Die Pilger der Wildnis - Johannes Scherr - E-Book

Die Pilger der Wildnis E-Book

Johannes Scherr

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Beschreibung

Eine historische Novelle. Scherr war einer der vielseitigsten Kenner der Literatur- und Kulturgeschichte und ein sprachgewandter und geistvoller Schriftsteller, dessen Leben und Wirken in gleichem Maße der Schweiz wie Deutschland angehörte.

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Die Pilger der Wildnis.

Johannes Scherr

Inhalt:

Johannes Scherr – Biografie und Bibliografie

Die Pilger der Wildnis.

Erstes Buch.

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

Zweites Buch.

1.

2.

3.

4.

5.

6.

Drittes Buch.

1.

2.

3.

4.

5.

6.

Viertes Buch.

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

13.

14.

15.

16.

17.

18.

Die Pilger der Wildnis., J. Scherr

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

ISBN: 9783849634971

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Johannes Scherr – Biografie und Bibliografie

Schriftsteller, geb. 3. Okt. 1817 in Hohenrechberg bei Schwäbisch-Gmünd, gest. 21. Nov. 1886 in Zürich, besuchte das Gymnasium in Gmünd und die Universitäten in Zürich und Tübingen, wirkte dann eine Zeitlang als Lehrer und ließ sich 1843 in Stuttgart nieder. wo er 1844 mit der Schrift »Württemberg im Jahr 1844« den politischen Kampfplatz betrat, auf dem er sich in den nächsten Jahren als Vorkämpfer aller freiheitlichen Bestrebungen hervortat. 1848 wurde er in die württembergische Abgeordnetenkammer und in den Landesausschuß gewählt und stand während der Revolutionszeit an der Spitze der demokratischen Partei, weshalb er nach Auflösung der Kammer 1849 nach der Schweiz flüchtete. Er ließ sich zunächst in Winterthur nieder, wo er längere Zeit schriftstellerisch tätig lebte, bis er 1860 als Professor der Geschichte und Literatur an das eidgenössische Polytechnikum in Zürich berufen wurde. Außer einer Reihe von Romanen und Erzählungen (darunter: »Schiller«, Leipz. 1856; 3. Aufl. 1902, 2 Bde.; »Michel. Geschichte eines Deutschen unserer Zeit«, Prag 1858, 4 Bde.; 10. Aufl., Leipz. 1905, 2 Bde.; »Rosi Zurflüh«, Prag 1860; »Die Gekreuzigte«, St. Gallen 1860; 2. Aufl., Leipz. 1874) sowie einigen humoristischen Schriften veröffentlichte er: »Bildersaal der Weltliteratur« (Stuttg. 1848; 3. Aufl. 1884, 3 Bde.), woraus im Sonderdruck der »Bildersaal der deutschen Literatur« (1887) erschien; »Deutsche Kultur- und Sittengeschichte« (Leipz. 1852–53, 11. Aufl. 1902); »Allgemeine Geschichte der Literatur« (Stuttg. 1851; 10. Aufl. als »Illustrierte Geschichte der Weltliteratur«, das. 1900, 2 Bde.); »Geschichte der deutschen Literatur« (2. Aufl., Leipz. 1854); »Geschichte der englischen Literatur« (das. 1854, 3. Aufl. 1883); »Geschichte der Religion« (das. 1855 bis 1857, 2 Bde.; 2. Aufl. 1859); »Dichterkönige« (das. 1855; 2. Aufl. 1861, 2 Bde.); »Geschichte der deutschen Frauenwelt« (das. 1860; 5. Aufl. in 2 Bdn. 1898); »Schiller und seine Zeit« (illustrierte Quartausgabe, das. 1859, 3. Aufl. 1902; Volksausgabe, 4. Aufl. 1865); »Drei Hofgeschichten« (das. 1861, 3. Aufl. 1875); »Farrago« (das. 1870); »Dämonen« (das. 1871, 2. Aufl. 1878); »Blücher, seine Zeit und sein Leben« (das. 1862–63, 3 Bde.; 4. Aufl. 1887); »Studien« (das. 1865–66, 3 Bde.); »Achtundvierzig bis Einundfünfzig« (das. 1868–70, 2 Bde.; 2. Aufl. u. d. T.: »1848, ein weltgeschichtliches Drama«, das. 1875); »Aus der Sündflutzeit« (das. 1867); »Das Trauerspiel in Mexiko« (das. 1868); »Hammerschläge und Historien« (Zürich 1872, 3. Aufl. 1878; neue Folge 1878); »Sommertagebuch des weiland Dr. gastrosophiae Jeremia Sauerampfer« (das. 1873); »Goethes Jugend« (Leipz. 1874); »Menschliche Tragikomödie«, gesammelte Studien und Bilder (das. 1874, 3 Bde.; 3. Aufl. 1884, 12 Bde.); »Blätter im Winde« (das. 1875); »Größenwahn, vier Kapitel aus der Geschichte menschlicher Narrheit« (das. 1876); das Prachtwerk »Germania. Zwei Jahrtausende deutschen Lebens kulturgeschichtlich geschildert« (Stuttg. 1876–78, 6. Aufl. von H. Prutz, 1905); »1870–71. Vier Bücher deutscher Geschichte« (Leipz. 1878, 2 Bde.; 2. Aufl. 1880); »Das rote Quartal« (das. 1882); »Vom Zürichberg«, Skizzen (das. 1881); »Porkeles und Porkelessa« (Stuttg. 1882, 3. Aufl. 1886); »Haidekraut«, neues Skizzenbuch (Teschen 1883); »Neues Historienbuch« (Leipz. 1884); »Gestalten und Geschichten« (Stuttg. 1885); »Die Nihilisten« (u. Aufl., Leipz. 1885); »Letzte Gänge« (Stuttg. 1887). S. war ein vorzugsweise der eigentümlichen darstellenden und räsonierenden Weise Th. Carlyles nachgearteter Schriftsteller, von blitzender Lebendigkeit, begeistert oder maßlos in seinen Abneigungen, von schneidiger Schärfe und gelegentlich körnigster Grobheit, in seinen letztern Schriften jedoch allzusehr der Kopist seiner eignen Manier. Ein Teil seiner Erzählungen erschien gesammelt als »Novellenbuch« (Leipz. 1873–77, 10 Bde.).

Die Pilger der Wildnis.

Erster Band

Erstes Buch.

1.

He, hussah, ho! Die Jagd ist los, Die Jagd zur See, und pfeilschnell schoß Wie durch die Luft durchs Meer der Kahn – Bluträcher folgten seiner Bahn.

Dana.

Die schneidend kalten Nordostwinde, welche in den nördlich gelegenen Küstenstaaten der Union von Nordamerika den Anbruch des Frühlings zu verzögern pflegen, hatten im Jahre 1675 länger als gewöhnlich geweht. Die dichten Forste, welche damals den Boden der Kolonien von Neu-England noch überreichlich bedeckten, waren bis in den Monat Mai hinein mit Schnee und Eis angefüllt gewesen. Erst die zweite Hälfte dieses Monats hatte mildere Lüfte gebracht, und unter der Einwirkung einer wolkenlosen Sonne war dem rasch weichenden Winter die Jahreszeit der Blüten auf dem Fuße gefolgt. Die zahllosen Flüsse und Bäche sandten wieder fessellos ihre rauschenden Wasser aus dem Dunkel der Wälder hervor und dem Meere zu; die Vegetation erwachte mit der diesem Lande eigentümlichen Raschheit, das junge Grün schlang sein fröhliches Netz binnen weniger Tage über unermeßliche Länderstrecken hin, Busch und Kraut schlugen unterm Sonnenkusse die Blütenaugen auf, und in den lauwarmen Nächten sang der Whippoor-Will, die Nachtigall der transatlantischen Hemisphäre.

