Die Newports - Dynastie der Leidenschaft - 6-teilige Serie - Charlene Sands - E-Book

Die Newports - Dynastie der Leidenschaft - 6-teilige Serie E-Book

Charlene Sands

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Beschreibung

EINE SINNLICHE NACHT MIT DEM BOSS

Er ist gut aussehend, sexy, reich - und ihr Boss. Daran muss Georgia sich immer wieder erinnern, denn sie will auf keinen Fall durch eine Affäre mit ihm ihre Karriere gefährden. Trotzdem geht ihr Carson Newport nicht aus dem Kopf. Als sie ihm dabei hilft, das Haus seiner verstorbenen Mutter auszuräumen, kommen sie sich näher - und erleben eine sinnliche Nacht voller Leidenschaft. Georgia verliebt sich Hals über Kopf. Bis Carson sie beschuldigt, ihn mit seinem Erzfeind betrogen zu haben …

IN DEN STARKEN ARMEN DES TYCOONS

Reid Chamberlain lädt sie zum Dinner in sein Luxus-Apartment ein? Überraschend - und aufregend! Früher war der freche Bad Boy Noras bester Freund, bis sie Chicago verließ. Doch jetzt ist sie zurückgekehrt. Und natürlich hat Reid, inzwischen steinreicher Tycoon mit besten Verbindungen, davon erfahren. Viel zu heftig klopft Noras Herz, als sie ihrem einstigen Traummann gegenübersteht! Seine Blicke geben keine Gefühle preis. Aber vielleicht hilft ihr das raffinierte Cocktailkleid dabei herauszufinden, was Reid von ihr will?

SO WEIT DIE LEIDENSCHAFT UNS TRÄGT

Lucy Wilde? Als Millionär Josh Calhoun ihr auf einer Krankenstation begegnet, muss er sich zusammenreißen, um sie nicht anzustarren. Aus dem süßen Mädchen von früher ist eine erfolgreiche Ärztin geworden! Und noch etwas hat sich verändert: Damals war sie die Freundin seines besten Freundes Gary und für Josh verboten - jetzt ist sie wieder Single. Und obwohl er bis zu diesem Moment überzeugt war, dass er mit der Liebe abgeschlossen hat, ist es für ihn zum zweiten Mal in seinem Leben Leidenschaft auf den ersten Blick …

AFFÄRE MIT DEM SEXY FEIND

Die geheime Affäre mit dem smarten Anwalt Graham Newport ist das Erotischste, was Eve Winchester jemals erlebt hat! Sinnliche Verlockungen, hemmungslose Liebesspiele - aber keine gemeinsame Zukunft, schließlich trennt ihre beiden Familien seit Jahren eine erbitterte Feindschaft, die ganz Chicago in Atem hält. Aber wenn Eve mit Graham im Bett ist, verschwinden alle Konflikte, dann zählt nur ihre heiße Leidenschaft. Bis etwas geschieht, das die zärtlichsten Gefühle der Welt auf den Plan ruft …

KÜSS MICH, VERRÄTER!

Ein unentschuldbarer Betrug! Grace Winchester wollte nie wieder ein Wort mit Roman Slater wechseln. Ihr Herz hat er gebrochen, und er hat versucht, ihre Familie zu ruinieren. Doch jetzt verlangt ihr Vater, dass Grace mit dem Verräter zusammenarbeitet … und ihre schlimmsten Befürchtungen werden wahr. Denn der umwerfend attraktive Privatdetektiv hat noch immer dieselbe Wirkung auf sie wie damals: Sie stellt sich vor, wie er sie liebt, wie er sie in erotische Welten entführt. Und sie könnte schwören, dass ihr unwiderstehlicher Feind dasselbe denkt …

HEIMLICH, SINNLICH ? UND VERBOTEN

Die sexy Brünette mit den Rehaugen geht Brooks Newport unter die Haut, und der One-Night-Stand mit ihr ist einfach unglaublich! Am nächsten Morgen fährt Brooks weiter zum Anwesen seines Vaters, den er endlich kennenlernen will. Auf der Ranch läuft er der Pferdetrainerin Ruby Lopez in die Arme. Was für eine Überraschung: seine leidenschaftliche Geliebte der letzten Nacht! Er will sie noch immer, aber Ruby gehört quasi zur Familie. Und eine Affäre hinter dem Rücken der anderen würde jedes Vertrauen im Keim ersticken …

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Seitenzahl: 1239

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Andrea Laurence, Kat Cantrell, Sarah M. Anderson, Jules Bennett, Michelle Celmer, Charlene Sands

Die Newports - Dynastie der Leidenschaft - 6-teilige Serie

IMPRESSUM

BACCARA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Thomas BeckmannRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2016 by Harlequin Books S.A. Originaltitel: „Saying Yes to the Boss“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto in der Reihe: DESIRE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARABand 1991 - 2017 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg Übersetzung: Victoria Werner

Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 08/2017 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733723873

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

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1. KAPITEL

„Ich hab es!“ Georgia Adams stand triumphierend in der Tür.

Carson Newport sah von den Papieren auf, mit denen er gerade beschäftigt gewesen war. „Was hast du?“

Georgia schluckte ihre Enttäuschung hinunter. Sie hatte sich diesen Moment anders vorgestellt. Carsons verständnisloser Blick war in ihrer Fantasie nicht vorgekommen. Er musste doch wissen, dass es um das Grundstück ging, nach dem sie seit zwei Monaten suchten! In ihrer Tasche befand sich bereits eine gekühlte Flasche Champagner, um das Ereignis zu feiern.

„Ich habe das ideale Grundstück für das Kinderkrankenhaus gefunden.“

Nun hatte sie seine ungeteilte Aufmerksamkeit.

Carson setzte sich in seinem Ledersessel auf. „Ist das dein Ernst?“

Georgia lächelte. Das traf es doch schon eher. „Ernster könnte es kaum sein.“

Er winkte sie herein. „Erzähl mir mehr.“

Sie schüttelte den Kopf. „Das muss ich dir zeigen. Komm!“

Carson warf nicht einmal einen Blick auf seinen Terminkalender. Das Grundstück für ihr nächstes Bauprojekt zu finden, war unglaublich mühsam gewesen. Es gab in Chicago nicht viele Flächen, die dafür infrage kamen. Zumindest nicht zu einem Preis, der kaufmännisch noch halbwegs vertretbar war.

Carson knöpfte sich im Gehen die Anzugjacke zu. „Jetzt bin ich aber gespannt.“

„Wir nehmen deinen Wagen“, erklärte Georgia, während sie im Fahrstuhl den Knopf für die Tiefgarage drückte.

Carson verdrehte die Augen. „Weißt du, Georgia, du bist die Leiterin der PR-Abteilung eines der fünfhundert umsatzstärksten Unternehmen der USA. Ich glaube, bei deinem Gehalt könntest du dir wirklich einen Wagen leisten. Einen sehr schönen sogar.“

Georgia zuckte nur die Schultern. Sie brauchte kein Auto. Von ihrem Apartment zur nächsten Station der L, der innerstädtischen Hochbahn, musste sie nur bis zur nächsten Querstraße gehen. Chicagos öffentliche Verkehrsmittel waren zuverlässig und preiswert, das gefiel ihr. Für viele Menschen, die so aufgewachsen waren wie sie, wäre der eigene Wagen der krönende Beweis, dass sie es geschafft hatten. Sie sah in einem Auto jedoch nur einen überflüssigen Kostenfaktor. Man konnte nie wissen, wann man das Geld für etwas anderes benötigte.

„Ich glaube, ein Jaguar würde zu dir passen“, sinnierte Carson, während sie den Fahrstuhl verließen. „Elegant, attraktiv und ein bisschen wild.“

Georgia blieb neben Carsons weißem Range Rover stehen. Sie warf das platinblonde Haar zurück und stemmte eine Hand in die Seite. „Muss ich dich der Personalabteilung wegen unangemessenen Verhaltens melden?“ Ihr Lächeln zeigte, dass sie die Worte nicht ernst meinte.

Carson hielt ihr die Wagentür auf. „Das war ein Kompliment! Bitte zwing mich nicht, in die zweite Etage zu gehen. Unsere Personalleiterin erinnert mich an meine Grundschullehrerin. Sie war immer gemein zu mir.“

„Hast du dich vielleicht schlecht benommen?“

Carson grinste, wobei seine leuchtend grünen Augen blitzten. „Mag sein“, gab er zu, bevor er die Tür hinter ihr zuschlug.

Georgia atmete tief durch. Die Nähe von Carson Newport setzte ihr wie immer zu. Nicht, weil er ein schwieriger Boss gewesen wäre – im Gegenteil. Das war ja das Problem. Er sah gut aus, war charmant, smart und denkbar schlecht im Flirten. Das galt für alle drei Newport-Brüder, aber nur Carson brachte ihren Puls zum Rasen. Seine Komplimente waren harmlos, das wusste sie. Ein Jahr arbeitete sie nun schon in der Firma, und er hatte nicht ein einziges Mal versucht, ihr näher zu kommen.

Das hieß allerdings nicht, dass sie es sich nicht insgeheim wünschte. Es war eine wirklich dumme Fantasie, die sie nachts wachhielt, wenn sie sich vorstellte, wie seine Hände ihren nackten Körper berührten. Doch es musste eine Fantasie bleiben!

Georgia hatte hart dafür gearbeitet, ein gutes College zu besuchen und anschließend die Karriereleiter hinaufzusteigen. Mit dem Job bei der Newport Corporation war ein Traum wahr geworden. Sie hatte unter den Mitarbeitern so etwas wie eine Familie gefunden, und sie war gut in ihrem Beruf. Alles hatte sich genau so entwickelt, wie sie es sich erhofft hatte. Das würde sie nicht aufs Spiel setzen, nur weil sie heiß war auf ihren Boss.

