Die Ohnmacht der Macht. Die Macht der Ohnmacht. -  - E-Book

Die Ohnmacht der Macht. Die Macht der Ohnmacht. E-Book

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Beschreibung

Wer übt in der globalisierten Welt tatsächlich Macht aus? Die Beiträge der Convoco Edition diskutieren das Zusammenspiel von Macht und Ohnmacht aus verschiedenen Perspektiven und fragen: Wie stehen wissenschaftliche Beratung und Politik zueinander? Wer hat Macht über den Euro? Wie mächtig ist die EZB? Wie gehen wir mit geopolitischem Machtzerfall um? Was bedeuten die neuen Player wie Google und Facebook für unsere existierenden Machtstrukturen? Wie muss sich unser Machtverständnis wandeln, damit es zeitgemäß und nicht ohnmächtig wird? Mit Beiträgen u. a. von Clemens Fuest, Thomas Hoeren, Wolfgang Ischinger, Kai Konrad, Stefan Korioth, Christoph Paulus, Albrecht Ritschl, Jörg Rocholl, Roger Scruton und Brendan Simms.

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Seitenzahl: 201

Veröffentlichungsjahr: 2016

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Die Ohnmacht der MachtDie Macht der Ohnmacht

Herausgegeben von

Corinne Michaela Flick

WALLSTEIN       CONVOCO! EDITION

Die fast unlösbare Aufgabe besteht darin, weder

von der Macht der anderen, noch von der eigenen Ohnmacht sich dumm machen zu lassen.

Theodor W. Adorno (1903-1969)

Inhalt

Einführung

Thesen

Corinne M. Flick

Gedanken zum Verhältnis von Macht und Ohnmacht

Clemens Fuest

Grau ist alle Theorie? Ohnmacht und Macht der wissenschaftlichen Politikberatung

Stefan Korioth

Wissenschaft und Politik: Monologe, Gespräche unter Abwesenden oder fruchtbarer Dialog?

Brendan Simms

Das Paradox deutscher Macht und Ohnmacht in Europa: eine historische Sicht

Wolfgang Ischinger

Diplomatie und Macht: Zum Einsatz militärischer Mittel in der internationalen Politik

Albrecht Ritschl

Wem gehört der Euro? Gemeinschaftswährung und nationale Machtlosigkeit in der europäischen Schuldenkrise

Kai A. Konrad

Macht und Ohnmacht der EZB

Jörg Rocholl

Über den Wert politischer Beziehungen von Unternehmen

Thomas Hoeren

Die Macht der Daten und die Datenqualität

Hans Ulrich Obrist und Simon Denny im Gespräch

Kunst, Holakratie und der Wandel von Machtstrukturen

Christoph G. Paulus

Gedanken zur Bändigung von Macht

Roger Scruton

Die Macht der Ohnmächtigen: Gedanken nach Václav Havel

Die Autoren

Einführung

Liebe Convoco-Freunde,

im Mittelpunkt der Convoco Edition steht das Thema »Die Ohnmacht der Macht. Die Macht der Ohnmacht. Wer übt in der globalisierten Welt tatsächlich die Macht aus?« Beleuchtet wird die Schnittstelle, an der sich Politik, Wirtschaft und Wissenschaft treffen. Es geht um Expertise, Beratung und – natürlich – um Beeinflussung.

Macht und Ohnmacht kommen immer als Paar. Sie sind nur scheinbar Gegensätze. Es gilt, diese Verquickung und Abhängigkeit zwischen Macht und Ohnmacht zu beleuchten. Das Verhältnis zwischen Entscheidungsträger und Berater steht hierbei im Blickpunkt. Der Experte und Berater in der klassischen Rolle des Ohnmächtigen hat die Macht, Macht zu beeinflussen. Wenn sein Rat gehört wird, kommt ihm eine wichtige Funktion zu: Er schafft für den Entscheider den Zugang zur Welt, indem er Entscheidungsmöglichkeiten aufzeigt. Die Entscheidungen des Entscheidungsträgers sind somit weniger frei, da er sich auf den Rat seiner Ratgeber und Experten verlässt. So sind beide, Berater und Entscheider, voneinander abhängig.

Ein Beispiel für die Schwierigkeit des Verhältnisses von Wissenschaft und Politik – also Berater und Beratenem – zeigt Bertolt Brecht in seinem Stück »Leben des Galilei«. Um den Machthabern, den Medici, zu gefallen, »schenkt« Galileo Galilei ihnen die von ihm entdeckten Jupitermonde, indem er sie die »Mediceischen Gestirne« nennt. Mit dieser Entdeckung hat er den Beweis für die Existenz des heliozentrischen Planetensystems erbracht. Doch die Gesandten des Hofes sind nicht einmal bereit, durch das Fernrohr zu blicken. Sie werfen Galilei vor, die Sterne auf die Linse gemalt zu haben. Die wissenschaftliche Erkenntnis gefährdete die Strukturen, auf denen die Macht basierte. Ein klassischer Fall von Beratungsresistenz.