Die Morgensonne des ersten Junisonntags leuchtete voll und klar ob dem Long-Island-Sund und übersäte die von einer sanften Brise gekräuselte Wasserfläche von Block-Island an bis hinab zur Mündung des Hudson, wo jetzt eine der größten Städte der Welt ihre menschenwimmelnden Straßen hinstreckt, mit purpurnen und goldenen Lichtern. Wem es vergönnt gewesen wäre, die ganze Länge und Breite dieser prächtigen Wasserstraße aus der Vogelperspektive zu überblicken, würde sie in so feierlicher Einsamkeit und Ruhe geschaut haben, als ob noch nie ein Kiel diese Fluten durchschnitten hätte. Auch das langhingestreckte, von zahlreichen Buchten und Flußmündungen durchschnittene Gestade von Konnektikut zeigte allwärts die erhabene Stille der Wildnis. Auf den Wäldern, deren Saum so weit ans Ufer vortrat, daß die Wipfel der Bäume sich in den purpurnen Wassern spiegelten, lag ein heiliges Schweigen, gleichsam eine Sabbatruhe, als hätte sich die Ehrfurcht vor den Satzungen einer Religion, welche erst vor einer kurzen Reihe von Jahren in diese früher nur von dem flüchtigen Fuße des schweifenden Indianers betretenen Einöden verpflanzt worden, auch der Natur mitgeteilt. Man gewahrte von der See aus längs der ganzen Küste kein Zeichen menschlicher Tätigkeit. Man hätte sogar das Vorhandensein von Menschen auf diesen Gestaden verneinen können, denn wenn auch die genannte Kolonie damals schon eine namhafte Anzahl von größeren und kleineren Ansiedlungen in sich faßte, so lagen dieselben doch insgesamt zu versteckt in tief einschneidenden Buchten oder zu tief in den Wäldern oder zu weit hinauf am Konnektikut und an den ihm zinsbaren oder parallel strömenden Flüssen, als daß sie einem zwischen dem Festland und Long-Island hinsegelnden hätten leicht ins Auge fallen können, namentlich zu einer Stunde, wo, wie mit Bestimmtheit behauptet werden kann, sämtliche Bewohner der Ansiedlungen aller Verrichtungen des gewöhnlichen Lebens strengstens sich enthielten, um in ihren schmucklosen Versammlungshäusern, für welche das stolze Wort Tempel in mehr als einer Beziehung nicht paßte, einem religiösen Bedürfnisse zu genügen, dessen Befriedigung sie so weit von den Sitzen ihrer Väter hinweg, über das Weltmeer und in die Schatten der Urwälder getrieben hatte.

Da aber das Drama, dessen Szenen wir den Augen des Lesers zu entrollen im Begriffe sind, der handelnden Personen bedarf, so versetzen wir ihn von der Meerenge, auf welche wir zuerst seine Aufmerksamkeit richteten, auf eine schmale Landzunge, welche ostwärts von der breiten Mündung des Flusses Pawkatuck ziemlich weit in die See vorspringt.

Dieser Ort hat ganz das Ansehen jungfräulichen Bodens. Die unbedeutende Brandung brach sich mit kaum hörbarem Geräusch an den Kieseln des flachen Ufers, welches sie mit einem Streifen weißen Schaumes säumte. Frischbelaubtes Gestrüppe netzte seine üppigen Ranken im Wasser und zog in seinen tausendfachen Verschlingungen eine, wie es schien, undurchdringliche Mauer um die Wurzeln der gewaltigen Stämme, die weiter landeinwärts sich erhoben und deren ineinander greifende Kronen eine düstere Wölbung bildeten, welche kaum da und dort einem Sonnenstrahle den Zugang gestattete.

Auch hier herrschte die Stille, welche allum auf Land und Meer lag; allein sie sollte bald unterbrochen werden, wenn auch nur leise, leise. Ein kleiner Vogel, der pickend und schnabelwetzend auf einem Zweige des Strandgebüsches saß, flog plötzlich erschreckt empor und davon. Zu seinen Füßen war ein leichtes Geräusch hörbar geworden, welches man etwa auf Rechnung eines kleinen Wildes schreiben konnte, das sich durch Strauch und Dorn vorsichtig dem Ufer zudrängte. Indessen erschien es nicht an demselben, und das leichte Geräusch verstummte wieder. Doch schon in der nächsten Sekunde wurden die Zweige eines Sumachbusches, dessen Wurzeln die See bespülte, von unsichtbaren Händen auseinandergebogen, und in der Öffnung erschien der glattgeschorene, braune Kopf eines Indianers, dessen funkelnde schwarze Augen die Wasserfläche vor ihm zur Rechten, zur Linken und geradeaus blitzschnell überblickten und ausspähten. Nachdem er sich von der Einsamkeit der See überzeugt hatte, erweiterte er die Öffnung im Gestrüppe so weit, daß er die nackten Schultern dem Kopfe folgen lassen konnte, und verharrte dann, auf dem Bauche liegend und das Gesicht nur wenige Zoll über das Wasser erhoben, mit der Geduld eines indianischen Spähers wohl eine Stunde lang in einer Stellung, welche der einer auf Beute lauernden Schlange nicht unähnlich war.

Endlich schien er in der Tat das Nahen einer Beute oder einer Gefahr zu hören oder zu wittern, denn er dehnte seinen Hals vorwärts, seine Nasenflügel erweiterten sich, seine Ohren spitzten sich lauschend, und seine Augen bohrten brennend rechtshin am Ufersaum hinab.

Seine scharfen Sinne hatten den roten Mann nicht getäuscht. Eine kleine Barke kam mit geschwelltem Segel hinter einem Vorsprunge der zackigen Küste hervor, und fuhr, wenige Klafter vom Ufer entfernt das Wasser durchstreichend, ziemlich rasch gegen die Landzunge herauf, an deren äußerstem Ende der Indianer im Verstecke lag.

Der Wilde schien keine Feindseligkeit gegen die Bemannung des Kahnes im Schilde zu führen. Er zog Schultern und Kopf in den Busch zurück und begnügte sich, hinter dem Laubwerk hervor die Leute in dem Fahrzeuge zu mustern. Er vergewisserte sich, daß es drei Personen waren: ein Greis, ein Mann in reiferen Jahren, welcher das Steuer des Schiffleins lenkte, und ein junges Mädchen, alle drei der weißen Rasse angehörend. Etwas wie Freude flammte in den Augen des roten Spähers auf; aber er verriet seine Empfindung durch keinen Laut und bewegte nicht einmal die Lippen. Mit einer Vorsicht, die keinen Zweig unter ihm knacken ließ, kroch er rückwärts durch das Gesträuche, dann richtete er sich im Schutze desselben behutsam auf und eilte hierauf mit der Schnelligkeit des gejagten Hirsches forsteinwärts.

Die drei im Kahne hatten von der Anwesenheit der Rothaut auf dem Ufer und von ihrem Verschwinden nicht das geringste bemerkt und fuhren arglos an der Landzunge vorüber. Sie waren jedoch noch nicht viel über eine Seemeile weiter gen Osten zu gesegelt, als sie erfahren sollten, daß ihre Küstenfahrt in der Morgenstille des Sabbats keineswegs so unbeachtet geblieben, wie sie vielleicht gewähnt und jedenfalls gewünscht hatten. Denn sie waren Flüchtlinge, ja, und zwar Flüchtlinge, die schon manchen Tag lang vor unerbittlichen Verfolgern her geflohen waren, geflohen über Meeresbuchten und Ströme, durch Sümpfe, pfadlose Wälder und das Gestrüppe der Prärien, unablässig gehetzt von der weit unten am Long-Island-Sund liegenden Kolonie Newhaven bis nach Branford, von da nach Haddam am Konnektikut, von da nach Norvich am Shetucket und jetzt von Southorton an der Mündung des Pawkatuck die Südküste des Naragansetterlandes entlang. Gestern abend hatten die Verfolger die Spur der Flüchtlinge verloren, und sie würde ihnen verloren geblieben sein, wenn nicht die Spürkraft eines Eingeborenen – eben des Spähers auf der Landzunge – ihnen zu Hilfe gekommen wäre. Die Jäger hatten das Wild überjagt, das heißt, sie hatten in ihrer Ungewißheit und ihrem Eifer die Flüchtlinge überholt, welche die Nacht in einer verborgenen Bucht der linken Seite der Pawkatuckmündung zugebracht. Beim ersten Tagesgrauen hatten sie ihre Barke aus dem schilfbewachsenen Verstecke hervor in See gebracht und fuhren nun mit günstigem Winde und mit einem verhältnismäßigen Gefühle von Sicherheit an der Küste hin.

Indessen sollten sie, wie schon angedeutet worden, nur zu bald erfahren, daß die Jagd auf sie keineswegs aufgegeben war.

Das kleine Fahrzeug hatte wieder die Spitze eines der zahlreichen Landausläufer dieser Gestade umfahren und verfolgte dann aufs neue seinen nordöstlichen Kurs, als in seinem Rücken ein Boot aus der Mündung eines Küstenflusses hervorschoß und, kaum in der offenen See angelangt, seinen Bug dem Stern des voransegelnden Fahrzeugs zukehrte.

Dieses Boot ward von vier matrosenmäßig aussehenden Männern gerudert. Ein fünfter, noch jung an Jahren, hielt das Steuer, ein sechster, dessen grauer Bart sein Alter bezeugte, stand im Vorderteil der Barke, neben dem Indianer, welchen wir vorhin auf der Landzunge belauschten. Der Anzug des Graubartes und des Steuermannes war der wohlhabender Bürgersleute jener Zeit. Sie waren in feines Brabantertuch gekleidet und trugen über dem langschößigen Wams einen kurzen Mantel. Wer da weiß, wie die Mitglieder der damaligen religiösen und politischen Parteien in Schnitt und Farbe der Kleidung sich zu unterscheiden liebten, wird leicht den Wink verstehen, daß die beiden Männer in beiderlei Beziehung der düstern, strengen Tracht der puritanischen Kolonisten von Neuengland nicht huldigten. Sie schienen auf einem nicht gefahrlosen Unternehmen begriffen zu sein, wenigstens deuteten die Waffen, womit sie sich versehen, darauf hin, daß sie auf alle Fälle gefaßt waren. Jeder der beiden trug ein paar der ungeschlacht langen Pistolen im Gürtel, welche die Reiter Cromwells und die Kavaliere Karls I. in so vielen Treffen aufeinander losgebrannt hatten; jeder hatte seinen Stoßdegen an der Seite und am Fuße der Maststange lagen zu augenblicklichem Gebrauche bereit vier oder fünf der schwerfälligen Feuergewehre, deren Handhabung einem jeden Soldaten unserer Zeit einige Schwierigkeit verursachen dürfte. Die Matrosen hatten das kurze, breite Entermesser ihres Gewerbes im Gürtel stecken und sahen ganz danach aus, als wüßten sie bei Gelegenheit den geeigneten Gebrauch von dieser im Handgemenge schrecklichen Waffe zu machen.