Die Fahrt durch die Innenstadt zu dem Grundstück dauerte ungefähr eine halbe Stunde. Carson stellte den Wagen neben der Straße auf einem Streifen aus Sand und Gras ab, und sie gingen ein paar Hundert Meter über ein freies Feld.

Hätte Georgia gewusst, dass sie heute hierherkommen würde, hätte sie sich für etwas Praktischeres als einen engen Rock und High Heels entschieden, aber sie hatte den Tipp erst auf dem Weg ins Büro bekommen. Glücklicherweise hatte es längere Zeit nicht geregnet, sodass der Boden fest und trocken war.

Das Grundstück war ideal. Der Boden war ziemlich eben, und für eine Bebauung müssten nur wenige Bäume gefällt werden. Die eine Seite grenzte an eine Bucht des Lake Michigan, die andere an einen Park.

„Was meinst du?“ Georgias Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Etwas Besseres als dieses Grundstück konnte es für ihren Zweck einfach nicht geben! Es war durch Erbstreitigkeiten jahrelang blockiert gewesen. Erst jetzt hatte die Familie beschlossen, es zu verkaufen, sonst wäre hier sicher längst ein Einkaufszentrum aus dem Boden gestampft worden oder Blocks mit Eigentumswohnungen. Falls es Carson nicht gefiel, hatte sie vergebens eine richtig teure Flasche Champagner gekauft.

Sie beobachtete, wie er den Blick umherschweifen ließ. Als er sich zu ihr herumdrehte, strahlte er über das ganze Gesicht.

„Es ist unglaublich. Einfach perfekt!“

Er ging weiter, die Hände tief in den Taschen vergraben. Carson hatte eine lässige Art, die darüber hinwegtäuschte, wie hart er in geschäftlichen Dingen sein konnte. Georgia hatte mehr als einmal erlebt, dass ein Geschäftspartner den jüngsten Newport unterschätzte und es bitter bereute.

„Wie hast du das hier gefunden?“

„Ich kenne da jemanden“, sagte sie lächelnd. Sie hatte ihre Fühler schon vor mehreren Wochen ausgestreckt, aber erst heute eine Antwort bekommen.

Ein Bekannter aus Collegezeiten hatte von dem Grundstück gehört. Es war nicht offiziell zum Verkauf ausgeschrieben – zumindest noch nicht.

Georgia hatte mit den Besitzern gesprochen. Im Moment sammelten sie Angebote, die, wie bei hochpreisigen Objekten üblich, blind abgegeben wurden. Georgia hatte den Eindruck, dass die Besitzer den Verkauf so schnell und geräuschlos wie möglich über die Bühne bringen wollten. Als zeitliches Limit hatten sie sich das Ende der kommenden Woche gesetzt. Erst falls ihnen bis zu dem Zeitpunkt kein akzeptables Angebot vorlag, wollten sie das Grundstück öffentlich zum Verkauf ausschreiben.

Wenn Newport schnell war, konnten sie dem zuvorkommen und so verhindern, dass Mitbewerber den Preis hochtrieben.

„Es ist ideal.“ Carson machte kein Hehl aus seiner Begeisterung.

„Wir müssten uns mit dem Angebot beeilen, sonst bekommt ein anderer den Zuschlag.“

„Wir werden keine Zeit verlieren. Graham und Brooks sind mit Sicherheit auch dafür.“

Lächelnd ließ Georgia ihre große Tasche von der Schulter gleiten. Darin hätte sie mühelos alles Nötige für einen Wochenendurlaub untergebracht, aber sie hatte diese Tasche stets bei sich. Sie enthielt alles, was sie möglicherweise gebrauchen konnte. Heute schloss das eine kleine Kühltasche mit ein.

„Ich finde, das ist ein Grund zu feiern.“ Sie zog die Flasche Champagner heraus.

„Was hast du sonst noch dabei?“ Carson lachte leise, während er sich vorbeugte, um einen Blick in die Tiefen ihrer Tasche zu werfen.

Georgia förderte zwei rote Plastikbecher zutage. „Nicht eben edles Kristall, aber ich glaube, sie genügen.“

„Ich habe bei den schönsten Gelegenheiten mit Plastikbechern angestoßen.“ Carson ließ den Korken knallen und schenkte die Becher reichlich voll.

„Auf das Cynthia-Newport-Krankenhaus für Kinder!“ Er hob sein Glas.

„Darauf, dass sich der Traum deiner Mutter nun erfüllt!“, setzte Georgia hinzu.

Sie bemerkte einen Anflug von Trauer in Carsons Blick. Es war erst zwei Monate her, seit seine Mutter ganz plötzlich an einem Aneurysma gestorben war. Es hatte keinerlei Vorwarnungen gegeben. In einem Moment war sie da, im nächsten nicht mehr. Die Mutter war alles, was die Newport-Brüder an Familie hatten. Sie nahmen den Verlust sehr schwer, besonders Carson. Er hatte beschlossen, ihr zu Ehren ein Kinderkrankenhaus zu bauen, da sie sich in den vergangenen Jahren sehr für kranke Kinder engagiert hatte.

„Ich kann gar nicht glauben, dass wir die Idee verwirklichen können.“ Carson stellte seinen Becher ab, nahm Georgia spontan in die Arme und wirbelte sie herum.

„Carson!“ Sie stieß einen Überraschungsschrei aus und schlang die Arme um seinen Nacken, was ihn nur dazu bewegte, sie noch schneller zu drehen.

Als er sie schließlich wieder absetzte, lachten sie beide. Der Champagner hatte auf nüchternen Magen eine durchschlagende Wirkung. Georgia war schwindelig zumute, und sie musste sich an Carsons Schultern festhalten, bis die Welt aufhörte, sich um sie zu drehen.

„Vielen Dank dafür, dass du das Grundstück für uns gefunden hast“, sagte er.

„Ich freue mich auch darüber. Ich weiß, wie wichtig dir das Projekt ist.“ Sie registrierte, dass seine Arme immer noch um ihre Taille lagen. Carson mochte schmaler wirken als seine Brüder, aber sein Griff verriet, dass sich unter dem teuren Anzug harte Muskeln verbargen.

Ihr Lachen verflog. Sie sahen einander in die Augen. Carsons volle Lippen waren nur Zentimeter von ihren entfernt. Sie spürte seinen warmen Atem auf ihrer Haut. Wie oft hatte sie davon geträumt, so mit ihm dazustehen – und jedes Mal hatte er sie in ihren Träumen geküsst.

Ehe sie noch wusste, wie ihr geschah, ließ Carson ihren Traum Wirklichkeit werden, indem er den Kopf senkte und seine Lippen auf ihre drückte. Die Wirkung des Champagners dämpfte die warnenden Stimmen in ihrem Kopf. Georgia gab sich dem Kuss ganz hin und zog Carson an sich.

Er schmeckte nach Champagner und Pfefferminz. Seine Berührung war sanft und gleichzeitig fest. Sie hätte ewig so stehen bleiben mögen, aber schließlich löste sich Carson von ihr.

Für einen Moment fühlte sich Georgia wie benommen. Sie wusste nicht, ob sein Kuss schuld war oder der Champagner, aber sie hatte das Gefühl, sie würde abheben, wenn sie ihn jetzt losließ. Dann sah sie zu ihm auf.

Seine grünen Augen spiegelten so etwas wie Panik wider. Seine Miene holte sie abrupt zurück in die Wirklichkeit. Sie hatte gerade ihren Boss geküsst. Ihren Boss! Und trotz der Tatsache, dass er selbst den Kuss initiiert hatte, schien er darüber ebenso entsetzt wie sie.

„Georgia, ich …“ Er musste neu ansetzen. „Es tut mir leid, ich wollte das nicht.“

Sie schüttelte rasch den Kopf und wich einen Schritt zurück. „Mach dir deswegen keine Gedanken“, sagte sie. „Bei Aufregung und unter Einfluss von Champagner tun die Menschen oft die dümmsten Dinge.“

Nur: Es hatte sich nicht dumm angefühlt. Im Gegenteil. Es war atemberaubend gewesen. Besser als alle Träume, die sie von Carson und sich gehabt hatte. Aber deswegen war es immer noch keine gute Idee.

„Ich hoffe, das verändert jetzt nichts zwischen uns. Ich möchte nicht, dass meine Gedankenlosigkeit unser gutes Arbeitsverhältnis zerstört.“

„Alles in Ordnung, Carson. Bitte. So etwas kann passieren, wenn man eng zusammenarbeitet. Und davon einmal abgesehen …“, räumte sie widerstrebend ein, „… ist es ja nicht so, als ob ich mich sonderlich gewehrt hätte.“

„Georgia?“

Sie war seinem Blick ausgewichen, aber sein bittender, rauer Ton ließ sie jetzt aufsehen. Seine Panik war verschwunden. Er sah sie durchdringend an. Es hatte den Anschein, als begehre er sie, aber das konnte nicht sein. Der Kuss war ein Fehler gewesen, und sie wussten es beide. Oder?

„Ja?“

„Ich …“

Was auch immer er hatte sagen wollen, blieb ungesagt. Georgia spürte ein Vibrieren an ihrer Brust, während aus Carsons Anzugtasche ein Vogelzwitschern zu hören war. Ihre Büro-Handys …

Georgia schluckte ihre Enttäuschung hinunter und drehte Carson den Rücken zu, während sie das Handy aus der Tasche ihrer Bluse zog. Sie hatte es stets auf lautlos gestellt, um nicht bei einer Geschäftsbesprechung gestört zu werden. Die Nachricht auf dem Display traf sie wie ein Schlag.

„Sutton Winchester plant, genau hier Luxuswohnungen zu bauen“, sagte Carson im selben Moment.

Georgia klickte auf den Link zu der Pressemitteilung, den Carsons Assistentin Rebecca ihnen geschickt hatte.

