Die neuen Kleider des Kaisers. Acht Märchen - Hans Christian Andersen - E-Book

Die neuen Kleider des Kaisers. Acht Märchen E-Book

Hans Christian Andersen

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Beschreibung

Andersens Märchen sind weltberühmt und berühren Kinder und Erwachsene mit ihrer Lebensklugheit und Tiefgründigkeit bis heute. Diese Auswahl versammelt, in der Übersetzung von Heinrich Detering, acht der schönsten und literarisch wirkmächtigsten Märchen des dänischen Autors: Das Feuerzeug, Die Prinzessin auf der Erbse, Die kleine Meerfrau, Die neuen Kleider des Kaisers, Der standhafte Zinnsoldat, Das missratene Entchen, Die Nachtigall, Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern. Ein Nachwort gibt wertvolles Hintergrundwissen zu jedem Text. E-Book mit Seitenzählung der gedruckten Ausgabe: Buch und E-Book können parallel benutzt werden.

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Seitenzahl: 120

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Hans Christian Andersen

Die neuen Kleider des Kaisers

Reclam

2021 Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Made in Germany 2021

RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

ISBN978-3-15-961886-9

ISBN der Buchausgabe 978-3-15-014178-6

www.reclam.de

Inhalt

Das Feuerzeug

Die Prinzessin auf der Erbse

Die kleine Meerfrau

Die neuen Kleider des Kaisers

Der standhafte Zinnsoldat

Die Nachtigall

Das missratene Entchen

Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern

Nachwort

[7]Das Feuerzeug

Da kam ein Soldat die Landstraße entlangmarschiert: Eins, zwei! Eins, zwei! er hatte seinen Tornister auf dem Rücken und einen Säbel an der Seite, denn er war im Krieg gewesen, und nun wollte er nach Hause. Da traf er eine alte Hexe auf der Landstraße; die war so widerlich, ihre Unterlippe hing ihr bis auf die Brust herunter. Sie sagte: »Guten Abend, Soldat! was hast du für einen schönen Säbel und was für einen großen Tornister, du bist ein richtiger Soldat! Jetzt sollst du so viel Geld kriegen, wie du willst!«

»Vielen Dank auch, du alte Hexe!«, sagte der Soldat.

»Siehst du den großen Baum?«, sagte die Hexe und zeigte auf den Baum, der neben ihnen stand. »Da drinnen ist er ganz hohl! Da musst du in die Krone hinaufklettern, dann siehst du ein Loch, da kannst du hineinrutschen und tief in den Baum hinunterkommen! Ich binde dir einen Strick um den Leib, damit ich dich wieder hochziehen kann, wenn du mich rufst!«

»Und was soll ich da unten im Baum?«, fragte der Soldat.

»Geld holen!«, sagte die Hexe, »du musst wissen, wenn du unten auf den Grund des Baumes kommst, dann bist du in einem großen Gang; da ist es ganz hell, denn da brennen über hundert Lampen. Dann siehst du drei Türen, du kannst sie aufmachen, der Schlüssel steckt. Wenn du in die erste Kammer gehst, dann siehst du mitten auf dem Boden eine große Kiste, obendrauf sitzt ein Hund; er hat ein Paar Augen, so groß wie ein Paar Teetassen, aber darum musst du dich gar nicht kümmern! Ich gebe dir meine blaukarierte Schürze, die kannst du auf dem Boden ausbreiten; geh dann nur zu und nimm den Hund, setz ihn auf meine Schürze, [8]mach die Kiste auf und nimm so viele Schillinge, wie du willst. Sie sind alle aus Kupfer; aber willst du lieber Silber haben, dann musst du ins nächste Zimmer gehen; doch da sitzt ein Hund, der hat ein Paar Augen, so groß wie ein Mühlrad; aber darum musst du dich gar nicht kümmern, setz ihn auf meine Schürze, und nimm du nur von dem Geld! Willst du dagegen Gold haben, das kannst du auch kriegen, und zwar so viel, wie du tragen kannst, wenn du in die dritte Kammer gehst. Aber der Hund, der auf der Geldkiste sitzt, hat hier zwei Augen, jedes so groß wie der Runde Turm in Kopenhagen. Das ist ein richtiger Hund, das kannst du mir glauben! aber darum musst du dich überhaupt nicht kümmern! setz ihn einfach auf meine Schürze, dann tut er dir nichts, und dann nimm du dir aus der Kiste so viel Gold, wie du willst!«