Als das Fahrzeug, von kräftigen Ruderschlägen getrieben, zuerst hinter den Weiden und Binsen der Flußmündung hervorgeglitten, streckte der Indianer den Arm aus und deutete mit einem lakonischen, aber ausdrucksvollen Hugh! auf den Nachen der Flüchtlinge, welcher in der Entfernung einer halben Seemeile dahinsegelte.

»Ja, hughe nur, Rothaut,« versetzte der neben dem Sohn der Wildnis stehende Weiße. »Hughe nur, hast ein Recht dazu, Gott verdamm' mich! Hatten die Fährte der blutigen Schurken total verloren, als du sie wieder aufschnüffeltest. Siehst du, Tom Kirk,« fuhr er fort, indem er sich rückwärts zu dem jungen Manne am Steuerruder wandte, »siehst du nun, daß das rothäutige Ungeziefer manchmal auch zu etwas taugt?«

»Ah bah, Master Kellond,« entgegnete der Angeredete, »ich denke, 's war eben keine Hexerei nötig. – Sagte Euch ja gestern abend schon, wir brauchten nur die See zu halten, um unsere Leute wieder zu Gesicht zu bekommen. Und da haben wir sie jetzt und zwar auf 'ner offenen Straße, die ich mir nicht genug loben kann nach dem tagelangen Herumkriechen in Wald und Sumpf und all der kotigen Teufelei. Sag' Euch, Master, hatt' es schier überdick, dies verdammte Herumkriechen. – Seht nur mal meine oder Eure eigenen Kleider an – ist ein rarer Anblick! Gerade herausgesagt, wie's einem ehemaligen Lehrbursch von Altlondon zukommt, ich will mich hängen lassen, wenn ich mich um König Karls willen zu dieser wilden Gänsejagd hergegeben. Es geschah bloß um Euretwillen –«

»Und mehr noch um Effies willen, Tom.«

»Nun ja, ich will's nicht leugnen. Effie ist ein schönes Mädchen und hat mir's angetan, die kleine Hexe. Wäre sie nur ein bißchen weniger hochmütig, Master Kellond; denn ich sag' Euch, Euer Töchterlein weiß sich zu spreizen wie 'ne Herzogin im lustigen Altengland.«

»Das wird sich geben, Tom. Das hochmütigste Jüngferchen tanzt nach der Pfeife des Mannes, wenn's ein rechter Mann ist. Und dann darf Effie wohl was auf sich halten, sollt' ich meinen; denn gelingt unser Fang, so kehren wir alle nach England zurück, ich erhalte, was mir versprochen ist, und das reicht hin, Effie in den Stand zu setzen, daß sie mit jeder Aldermannsfrau wetteifern kann. Ich erleb's noch, Tom, daß du dich selber mächtig freust, wenn du dein Weibchen Effie in Samt und Seide durch die City stolzieren siehst.«

»Hm, Master,« erwiderte Tom Kirk und ließ für einen Augenblick das Steuerruder fahren, um sich bedenklich hinter dem Ohre zu kratzen, »was Ihr von der Heimkehr nach Altengland sagt, ist mir ganz aus der Seele gesprochen, denn ich bin dieses Landes hier, des Landes der Heiligen, wo man vor Langeweile stirbt, von Herzen überdrüssig. Was aber Effie betrifft, so fürcht' ich, das vertrackt launische Geschöpf wird sich, wenn Ihr erst wieder im Besitz Eures Hauses in der City seid, nach einem andern Freier umsehen, etwa nach so 'nem luftigen, lumpigen Kavalier, der Schmachtlocken trägt, auf der Laute klimpert und –«

»Und dessen verpfändete, halb in Trümmern liegende Burg ich mit meinem sauer erworbenen Geld einlösen müßte, nicht wahr? Mach dir doch kein solch dummes Zeug vor, mein Junge. Du hast mein Wort, Effie wird dein Weib, sobald wir dieses Unternehmen glücklich zu Ende geführt; dann verlassen wir dieses Land voll roten Ungeziefers und näselnder Puritaner und machen uns daheim gute Tage.«

»Wohl, und der Teufel hole die stutzohrigen Schufte, die uns verhinderten, unser Geschäft schon vor acht Tagen abzutun. Hattet Ihr nicht des Königs Befehl und Siegel in der Tasche, Master, und konnten wir nicht schon drunten in Newhaven die Hand auf den Fang decken, wenn uns die verdammten Psalmenorgler nur einigermaßen behilflich gewesen wären?«

»Allerdings, und ich bin sogar überzeugt, daß diese eingefleischten Rundköpfe ihren sauberen Gesinnungsgenossen zur Flucht verholfen haben, während sie uns mit nichtigen Einwänden hinhielten. Sagte mir doch der Governor Leete, als ich ihn endlich geradezu fragte, ob die Kolonie den Befehl des Königs respektieren wolle, sie ehrten freilich Se. Majestät, aber sie hätten zarte Gewissen, was soviel heißen wollte als: sie würden tun, was ihnen beliebte. Und als ich weiter fragte, ob sie Se. Majestät den König anerkennen, erwiderte der unverschämte stutzohrige Hund, sie möchten vor allen Dingen wissen, ob Se. Majestät sie anerkenne.«

»Ich will mich in eine Feldschlange laden lassen, wenn das nicht entschieden nach dem alten Noll schmeckt.«

»Freilich, freilich! Die Leute in diesem Lande reden und tun, als wäre der alte Noll, der jetzt, Gott sei Dank, schon lange in der Hölle bratet, noch immer Lordprotektor von England. Ich sag' dir, Tom, es muß ein tüchtiger Besen über Neuengland gehen, um all den puritanisch-republikanischen Unrat wegzukehren. Aber laß mich nur erst wieder drüben sein, und ich will mich selber einen Rundkopf schelten lassen, wenn ich nicht aus dem, was ich in diesem Lande der Heiligen, unter diesen Pilgern der Wildnis, wie die Schufte sich nennen, gesehen und gehört habe, einen Strick zu drehen weiß, stark genug, um allen Sektierern und Hochverrätern den Hals zuzuschnüren. – Doch was ist das?« unterbrach sich Mr. Kellond. »Wir schwatzen hier wie zwei alte Weiber, und inzwischen vergrößert sich der Zwischenraum zwischen uns und den Flüchtigen eher, als er sich vermindert. Hollah, Bursche,« fügte er zu den Matrosen gewandt hinzu, »greift aus mit den Rudern und vergeßt nicht, daß ich versprochen, eure Hände mit Silber zu füllen, sobald wir das Boot dort eingeholt haben werden.«

Indem er so sprach, ging er aus dem Stern des Bootes, wo er während des vorhergehenden Gespräches neben dem Freier der »vertrackt launischen« Effie gestanden, wieder nach vorn und schaute eifrigst nach dem Fahrzeuge der Flüchtlinge aus, welches mit Windeseile über die Wogen hinflog.

»Bei der schwärzlichen Gesichtsfarbe Seiner geheiligten Majestät,« rief der ungeduldige Verfolger aus, »sie gewinnen immer mehr Vorsprung. Was meinst du, Rothaut?«

Der Indianer, welcher mit der seiner Rasse in Augenblicken der Ruhe eigentümlichen Apathie auf dem Boden der Barke saß, begnügte sich, ohne den Kopf zu wenden, in seinem gebrochenen Englisch zu erwidern:

»Wamatut nichts verstehen von weißen Mannes Kanoe.«

»Aber, zum Henker, sie waren uns doch nur wenige Klafter voraus, als wir aus dem Flusse hervorkamen, und jetzt wird die Entfernung zwischen uns immer größer, obgleich der nämliche Wind unser Segel füllt, welcher das ihrige bläht, und wir vier Ruder haben, während sie im besten Fall nur zwei in Bewegung setzen können.«

»Mit Eurer Erlaubnis, Master,« nahm einer der Matrosen das Wort, »das Ding kommt mir schon lange nicht recht geheuer vor. Ich hab' mir von dem Bootsmann auf der guten alten Brigg Königin Mary mal sagen lassen, daß alle Anhänger des alten Noll von ihrem Herrn und Meister das Geheimnis ererbt hätten, den Bösen sich dienstbar zu machen, und –«

»Ah bah, papistischer Unsinn!« unterbrach Kellond den Sprecher und bewies durch diesen Ausruf, daß er von den freigeisterischen Ansichten, welche am Hofe Karls II. gang und gäbe waren, nicht unberührt geblieben war.