Georgia hatte bei Rebecca hinterlassen, dass sie mit Carson zu diesem Grundstück fuhr, für den Fall, dass Brooks oder Graham nach ihnen fragen sollten. Rebecca hatte offenbar Erkundigungen über das Grundstück eingeholt und war dabei auf ihren Mitbewerber gestoßen.

Die Mitteilung enthielt eine Skizze der Gebäude, die an genau der Stelle entstehen sollten, an der sie sich jetzt befanden. Es hieß, Suttons Angebot für das Grundstück sei noch nicht angenommen worden, aber er sei zuversichtlich. Neben der Zeichnung war ein Foto von Sutton Winchester zu sehen.

Georgia war sicher, dass Sutton in früheren Jahren mit seinem Charme jede Frau bekommen hätte. Sogar jetzt noch hatte er einen ziemlichen Ruf, was Frauen betraf, trotz seines Alters und seiner langjährigen Ehe mit Celeste Van Houten. Georgia verstand, wieso. Sein hellbraunes Haar war grau geworden und seine Haut faltig, aber seine grünen Augen leuchteten immer noch, und sein Lächeln verriet Selbstbewusstsein.

Georgia hielt sich bewusst von Männern wie Sutton Winchester fern. Im Geschäftsleben war er ein durchtriebener Fuchs, anders ließ es sich nicht beschreiben. Es gab keine Methode, für die er sich nicht zu schade gewesen wäre. Skrupellos setzte er jedes Mittel ein, um zu bekommen, was er wollte. Mehr als einmal hatte er damit Newport bei einem Deal aus dem Rennen geworfen. Andere Unternehmen hatte er gleich in die Pleite getrieben.

Georgia ließ ihr Handy wieder in der Tasche verschwinden. Der Kuss war vergessen, als sie sich auf die nächsten Schritte konzentrierte, die sie unternehmen mussten.

Carsons Blick verriet eiserne Entschlossenheit. „Wir müssen schnell handeln. Ich werde nicht zulassen, dass dieser Bastard uns bei dem Deal zuvorkommt.“

„Es kann nicht sein, dass Winchester gewinnt!“, empörte sich Graham.

Carson reichte seinem älteren Bruder die Schüssel mit dem heißen Popcorn. Er hoffte, dass sie nicht den ganzen Abend über dieses Thema reden mussten, aber es war klar, dass Graham es noch nicht abhaken konnte. „Glaubst du, das wüsste ich nicht?“

„Ist unser Angebot schon rausgegangen?“, fragte Brooks, Grahams Zwillingsbruder.

Die beiden sahen einander sehr ähnlich. Beide waren gut fünf Zentimeter größer als Carson, hatten blondes Haar und blaue Augen. Carson konnte sie leicht auseinanderhalten: Brooks Stirn war immer sorgenvoll gefurcht. Eben diesen Ausdruck zeigte er auch jetzt, als er mit drei Flaschen Bier aus der Küche kam.

Carson nickte und ging, um eine Tüte M&M’s zu holen sowie eine Schachtel Twizzlers, eine Art Lakritze, die sie alle drei gern aßen.

„Ich habe noch vom Grundstück aus angerufen und ein Angebot abgegeben. Der Anwalt der Verkäuferseite hat nichts über andere Angebote gesagt, auch nicht über das von Winchester. Wir haben keine Ahnung, ob unser Preis mit dem der anderen mithalten kann. Deswegen bleibt uns nichts anderes übrig, als abzuwarten und zu sehen, ob sie vielleicht mit einem Gegenangebot kommen, bevor sie sich entscheiden.“

Carson setzte sich zu seinen Brüdern auf die Couch. „Können wir dieses Thema damit jetzt fallen lassen und uns in Ruhe den Malteser Falken ansehen?“

„Na gut.“ Graham schob sich eine Handvoll Popcorn in den Mund.

Es war der erste Donnerstag des Monats, und das hieß, es war der Kinoabend der Newports. Schon als die Jungen noch klein gewesen waren, hatten sie sich mit ihrer Mutter und Gerty auf der Couch versammelt, um zusammen alte Schwarz-Weiß-Filme anzusehen.

Gerty war Witwe. Sie hatte zusammen mit der Mutter der Brüder in einem Café als Serviererin gearbeitet. Das war noch vor Carsons Geburt gewesen. Als Gerty aufhörte zu arbeiten, lud sie Cynthia und ihre Söhne ein, zu ihr zu ziehen. Das Apartment, das ihre Mutter sich damals leisten konnte, war winzig. Die drei Jungen brauchten dringend mehr Platz. Gerty dagegen mochte nicht allein in ihrem großen Haus sein und freute sich, die Familie bei sich zu haben. Somit war allen geholfen.

Gerty war keine Blutsverwandte gewesen, aber sie war die einzige Familie, die die Newport-Brüder sonst gehabt hatten. Aus Gründen, die nur ihre Mutter kannte und über die sie sich beharrlich ausschwieg, wurden der Vater der Jungen und der Rest ihrer Familie nicht erwähnt.

Als Carson und seine Brüder älter wurden und Cynthia bedrängten, sagte sie nur, ihr Vater sei grausam, und sie habe sich von ihm getrennt, um sie alle vor ihm zu schützen. Sie bestand darauf, dass sie besser dran waren ohne ihn, und sie nahm ihnen das Versprechen ab, nicht nach ihm zu suchen.

Die Jungen waren nicht glücklich darüber, fanden sich aber über lange Zeit damit ab. Sie wollten ihre Mutter nicht verletzen, indem sie nach einem Mann suchten, von dem sie offensichtlich nichts Gutes erwarten konnten. Sie hatten ihre temperamentvolle Pseudo-Tante Gerty und ihre Mutter – jemand anderes brauchten sie nicht.

Sie waren noch in der Highschool gewesen, als Gerty an Krebs starb. Sie hinterließ ihnen genügend Geld, damit sie das College besuchen und etwas aus sich machen konnten. Und genau das taten Carson und seine Brüder. Sie gründeten Newport Corporation und wurden reicher, als sie es je erwartet hatten, indem sie Grundstücke kauften und Bauprojekte entwickelten. Ohne das Geld von Gerty wäre es ihnen nicht möglich gewesen, also ehrten sie die Erinnerung an sie, indem sie sich einmal im Monat trafen, um gemeinsam Bier zu trinken und alte Filme anzusehen.

„Verdopple das Angebot“, drängte Graham, bevor er die Fernbedienung aufnahm und den Film startete.

„Das können wir uns nicht leisten.“

Brooks war wie immer die Stimme der Vernunft. Ohne ihn hätte Graham sich mit seinen meist hochfliegenden Ideen sicher schon das eine oder andere Problem eingehandelt.

„Irgendwo werden wir das Geld schon auftreiben.“ Graham drückte die Pausentaste, noch bevor der Film begonnen hatte.

Carson seufzte. Er wusste, dass Graham es nicht dabei bewenden lassen würde. Wenn er eine Idee im Kopf hatte, konnte er einfach nicht loslassen. Da war er wie eine Bulldogge, die ihren Knochen verteidigte. Das machte ihn zwar zu einem erfolgreichen Anwalt, aber ziemlich anstrengend als Bruder.

Graham war der Anwalt der Firma, verbrachte aber die meiste Zeit in seiner Kanzlei Mayer, Mayer und Newport. Brooks war offiziell der COO der Firma, der Chief Operations Officer, zuständig für das Kerngeschäft mit den Bauprojekten. Er arbeitete weitgehend von seiner Villa am Lake Michigan aus. Carson als Geschäftsführer leitete die Firma, die sie gemeinsam gegründet hatten. Das hielt seine Brüder aber nicht davon ab, jede seiner Entscheidungen kritisch unter die Lupe zu nehmen.

„Kein Problem“, bemerkte Carson trocken. „Wir könnten damit anfangen, dass wir unseren Firmenanwalt entlassen und seinen Firmenwagen einkassieren.“

„Hey!“ Graham stieß Carson empört seinen Ellbogen in die Rippen.

Carson gab ihm den Stoß zurück. Als Jüngster war er es gewohnt, von seinen älteren Brüdern unter Druck gesetzt zu werden, aber er hatte es schon vor langer Zeit gelernt, sich zur Wehr zu setzen. Jetzt waren sie in den Dreißigern, aber an ihrem Verhältnis zueinander hatte sich nichts geändert.

„Du hast gesagt, wir sollen das Geld auftreiben. Du hast nicht gesagt, wo. Gibst du jetzt endlich Ruhe, damit wir den Film sehen können?“

Graham seufzte. „Na gut.“

Brooks schnappte sich die Fernbedienung und drückte auf Play. Der Vorspann lief noch, als Graham einen Blick auf seine Flasche warf und sagte: „Gerty würde uns ausschimpfen, wenn sie wüsste, dass wir dieses Luxusbier trinken.“

Carson schnaubte zustimmend. Gerty hatte sich zum Film immer nur ein ganz normales Budweiser gegönnt. Sie hätte diesen neuen Lebensstil im Luxus nicht gutgeheißen.

„Ich vermisse Gerty“, sagte Brooks und stoppte den Film, gerade als die ersten Bilder von San Francisco erschienen.

„Ich vermisse Mom“, setzte Carson hinzu.

Die drei Brüder schwiegen eine Weile und dachten an die beiden Frauen, die sie verloren hatten.

Der Tod ihrer Mutter war so plötzlich gekommen, und ihr Leben war so hektisch, dass sie ihren Tod noch kaum bewusst verarbeitet hatten. Jetzt gab es nur noch sie drei. Es war ein trauriger Gedanke, den Carson zu vermeiden versuchte. Er deprimierte ihn zutiefst.

„Wann wollen wir ihr Haus räumen?“, fragte Graham.

Das hatten sie bisher noch vor sich hergeschoben. Sie hatten die Haushälterin ihrer Mutter gebeten, alles Verderbliche wegzuwerfen und das Haus zu verschließen, bis sie irgendwann in der Lage sein würden, sich darum zu kümmern. Nun waren acht Wochen vergangen, und keiner von ihnen hatte einen Fuß in Cynthias Haus gesetzt.