Zur gleichen Zeit ist wichtig, Licht in den Vorraum der Macht zu werfen. Man sollte erkennen, welchen Einfluss Berater haben, welche Rolle ihr Wirken spielt, damit zum Beispiel der demokratische Prozess nicht unterwandert wird oder Transparenz verloren geht. Der Souverän – das Volk – muss sich darauf verlassen können, dass seine gewählten Vertreter nicht Gutachter und Gremien entscheiden lassen oder ihre Verantwortung gar auf Letztere abwälzen.

Dieser Band diskutiert die Fragen: Was ist Macht? Was heißt heute wirksam werden? Wie erzielen wir Wirkung? Wie stehen wissenschaftliche Beratung und Politik zueinander? Wer hat Macht über den Euro? Wie mächtig ist die EZB? Wie gehen wir mit geopolitischem Machtzerfall um? Wie schränkt man Macht ein? Wie muss sich unser Machtverständnis wandeln, damit es zeitgemäß und nicht ohnmächtig wird? Auf die letzte Frage gibt Roger Scruton in seinem Beitrag eine Antwort: »Wahre Souveränität, wahre Freiheit, wahre Verantwortung sind ein und dasselbe […] Man ist nicht deswegen frei, weil man tun kann, was man will, oder seine Wünsche befriedigen kann. […] Es ist die Macht, die in der Wahrheit selbst liegt, in der Fähigkeit, dem anderen im offenen Dialog gegenüberzutreten und anzuerkennen, dass dieser andere das Recht hat, anderer Meinung zu sein.«

Corinne Michaela Flick, im Januar 2016

Thesen

Dass die Macht nicht alleine kommt, sondern an die Ohnmacht gekoppelt ist, scheint nur auf den ersten Blick paradox. In Wirklichkeit sind Macht und Ohnmacht nur scheinbare Gegensätze. Sie gehören zusammen wie zwei Seiten einer Medaille, sie bedingen einander gegenseitig. Es besteht eine Dialektik zwischen beiden.

Corinne M. Flick

Mindestens ebenso wie große Persönlichkeiten in Politik und Politikberatung brauchen wir exzellente Wissenschaft, eine verständliche Kommunikation der Politikberater und einen Wettstreit der Argumente. Wettstreit der Argumente bedeutet, dass wir Auseinandersetzung und Dissens in der Debatte nicht als negativ, sondern als fruchtbar verstehen sollten. Theorie ist nicht grau, Politikberatung hat die Macht, die sie braucht. Wenn Beiträge aus der Politikberatung zu öffentlicher Auseinandersetzung führen, dann funktioniert Politikberatung. Gerade in Deutschland brauchen wir nicht mehr Konformismus, sondern mehr fruchtbaren Dissens. Der beste Hüter des Gemeinwohls ist letztlich weder die Politik noch die Politikberatung, sondern eine streitlustige, kritische und lebendige Öffentlichkeit.

Clemens Fuest

Wissenschaft und Politik haben sich seit 1945 nicht voneinander entfernt. Ganz im Gegenteil. Das Bewusstsein, aufeinander angewiesen zu sein, ist eher stärker als schwächer geworden. Eine Konstante der Entwicklung liegt darin, dass Wissenschaft heute mehr von ihrem gesellschaftlichen und politischen Umfeld geprägt ist, als sie diesem umgekehrt ihre Signaturen geben kann. Was ihr in jedem Fall als Verpflichtung bleibt, ist die Wahrung ihrer Unabhängigkeit, beginnend mit der Formulierung ihrer Fragen, endend bei den Antwortversuchen.

Stefan Korioth

Die Geschichte zeigt, dass eine erfolgreiche Staatenunion nicht aus einem allmählichen Zusammenwachsen unter relativ ruhigen Bedingungen hervorgeht, sondern durch scharfe Brüche in extremen Krisenzeiten. Sie entwickeln sich nicht langsam, sondern entstehen mit einem »großen Knall«. Es sind Ereignisse, keine Prozesse. Die politische Vereinigung Europas, die der Kontinent so dringend braucht, erfordert daher einen einzigen kollektiven Willensakt seiner Regierungen und Eliten und letztlich seiner Bürger.

Brendan Simms

Auch künftig werden Konflikte immer wieder mit militärischer Macht ausgetragen. Die Theorie allerdings, dass sich mit überwältigender militärischer Dominanz alles lösen lasse, hat sich als Trugschluss erwiesen. Man hat verstanden – eine Erkenntnis, die man auf Clausewitz zurückführen kann –, dass sich mit militärischen Mitteln in aller Regel nur militärische Probleme lösen lassen. Wenn aber ein politisches Problem zu lösen ist, bedarf es vor allem eines politischen Konzepts, zu dessen Umsetzung es unter Umständen des Militärischen bedarf.