»Na, na,« sagte ein zweiter Matrose. »Allan steckt freilich von Altschottland her in seinem Papismus, das muß wahr sein. Jedennoch, Master, muß jeder ehrliche Seemann wissen und glauben, daß der Teufel zur See noch ärger wütet als auf dem festen Lande.«

»Auch du, Bill?« versetzte Kellond ärgerlich. »Nun, glaube, was dir Spaß macht, aber sorge dafür, daß diese verdammte alte Schachtel von Boot schneller vorwärts kommt.«

Bill ließ sein Ruder fahren, stand auf und prüfte mit der Miene eines erfahrenen Schiffers Wind und Wetter.

In diesem Augenblicke schlug das Segel träge und flappig an den Mast.

»Verdammt!« schrie Kellond. »Auch das noch? Der Wind hört auf zu blasen.«

»Ei, Master,« sagte Bill, wieder zum Ruder greifend, »das ist's gerade, was wir brauchen. Rechne, wenn uns der Wind ausgeht, geht er auch denen dort vorn aus. Wir aber sind die Stärkeren, und wenn die faule Rothaut und, nehmt's nicht krumm, auch Ihr, Master, ein Ruder nehmen wolltet, so müßt' es doch mit allen Satanassen der siebzehn Höllen zugehen, wenn wir nicht bald ein Wort mit den Herren sprechen sollten, auf deren nähere Bekanntschaft Ihr so erpicht seid.«

In der nächsten Sekunde war das nutzlose Segel niedergelassen, und von sechs Rudern vorwärts gestoßen, folgte die Barke eiligst dem Fahrwasser der Flüchtlinge.

Von Westen nach Osten streichend schwellte die Brise in ihrem Verhauchen das Segel des voranschiffenden Bootes noch einige Minuten, nachdem die Verfolger das ihrige schon hatten einziehen müssen. Dieser Umstand ließ den Zwischenraum zwischen den beiden Booten noch eine Weile unvermindert erscheinen, allein bald zeigte es sich, daß Bill richtig geraten, als er die Windstille einen glücklichen Zufall nannte. Die verfolgende Barke rückte der verfolgten allmählich näher.

»Drauf, Bursche!« rief Kellond mit wildem Frohlocken; »sie können uns nicht mehr entgehen. Legt euch auf die Ruder, es gilt den Dienst Sr. Majestät und eine Handvoll Piaster.«

Tom Kirk stand auf, ohne das Steuer aus der Hand zu geben, und lugte scharf nach der gejagten Barke aus.

»Sie haben uns bemerkt,« sagte er, »und, beim Himmel, sie halten auf das Land zu, wahrscheinlich um wieder in den verfluchten Wäldern Zuflucht zu suchen. Mag ich selber erschossen werden, wenn ich nicht meine Büchse mit ihnen sprechen lasse, bevor sie uns wieder in das höllische Baumlabyrinth entschlüpfen.«

»Das wirst du bleibenlassen, Tom,« versetzte Kellond. »Lebendig müssen wir sie haben, weißt du. Das wird das Herz Sr. Majestät ganz anders erfreuen, als wenn wir dem königlichen Herrn nur sagen könnten, die beiden Bluthunde wären an irgend einer namenlosen Küste von Neuengland von uns niedergemacht worden. Auch hat es gar nichts zu sagen, wenn sie sich wieder in die Wälder machen, denn wir haben jetzt die Rothaut da bei uns, welche ihre Spürkraft bereits bewiesen hat. In den Wäldern können wir die Flüchtlinge besser beschleichen als auf offener See und gefahrloser obendrein.«

»Beschleichen, Master!« versetzte der junge Mann unwillig. »Das ist nicht meine Sache. Ich will sie nicht beschleichen, sondern offen anfallen, Hand gegen Hand. Wir sind zu sechs gegen zwei und können es, denk' ich, auch zu zwei mit einem Greis und einem nicht mehr jungen Mann aufnehmen. Beschleichen, wahrhaftig!«

»Ich sage dir ja, daß wir sie lebendig fangen müssen, und dann, mein Junge, kennst du die beiden Obersten verdammt schlecht, wenn du so leichtes Spiel mit ihnen zu haben glaubst. Hättest du gesehen, wie der eine von ihnen an der Spitze seines Regiments bei Dunbar die wilden Hochländer vor sich hertrieb und wie der andere bei Worcester mit Kromwells Eisenseiten auf die Kavaliere einhieb, so würdest du dir unser Geschäft als ein ziemlich schwieriges vorstellen. Was wahr ist, muß man sagen, und gält' es auch dem Teufel selbst. Sie waren im Kampfe immer zuerst und zu oberst und haben ihre Titel redlich verdient.«

»Ei, wenn sie solche Kampfhähne sind, wie Ihr sagt, warum sind sie dann so viele Tage vor uns geflohen wie ein Trupp Haselhühner, statt sich uns kühn entgegenzustellen?«

»Du vergißt, daß sie ein Weib bei sich haben, welches die Enkelin des einen und die Tochter des andern ist.«

»Wahr, aber was werden wir denn mit dem Dämchen anfangen?«

»Hm,« versetzte Kellond, mehr zu sich als zu seinem Gesellen sprechend, »wenn sie so schön ist, wie die Rede geht, so will ich mir die Mühe nehmen, sie vom Puritanismus zu bekehren zur –«

»Was sagt Ihr?«

»Ich sage,« erwiderte Kellond, seinen Gedanken verschluckend, »daß wir sie nach Virginien verkaufen wollen, wo sie Tabak pflanzen mag.«

2.

Noch immer können wir entrinnen, Wenn bei den Haaren die Gelegenheit wir fassen.

Shelley.

Der große König aller Könige Gebot in seiner Tafel der Gesetze: Du sollest töten nicht und Mord begehn! Gib acht, denn in der Hand hat er die Rache, Des Haupt zu treffen, der bricht sein Gesetz.

Shakespeare.

Statt der geräuschvollen, etwas profanen Unterhaltung, welche die Verfolger führten, herrschte auf dem Boote der Flüchtlinge ein ernstes Schweigen, welches weniger eine Folge von Befürchtung und Angst war, als vielmehr aus der eigentümlichen Sinnesweise der kleinen Gesellschaft entsprang.

Die Mitglieder dieser Gesellschaft waren durch die innigsten Bande des Blutes miteinander verbunden. Das junge Mädchen, welches kaum achtzehn Sommer zählen mochte, verehrte und liebte in dem jüngern seiner Begleiter den Vater, in dem ältern den Großvater von mütterlicher Seite. Dieser war ein Greis von wahrhaft ehrfurchtgebietendem Aussehen. Sein kurz geschorenes weißes Haar verband sich an den Schläfen mit einem Barte, welcher voll, lang und silbern bis auf die Brust niederfiel. Er hatte, um sein Ruder ungehemmter handhaben zu können, wie den Mantel, so auch den Hut abgelegt und zeigte so, mit einem unserer Dichter zu sprechen –

»Die Heldenstirn, Freiheit begehrend, Die Furche drauf, den tiefen Pfad, Den, rastlos immer wiederkehrend, Ein mächtiger Gedanke trat.«

Der übrige Teil des Gesichtes entsprach der edlen Bildung der Stirn. Es war ein wahrhaft antikes Antlitz, in welchem jeder Zug eine fest in sich gefaßte Seele, einen unbeugsamen Geist verriet. Die großen grauen Augen hatten ihren Glanz noch nicht verloren, und von Zeit zu Zeit stieg sogar eine Flamme in ihnen auf, welche von einem Enthusiasmus, vielleicht sogar von einem Fanatismus zeugte, wie er sonst nur der leidenschaftlichen Jugend eigen zu sein pflegt. Die straffe Haltung des Greises, die Kraft, womit er das Ruder führte, ließen den Schluß zu, daß dieser Mann seinen Körper lange im Kriege und in Strapazen abgehärtet habe und noch jetzt befähigt sei, letztere zu ertragen.

Sein Schwiegersohn, dessen Haare an den Schläfen ebenfalls zu ergrauen begannen, war von breitschulteriger, gedrungener Gestalt. Das ruhige Feuer seines Auges, seine Adlernase, der kleine festgeschlossene Mund und das energische Kinn verliehen seiner ganzen Erscheinung den Charakter von imponierender Kühnheit und Entschlossenheit. Auch sein Gebaren hatte etwas entschieden Kriegerisches, aber auf seiner Stirn lag eine düstere Wolke der Schwermut oder Schwärmerei, welche, wie es schien, nur durch das Lächeln seiner Tochter und auch von diesem nur auf Augenblicke verscheucht werden konnte.