Brooks seufzte. „Irgendwann müssen wir es ja tun. Wir können das Haus nicht einfach so dastehen lassen wie ein Mausoleum.“

„Ich mache das“, erbot sich Carson. Es überraschte ihn selbst. „Aber zuerst möchte ich mich um diesen Grundstücksdeal kümmern. Ich habe das Gefühl, ich werde jetzt erst mal eine Weile mit Sutton Winchester beschäftigt sein.“

„Bist du sicher? Ich meine wegen des Hauses?“ Brooks runzelte die Stirn. „Du musst das nicht allein tun.“

Carson schüttelte den Kopf. „Ihr beide habt keine Zeit. Außerdem möchte ich es gern. Vielleicht hilft es mir, ihre Sachen zu ordnen. Vielleicht fühle ich mich dann weniger …“

„Allein?“

„Ja, vielleicht.“

„Glaubt ihr …“ Graham zögerte. „Glaubt ihr, wir könnten in ihren Sachen irgendeinen Hinweis auf unseren Vater finden?“

Diese Frage hatte Carson sich auch schon mehrfach gestellt, aber nicht gewagt, sie laut auszusprechen. „Mom würde nicht wollen, dass wir ihn suchen.“

„Unser Vater mag der Bastard sein, als den sie ihn uns immer hingestellt hat …“, warf Brooks ein, „… aber er ist nicht der Einzige, den wir finden könnten. Vielleicht haben wir noch Geschwister, Cousins und Cousinen, Großeltern … Es ist doch möglich, dass wir irgendwo eine ganze Familie haben. Wollt ihr nicht wissen, woher wir kommen? Dann könnten wir endlich unseren Familienstammbaum vervollständigen. Ich weiß, Mom hat versucht, uns davon abzuhalten, die Wahrheit herauszufinden, aber da sie nun nicht mehr da ist … Ich meine, sie kann nicht wollen, dass wir uns so isoliert fühlen.“

„Wir könnten es zumindest versuchen“, bemerkte Graham. „Vielleicht ist es dumm, und es tut uns später leid, aber zumindest wissen wir dann Bescheid, oder?“

Seine Brüder hatten recht. Carson wusste es. Sie hatten alle drei das Gefühl, irgendwie nicht dazuzugehören.

Herauszufinden, wo sie herkamen, auch wenn es dabei nicht zu der glücklichen Familienzusammenführung kommen sollte, die sie sich insgeheim erhofften, würde eine Lücke für sie schließen. Die Fragen würden immer bleiben, wenn sie nicht versuchten, die Wahrheit herauszufinden.

Da ihre Eltern nicht geheiratet hatten und der Name ihres Vaters auf den Geburtsurkunden fehlte, war das Haus ihrer Mutter vielleicht die letzte Chance, Licht in das Dunkel zu bringen. Danach würden alle möglichen Hinweise auf dem Müll landen.

„Ich halte die Augen offen, okay?“, versprach Carson. „Falls ich etwas finde, das uns weiterhilft, lasse ich es euch wissen.“

Seine Brüder nickten zustimmend, und Brooks drückte nun zum dritten Mal auf die Play-Taste.

2. KAPITEL

„Mr. Newport? Miss Adams für Sie, Sir.“

„Schicken Sie sie herein“, bat Carson seine Assistentin.

Georgia hatte sich das Haar an diesem Tag zu einem Knoten gebunden, sodass ihre hohen Wangenknochen gut zur Geltung kamen. Sie trug einen grauen Hosenanzug, dessen Farbe exakt zum Grau ihrer Augen passte.

Carson bemühte sich stets, Georgias Äußeres nicht zu sehr zu beachten, aber meist misslang es ihm. Sie war eine modebewusste Frau, die genau wusste, was sie tragen musste, um ihre perfekten Kurven zu betonen. Als ihr Boss sollte er nicht auf diese Dinge achten, und doch konnte er sich nicht davon abhalten.

Seit dem Kuss vor ein paar Tagen wusste er jetzt, wie sich dieser Körper unter seinen Händen anfühlte und dass ihr Lipgloss den Geschmack von Erdbeeren hatte. Sein Verlangen nach ihr war stärker denn je. Doch wenn es je eine Zeit gegeben hatte, in der er sich auf seine Arbeit konzentrieren sollte und nicht auf die Leiterin seiner PR-Abteilung, dann war es jetzt.

„Gibt es etwas Neues?“ Sie nahm auf dem Besucherstuhl Platz.

„Ich habe heute Morgen mit den Besitzern gesprochen“, sagte Carson. „Ihre Entscheidung ist immer noch nicht gefallen. Ich habe sie gebeten, uns eine Chance zu geben, unser Angebot nachzubessern, bevor sie sich für jemand anderen entscheiden. Das heißt natürlich nicht, dass Winchester nicht dasselbe tut und den Preis in eine Höhe treibt, bei der wir nicht mehr mitgehen können.“

„Ich hasse dieses Warten“, gestand Georgia.

Carson lehnte sich zurück. „Ich auch. Wie könnten wir die Zeit nutzen?“

„Na ja …“ Georgia holte ihren Tablet-PC hervor. „Ich finde, wir sollten versuchen, mit Sutton Winchester zu reden.“

„Ist das dein Ernst?“ Carson sah sie fassungslos an.

„Wieso nicht? Es muss doch möglich sein, den Mann irgendwie zu erreichen. Unser Projekt soll kranken Kindern helfen. Das kann er nicht verhindern wollen.“

Carson lachte leise. „Du hast den Mann ganz offensichtlich noch nicht persönlich kennengelernt. Weißt du, dass er sich selbst den König von Chicago nennt? Ein Mann mit einem solchen Ego schreckt vor nichts zurück. Und es interessiert ihn auch nicht, etwas Gutes zu tun. Ihm geht es nur ums Geschäft. Wenn wir den Kontakt zu ihm suchen, geben wir uns als Mitbewerber zu erkennen. Er wird den Preis in die Höhe treiben, nur um sich daran zu weiden, wie wir in die Knie gehen.“

„Wenn wir wissen, dass er bietet, dann bin ich sicher, dass er es auch von uns weiß. Was er vielleicht nicht weiß, ist, was wir mit dem Land vorhaben. Das könnte doch einen Unterschied machen und ihn dazu bewegen, sich zurückzuziehen.“

Carson lächelte schief. „Du bist eine unverbesserliche Optimistin.“

„Wahrscheinlich könnte man es so sehen.“ Nach einem Moment setzte Georgia etwas mysteriös hinzu: „Manchmal kann es nur besser werden.“

Carson wusste nicht, was er darauf sagen sollte. Er wusste nur, dass sie recht hatte. Es konnte nicht schaden, Sutton Winchester anzurufen und von Mann zu Mann mit ihm zu reden. Winchester gehörte noch zur alten Schule. Möglicherweise schätzte er es, wenn Carson die Flucht nach vorn antrat. Es war möglich, dass es nichts brachte, aber zumindest musste er sich dann später nicht vorwerfen, es nicht versucht zu haben.

„Okay, du gewinnst“, sagte er. „Ich rufe ihn an, aber mach dir nicht zu große Hoffnungen.“

Er suchte die Nummer am Computer heraus und wählte. Georgia verfolgte es mit einer Mischung aus Aufregung und Anspannung. Carson war sicher, dass diese Gefühle bald der Enttäuschung weichen würden. Er wollte ihr nicht die Laune verderben, aber wenn es um Sutton Winchester ging, war das wohl unvermeidlich.

Eine Frauenstimme meldete sich. „Hier Elite Industries, das Büro von Mr. Winchester. Wie kann ich Ihnen helfen?“

„Hier ist Carson Newport. Ich würde gern mit Sutton sprechen.“

„Einen Moment bitte, Mr. Newport.“

Die irritierende Musik einer Warteschleife erklang. Gereizt trommelte Carson mit den Fingern auf seine Schreibtischplatte. Es dauerte fast zwei Minuten, bevor sich jemand meldete.

Zunächst war nur ein Husten zu hören. „Carson Newport!“, bellte dann eine tiefe Männerstimme. „Ich habe nicht erwartet, von Ihnen zu hören. Was kann der König von Chicago für Newport Corporation tun?“ Der Ton verriet eine unangenehme Überheblichkeit.

Carson verkniff sich die Bemerkung, die ihm spontan in den Sinn kam. „Guten Tag, Sutton“, sagte er stattdessen. „Ich rufe an wegen des Projekts am See, zu dem Sie vor einigen Tagen eine Pressemitteilung herausgegeben haben.“

„Nicht schlecht, oder? Unverbaubarer Blick aufs Wasser. Für die besten Lagen habe ich schon jetzt eine Liste potenzieller Käufer. Sind Sie an einer Wohnung interessiert, Carson? Ich reserviere gern die beste Ecklage für Sie. Deckenhohe Fenster mit Blick auf den Lake Michigan.“

Carson knirschte mit den Zähnen. „Ein nettes Angebot, Sutton, aber ich suche keine Wohnung, sondern ein Grundstück für ein Kinderkrankenhaus.“

Für einen Moment blieb es still in der Leitung.

„Nobel, nobel“, bemerkte Sutton dann trocken.

„Ich glaube, das Cynthia-Newport-Krankenhaus für Kinder wird der Stadt gut anstehen. Meine Mutter hat sich sehr für kranke Kinder engagiert.“

Das Schweigen am anderen Ende dehnte sich. Da Carson nicht wusste, was in Sutton vorging, fuhr er fort: „Das Problem ist, wir haben dafür genau das Grundstück im Auge, das Sie für Ihre Eigentumswohnungen im Visier haben. Wir haben unser Angebot offenbar kurz nach Ihnen gemacht.“

„Wie schade.“

Carson spürte Ärger in sich aufsteigen. Der andere Mann war offensichtlich nicht gewillt, es ihm leicht zu machen. Er wollte gebeten werden, sein Angebot zurückzuziehen.