»Das ist gar nicht so dumm!«, sagte der Soldat. »Aber was soll ich dir geben, du alte Hexe? Denn irgendwas wirst du wohl abbekommen wollen, kann ich mir denken!«

»Nein«, sagte die Hexe, »nicht einen Schilling will ich haben! Du sollst mir bloß ein altes Feuerzeug mitbringen, das meine Großmutter vergessen hat, als sie das letzte Mal unten war!«

»Aha! na, jetzt kannst du mir den Strick umbinden!«, sagte der Soldat.

»Hier ist er!«, sagte die Hexe, »und hier ist meine blaukarierte Schürze.«

Da kroch der Soldat auf den Baum, ließ sich in das Loch hinabplumpsen und stand nun, wie die Hexe gesagt hatte, unten in dem großen Gang, wo die vielen hundert Lampen brannten.

Nun machte er die erste Tür auf. Uh! da saß der Hund mit den Augen, so groß wie Teetassen, und glotzte ihn an.

[9]»Du bist ja ein netter Bursche!« sagte der Soldat, setzte ihn auf die Schürze der Hexe und nahm genau so viele Kupferschillinge, wie er nur mitnehmen konnte, in seine Tasche, machte dann die Kiste zu, setzte den Hund wieder drauf und ging in das zweite Zimmer. Ei ja! da saß der Hund mit den Augen, so groß wie ein Mühlrad.

»Du solltest mich nicht so viel angucken!«, sagte der Soldat. »Du könntest Augenschmerzen kriegen!«, und dann setzte er den Hund auf die Schürze der Hexe, aber als er die vielen Silberschillinge in der Kiste sah, schmiss er alles Kupfergeld weg, das er hatte, und füllte seine Tasche und seinen Tornister mit dem reinen Silber. Nun ging er in die dritte Kammer! – Nein war das widerlich! Der Hund da drinnen hatte wirklich zwei Augen, so groß wie der Runde Turm, und sie drehten sich immer im Kopf herum, wie Räder!

»Guten Abend!«, sagte der Soldat und legte die Hand an die Mütze, denn so einen Hund hatte er nie zuvor gesehen; aber als er ihn nun ein bisschen angeguckt hatte, dachte er, jetzt ist es aber genug, hob ihn auf den Boden herunter und machte die Kiste auf – nein du barmherziger Gott! was war das viel Gold! er konnte dafür das ganze Kopenhagen kaufen und die Zuckerstangen der Bäckersfrauen, alle Zinnsoldaten, Peitschen und Schaukelpferde, die es auf der Welt gab! O ja, das war allerdings Geld! – Nun warf der Soldat alle Silberschillinge weg, mit denen er seine Tasche und seinen Tornister gefüllt hatte, und nahm stattdessen das Gold, ja alle Taschen, der Tornister, die Mütze und die Stiefel, wurden gefüllt, bis er kaum noch gehen konnte! jetzt hatte er Geld! Den Hund setzte er oben auf die Kiste, schlug die Tür zu und rief dann durch den Baum nach oben:

[10]»Zieh mich nun hoch, du alte Hexe!«

»Hast du das Feuerzeug dabei?«, fragte die Hexe.

»Richtig!«, sagte der Soldat, »das hatte ich glatt vergessen«, und dann ging er zurück und holte es. Die Hexe zog ihn nach oben, und dann stand er wieder auf der Landstraße, die Taschen, Stiefel, Tornister und Mütze voller Geld.

»Was willst du nun mit dem Feuerzeug«, fragte der Soldat.

»Das geht dich nichts an!«, sagte die Hexe, »nun hast du ja Geld gekriegt! Gib mir bloß das Feuerzeug!« –

»Papperlapapp!«, sagte der Soldat, »wirst du mir sofort sagen, was du damit willst, sonst ziehe ich meinen Säbel und schlage dir den Kopf ab!«

»Nein«, sagte die Hexe.

