Kompliment des Trainers macht mir Mut und lässt mich die Blicke der anderen aus meiner Gruppe verdrängen.

Der zweite Ball kommt. Treffer. Der dritte. Noch ein Treffer. Vielleicht ist die schwierigste Stufe der Maschine doch nicht so krass, wie ich dachte.

»Pass auf. Gleich ist es so weit.« Es ist nur ein lautes Flüstern. Aber ein bewusst lautes Flüstern. Nur zwei Sätze, die Luca am Spielfeldrand zu seinem Kumpel sagt. Jedes einzelne Wort davon ist für mich wie ein Schlag ins Gesicht.

Die Blicke der anderen drängen sich wieder in den Vordergrund. Etliche Augenpaare, die mich anstarren und nur darauf warten, dass ich einen Fehler mache.

Mein Herz pocht wild, als ob es mich warnen wollte. Genauso wie das Kribbeln, das sich allmählich in meinem Körper ausbreitet. Zuerst ganz fein und langsam. Aber dann immer schneller. Zu schnell.

Es ist kein schönes Kribbeln, wie wenn man verliebt ist. Nein, es ist fies und sorgt dafür, dass ich mich immer mehr verkrampfe und es mir immer schwerer fällt, richtig zu atmen. Plötzlich fühle ich mich bedroht, obwohl ich überhaupt nicht in Gefahr bin. Ein Gefühl, als würde gleich etwas Schlimmes passieren.

Ich kenne den Ablauf und weiß, was als Nächstes kommt. Aber ich kann es nicht beeinflussen und schon gar nicht kontrollieren.

Die Bälle prasseln plötzlich fester auf mich ein. Ist die verflixte Maschine schneller geworden?

Ein weiterer Ball. Treffer. Noch ein Ball. Treffer. Ein fieses Grinsen von Luca, das ich im Augenwinkel wahrnehme. Meine Knie werden weicher, als wären sie zu schwach, meinen Körper zu tragen.

Mein Hals schnürt sich zu. Das fiese Kribbeln klettert in meinen Kopf. Ich habe Angst, keine Luft mehr zu bekommen, fasse mir an den Hals und ziehe am T-Shirt-Kragen, um ihn auszuweiten.

Für einen kurzen Moment denke ich an das bevorstehende Spiel morgen. Wenn ich heute schon versage, wie sieht es dann morgen aus? Was, wenn mein Vater zusieht?

Der nächste Ball überrascht mich knallhart. Ich treffe ihn, bringe ihn aber nicht übers Netz. Den darauffolgenden Ball treffe ich nicht mehr, aber dafür er mich.

Wie eine Kanonenkugel schießt er auf mich zu und prallt gegen meine Brust. Das wirbelt meinen Atemrhythmus noch mehr durcheinander.

Ich taumle wie ein Betrunkener und möchte mich an irgendetwas oder irgendjemandem festhalten. Aber da ist nichts. Da sind nur die Leere und die vorwurfsvollen Blicke. Ich fühle mich allein, weil mich niemand verstehen kann.

Plötzlich ist alles verschwommen und weit weg. Lachen die Leute schon? Ich sehe nur noch, wie mein Trainer aufspringt und zur Maschine eilt. Dann lasse ich mich auf den harten Hallenboden fallen.

Ich bleibe auf dem Bauch liegen und versuche, meinen Atem wieder zu kontrollieren. Mehr ausatmen als einatmen, dann beruhigt sich alles. Meistens. Der Schweiß rinnt über mein Gesicht und tropft auf den Boden.

Die Vorgänge, wie mein Körper in solch einer Situation reagiert, kenne ich in- und auswendig. Trotzdem bezwingen sie mich jedes Mal. Ich kann alles erklären, was mir Ärzte, Psychologen und was weiß ich für Leute eingeredet haben. Aber ich kann es nicht kontrollieren.

Mein Kopf ist so heiß, dass er zu überhitzen droht. Meine Hände dagegen sind eiskalt, weil sich der Körper in solch einer Ausnahmesituation auf das Wichtigste konzentriert. Hände müssen da nicht zwingend gut durchblutet werden.

»Siehst du? Was habe ich gesagt?« Ich spüre Lucas Grinsen, auch wenn ich es nicht sehe.

Während sich die Panik legt, braut sich die Wut in meinem Bauch zusammen und klettert rasant in mir hoch. Ich balle die Hände zu Fäusten und schlage fest auf den Hallenboden.