Wem die historischen Porträts jener Zeit und namentlich die aus der damaligen Geschichte Englands nicht unbekannt sind, der würde bei der genauen Betrachtung dieser Männer mit Interesse verweilt und in ihnen wohl Genossen jener kriegerischen Glaubenseiferer vermutet haben, welche den Thron Karls I. umgestürzt und der weltlichen Tyrannei Straffords und der geistlichen Lauds zugleich ein Ende gemacht hatten. Die Tracht der beiden strafte eine solche Vermutung keineswegs Lügen. Sie war von dem hochkegeligen, breitrandigen schwarzen Hute bis zu dem schmucklosen Stahlgriff des Schwertes herab streng nach puritanischem Schnitt und Brauch, welcher bekanntlich Schmuck und Modekünste als einen Beweis grober Weltlichkeit, wenn nicht erklärter Sündhaftigkeit verachtete und verdammte.

Die beiden Obersten, denn als solche waren diese in der Geschichte ihres Vaterlandes berühmten Personen von Kellund richtig bezeichnet worden, nahmen die Vorschritte, welche das Boot der Verfolger binnen kurzem augenscheinlich gemacht, mit einer Ruhe und Gelassenheit wahr, welche einesteils von ungewöhnlicher Charakterstärke, andernteils von langem Vertrautsein mit der Gefahr zeugten. Wie entschlossen sie aber auch waren, dem, was ihnen selber drohte, mit dem Gleichmut eines Stoikers oder vielmehr mit dem ergebungsvollen Glaubensmut eines Anhängers der Prädestinationslehre Kalvins entgegenzugehen, so hätten sie doch mit übermenschlicher Kraft oder mit unmenschlicher Gefühllosigkeit begabt sein müssen, wenn ihre Herzen beim Hinblick auf das schöne, junge, hilflose Wesen, welches mit ihnen war, nicht heimlich in bangster Sorge gepocht hätten.

Der jüngere der beiden Männer brach endlich das Schweigen.

»Die Philister sind hinter uns,« murmelte er, »wie bei der Flucht Israels gen Gilboa hinter Jonathan und Abinadab.«

Und zu seiner Tochter gewendet, welche sich in der Mitte des Nachens mit einem Ruder abmühte, setzte er lauter hinzu:

»Lovely, mein Kind, nimm du das Steuer zur Hand. Du bist nicht ganz unerfahren in der Führung desselben. Mir aber gib dein Ruder, welches in meiner Hand uns mit der Hilfe Gottes nützlicher werden mag, als es in der deinigen sein kann.«

An augenblicklichen ehrerbietigen Gehorsam gewöhnt, wechselte das Mädchen ihren Platz mit dem Vater, welcher sofort seine Anstrengungen mit denen des Großvaters vereinigte, der mit stetiger Beharrlichkeit im Vorderteile der kleinen Barke sein Ruder bewegte.

Lovely – wir werden später erfahren, warum das schöne Kind diesen hübschen, aber etwas seltsamen Namen trug – war infolge einer auf strengen Grundsätzen beruhenden Erziehung in der schweren Kunst der Selbstbeherrschung zu geübt, um beim Anblicke der offenbaren Gefahr, worin ihre und ihrer Teuersten Sicherheit und Leben schwebte, der natürlichen Schwäche ihres Geschlechts sich zu überlassen. Sie wußte, daß sie von mitleidslosen Feinden, die sich nun schon so manchen Tag an ihre Fersen geheftet hatten, verfolgt würden, aber in den Adern des zarten Mädchens kreiste von väterlicher und mütterlicher Seite das Blut eines kühnen Stammes. Außerdem war sie in letzter Zeit und schon früher mit Gefahren vertraut geworden, und endlich durfte sie mit Zuversicht auf die bewährte Umsicht und Entschlossenheit ihrer Begleiter blicken. So regierte sie denn das Steuer mit fester Hand, und nur dann legte sich ein Flor von Trauer und Angst über ihre seelenvollen dunkelblauen Augen, wenn sie dieselben auf ihre Verwandten und Beschützer richtete. Aber sie tat dies nur verstohlen, als fürchtete sie, durch den Ausdruck ihrer Blicke die Besorgnisse der Männer zu vermehren.

Der Vater erhaschte jedoch einen dieser Blicke seines Kindes, und der Schatten auf seiner Stirn wurde gramschwerer. Er wandte sich nach den Verfolgern um, deren einzelne Gestalten in dem näher und näher kommenden Boot immer deutlicher sichtbar wurden, und prüfte ihre Bewegungen mit gespanntester Aufmerksamkeit.

»Vater,« sagte er dann zu dem Greise, »der Augenblick naht, wo wir zu den Waffen greifen müssen, um uns jener übelberatenen Leute zu erwehren. Sie möchten uns gern dem Baal ihrer Eitelkeit zum Opfer bringen, doch das soll, so der Herr es gestattet, nicht geschehen, solange meine Hand ein Feuerrohr heben oder ein Schwert schwingen kann.«

Ein Strahl kriegerischen Feuers schoß aus dem Auge des Mannes, als er so sprach und sein Blick auf die Stelle fiel, wo ihre Waffen lagen.

»Der Wille des Herrn geschehe ewiglich,« entgegnete der Greis. »Dürsten jene Menschen nach dem Blute von zwei armen Wanderern, welche Heimat, Haus und Hof verließen, als die Leuchter des reinen Glaubens von dem geschändeten Altar genommen wurden, und in die Wildnis überm Weltmeer flohen, um bescheidentlich an dem Tempel der alten guten Sache fortzubauen, wohlan, so möge das Blut, das in diesem Kampfe vergossen wird, über sie kommen.«

»So sei es, und hat der Allbarmherzige beschlossen, daß wir aus dieser zeitlichen Trübsal eingehen in die ewige Herrlichkeit, so wollen wir sterben, wie es freigeborenen Engländern zukommt.«

»Wir wollen es, mein Sohn, aber –«

Der Greis vollendete den Satz nicht, jedoch der Blick womit er auf seine Enkeltochter hinwies, ließ den Vater derselben verstehen, was er nicht ausgesprochen.

Auch Lovely verstand die Bedeutung dieses Blicks, und als zugleich ein halbunterdrückter Seufzer ihres Vaters an ihr Ohr schlug, überwand der Enthusiasmus ihrer Seele für einen Augenblick ihre mädchenhafte Bescheidenheit und Zurückhaltung. Mit strahlendem Auge und hochgeröteter Wange rief sie aus:

»Großvater, Vater, wenn Gott es will, so laßt uns sterben, zusammen sterben, auf daß wir nie und nimmer getrennt werden!«

»Gesprochen, wie es der Tochter deines Vaters zukommt, mein Kind,« entgegnete ihr der Greis und gab sich keine Mühe, das Lächeln stolzer Befriedigung, welches um seine Lippen spielte, zu unterdrücken.

Nach dieser kurzen Äußerung des Aufschwungs ihrer Gefühle nahmen alle drei ihre vorige gefaßte Haltung wieder an. Der Vater Lovelys musterte achtsam das waldige Ufer, von welchem sie in der Entfernung von nur ein Paar Büchsenschüssen hinfuhren, und äußerte hierauf:

»Müssen wir kämpfen, so wollen wir den Kampf wenigstens nicht in so nachteiliger Stellung auf der See annehmen, sondern uns auf geeignete Weise des Schutzes der Bäume und Felsen am Gestade bedienen. Steuere Backbord, Kind! Wir wollen die Landzunge umfahren, welcher wir uns gegenüber befinden, und in die Bucht dahinter einlaufen. Vielleicht bieten uns die Ufer derselben geeignete Deckungsmittel. Was meinst du, Vater?«

»Handle nach deinem Gutdünken als erfahrener Kriegsmann,« erwiderte der Greis; »aber laßt uns in dieser Prüfung nicht vergessen, unsere Stimme zu dem zu erheben, welcher seinen schützenden Schild gehalten über den Sohn Isai, als der Atem der Lanzenträger Sauls in seinem Nacken war.«

So sprechend sah er Lovely an, und das Mädchen verstand unschwer seine Meinung. Mittels eines Druckes auf die Lenkstange des Steuerruders gab sie der Barke die anbefohlene Richtung, dann zog sie mit der einen Hand, welche sie frei hatte, eine Taschenbibel hervor, schlug das Buch auf ihren Knien auf und las mit ihrer von innigster Andacht getragenen Stimme die Worte des Psalmisten:

»Wer in dem geheimen Schutz des Höchsten wohnt, der wird sicher sein in dem Schatten des Allmächtigen.

Darum sage ich zu dem Herrn: Mein Asyl und meine Burg, mein Gott, auf den ich hoffe!

Denn er wird mich erretten von des Verfolgers Schlinge.

Er wird mit seinen Flügeln mich bedecken, und unter seinen Fittichen wird meine Zuversicht sein; seine Wahrheit ist Schirm und Schild.

Nicht werde ich zagen vor dem Schrecken der Nacht, noch vor den Pfeilen, die da bei Tage stiegen.

Wenn schon Tausende fallen an meiner Seite und Zehntausende zu meiner Rechten, so wird es doch mich nicht treffen.

Ja, mit meinen Augen werde ich es schauen und sehen, wie den Gottlosen vergolten wird.