Wolfgang Ischinger

Keine Lösung des Staatsschuldenproblems bedeutet die Verewigung des Ausnahmezustands: ein Euro, der langlebiger ist als man dachte, der weicher ist als man wollte, und in dem ein ungeordneter Finanzausgleich die schwachen an die starken Länder bindet, ob man das will oder nicht. Solange die Schuldenfrage in Europa ungeregelt bleibt, ist die EZB unangefochtene Krisenmanagerin, Herrin eines verewigten Ausnahmezustands und der eigentliche Souverän der Eurozone.

Albrecht Ritschl

Die mächtige EZB befindet sich heute mehr denn je in einer Position der Ohnmacht. Das scheinbar paradoxe Argument lautet dabei, die EZB habe nicht zu wenig Handlungsoptionen, sondern zu viele. Aus verhandlungstheoretischer Sicht schwächt sie dieses breite Mandat. In der Rolle des Samariters muss die EZB ihr mächtiges Instrumentarium zur Krisenbereinigung einsetzen, statt ein klares, geldpolitisches Ziel in völliger Unabhängigkeit zu verfolgen.

Kai A. Konrad

Der Grat zwischen legitimem Lobbyismus und zu verurteilender Korruption ist schmal, daher ist es besonders wichtig, die Kriterien zu beschreiben, die sicherstellen können, dass politische Verbindungen von Unternehmen in nachvollziehbarer und transparenter Weise eingesetzt werden.

Jörg Rocholl

Macht hat viel mit Wissen, mit dem Zugriff und der Verwertung von Daten, zu tun. Doch die Frage der Datenqualität wird im Rahmen der Macht-Diskussion kaum gestellt. Dies hat auch damit zu tun, dass juristische Standards für Datenqualität fehlen.

Thomas Hoeren

Ist es nicht interessant, dass Menschen, die für angebliche Geheiminstitutionen wie die NSA arbeiten, ihre Projekte online stellen? Wenn man sich die Zeit nimmt, kann man problemlos von der Art ihrer Arbeit in diesen Institutionen auf ein Team, eine Gruppe von Mitarbeitern schließen. Die öffentliche Darstellung in den sozialen Medien unterläuft quasi die Geheimhaltung der Regierungsstelle.

Simon Denny

Ausgehend von der Antithese von Macht und Ohnmacht, bei der die Rollenverteilung keineswegs geklärt ist, weil der Mächtige der Ohnmächtige und der Ohnmächtige der Mächtige sein kann, zeigt sich, dass Machtentfaltung Gegenbewegungen auslöst, die die Macht zu bändigen versuchen. Je nachdem, um welche Machtbasis es dabei geht, ob sie also veränderbar ist oder nicht, sind die Methoden der Bändigungsversuche unterschiedlich. Immer aber ist ihnen die Besonderheit zu eigen, dass sie wie das Wasser in kommunizierenden Röhren in wechselseitiger Abhängigkeit stehen.

Christoph G. Paulus

Wo die herrschende Macht keine Autorität besitzt, erzeugt die Suche nach der Autorität – selbst wenn es nur eine charismatische und persönliche Autorität ist – Macht einer anderen Art. Und zwar eine Macht, die in einer Art wirkungsvoll ist, wie es sich die »Autoritäten«, wie sie sich ironisch selbst bezeichnen, niemals erhoffen können; nämlich die Macht, die Herzen und Seelen der Menschen zu bewegen und sich mit ihnen in dem zu verbinden, was Pato√ka die »Solidarität der Erschütterten« nannte. Es ist eine Macht, die entsteht, wenn man die Wahrheit da platziert, wo sie hingehört, in das Zentrum unseres Lebens und an den Anfang und das Ende unseres Diskurses.

Roger Scruton

Corinne M. Flick

Gedanken zum Verhältnis von Macht und Ohnmacht

Was heißt heute wirksam werden?

Zunächst ist der Begriff Macht neutral. Macht ist weder positiv noch negativ zu verstehen. Erst durch die Art und Weise, wie Macht angewendet wird, wird sie zur guten bzw. unterdrückenden Kraft.

Für den Soziologen Max Weber bedeutete Macht »jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht«.[1] Macht ist die Fähigkeit, andere seinem Willen zu unterwerfen, also das Handeln anderer zu steuern. Ziel dabei ist, Kontrolle über die Wirkung des Handelns zu haben.[2] Denn es geht bei der Ausübung von Macht vornehmlich um die Wirksamkeit des Tuns. Macht zu haben bedeutet, Wirkung zu erzielen, indem man etwas auslöst bzw. etwas verhindert, nicht nur etwas unternimmt bzw. für oder gegen etwas handelt. Dieser Gedanke findet sich vor allem in der chinesischen Kultur. Auch der Philosoph Rainer Forst versteht Macht als das Vermögen, »den Raum der Gründe für andere bestimmen oder gegebenenfalls sogar verschließen (oder auch aufschließen) zu können«. Macht ist dementsprechend das Vermögen, andere dazu zu motivieren, etwas zu denken bzw. etwas zu tun, das sie sonst nicht gedacht oder getan hätten. »Das bedeutet, dass der wirkliche Machtvorgang sich auf der Ebene der Gründe abspielt.« Hier, so könnte man sagen, findet der eigentliche Kampf um Macht statt.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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