„Ich möchte Sie überzeugen, uns das Grundstück für das Krankenhaus zu überlassen.“

„Ich fürchte, das kann ich nicht, Carson. Das Projekt ist zu lukrativ.“

„Sutton, ich …“

„Ich mache Ihnen einen Vorschlag“, unterbrach Winchester ihn. „Wie wäre es morgen gegen drei? Sie schicken Ihre kleine PR-Dame herüber. Ich diskutiere die Sache mit ihr, und dann sehen wir, ob wir zu einem Arrangement kommen können.“

Carson spürte plötzlich, dass er seine Hand zur Faust geballt hatte, so als wolle er dem Mann durch die Leitung einen Schlag versetzen. Er zwang sich bewusst, die Finger auszustrecken und bemerkte dabei, dass Georgia ihn neugierig beobachtete.

„Was ist?“, fragte sie lautlos.

Er konnte nur den Kopf schütteln und sie mit einer Geste bitten, zu warten. „Was soll das, Sutton?“

„Sie ist morgen um drei hier, oder die Diskussion ist beendet“, fuhr Winchester ihn an. „Dann können Sie und Ihre kranken Kinder sich woanders erholen.“

Es knackte in der Leitung. Sutton Winchester hatte aufgelegt. Carson musste ein paar Mal tief durchatmen, bevor er die Sprache wiederfand.

„Was hat er gesagt?“ Georgia sah ihn gespannt an.

„Er hat abgelehnt.“ Carson hatte nicht die Absicht, sie über Winchesters Forderung zu informieren. Der Mann hatte einen eindeutigen Ruf, was junge, attraktive Frauen betraf. Niemals würde Carson irgendeine Frau, die er kannte, nahe an ihn heranlassen, schon gar nicht Georgia. Er fühlte sich irgendwie als ihr Beschützer, obwohl sie offiziell nicht mehr als Chef und Angestellte waren. „Ich wusste ja, er würde nicht nachgeben.“

„Was genau hat er gesagt?“

Carson lehnte sich zurück und fuhr sich mit den Fingern durch das blonde Haar. „Es spielt keine Rolle, Georgia. Der Punkt ist, dass er nicht nachgeben will.“

Sie beugte sich vor. „Verrat es mir, sonst sage ich deinem Bruder, Sutton hat dir eine Alternative geboten, aber du weigerst dich, sie anzunehmen.“

Er fuhr auf. „Das ist Erpressung!“

Sie schlug lässig die wohlgeformten Beine übereinander. Sie konnte nicht viel größer sein als eins siebzig, aber Carson hatte manchmal das Gefühl, dass mindestens zwei Drittel davon auf ihre Beine entfielen. Er hatte schon manches Mal daran gedacht, wie sich diese Beine wohl anfühlen mochten, wenn sie sie um seine Hüften schlang …

„Carson!“

Er kehrte jäh aus seinem Tagtraum zurück und zuckte resigniert die Schultern. „Okay. Er will sich mit dir treffen.“ Er spie die Worte voller Verachtung aus.

„Mit mir? Was soll das denn?“

„Wir reden hier von Sutton Winchester. Er hat speziell nach dir gefragt. Ich bin mir ziemlich sicher, er will nicht nur mit dir reden, Georgia.“

Sie sah ihn einen Moment verblüfft an. „Wow!“

„Ich kann dich nicht in die Höhle des Löwen schicken. Aller Wahrscheinlichkeit nach macht es letztlich ohnehin keinen Unterschied. Wir müssen einfach unser Angebot erhöhen und hoffen, dass es genug ist.“

„Nein.“

Carson runzelte die Stirn. „Was willst du damit sagen?“

„Ich gehe. Er hat nach mir gefragt, also bin ich vielleicht diejenige, die ihn noch umstimmen kann.“

„Das Risiko kann ich nicht eingehen, Georgia. Wenn dieser Kerl Hand an dich legte, würde ich es mir nie verzeihen.“

„Unterschätz mich nicht, Carson! Es hat eine Zeit gegeben, in der ich jeden Tag um alles kämpfen musste. Ich kann mich behaupten. Falls er aufdringlich wird, habe ich immer mein Pfefferspray dabei.“

Jetzt war es an Carson, schockiert zu sein. Im Geiste sah er vor sich, wie sich der König von Chicago schreiend auf dem Boden wälzte und sich die Augen rieb. Das hätte er nur zu gern gesehen.

Allerdings durfte er bei alledem etwas nicht vergessen: Er hatte seinen Brüdern versprochen, dieses Krankenhausprojekt umzusetzen. Ob es ihm nun gefiel oder nicht, er musste jede Gelegenheit nutzen, auch wenn es bedeutete, Georgia zu diesem Bastard zu schicken.

„Okay“, erklärte er schließlich. „Du kannst zu ihm gehen. Unter einer Bedingung: Du nimmst Big Ron mit.“

Der Chef der Security von Newport war ein ehemaliger Gewichtheber. Er hatte Carson einmal erzählt, dass er einem Mann eine Ohrfeige verpasst und ihm dabei versehentlich den Kiefer gebrochen hatte. Big Ron konnte mit Sutton fertigwerden, falls nötig.

Georgia überlegte einen Moment. „Okay. Aber er bleibt draußen bei der Sekretärin, es sei denn, ich rufe ihn herein.“

„Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?“

„Nein, danke.“ Georgia saß vor dem großen Eichenschreibtisch von Sutton Winchester und zupfte nervös am Kragen ihrer Bluse. Nach Carsons Warnung trug sie an diesem Tag statt eines Rocks eine lange Hose und hatte die Bluse bis zum Hals zugeknöpft.

Es war lange her, dass sie sich derart hochgeschlossen gezeigt hatte. Wahrscheinlich das letzte Mal, als sie bei Mrs. Anderson gelebt hatte. Die Frau war fanatisch religiös gewesen und schwor Stein und Bein, dass jeder Zentimeter Haut, den Georgia der Welt präsentierte, einen guten Mann zur Sünde verführen würde. Als Georgia schließlich erwachsen war, hätte allerdings auch ein Rollkragen ihre Reize nicht mehr verbergen können.

Sie spürte, wie Suttons Blick über ihren Körper glitt. Die Julihitze in Chicago war absolut unerträglich, aber im Moment wünschte Georgia, einen dicken Mantel angezogen zu haben.

Sutton schenkte sich einen Drink ein und lehnte sich zurück. Er hatte wenig Ähnlichkeit mit dem Foto, das sie in der Pressemitteilung gesehen hatte. Er war immer noch ein großer und ziemlich attraktiver Mann, aber seine grünen Augen wirkten irgendwie glanzlos. Trotz seines breiten Lächelns sah er zehn Jahre älter aus als auf dem Foto.

„Sie haben sich sicher gefragt, wieso ich Sie hierher gebeten habe.“

„Allerdings. Es gibt qualifiziertere Mitarbeiter bei Newport, um Ihnen das Krankenhausprojekt zu erklären. Aber ich werde mein Bestes versuchen. Das jetzige Kinderkrankenhaus ist viel zu klein und technisch nicht mehr auf dem neuesten Stand. Unsere Pläne …“

Sutton hob eine Hand, um sie zu unterbrechen. „Sie können aufhören, Miss Adams. Um ehrlich zu sein, wollte ich mit Ihnen nicht über den Grundstücksdeal sprechen.“

Georgia hob erstaunt die Augenbrauen. Also hatte Carson recht gehabt. Verstohlen schob sie eine Hand in ihre Tasche und umklammerte die Dose mit dem Pfefferspray. „Darf ich erfahren, wieso Sie mich herbestellt haben, Mr. Winchester?“

„Bitte nennen Sie mich Sutton.“ Sein Lächeln sollte sie einlullen, aber Georgia war hellwach. In ihren Jahren bei verschiedenen Pflegefamilien hatte sie notgedrungen eine gute Menschenkenntnis erworben. Sie hatte nur wenige Minuten gebraucht, um zu wissen, dass bei diesem Mann höchste Vorsicht geboten war.

„Ich habe Sie neulich in den Nachrichten gesehen, als es darum ging, dass Newport einen Wohltätigkeitslauf unterstützt. Ich war sehr beeindruckt von Ihnen. Beeindruckt genug, um meine Leute zu bitten, sich näher mit Ihnen zu befassen. Für jemanden in Ihrem Alter haben Sie eine bemerkenswerte Karriere hingelegt.“

Georgia bemühte sich, nicht das Gesicht zu verziehen. Sie war sehr stolz auf das, was sie erreicht hatte. Sie hatte alles dafür getan, nicht noch eine Nummer in der traurigen Statistik des Pflegesystems über hoffnungslose Fälle zu werden. Der Job bei Newport Corporation war bisher die Krönung ihrer Laufbahn. Aber es gefiel ihr nicht, dieses Lob von einem Mann wie Sutton Winchester zu hören. Vielleicht lag es daran, wie er sie dabei ansah.

„Mein Leiter der PR-Abteilung ist unlängst in den Ruhestand gegangen. Ich habe keinen einzigen Bewerber für die Stelle, der Ihnen das Wasser reichen könnte.“

Georgia rang sich ein Lächeln ab. „Zum Glück für die anderen habe ich bereits einen Job.“

Sutton rieb sich nachdenklich das Kinn. „Das ist richtig. Aber ich glaube, Sie könnten eine noch bessere Stelle bekommen.“

Ihr Puls raste, als Sutton sich erhob und um seinen Schreibtisch herum zu ihr kam. Er blieb vor ihr stehen und lehnte sich gegen den Tisch. Der Saum seiner Hose berührte ihr Fußgelenk. Sie zog ihre Beine rasch unter den Stuhl.