Denn du, o Herr, bist meine Zuversicht; meine Zuflucht, der Allerhöchste ist sie.

Es wird kein Leid mir begegnen, und keine Plage wird nahen meiner Hütte.

Denn der Herr, mein Gott, hat seinen Engeln befohlen, daß sie mich behüten auf allen meinen Wegen.

Auf den Händen werden sie mich tragen, damit ich meinen Fuß nicht an einen Stein stoße.

Auf Löwen und Schlangen werde ich gehen und die jungen Löwen und Drachen zertreten.

Denn so spricht der Herr: Weil du so sehr nach mir rufest, so will ich dich erhören; ich will dich schützen, denn du kennest meinen Namen.

Du rufst mich an, ich höre dich; ich bin bei dir in der Not, ich will dich retten und wieder zu Ehren bringen.

Mit langem Leben will ich dich ersättigen und meine Rettung dich sehen lassen.«

Die aus Erhabenheit und brennender Klage gemischte Sprache der Bibel wird nur in seltenen Fällen ihres Eindrucks verfehlen und nur wenige Menschen ganz unbewegt lassen. Selbst die Verständigen und Gebildeten unserer Zeit, welchen die Bibel kaum etwas andres sein kann als die zufällige Sammlung dichterischer und geschichtlicher Schriftwerke des hebräischen Volks, selbst diesen muß, falls sie nicht etwa ganz blasiert und verknöchert sind, die erquickende Frische und Naivität einer Sprache zu Herzen gehen, wie nur naturwüchsige Poesie sie zu ihrem Organ schaffen konnte. Wie ganz anders aber, wie gewaltig und unwiderstehlich mußten die Gemüter der Puritaner des siebzehnten Jahrhunderts von dem Inhalte der Bibel erbaut, ergriffen, begeistert werden, sie, welche dieses Buch als die einzige Quelle und Richtschnur ihres Tuns und Lassens verehrten, welche aufs innigste überzeugt waren, es sei von der Hand des Höchsten selbst, das heißt auf die unmittelbare Eingebung Gottes hin geschrieben worden.

Es braucht daher kaum gesagt zu werden, daß unsere Flüchtlinge durch die heiligen Worte, welche den Lippen Lovelys entquollen, sich mächtig erhoben und gekräftigt fühlten. Das Gebet des Psalmisten paßte so ganz auf ihre Lage, war ihnen so recht aus der Seele gesprochen und atmete so bedeutsamen Trost, daß ihnen der Zufall, welcher die Augen des Mädchens gerade auf diese Stelle gelenkt hatte, keineswegs als solcher, sondern vielmehr als eine gute Vorbedeutung, als ein Zeichen der göttlichen Gnade und Hilfe erschien. Gehörte es doch zu den Eigentümlichkeiten dieser wirklich großartigen Sektierer, an eine durch Gebet zu erstehende unmittelbare Einwirkung der Gottheit auf die Geschicke der Menschen, ja auf die Vorkommnisse des täglichen Lebens zu glauben, mit einer Zuversicht zu glauben, infolge welcher es sie nicht sonderlich überraschte, als ihnen unmittelbar nach Beendigung ihres Gebetes eine Aussicht auf Rettung sich auftat.

Sowie sie nämlich die Landzunge umrudert hatten und in die kleine dahinter liegende Bucht einfahren wollten, zeigte sich ihren Blicken plötzlich ein indianisches Kanoe, welches, von zwei weißen Männern geführt, rasch auf sie zukam.

Die beiden Flüchtlinge betrachteten diese Erscheinung mit gewohnter Selbstbeherrschung. In der Rüstung ihres Glaubens sich sicher fühlend, kam es ihnen nicht in den Sinn, zu vermuten, daß sie hier auf neue Feinde stoßen könnten, welche wohl imstande wären, ihnen jeden Ausweg zur Flucht abzuschneiden.

Das junge Mädchen aber gab der schmerzlichen Aufregung nach, welche sie als Tochter und Enkelin fühlen mußte. Sie stieß beim Anblick des fremden Kanoes einen leisen Schrei der Überraschung und Befürchtung aus, welchen der Gedanke an die Möglichkeit, Verbündete der Verfolger vor sich zu haben, auf ihre Lippen drängte. Zudem war die Erscheinung der beiden Fremden oder wenigstens des einen derselben derart, daß sie ein so zartes weibliches Wesen wohl erschrecken konnte. Der Mann, welchen wir meinen, stand im Vorderteil des Kanoes, mit der einen Hand nachlässig sein Ruder ins Wasser tauchend. Er war von fast riesenmäßigem Wuchse und stand, um einen Ausdruck des Landes zu gebrauchen, in welchem unsere Geschichte spielt, weit über sechs Fuß hoch in seinen Schuhen oder vielmehr Mokasins (indianischen Schuhen), an welche sich Kamaschen von Hirschhaut anschlossen, die bis über die Knie hinaufreichten. Er trug ein Koller von Büffelhaut, und ein Mantel vom nämlichen Stoffe lag zu seinen Füßen. Auf dem Kopfe hatte er eine Mütze von Wolfsfell, um die Lenden einen roh gearbeiteten Gurt von Otternpelz, an welchem Pulverhorn und Kugelbeutel hingen und in welchem ein breites Jagdmesser mit einem Griffe von Elentierhorn steckte. Die Büchse, welche er an einem Lederstrick auf dem Rücken trug, entsprach an Größe und Schwere der Gestalt ihres Eigentümers, denn man würde sie heutzutage füglich ein Standrohr nennen. Die Züge des Kolosses waren grimmig. Die Runzeln seiner Stirn hatten sich ob der Nasenwurzel zu einem dicken, hufeisenförmigen Knäuel geballt, unter welchem die kleinen Augen von unbestimmter Farbe wie Dolchspitzen hervorblitzten. Gegen die Bronzefarbe des Gesichts stach das bläuliche Rot einer schrecklichen Narbe ab, welche die linke Wange ihrer ganzen Länge nach durchfurchte und am Kinn unter einem struppigen grauen Barte verschwand. Auch über die unförmlich dicke Nase lief die Spur einer tiefen Wunde hin, und des rechte Ohr war an seiner Wurzel von einem schneidenden Instrumente weggetilgt. Man wird gestehen müssen, daß das durchaus kein liebenswürdiges Äußeres war, und doch wird man finden, daß der riesige Waldbewohner unter Umständen Zutrauen erweckte und rechtfertigte.

Sein Gefährte war um viele Jahre jünger als er und erschien in dem ganzen Glänze jünglingshafter Kraft und Schönheit. Von schlanker und dabei sehniger Statur, bezeugte die hellblonde Farbe seines Haares, das in kurzen krausen Locken unter der Mütze von Biberfell hervorquoll, wie des jungen Bartes, welcher sich um Kinn und Lippe kräuselte, seine nordische Abkunft. Seine Gesichtsfarbe verbürgte diese gleichfalls, denn die hohe und gewölbte Stirn zeigte, wenigstens soweit sie durch die Mütze vor dem Einflusse von Unwetter und Sonnenbrand geschützt wurde, ein fleckenloses Weiß. Nase und Mund waren gutgeschnitten und wohlgebildet, und in einem eigentümlichen, aber nicht unschönen Gegensatze zu dem Blond des Haares, der Brauen und des Bartes standen die schwarzen, feuervollen Augen mit ihrem offenen, braven und mutigen Ausdruck. Der Anzug des jungen Mannes ähnelte in Stoff und Schnitt sehr genau der primitiven Tracht seines ältern Begleiters, nur trug er statt des Jagdmessers ein indianisches Beil – Tomahawk – im Gürtel und waren seine Kleider reinlicher gehalten, wie es der Jugend dem in dieser Beziehung sorgloseren Alter gegenüber wohl ansteht.