Kaum auf den Beinen werfe ich Luca einen vernichtenden Blick zu. Sein Grinsen ist Brennholz für meine Wut und ich beiße die Zähne zusammen. Entschlossen gehe ich auf ihn zu und hebe die Faust, die nur darauf wartet zuzuschlagen.

»Das lässt du schön bleiben.« Gerade als ich ihm eine reinhauen will, hält mich der Trainer zurück. Er drückt meine Faust nach unten.

»Idiot!«, schreie ich, obwohl ich weiß, dass ich mich dadurch lächerlich mache.

»David! Schau mich an.« Der Trainer hält mich an der Schulter und schaut mich eindringlich an. »Du gehst jetzt in die Umkleide. Hast du verstanden?«

Ich nicke. Meine Lippen zittern und ich unterdrücke die Tränen, die sich in meinen Augen sammeln. Schnell drehe ich mich weg, damit mich die anderen nicht sehen können. Auf direktem Weg gehe ich, wie befohlen, in die Umkleide.

Ich knalle die Tür hinter mir zu, lasse die Wut mit einem Schrei aus meinem Körper und schleudere den Schläger gegen die Garderobenschränke. Der Rahmen zerbricht sofort und wird nur noch durch die Saiten zusammengehalten. So ein Mist! Das ist der zweite Schläger in diesem Jahr. Und wir haben erst Sommer.

Ich ziehe das durchnässte Shirt aus und tupfe damit den Schweiß aus dem Gesicht. Immer noch leicht zittrig gehe ich zum Waschbecken und beruhige mich, indem ich kaltes Wasser über meinen Kopf laufen lasse.

Als ich wieder aufschaue, betrachte ich mich im Spiegel. Ich fahre durch die nassen Haare und halte dem Blick meines Spiegelbilds stand.

Ein Lauch. Das ist das, was ich sehe. Keine Muskelansätze an Brust und Bauch so wie bei Luca. Im Gegensatz zu ihm sind meine Arme dünn. Dann schaue ich in mein Gesicht.

Die Leute haben recht. Ich sehe meinem Vater ähnlich. Aber ich bin nicht wie er. Er ist der Leiter einer erfolgreichen Firma und ich bringe nichts auf die Reihe. Nicht einmal ein normales Training.

Ich habe es verkackt. Schon wieder. Tränen kullern über meine Wangen. Diesmal kann ich sie nicht zurückhalten.

JUNA

Das Wiehern von Flocke höre ich schon von weitem. Ich liebe es. Aber ich muss mich beeilen, weil es bald dämmert. Als ich die schwere Stalltür aufschiebe, tänzelt die Stute ungeduldig umher. Wenn sich nur alle so freuen würden, sobald ich komme.

»Na, meine Große? Geht es dir gut?«

Sie streckt mir den Kopf entgegen, damit ich sie sanft streicheln kann. Ich bin mir sicher, dass sie schon den ganzen Tag auf mich gewartet hat. So wie ich auf sie.

»Bist du bereit für einen Ausritt?«

Flocke stupst mich mit der Nase an. Manchmal habe ich das Gefühl, dass Pferde mich besser verstehen als Menschen. Flocke erkennt genau, wenn etwas nicht in Ordnung ist, so wie jetzt auch.

»Keine Sorge, alles gut. Es war einfach ein anstrengender Tag.«

Flocke hält den Kopf schief. Sie merkt, dass ich ihr nicht die ganze Wahrheit erzähle. Es ist, als ob sie wie eine beste Freundin nachfragen wollte, was wirklich los sei.

Ich seufze. »Lisa.«

Flocke nickt.

»Egal, was ich mache, sie kann mich nicht ausstehen. Also nichts Neues.«

Ich streichle Flocke, was nicht nur sie, sondern auch mich beruhigt.

»Wenn die Schule vorbei ist, wird alles anders. Dann muss ich sie nie wieder sehen, bin frei und kann mein eigenes Ding machen.«

Flocke wiehert und macht zwei Schritte zurück.

»Natürlich mein eigenes Ding mit dir zusammen, keine Sorge.«

Aber dann denke ich an Oma. Solange ich bei ihr wohne, kann ich nicht mein Ding machen. Ich kann sie mit dem Reiterhof nicht allein lassen. Und wie lange meine Eltern noch im Ausland arbeiten, kann ich nicht sagen. Je nachdem, wie sich die Lage entwickelt. Das kriege ich immer zu hören, wenn ich mit ihnen telefoniere.