„Was wollen Sie damit sagen, Mr. Winchester?“

„Ich möchte Ihnen vorschlagen, fortan für mich zu arbeiten, Georgia.“

Dazu würde es nie kommen. Sie mochte seine Geschäftspraktiken nicht. „Und wieso sollte ich das tun wollen?“

Sutton lachte leise. „Zum einen wäre es die natürliche Fortsetzung Ihrer Karriere. Jeder möchte für das beste Unternehmen arbeiten, und Elite Industries ist das beste. Außerdem gibt es natürlich diverse Vorzüge. Wir bieten eine Kindertagesbetreuung im Haus, ein Fitness-Center und einen Monat Urlaub. Außerdem können Sie wenigstens einen Tag pro Woche von zu Hause aus arbeiten.“

Es klang nicht schlecht. Wenn sie denn eine neue Stelle gesucht hätte. Aber das war nicht der Fall.

„Dann wäre da noch das Antrittsgeld“, sagte Sutton.

Georgia beschloss, ihm auf den Zahn zu fühlen. Sie hatte sich umgehört, um zu sehen, ob ihr Gehalt dem entsprach, was andere Unternehmen zahlten. Falls Elite Industries tatsächlich eine Stufe höher anzusetzen war, wie er behauptete, dann sollte sich hinter diesem Angebot eine ansehnliche Zahl verbergen.

„Von was für einem Betrag reden wir?“

„Eine Million.“

Sie musste schlucken. Das hatte sie nicht erwartet. Ein Antrittsgeld von einer Million Dollar? Was für ein Gehalt stellte er sich denn vor, wenn schon das Antrittsgeld derart astronomisch war? „Das ist sehr g…großzügig“, stotterte sie. „Wo ist der Haken?“

Sutton lächelte breit. „Kluges Mädchen. Wie Sie sicher wissen, gibt es nichts auf der Welt umsonst. Wobei ich es nicht als Haken sehen möchte – mehr als ein Arrangement von beiderseitigem Vorteil. Ich möchte, dass Sie mehr als eine Angestellte für mich sind, Georgia.“

Er sagte es so beiläufig, als böte er ihr einen Drink an.

Georgia brauchte einen Moment, um zu begreifen: Er wollte, dass sie seine Geliebte wurde! Carson hatte sie gewarnt, dass Sutton Winchester hinter den Frauen her war, aber niemals hätte sie erwartet, ein solches Angebot von ihm zu erhalten. So, als sei es völlig normal, dass sie ihm auch sexuell zu Diensten stand. War seine Geliebte ebenfalls in den Ruhestand gegangen?

„Ich fühle mich geschmeichelt, Mr. Winchester, aber ich muss passen. In jeder Hinsicht“, setzte sie kühl hinzu.

Ein Ausdruck unverkennbarer Enttäuschung glitt über Suttons Züge und verschwand so schnell, wie er gekommen war. „Sie müssen sich nicht gleich entscheiden“, beharrte er. „Gehen Sie nach Hause, und denken Sie in Ruhe über mein Angebot nach. Stellen Sie sich vor, was Sie mit einer Million Dollar machen könnten. Wann auch immer Sie Ihre Meinung ändern, ich warte auf Sie.“

Georgia hatte nicht die Absicht, auf sein Angebot einzugehen. Nicht einmal für eine Million Dollar. Abgesehen davon, dass der Mann dem Alter nach ihr Vater hätte sein können, war er einfach nicht ihr Typ. Und auch wenn er dreißig Jahre jünger wäre, hätte sie trotz seines guten Aussehens seine Persönlichkeit so abgeschreckt, dass nie etwas aus ihnen geworden wäre. Kein Geld der Welt hätte daran etwas ändern können.

Selbst wenn Sutton der attraktivste Mann der Welt gewesen wäre, hätte sie nicht seine Angestellte sein wollen. Schlimm genug, dass sie sich einen Moment vergessen und Carson geküsst hatte.

Sie hatte eine unsichtbare Grenze überschritten und ihren Boss geküsst, und sie bedauerte es. Zumindest meistens. Der Kuss an sich war unglaublich gewesen. Sie wollte mehr von Carson und war doch entschlossen, es nie dazu kommen zu lassen. Mit dem Boss zu schlafen, wäre nicht klug. Zudem war es ein Klischee. Sie weigerte sich, klischeehaft zu sein. Und sie weigerte sich, ihren Job bei Newport aufs Spiel zu setzen.

Intime Beziehungen am Arbeitsplatz führten nur zu Problemen. Georgia wollte jeden Tag die beste Arbeit abliefern. Das konnte sie nicht, wenn Carson in der Nähe war und sie ständig an ihn denken musste. Es wurde alles nur kompliziert.

Der Grundstücksdeal war eine willkommene Ablenkung von dem, was zwischen ihr und Carson passiert war, aber sobald er abgeschlossen war, mussten sie sich beide mit dem befassen, was vorgefallen war.

„Ich werde darüber nachdenken, Mr. Winchester, aber an meiner Antwort wird sich nichts ändern. Was ist jetzt mit dem Kinderkrankenhaus?“

Sutton verschränkte die Arme vor der Brust. „An meiner Antwort hat sich auch nichts geändert. Wir werden uns beide mit dem Besitzer des Grundstücks auseinandersetzen. Möge der Bessere – oder der Reichere – gewinnen. Es sei denn, Sie überlegen sich Ihr Nein auf mein Angebot noch einmal … Wenn Sie Ihre Meinung ändern, könnte ich es eventuell auch tun.“

Das war noch schlimmer, als sie befürchtet hatte. Nun versuchte er tatsächlich ganz offen, sie zu erpressen.

Wie weit war sie bereit, für kranke Kinder zu gehen? Sehr weit, aber so weit dann doch nicht. Sie war mit so gut wie nichts aufgewachsen, aber bisher war es ihr gelungen, an ihren Prinzipien festzuhalten.

Es gab nichts mehr zu sagen. Georgia erhob sich und warf sich die Tasche über die Schulter. „Ich nehme an, unser Gespräch ist hiermit beendet.“

Sutton ergriff ihre Hand. Er schüttelte sie kurz und hielt sie dann länger in seiner als nötig. Dabei ließ er seinen Daumen über ihren Handrücken gleiten. Es ekelte sie an.

„Überdenken Sie mein Angebot, Georgia. Es gibt viele Eltern mit kranken Kindern, die alles geben würden, um ihr Kind zu retten. Letztlich ist es doch ein kleines Opfer, wenn man so vielen helfen kann …“

Georgia entriss ihm ihre Hand und rieb sie am Stoff ihrer Hose, um das Gefühl seiner Berührung abzuwischen. „Auf Wiedersehen, Mr. Winchester.“

3. KAPITEL

„Er hat was?“ Carson verlor selten die Beherrschung im Büro, aber an Georgias erschreckter Reaktion erkannte er, dass er gerade so laut gebrüllt hatte, dass sogar die Buchhaltung am anderen Ende des Korridors ihn gut hören konnte.

„Es tut mir leid“, fuhr er in halbwegs normalem Ton fort. „Bitte sag mir, dass ich dich falsch verstanden habe.“

Er sah an ihrer Miene und ihrer Körperhaltung, dass dem nicht so war. Er hatte immer gewusst, dass Sutton Winchester ein Bastard war, aber diesmal war er eindeutig zu weit gegangen.

„Bring mich nicht dazu, es zu wiederholen, Carson“, sagte Georgia leise.

Am liebsten hätte er beschützend die Arme um sie gelegt, aber nach dem Tag, den sie hinter sich hatte, lag ihr wahrscheinlich wenig daran, von einem Mann berührt zu werden. Nicht einmal von ihm. So schnell, wie sie sich vor ein paar Tagen von ihrem Kuss distanziert hatte, lag ihr wahrscheinlich überhaupt nichts daran, je wieder von ihm berührt zu werden.

Sein Blick glitt durch das Büro. Vielleicht war ein Kulissenwechsel angesagt. „Darf ich dich auf einen Drink einladen?“

Georgia warf einen Blick auf die Uhr. „Ich kann mich im Moment sowieso nicht auf die Arbeit konzentrieren, wieso also nicht?“

Es war keine überschwängliche Reaktion, aber die erwartete er auch nicht, nachdem sie direkt aus Suttons Büro hierhergekommen war. Er steckte sich sein Handy ein und begleitete Georgia zum Fahrstuhl. Sie steuerten den Irish Pub an, in dem Carson und seine Brüder im Laufe der Jahre viel Zeit und Geld gelassen hatten.

Da der offizielle Bürotag noch nicht zu Ende war, war es in der Bar nicht so voll wie sonst. Sie suchten sich einen freien Tisch in einer ruhigen Ecke. Carson bestellte sich ein Guinness, während Georgia sich für einen Apfelsaft entschied.

Einen Moment saßen sie einfach nur da und schwiegen. Er wollte sie nicht drängen, aber er musste die ganze Geschichte erfahren. Brooks und Graham würden sich sehr dafür interessieren, wie tief Sutton Winchester an diesem Tag gesunken war.

Georgia seufzte. „Es läuft alles darauf hinaus, dass Sutton nicht auf das Grundstück verzichten wird. Es ist ihm einerlei, ob wir dort ein Kinderkrankenhaus bauen wollen oder Wohnungen für einbeinige Waisen. Nein, das stimmt nicht ganz“, schränkte sie ein. „Er sagte, er könnte seine Position noch einmal überdenken, falls ich bereit sei, auf sein großzügiges Angebot einzugehen.“

Carson hielt das Glas so fest umklammert, dass er schon fürchtete, es zu zerbrechen. „Wie sah dieses Angebot aus?“

„Zunächst hat er mir den Job der Leiterin seiner PR-Abteilung angeboten mit einem Antrittsgeld von einer Million Dollar.“

Das überraschte Carson nicht. Sutton war dafür bekannt, dass er seinen Mitbewerbern die besten Mitarbeiter ausspannte. Sie hatten schon etliche gute Leute an ihn verloren. Aber seit wann waren solche Antrittsgelder üblich?