Beiden Männern konnte ein mit dem Leben und Treiben der Wildnis auch nur oberflächlich vertrautes Auge leicht ansehen, daß sie zu einer Menschenklasse gehörten, welche auch jetzt in den Wäldern und Savannen der neuen Welt noch nicht ausgestorben ist. Die Mitglieder dieser Klasse waren schon damals, was sie heute noch sind, die Vorläufer und Wegbahner europäischer Kultur, welche, von bescheidenen Anfängen an der Ostküste Amerikas ausgehend, in unaufhörlichem Siegeslaufe über den ganzen ungeheuren Kontinent hin bis zu den Gestaden des stillen Weltmeeres vorgedrungen ist und in ihrer Ausbreitung eine der bedeutsamsten Erscheinungen der Weltgeschichte bildet. Wie heute noch im fernen Westen der Union, so gab es schon damals in Neu-England Männer, welche, obgleich von weißer Abkunft, den Gewohnheiten einer ackerbauenden seßhaften Kultur den Rücken wandten, um in den unermeßlichen Wäldern und auf den unbegrenzten Prärien ein freies, frankes Jägerleben zu führen, alle ihre Lebensbedürfnisse mit der Büchse oder der Biberfalle sich gewinnend, den Büffel und das Elentier jagend, den Bären in seiner Höhle angreifend, dem Honig der wilden Bienen nachspürend, bald mit den roten Eingeborenen im Kampfe liegend, bald mit denselben verbündet und nur in unregelmäßigen Zwischenräumen die Ansiedlungen besuchend, um ihren Vorrat von Fellen und Pelzen gegen Waffen, Munition und andere wenige Artikel der Zivilisation auszutauschen. Man nennt diese kühnen Jäger heutzutage Trapper, und wir wollen diese Bezeichnung für unsere Geschichte beibehalten, selbst auf die Gefahr hin, einen kleinen Anachronismus zu begehen. Es gab und gibt unter ihnen Leute, welche ohne Frage zu den verworfensten unseres Geschlechtes gehören und an Wildheit, Zügellosigkeit und Grausamkeit die ursprünglichen Bewohner des Bodens, auf welchem sie sich herumtrieben und herumtreiben, weit übertreffen, Menschen, welche ihre angeborene Roheit aus der Gesellschaft trieb und treibt, um den Eingebungen wilder Instinkte in schrankenloser Ungebundenheit sich überlassen zu können. Es gab und gibt aber auch Trapper, welche glaubwürdigsten Zeugnissen zufolge von einer unwiderstehlichen Neigung zum einsamen Naturleben in die Wildnis gelockt wurden und werden, von einer hochromantischen Lust an Gefahr und Wagnis beseelt sind, ungesehen von den Augen der Menschen Leiden und Abenteuer der furchtbarsten Art bestehen und unter rauher Außenseite oft eine Fülle von tiefem Gefühl und ritterlicher Hochherzigkeit in sich tragen. Wenn auf irgend eine Menschenklasse, so ist auf diese im guten und schlechten das berühmte Wort anzuwenden, daß die Freiheit Extreme und Kolosse ausbrüte.

Sobald die beiden Trapper des in die Bucht einfahrenden Bootes ansichtig geworden, hatten sie aufgehört, ihre leichte Rindenbarke vorwärts zu bewegen. Vertraut mit Abenteuern und Gefahren aller Art und gewohnt, auf die Schärfe ihres Blicks und die Stärke ihres Arms sich zu verlassen, sahen sie dem Herankommen der Flüchtlinge mit schweigsamer Ruhe entgegen, wenn auch nicht ganz ohne jene Neugierde, welche die in der Wildnis Lebenden beim Anblick von Leuten ihrer Rasse notwendig aufregen muß.

Lovely hielt einem kurzen Befehl ihres Vaters gemäß gerade auf das Kanoe zu und ließ dann, während ihre Begleiter die Ruder einzogen, das Boot langsam am Steuerbord der Fremden hingleiten.

Zu weitläufigen Versuchen, eine Bekanntschaft einzuleiten, war keine Zeit, denn ein Blick rückwärts auf die See hinaus zeigte das emsige Bemühen der Verfolger, ihrem Wild auf der Ferse zu bleiben. Deshalb erhob sich, sobald das Boot stillstand, der Greis von seinem Sitze und sprach die beiden im Kanoe an mit den Worten:

»So ihr Männer, so ihr Christen seid, so steht uns bei gegen ungerechte Verfolgung!«

»Wer seid Ihr?« entgegnete der ältere Trapper mit einer Brummbaßstimme und nicht sehr freundlichem Ausdruck.

»Wir sind Anhänger und Kämpfer der alten guten Sache und sind verfolgt, weil wir vordem das Schwert zogen für die Freiheit des guten Volkes von Altengland und unsere geringen Kräfte mit denen vereinigten, welche Gerechtigkeit übten an den Feinden der Gemeinde des Herrn.«

»Hm,« versetzte der Trapper mit einem verächtlichen Kopfruck, »dies Kauderwelsch versteh' ich nicht. Aber wer sind denn Eure Verfolger?«

Diese Frage beantwortete der jüngere der Flüchtlinge, indem er mit unverhehltem Grolle sagte:

»Es sind Mietlinge des Mannes, welcher sich Karl Stuart nennt und durch Gottes Zorn dermalen auf dem Throne von England sitzt.«

»Ah so!« erwiderte der Trapper, indem er die Flüchtlinge mit durchdringenden Blicken musterte.

Dann ging er in den Stern des Kanoes, flüsterte seinem Gefährten ein paar Worte ins Ohr und fügte laut die Frage bei:

»Was meinst du, Thorkil?«

Der Jüngling war regungslos dagestanden, offenbar höchlich überrascht und bewegt von dem Anblick Lovelys, welche sich von ihrem Sitze erhoben und eine flehende Stellung angenommen hatte, wie die Natur und kindliche Sorge sie annehmen lehrten. Mit gesenktem Haupte, das schöne Antlitz von hoher Röte übergossen, stand sie vor dem jungen Manne, auf welchen sie unter den seidenen Lidern hervor nur dann und wann einen schüchtern bittenden Blick zu werfen wagte, während er seinerseits sie mit Blicken ansah, in welchen hinter der Bewunderung schon rege Teilnahme lauschte.

Ungeduldig wiederholte der alte Trapper seine Frage.

Thorkil fuhr aus seinem Staunen auf.

»Nun, was gibt es?« fragte er, wie unwillig über die Störung.

»Was es gibt?« versetzte der andere. »Wo hast du denn deine Augen?«

Und leise setzte er hinzu: »Denk doch an die Neuigkeit, die wir in Newport hörten. Es läßt sich da ein hübscher Fang machen. Ich sag' dir, es sind die –«

Das übrige verklang in einem unhörbaren Geflüster.

Der Jüngling schüttelte den Kopf und sagte barsch: »Nein, Groot Willem, nein und abermals nein! Ich will nicht, und Ihr sollt auch nicht wollen.«

»Ich soll nicht wollen? Ei, hört doch mal den Jungen!«

»Wollt Ihr denn, daß man von uns sage, wir hätten denen unsern Beistand versagt, welche in der Wildnis unsern Schutz angesprochen? Oder wollt Ihr, falls nämlich diese Leute überhaupt die sind, für welche Ihr sie haltet, wollt Ihr, sage ich, daß man uns künftig für die Helfershelfer der Häscher und Gerichtsfrone irgend einer Kolonialregierung ansähe?«

»Das nicht, Thorkil, das nicht. Du weißt, wie ich mit den Kolonialregierungen stehe – hole sie der Duivel allesamt! Aber ich will nie mehr einen Biberschwanz unter meine Zähne kriegen, Junge, wenn du so viel Eifer für diese Fremden zeigtest, falls das Mädchen nicht bei ihnen wäre. Am Ende willst du dich von dem hübschen Ding gar anwerben lassen für die Gemeinde der Heiligen.«

Diese kurze Unterredung war ebenso rasch als leise geführt worden. Die letzten Worte, welche der Alte seinem jungen Begleiter gesagt, riefen ein dunkles Rot auf Stirn und Wangen des letzteren, ein Rot, das ebensogut für ein Symptom der Verlegenheit als der Entrüstung gelten konnte. Der junge Mann bemeisterte indessen seine Bewegung und begnügte sich, mit der Hand auf Lovely weisend, seinen Begleiter zu fragen:

»Seht Ihr, was das Mädchen in der Hand hält?« »Meiner Treu, ich meine, 's ist ein Buch; wahrscheinlich die Bibel, welche diese Puritaner im Wachen und Schlafen mit sich herumschleppen.«

»Und seht Ihr auch die Schnur, womit das Buch umwickelt ist?«

»Nun ja – ha! ist das nicht eine Wampumschnur?«

»Freilich, und wenn Ihr Eure Augen ein wenig schärfen wolltet, Willem, so würdet Ihr bemerken, daß es der Wampum von Roger Williams ist.«

»Der Wampum von Roger Williams? Wenn das ist, so müssen wir uns der Leute annehmen, Thorkil.«

»Das mein' ich auch,« versetzte der junge Mann.