Aber Oma sagt, dass man die Freiheit bei den Pferden findet. Und genau so empfinde ich es. Bei Flocke fühle ich mich frei. Hier kann ich so sein, wie ich bin, und muss mich nicht verstellen, um dazuzugehören. So wie in der Schule.

Flocke schnaubt, als ob sie meine Gedanken lesen könnte. Vielleicht ist es eher eine Aufforderung, endlich mit dem Bürsten anzufangen und sie zu satteln. Wenn es um den Ausritt geht, ist Flocke sehr ungeduldig.

»Ist ja schon gut. Ich bereite alles vor und dann gehts los.«

KAPITEL 2

DAVID

»Ich bin wieder da!«

Wieso rufe ich das, wenn ich zur Tür reinkomme? Ist ja sowieso niemand zu Hause. Trotzdem warte ich jedes Mal, ob nicht doch eine Antwort zurückkommt. Aber auch heute warte ich vergebens.

Im Bad räume ich die Sporttasche aus und lasse die verschwitzten Klamotten im Wäschekorb verschwinden. Ich husche in mein Zimmer und schmeiße die Tasche aufs Bett. Aus dem Schrank hole ich neue Klamotten. Mein schwarzes, mit gelben Blumen verziertes Skaterhemd sowie meine schwarze lange Hose, frische Boxershorts und weiße Sportsocken. Ich deponiere alles im Bad und hüpfe unter die Dusche.

Nach der Panikattacke hielt ich es in der Umkleide nicht mehr aus. Ich wollte so schnell wie möglich nach Hause.

Der Wasserstrahl, der meinen Nacken massiert, entspannt meinen Körper und sorgt dafür, dass ich wieder tiefer in den Bauch atmen kann. Ich stelle den Strahl wärmer ein und schließe die Augen.

Ein Augenblick der Stille. Ein Moment, in dem niemand etwas von mir erwartet. Keine Aufgaben, die ich erfüllen muss. Mein Kopf hat den Off-Schalter gefunden.

Nur ich und das prasselnde Wasser. Ich seife meinen Körper ein und nehme mir Zeit dafür. Nicht wie sonst, wenn ich morgens in die Schule hasten und vorher kurz duschen muss.

Jetzt habe ich Zeit, um einfach zu sein. Beim Schamponieren nehme ich den Druck meiner Finger auf der Kopfhaut bewusst wahr. Ein Tipp meiner Therapeutin, um mich zu entspannen. Und er funktioniert.

Als ich den Wasserhahn zudrehe und den Duschvorhang öffne, wird mir kalt. Sofort trockne ich meinen Körper mit dem Handtuch ab und schlüpfe in die frischen Klamotten.

Auf dem Weg in die Küche zücke ich das Smartphone und checke, ob ich etwas verpasst habe. Natürlich, eine Nachricht von Mama.

»Abendessen ist im Kühlschrank. Papa und ich müssen heute länger arbeiten, hoffe, das Training war gut.«

Ich lese die Mitteilung zweimal. Sie hofft, dass das Training gut war. Sie fragt nicht, wie es war, sondern hofft, dass es schon gut lief.

Ich weiß, weshalb sie keine Frage stellt. Weil sie nie Zeit hat, um sich meine Antwort anzusehen oder zurückzuschreiben. Die Leute, die sie im Krankenhaus operieren muss, sind wichtiger. Gegen die komme ich nicht an. Ich wische die Nachricht weg und lasse das Smartphone in der Hosentasche verschwinden.

Im Kühlschrank entdecke ich eine Auswahl an Fertiggerichten. Alle in Plastik verpackt und aufeinandergestapelt. Ich vermisse das selbstgekochte Zeugs von Mama. Früher gab es das oft. Aber seit sie wieder arbeitet, wurde sie durch eine Mikrowelle ersetzt.

Angewidert schließe ich die Kühlschranktür und schnappe mir die halbvolle Packung Toast, die auf dem Brotkorb liegt. Erdnussbutter-Toast geht immer. Ich schnipple ein paar Bananenstücke drauf. Und weil es heute ein Tag für den Mülleimer war, fische ich einen Schokoriegel aus der Schublade.