„Ich wusste gar nicht, dass er so freigiebig ist“, bemerkte er verblüfft.

„So würde ich das nicht nennen.“ Georgia lachte leise. „Wie schon gesagt: Das Kleingedruckte hatte es in sich. Ich hätte auch seine Geliebte sein sollen. Dann wäre er bereit, auf den Grundstücksdeal zu verzichten.“

„Hat er dich irgendwie angefasst?“ Carson fragte nur ungern, aber falls Sutton die Grenzen überschritten hatte, konnte Georgia ihn verklagen. Sie war nicht seine Angestellte, aber zumindest könnten sie vor Gericht gehen und seinen Namen in den Schmutz ziehen.

„Nicht wirklich. Er hat meine Hand länger als nötig gehalten, aber es hätte wesentlich schlimmer kommen können.“

„Gott sei Dank.“ Carson hatte ohnehin Gewissensbisse, dass er sie überhaupt zu dem Mann hatte fahren lassen, aber wäre Sutton auch noch körperlich zudringlich geworden, hätte er es sich nie verziehen. „Es tut mir wirklich leid. Er ist ein noch größeres Schwein, als ich dachte. Wo war Ron in der ganzen Zeit? Er sollte dich doch begleiten.“

„Das hat er. Aber ich habe dir gleich gesagt, ich würde ihn im Vorzimmer warten lassen.“

„Du hast ihn nicht gerufen, als Sutton zudringlich wurde?“

„Nein. Er hat mich ja nicht angerührt. Er hat mir einfach nur ein Angebot gemacht, das ich ausgeschlagen habe.“ Georgia hob eine Hand, um seinem Protest zuvorzukommen. „Ich weiß, ich weiß. Aber ich hatte alles unter Kontrolle. Mein Finger lag die ganze Zeit auf dem Auslöser des Pfeffersprays. Sutton ist selbstsicher und arrogant, aber nicht dumm. Er würde es nicht riskieren, dass eine Frau schreiend aus seinem Büro rennt. Das wäre schlecht fürs Geschäft.“

Das war wohl wahr. Es gab nur eines, was Sutton Winchester noch mehr liebte als die Frauen, und das war Geld. Er würde nichts tun, was seinem Geschäft schaden könnte.

Das änderte nichts an Carsons Bedenken. Georgia war überzeugt, sich selbst schützen zu können, aber er hatte seine Zweifel.

Sie war eine zierliche Frau. Mit ihrem platinblonden Haar und diesem Wahnsinnskörper zog sie überall die Blicke der Männer auf sich. Ihm war es bei ihrem ersten Treffen nicht anders ergangen. Er hatte sogar erwogen, sie nicht einzustellen und sie stattdessen zum Essen einzuladen. Letztlich hatte dann doch der Verstand über seine Hormone gesiegt. Sie war clever, erfahren und einfach die perfekte Kandidatin für den Job.

„Ich muss mich bei dir entschuldigen, Georgia.“

„Das hast du schon getan. Es ist doch nicht deine Schuld, Carson. Du hast mich von Anfang an vor ihm gewarnt. Aber ich hätte mir nicht vorstellen können, dass er tatsächlich so unverfroren ist.“

Carson schüttelte den Kopf. „Mir tut leid, was heute passiert ist, aber nicht dafür habe ich mich entschuldigt. Ich meinte den Kuss am See.“

Georgias Miene verhärtete sich. Er spürte, dass ihr das Thema unangenehm war. „Carson, ich …“

„Nein, lass es mich sagen“, unterbrach er sie. „In dem Moment fühlte es sich einfach richtig an. Aber nach dem, was heute passiert ist, ist mir klar, wie sehr ich mich danebenbenommen habe. Wenn ich mich dafür nicht entschuldige, bin ich wie er.“

Georgia legte ihre Hand auf seine. „Du wirst niemals so sein können wie dieser Mann.“

Carson sah sie an und bemerkte zum ersten Mal den dunkelgrünen Schimmer in ihren grauen Augen. Es war eine ungewöhnliche Farbe. Ihr Blick schien ihn zu durchdringen. Es war, als könne sie bis in sein tiefstes Inneres sehen.

Er senkte den Blick und sah Georgias Hand auf seiner. Unwillkürlich verschränkte er seine Finger mit ihren.

Erst jetzt registrierte er, wie weich ihre Haut war. Sein Puls ging schneller. Er erinnerte sich daran, wie sie sich in seinen Armen angefühlt hatte. Erinnerte sich, wie lange es gedauert hatte, bis sein Körper sich von der Reaktion erholt hatte, die sie in ihm geweckt hatte.

Carson verstand es nicht. Georgia war eine schöne Frau, aber er hatte schon viele schöne Frauen gehabt. Sie war smart und witzig, und auch das hatte er schon in anderen Frauen erlebt. Aber noch nie hatte eine Frau solche Gefühle in ihm ausgelöst wie Georgia. In den letzten Tagen genügte schon ein Hauch ihres Parfums im Korridor, und seine Gedanken kreisten nur um sie.

Carson hasste Sutton dafür, dass er es auf Georgia abgesehen hatte, aber er konnte ihn auch verstehen. Sie hatte die Macht, einen Mann zu verzaubern, ohne es bewusst darauf anzulegen. Eine Million Dollar war für Sutton ein Griff in die Portokasse, aber es war dennoch ein bemerkenswertes Angebot. Carson fragte sich, was es ihm selbst wert wäre, sie bei sich zu haben.

Die Antwort war eindeutig: eine Million und mehr.

Als er aufsah, bemerkte er, dass Georgias Gesichtsausdruck sich verändert hatte. Sie wirkte besorgt. Er begriff, dass er sich an sie klammerte, als fürchte er, von der Erdscheibe geschleudert zu werden, falls er sie losließe.

Er löste sich sofort von ihr. „Es tut mir leid. Das hat es wahrscheinlich nur noch schlimmer gemacht. Ich … ich weiß auch nicht, wieso es mir so schwerfällt, bei dir die professionelle Distanz zu wahren. Das Problem habe ich bisher noch nie gehabt.“

Sie nickte knapp und leerte ihr Glas, ohne ihn dabei anzusehen. „Ich verstehe. Wir sind schließlich nur Menschen. Wir arbeiten viel zusammen, also ist die Versuchung da. Aber wir sind beide stark, wir können damit umgehen.“

Georgia sagte das zwar, aber er hatte den Eindruck, dass sie nicht so recht daran glaubte. Und plötzlich fiel ihm etwas auf: Sie hatte von wir gesprochen. So, als habe sie dasselbe Problem. Das würde die leicht geröteten Wangen erklären, wenn er sie im Korridor begrüßte, und ihre leidenschaftliche Reaktion auf seinen Kuss.

Es war schlimm genug, dass er sich zu ihr hingezogen fühlte, aber zu wissen, dass das Gefühl auf Gegenseitigkeit beruhte, würde es ihm noch schwerer machen.

Sie mussten sich auf die Arbeit konzentrieren! Darin waren sie gut, und das war die beste Ablenkung. Für sie beide.

„Wie gehen wir weiter vor?“, fragte er. „Wir müssen uns das Grundstück sichern, ganz einerlei, was Sutton will.“

Georgia überlegte einen Moment. Dann blitzte es in ihren grauen Augen. „Was hält uns davon ab, auch in die Trickkiste zu greifen?“

Lächle! Sieh in die Kameras! Konzentrier dich!

„Ich möchte mich bei Ihnen dafür bedanken, dass Sie heute so zahlreich erschienen sind.“ Georgia blendete die Blitzlichter der Kameras und die Mikrofone aus, die ihr hingehalten wurden. Da sie für die PR der Firma zuständig war, fielen Pressekonferenzen in ihr Ressort, aber sie war nach wie vor nervös dabei. Vor allem heute. Dies war ihre Chance, den Grundstücksdeal zu ihren Gunsten zu wenden, und sie durfte es nicht in den Sand setzen.

„Die Newport Corporation ist ein Familienunternehmen. Es wurde von den Brüdern Brooks, Graham und Carson Newport als kleine Immobilienfirma gegründet und ist inzwischen zu sehr viel mehr geworden. Der Geschäftsführer Carson Newport hat mir einmal erzählt, sie wussten, es würde ein Erfolg, als sie ihrer Mutter, Cynthia Newport, ein Haus kaufen konnten und sie nicht mehr arbeiten musste.“

Georgia atmete kurz durch. „Die Liebe dieser drei Männer zu ihrer Mutter ist der Grund, wieso ich Sie heute hierher eingeladen habe. Cynthia nutzte ihre neue Freiheit, indem sie sich im örtlichen Krankenhaus mit kranken Kindern beschäftigte. Sie hat ihnen vorgelesen, hat mit ihnen gespielt und den Kindern geholfen, ihre Schmerzen und ihre Ängste wenigstens für kurze Zeit zu vergessen.“

Georgia warf einen schnellen Blick auf ihre Notizen. „Alle Mitarbeiter der Newport Corporation waren zutiefst betroffen über den Tod von Cynthia Newport vor zwei Monaten. Sie erlag im Alter von nur fünfundfünfzig Jahren einem Hirn-Aneurysma. Cynthias Söhne haben entschieden, dass sie das Andenken ihrer Mutter am besten ehren können, indem sie sich dem Thema widmen, das ihr so am Herzen lag. Ladys und Gentlemen …“ Georgia zog das Deckblatt von dem Flipchart an ihrer Seite. „Hier sehen Sie den Entwurf für das Cynthia-Newport – Krankenhaus für Kinder.“

Sie wartete einen Moment, bis das Klacken der Kameras verebbte. „Es wird die bestausgestattete Klinik für Kinder in den USA sein. Die modernste Technik, kombiniert mit den fortschrittlichsten Behandlungsmethoden und dem besten Personal.“

Georgia entdeckte Carson hinter den Reportern. Sie waren zu der heutigen Pressekonferenz zahlreich erschienen und bildeten einen Halbkreis im Innenhof des Newport – Gebäudes. Carson war leicht auszumachen, besonders mit seinem Bruder Brooks an der Seite, der fast immer der größte Mann im Raum war, es sei denn, Graham war auch da. Die beiden wirkten wie nordische Götter in maßgeschneiderten Anzügen.