Also schlug der Soldat ihr den Kopf ab. Da lag sie! aber er schnürte all sein Geld in ihre Schürze, die nahm er wie ein Bündel auf seinen Rücken, steckte das Feuerzeug in die Tasche und ging geradewegs in die Stadt.

Es war eine prächtige Stadt, und er zog in den prächtigsten Gasthof, verlangte die allerbesten Zimmer und Essen, wie es ihm schmeckte, denn jetzt war er reich, wo er doch so viel Geld hatte.

Der Diener, der seine Stiefel putzen sollte, dachte allerdings, das wären ja ein paar lächerliche alte Stiefel, die so ein reicher Herr hätte, aber er hatte sich noch keine neuen gekauft; am nächsten Tag kriegte er neue Stiefel, in denen er herumspazieren konnte, und Kleider, die sich sehen lassen konnten! Jetzt war der Soldat ein vornehmer Herr geworden, und man erzählte ihm von allem Sehenswerten, das sie in ihrer Stadt hatten, und von ihrem König, und was für eine niedliche Prinzessin seine Tochter war.

»Wo kann man die zu sehen kriegen?«, fragte der Soldat.

[11]»Die kann man überhaupt nicht zu sehen kriegen!«, sagten alle, »sie wohnt in einem großen Kupferschloss, mit so vielen Mauern und Türmen ringsherum! Keiner außer dem König darf bei ihr ein und aus gehen, denn es gibt eine Weissagung, dass sie einen ganz simplen Soldaten heiraten wird, und das gefällt dem König gar nicht!«

»Die würd ich schon gern sehen!«, dachte der Soldat, aber das durfte er natürlich überhaupt nicht!

Nun lebte er sehr lustig, ging in die Komödie, fuhr im Königspark herum und gab den Armen eine Menge Geld, und das war hübsch von ihm! er wusste noch aus den alten Tagen, wie schlimm es ist, nicht einen Schilling zu besitzen! – Er war jetzt reich, hatte schöne Kleider, und da hatte er bald so viele Freunde, die sagten alle, was für ein netter Mensch er wäre, ein richtiger Kavalier, und das hörte der Soldat gern! Aber weil er jeden Tag Geld ausgab und überhaupt keins hereinbekam, da hatte er zuletzt nicht mehr als zwei Schillinge übrig und musste aus den hübschen Zimmern ausziehen, in denen er gewohnt hatte, und hinauf in eine winzig kleine Kammer, ganz oben unterm Dach, musste selber seine Stiefel putzen und mit einer Stopfnadel zusammennähen, und keiner von seinen Freunden kam zu ihm, denn es waren so viele Treppen, die man hinaufmusste.

Es war ein ganz dunkler Abend, und er konnte sich kein Licht kaufen, aber da erinnerte er sich, dass noch ein kleiner Stumpen in dem Feuerzeug lag, das er in dem hohlen Baum, in den die Hexe ihn hinuntergelassen hatte, an sich genommen hatte. Er holte das Feuerzeug und den Kerzenstumpen hervor, aber gerade in dem Augenblick, als er Feuer schlug und die Funken aus dem Flintstein herausflogen, [12]sprang die Tür auf, und der Hund mit den Augen, so groß wie Teetassen, den er drunten im Baum gesehen hatte, stand vor ihm und sagte: »Was befiehlt mein Herr?«

»Was denn!«, sagte der Soldat, »das ist ja ein ulkiges Feuerzeug, kann ich so also kriegen, was ich haben will! Schaff mir Geld herbei«, sagte er zu dem Hund, und schwupp! war der fort, schwupp! war er wieder da und trug einen Beutel voller Schillinge in seinem Maul.

Jetzt wusste der Soldat, was für ein prächtiges Feuerzeug das war! schlug er einmal, kam der Hund, der auf der Kiste mit dem Kupfergeld saß, schlug er zweimal, kam der, der das Silbergeld hatte, und schlug er dreimal, kam der mit dem Gold. – Da zog der Soldat wieder in die schönen Zimmer hinunter, trug wieder die schönen Kleider, und sogleich erkannten alle seine Freunde ihn wieder, und sie hatten ihn so gern. –

Da dachte er einmal: das ist doch ganz lächerlich, ist das, dass man nicht die Prinzessin zu sehen kriegt! sie soll so wunderschön sein, heißt es überall! aber was soll das helfen, wenn sie immerfort in diesem großen Kupferschloss sitzen muss, mit den vielen Türmen. – Kann ich sie denn überhaupt nicht zu sehen kriegen? – Wo ist denn mein Feuerzeug! und dann schlug er Feuer, und schwupp kam der Hund mit den Augen, groß wie Teetassen!