Ob meine Eltern morgen zum Match kommen? Wahrscheinlich müssen sie wieder am Wochenende arbeiten. Egal, es ist sowieso viel entspannter, wenn Papa beim Spiel nicht dabei ist.

Es ist merkwürdig, allein an diesem großen Esstisch mit all den leeren Stühlen zu sitzen, obwohl ich es mittlerweile gewohnt bin. Früher war das anders, bis das Alleinsein normal wurde.

Ich schnappe mir das Tablet meiner Eltern und scrolle durch die neusten YouTube-Videos. Ein paar Skating-Tipps begleiten mich beim Abendessen.

Nach dem Essen schalte ich das Tablet aus und räume den Teller in die Spülmaschine. Als ich ins Zimmer trotte, sehe ich sie da liegen. Ich halte inne und betrachte die offene Sporttasche, in der der kaputte Tennisschläger liegt.

Sofort kribbelt es wieder in meinem Bauch. Bevor es erneut die Kontrolle über mich erlangen kann, verstaue ich den Schläger im Schrank. Dort sehe ich ihn nicht mehr und das Kribbeln flacht langsam wieder ab. Ich habe ja noch einen Ersatzschläger für morgen.

Ich bin vom Training geschlaucht. Nicht weil es so anstrengend war, sondern weil diese verfluchte Panikattacke unglaublich viel Kraft kostet. Jedes Mal.

Ich lege mich aufs Bett, stelle den Wecker am Smartphone auf eine halbe Stunde und schließe die Augen.

BEN

Es dämmert bereits. Das Parkourtraining war anstrengend, aber cool. Ich bin froh, diese Gruppe gefunden zu haben, die es ebenfalls liebt, die Grenzen der Schwerkraft auszuloten.

Es ist ein bisschen kühl, deshalb setze ich die Kapuze meines schwarzen Hoodies auf und verabschiede mich von den anderen. Ein Blick auf die Uhr zeigt mir, dass wir heute früher fertig sind. Wenn ich schnell genug bin, ist es die Gelegenheit, um außerhalb des streng kontrollierten Radars meiner Eltern nochmals zur Moosburg zu fahren.

Das Trommeln von heute Nachmittag lässt mich nicht los. Wenn ich Gas gebe, kann ich einen Abstecher machen und schaffe es vielleicht dennoch rechtzeitig nach Hause.

Ich kette mein Fahrrad ab und radle sofort los. Um schneller da zu sein, nehme ich die Abzweigung über den holprigen Weg und rase an den Maisfeldern vorbei. Hier fliegen mir zwar ständig Mücken und andere Insekten ins Gesicht, aber dafür brauche ich nur halb so lange. Von weitem kann ich die Ruine sehen.

Ob ich das Trommeln wieder hören werde? Weshalb konnten es die anderen nicht hören? Ich bin davon überzeugt, dass sich irgendetwas hinter diesem Stein verbirgt. Die Neugier treibt mich an, fester in die Pedale zu treten.

Als ich bei der Moosburg ankomme, ist keine Menschenseele zu sehen. Die Sonne verschwindet hinter dem Horizont und ich hoffe, dass ich auf der Burg überhaupt etwas erkennen kann.

Mir bleibt nicht viel Zeit. Wenn ich mich zu sehr verspäte, schlagen meine Eltern zu Hause sofort Alarm. Sie wissen genau, wie lange das Training dauert und wie lange ich für den Heimweg brauche. Ich fühle mich wie auf der Flucht aus einem Hochsicherheitsgefängnis.

Hastig steige ich den Hügel über den Trampelpfad hoch und erreiche keuchend die Moosburg. Die Bäume, die heute Nachmittag Schatten spendeten, rauschen jetzt unheimlich im sanften Wind. Ich bleibe kurz stehen, um den wild pochenden Herzschlag zu beruhigen.

Grillen zirpen im hohen Gras. Langsam nähere ich mich der Feuerstelle, die sogar noch warm ist. Dann schleiche ich zur Informationstafel, die am weitesten davon entfernt ist. Genau da, wo heute Nachmittag das Trommeln begonnen hat, beginnt es nun wieder.

Ein schwaches, rhythmisches Trommeln. Exakt derselbe Beat wie heute Nachmittag. Ich klettere über dieselbe Mauer und lasse mich auf der anderen Seite fallen. Vorsichtig rutsche ich den steilen Hang etwas nach unten und halte mich an den Steinen fest.