Auch Carson sah aus wie ein Halbgott, halb Mensch, halb Unsterblicher. Gerade real genug für sie, um das Gefühl zu bekommen, sie könne eine Chance bei ihm haben – und Traummann genug, um sich seinetwegen keinen Illusionen hinzugeben.

Georgia konzentrierte sich wieder auf ihren Vortrag. „Nach langem Suchen hat die Newport Corporation den idealen Platz für das Krankenhaus gefunden, direkt am Lake Michigan. Leider sind wir nicht die einzige Firma, die ein Auge auf dieses Grundstück geworfen hat. Unlängst hat Elite Industries vielleicht etwas voreilig verkündet, dort Luxuswohnungen bauen zu wollen.“

Sie legte eine kurze strategische Pause ein. „Wir hoffen, mit Unterstützung der Öffentlichkeit unsere Pläne für ein Krankenhaus verwirklichen zu können, ganz gleich, wie viel Geld unsere Mitbewerber bieten mögen“, fuhr sie dann fort. „Die Stadt braucht dieses Krankenhaus wesentlich dringender als weitere Wohnungen für die oberen Zehntausend.“

Sie schlug das nächste Blatt auf, das einen Überblick über die geplante Kampagne in den sozialen Netzwerken gab.

„Zeigen Sie uns Ihre Unterstützung, indem Sie dazu unter dem Hashtag #NewPortMemorial4Kids Ihre Meinung sagen. Zusammen können wir diesen Traum Wirklichkeit werden lassen. Nun dürfen Sie gern Fragen stellen.“

Nach zehn Fragen war die Pressekonferenz beendet. Georgia sammelte ihre Unterlagen ein und verließ das Podium.

„Wie war ich?“, fragte sie Carson und Brooks.

„Wunderbar.“ Carson schien höchst erfreut.

„Danach hat Winchesters Angebot keine Chance mehr bei den Verkäufern.“ Brooks hielt sein Handy hoch. „Zwei Sender haben die Pressekonferenz live gebracht, und wir haben schon über zweihundert Tweets unter unserem Hashtag. Wenn das Ganze in den Abendnachrichten wiederholt wird, sollte die Zahl der Tweets explodieren.“

Georgia atmete erleichtert auf. Sie hoffte, dass es funktionierte. Falls den Verkäufern des Grundstücks allerdings mehr am Geld gelegen war, dann hatte Sutton Winchester immer noch gute Karten.

Nachdem die Reporter gegangen waren, begaben sie sich in Carsons Büro.

„Möchtest du auch einen Drink, Georgia?“, fragte Brooks. „Du hast ihn wirklich verdient.“

„Ich glaube, ich verzichte“, sagte sie. Das Adrenalin der Pressekonferenz ebbte langsam ab, und sie sehnte sich nach einem Moment der Ruhe. „Falls ihr nichts dagegen habt, würde ich heute gern etwas eher nach Hause fahren und mir die Nachrichten im Fernsehen ansehen.“

Carson schien enttäuscht zu sein, versuchte aber offenbar, es sich nicht anmerken zu lassen.

„Verständlich“, sagte er. „Hab dein Handy in der Nähe. Falls der Verkäufer unser Angebot akzeptiert, sollst du die Erste sein, die es erfährt.“

Eine halbe Stunde später schloss Georgia erleichtert die Tür ihrer Wohnung hinter sich. Sie liebte ihr Loft. Sie hatte es sich gekauft, als sie den ersten gut bezahlten Job bei einer größeren Firma sicher hatte. Sie konnte sich den Kauf damals kaum leisten, aber sie hatte sich danach gesehnt, endlich ein eigenes Dach über dem Kopf zu haben.

Ihre Kindheit war nicht leicht gewesen. Ihre Mutter war zum Zeitpunkt ihrer Geburt noch ein Teenager gewesen und von zu Hause fortgelaufen. Georgia erinnerte sich nicht an die ersten Jahre, aber ihre zuständige Sozialarbeiterin beim Jugendamt hatte ihr später erzählt, dass ihre Mutter drogenabhängig geworden war und sich prostituierte, um an ihre Suchtmittel zu kommen. Im Alter von drei Jahren hatte das Amt Georgia ihrer Mutter weggenommen und sie bei Pflegefamilien untergebracht.

Danach war sie von einer Familie zur nächsten gekommen. Nirgends war sie länger als ein Jahr geblieben, und nirgends hatte sie sich wirklich zu Hause gefühlt. Sie versuchte jetzt, nicht zu oft an ihre Kindheit in Detroit zu denken, aber es war so viel von dieser Zeit hängen geblieben, dass sie das, was sie jetzt hatte, wirklich zu schätzen wusste.

Dieses Loft mit den deckenhohen Fenstern und dem modernen Industrietouch war alles, was sie sich je erträumt hatte. Die Wände hatte sie in warmen, einladenden Farben gestrichen, und die gemütliche Couch war übersät mit Kissen. Obwohl sie nie kochte, hatte sie die Küche mit der neuesten Technik ausgestattet. In ihrer Wanne hätte sie schwimmen können, und ihre Dusche hätte einer ganzen Party Platz geboten. Einmal die Woche kam ein Reinigungsdienst, sodass immer alles makellos sauber war.

Es war wunderbar. Der perfekte Zufluchtsort vor der Welt. Nicht einmal der längste und härteste Tag im Büro konnte verhindern, dass sie lächelte, wenn sie abends zur Tür hereinkam.

Wie immer duschte sie rasch und schlüpfte dann in einen ihrer kuscheligen Pyjamas, bevor sie sich ein Glas Pinot Grigio gönnte und ihre Bestellung beim chinesischen Lieferdienst aufgab. Das Essen wurde wenige Minuten vor den Nachrichten gebracht. Der Bericht über Newport kam im zweiten Block, sodass sie ihr Kung Pao Chicken schon halb genossen hatte. Sie sah sich nicht gern auf dem Bildschirm, zwang sich aber dennoch, es anzuschauen. Das hatte ihre Sprecherzieherin allen ihren Studenten nahegelegt. Nur so konnte sie die nervösen Äh-Laute und andere sprachliche Mängel erkennen.

Alles in allem war es nicht schlecht gelaufen. Ihre Stimme klang rauchig wie beim Telefonsex, aber das ließ sich nicht ändern. Ihr waren nur zwei nervöse Ähs herausgerutscht, sonst klang alles sehr gut. Professor Kline wäre stolz auf sie.

Am Ende des Berichts wurde der Hashtag ihrer Kampagne gezeigt, unter dem die Zuschauer ihre Zustimmung demonstrieren konnten. Georgia griff nach ihrem Smartphone, um sich die Reaktionen anzusehen. Es gab Tausende von Kommentaren auf Twitter und auf anderen Kanälen. Das Echo war überwältigend.

Georgia biss sich nervös auf den Daumennagel, während sie durch die Beiträge scrollte. Es könnte funktionieren. Sie hoffte es sehr. Ihr drehte sich der Magen um, wenn sie sich vorstellte, dass Winchester das Grundstück bekam und dort Eigentumswohnungen baute. Aus Erfahrung wusste sie zwar, dass das Leben nicht immer fair oder gerecht war, aber sie hoffte zuversichtlich, dass sie diesmal als Siegerin vom Platz gehen würde.

Der Rest der Nachrichten zog sich hin. Georgia kaute lustlos an ihrer Mahlzeit und hörte nur noch mit halbem Ohr zu. Sie wartete auf das Klingeln des Telefons. Es musste einfach kommen.

Sie war bei ihrem zweiten Glas Wein, als die Nachrichten zu Ende waren. Das Telefon schwieg immer noch. Nervös wanderte Georgia durch ihr Loft, trat schließlich ans Fenster und sah auf die Skyline der Stadt hinaus. Die Sonne ging gerade unter. Überall flammten Lichter auf.

Georgia war so vertieft in ihre Gedanken, dass sie fast einen halben Meter in die Luft sprang, als das Telefon klingelte. Hastig rannte sie in die Küche, wo sie ihr Smartphone liegen gelassen hatte.

„Ja?“ Sie hielt vor Spannung den Atem an.

„Unser Angebot ist akzeptiert worden!“, verkündete Carson triumphierend. „Der Anwalt sagte, es sei das höchste gewesen, und letztlich hätten sie wegen der Sendung beschlossen, keinen Bieterkampf auszulösen. Wir haben das Grundstück, Georgia! Das haben wir nur dir und deiner harten Arbeit zu verdanken.“

„Danke. Aber das Projekt war den Einsatz doch wirklich wert. Ich freue mich riesig, dass es nun vorangehen kann.“

„Sobald alle Verträge unterzeichnet sind, werden wir die Grundsteinlegung feiern. Dein Team soll alles vorbereiten. Aber zuerst einmal werden wir am kommenden Freitag zum Start des Projekts eine Cocktailparty für die Firma ansetzen. Rebecca ist schon dabei, alles zu arrangieren. Hol deine Tanzschuhe raus!“

4. KAPITEL

Der Kauf ging tatsächlich problemlos über die Bühne. Die Anwälte regelten die Details, und Georgia konnte sich um andere Dinge kümmern. Sobald das Grundstück Newport gehörte, wollte sie mit den Vorbereitungen der Grundsteinlegung beginnen. Anschließend waren Wohltätigkeitsveranstaltungen zu organisieren, um Spenden zu sammeln.

Aber an diesem Abend war Feiern angesagt.

Carsons Assistentin hatte ein schickes Bistro an der Magnificent Mile