»Es ist zwar mitten in der Nacht«, sagte der Soldat, »aber ich würde so schrecklich gern die Prinzessin sehen, bloß einen kleinen Augenblick!«

Sogleich war der Hund zur Tür hinaus, und ehe der Soldat sich’s versah, sah er ihn wieder mit der Prinzessin, sie saß und schlief auf dem Rücken des Hundes und war so wunderschön, dass jeder sehen konnte, sie war eine [13]wirkliche Prinzessin; der Soldat konnte einfach nicht anders, er musste sie küssen, denn er war ein richtiger Soldat.

Dann lief der Hund mit der Prinzessin zurück, aber als es Morgen wurde, und der König und die Königin sich gerade Tee einschenkten, da sagte die Prinzessin, sie hätte in der Nacht so einen sonderbaren Traum geträumt, von einem Hund und einem Soldaten. Sie war auf dem Hund geritten, und der Soldat hatte sie geküsst.

»Das ist ja eine reizende Geschichte!«, sagte die Königin.

Nun musste eine der alten Hofdamen in der nächsten Nacht am Bett der Prinzessin Wache halten, um zu sehen, ob es wirklich ein Traum war, oder was es sonst sein mochte.

Der Soldat hatte ein so fürchterliches Verlangen, die wunderschöne Prinzessin wiederzusehen, und also kam der Hund in der Nacht, nahm sie und lief so schnell er konnte, aber die alte Hofdame zog Stiefel an und lief genauso schnell hinterher; als sie sah, dass die beiden in einem großen Haus verschwanden, dachte sie, jetzt weiß ich, wo es ist, und malte mit einem Stück Kreide ein großes Kreuz auf das Tor. Dann ging sie nach Hause und legte sich hin, und der Hund kam auch wieder mit der Prinzessin; aber als er sah, dass da ein Kreuz auf das Tor gemalt war, wo der Soldat wohnte, nahm er auch ein Stück Kreide und setzte Kreuze auf alle Tore in der ganzen Stadt, und das war klug von ihm, denn nun konnte ja die Hofdame nicht das richtige Tor finden, wo doch auf allen Kreuze waren.

Morgens früh kamen der König und die Königin, die alte Hofdame und alle Offiziere, um zu sehen, wo die Prinzessin gewesen war!

»Da ist es!«, sagte der König, als er das erste Tor mit einem Kreuz darauf gesehen hatte.

[14]»Nein, da ist es, mein lieber Gatte!«, sagte die Königin, die das zweite Tor mit einem Kreuz sah.

»Aber da ist eins und da ist eins!«, sagten alle; wohin sie sahen, waren Kreuze auf den Toren. Da konnten sie also sehen, es konnte nichts nützen, dass sie suchten.

Aber die Königin war nun eine sehr kluge Frau, die mehr konnte als in der Kutsche fahren. Sie nahm sich ihre große goldene Schere, schnitt ein Stück Seidenstoff in Stücke und nähte daraus einen niedlichen kleinen Beutel; den füllte sie dann mit kleinen, feinen Buchweizenkörnchen, band ihn der Prinzessin auf den Rücken, und als das getan war, schnitt sie ein kleines Loch in den Beutel, dass die Körnchen den ganzen Weg herausrieseln konnten, den die Prinzessin entlangkam.

In der Nacht kam nun der Hund wieder, nahm die Prinzessin auf seinen Rücken und lief mit ihr zu dem Soldaten, der sie so gernhatte und so gern ein Prinz gewesen wäre, um sie zur Frau zu nehmen.

Der Hund merkte gar nicht, wie die Körnchen rieselten, vom Schloss her bis zum Fenster des Soldaten, wo er mit der Prinzessin die Mauer hinauflief. Am Morgen sahen der König und die Königin also, wo ihre Tochter gewesen war, und da nahmen sie den Soldaten und warfen ihn ins Gefängnis.