Und sofort wandte er sich mit der Freimütigkeit eines Waldbewohners, aber zugleich auch mit der achtungsvollen Bescheidenheit, welche weibliche Liebenswürdigkeit unverdorbenen Gemütern stets und überall einflößt, zu Lovely und redete sie folgendermaßen an:

»Mistreß« – dieser Titel wurde damals noch Mädchen und Frauen von höherem Stande gleichmäßig gegeben – »wollt Ihr mir erlauben, Euch zu fragen, wie Ihr in den Besitz jener Wampumschnur gekommen, welche ich um das Buch in Eurer Hand geschlungen sehe?«

»Sir,« erwiderte das Mädchen, dem Vertrauen erweckenden Blicke des Jünglings begegnend, »diese Muschelschnur wurde mir von einem würdigen Freunde meines Vaters und Großvaters gegeben.«

»Und heißt der Geber nicht Roger William?«

»So ist es, Fremder,« nahm Lovelys Vater das Wort. »Der Mann, dessen Namen Ihr nanntet, ist ein Gerechter in Israel. Er gab meinem Kinde dieses indianische Spielwerk, als wir uns vor wenigen Wochen zu Hartford am Konnektikut trafen, indem er meinte, es könnte uns in unsern Fährlichkeiten vielleicht von Nutzen sein. Er sagte, seine in diesem Lande zerstreuten weißen und roten Freunde würden leicht die Hand erkennen, welche diese Schnur geflochten, und er hoffte, sie würden um dieses Zeichens willen auch unsere Freunde werden.«

»Roger Williams hat, wie immer, so auch in diesem Falle die Wahrheit gesprochen, Sir,« entgegnete Thorkil, »und sein Wampum soll alle die Achtung erfahren, die er verdient. Verfügt über unsere Kräfte. Mein väterlicher Freund Willem Klopper hier, genannt Groot Willem – der große Wilhelm – denn er ist von Holländischer Abkunft, wird Euch sagen, daß wir gewohnt sind, die Angelegenheiten unserer Freunde als unsere eigenen zu betrachten.«

»Ja, ja, Junge,« sagte der alte Jäger. »Aber 's ist jetzt nicht Zeit, länger zu schwatzen. Wir müssen handeln, denn die Wichte da draußen haben die Landzunge umfahren und sind schon in der Bai. Wir müssen eilen, ans Land zu kommen,« fuhr er gegen die Flüchtlinge gewendet fort; »ich habe zwischen den Bäumen dort eine Art Blockhütte und denke, es wird sich vom festen Lande aus, das noch dazu mein eigner Grund und Boden ist, besser mit den Kerlen reden lassen, wenn sie danach Begehren tragen.«

Demzufolge setzten sich die beiden Boote gegen das zunächstliegende Ufer hin in Bewegung und erreichten dasselbe mittels weniger Ruderschläge. Die ganze Gesellschaft stieg ans Land, und die leichten Fahrzeuge wurden aufs Gestade gezogen.

Der Platz, wo sie gelandet, lag an einem kleinen Winkel der Bai, gleichsam an einer Bucht in der Bucht. Der Boden stieg, wenige Schritte vom Wasser einwärts, jäh an und war dicht mit den Stämmen riesiger Schwarzkiefern besetzt. Hatte man die Böschung erklommen, so bemerkte man, daß die Hand des Menschen in dieser Öde tätig gewesen sei, denn hart am Rande des Abhangs stand zwischen vier, fast in regelmäßigem Quadrat aufragenden mächtigen Bäumen eine aus unbehauenen Stämmen roh, aber fest aufgeblockte Hütte. Ein prächtiger Wolfshund, welcher vor derselben Wacht gehalten, sprang den Kommenden entgegen, umkreiste wedelnd seine Bekannten, blickte die Fremden mit klugen Augen an, schnupperte, zog dann die Oberlippe in die Höhe und ließ ein leises Geknurre hören.

»Ruhig, Prinslo, ruhig, alter Narr, und untersteh dich nicht, unsere Gäste anzuknurren,« sagte Groot Willem zu dem wohldressierten Tiere, welches sich sofort dadurch besänftigen ließ. »Thorkil,« fuhr der Alte fort, »führe die Fremden in die Hütte, wo sie sich ausruhen mögen, während wir nach den andern ausschauen. Ei, da kommen sie ja!«

Thorkil stieß die aus Flechtwerk bestehende, mit Riemen von Büffelhaut befestigte Tür der Hütte auf und lud die Flüchtlinge ein, hineinzugehen. Lovely und der Greis folgten der Einladung, der Jüngere aber blieb stehen, untersuchte seine Büchse und sagte bedächtig, sogar mit einem leichten Anflug von Mißtrauen:

»Warum sollen wir uns in der Hütte da einsperren? Mein Kind mag es tun, aber ich will hier außen bleiben, um handeln zu können, wie es die Umstände verlangen.«

»Wie Ihr wollt, Mann,« entgegnete Willem trocken. »Aber ich weiß, was Ihr denkt. Habt jedoch unrecht, Mann. Sag' Euch, müßte der noch geboren werden, welcher sagen könnte, Groot Willem und Thorkil Wikingsson hätten Verrat geübt an solchen, denen sie ihren Schutz zugesagt.«

»Ja, Freund, ich hatte unrecht,« erwiderte der Oberst und reichte mit freimütigem Wesen dem alten Waldmann die Hand. »Verzeiht einem Sohn, der das Leben seines Vaters, und einem Vater, der das Leben seines Kindes bedroht sieht.«

»Wohl, wohl, es hat nichts zu sagen. Aber seht, das Boot dort ist schon im Begriffe, in die kleine Bucht einzufahren. Geht in die Hütte und laßt Thorkil und mich machen. Helfen Worte nichts und kommt es zu Taten, so sollt Ihr Euren Anteil daran haben.«

Der Oberst folgte dem Rate und verschwand in der Hütte. Die beiden Trapper wechselten einige kurze Worte, während sie ihre Waffen bereit machten. Thorkil faßte nahe an der Blockhütte Posto, Groot Willem dagegen stellte sich, auf seine mächtige Büchse gestützt, am Rande der von der Natur gebildeten Terrasse auf, doch so, daß er mit einem einzigen Schritte den Schutz eines hundertjährigen Baumstamms erreichen konnte, falls dies rätlich scheinen sollte. Prinslo stellte sich seinem Herrn zur Seite und prüfte mit Blick und Nase die Herannahenden. Das edle Tier mochte erkennen, daß der Besuch kein freundschaftlicher sei, denn plötzlich rannte es den Abhang hinab ans Wasser und sandte dem nahenden Boote ein wütendes Gebell entgegen. Gehorsam einem kurzen, gellenden Pfiff seines Herrn, verstummte er und sprang die Böschung wieder hinan, wo er sich ruhig verhielt, jedoch die Bewegungen der Nahenden fortwährend mit funkelndem Auge und gesträubtem Haar beobachtend.

Der alte Trapper ließ das Boot, nachdem es in die schmale Bucht eingefahren, bis auf etwa zweihundert Schritte an das Gestade herankommen und musterte mit Falkenblicken die Bemannung.

»Sie haben fünf Büchsen und außerdem zwei Paar Faustrohre, Willem,« flüsterte Thorkil.

»Ja, ja, Junge, ich sehe es,« versetzte der Angeredete, »und sehen die Burschen auch danach aus, als ob sie im Notfalle von ihren Waffen Gebrauch machen wollten. Verstehen aber nichts vom Waldkrieg, verlaß dich darauf; würden sonst nicht in einem offenen Boote gegen eine so gedeckte Stellung, wie wir da haben, anfahren. Hm, die Geschichte erinnert mich an unsre erste Bekanntschaft mit dem Häuptling des Donnerkanoes, wie ihn unsere indianischen Freunde nennen. Machten sie auch zuerst an dieser Stelle. Dürfte aber heute nicht so friedfertig hergehen wie damals, wenn die Burschen nicht etwa Vernunft annehmen. – Ha, sie haben eine Rothaut bei sich! Und ein Pequod ist's – verdammt sei er und sein ganzer Stamm! – Mein Roer wird Arbeit bekommen, ich wette.«

Plötzlich unterbrach er seine Betrachtungen, indem er sein Roer, wie er das ungefüge Gewehr auf gut holländisch nannte, schußgerecht vorwarf und mit einer Stimme, die dem Gebrülle des Büffels nicht unähnlich war, den Heranfahrenden zurief:

»Halt! oder ich schieße den Mann am Steuer weg.«

Gestalt, Stellung, Gebärde und Stimme des Mannes überzeugten die im Boote, daß die Drohung keine eitle, sondern eine wörtlich zu nehmende sei.

Die Matrosen ließen wie auf Verabredung zumal die Ruder ruhen, und der junge Tom Kirk machte auf seinem Sitze am Steuer eine Bewegung, welche verriet, daß es ihm in gerader Schußlinie mit dem Büchsenlaufe des Fremden auf der Uferhöhe nicht so ganz geheuer sei.

»Was ist das für ein ungeschlachter Kerl?« fragte er halblaut seinen Begleiter, mit der einen Hand nach seiner Büchse greifend.

»Weiß nicht, Tom,« erwiderte Kellond, »denke aber, 's wird einer der gottverdammten Waldläufer sein, eine eigentümliche Spezies von Ungeziefer in diesem Lande der Psalmenquinkelierer und Gurgelabschneider. Tu die Hand von der Büchse, Bursch! Wir müssen es zuerst mit glatten Worten versuchen, sonst hast du eine Kugel vorm Schädel, bevor du Amen sagen kannst.«

Dies gesagt, erhob er seine Stimme, und es entspann sich folgender Dialog zwischen ihm und dem Trapper.

»Wer seid Ihr, Fremder, und mit welchem Rechte haltet Ihr uns hier auf?«

»Wer ich bin? Ei, das geht Euch gar nichts an, rein gar nichts, sollt' ich meinen. Mein Recht, Euch Halt zu gebieten, ist aber das eines Mannes, der seinen Grund und Boden nur von solchen betreten läßt, die ihm zusagen. Verstanden?«

»Ihr sprecht, als wäret Ihr der Besitzer dieser Einöde.«

»Nicht der ganzen, Mann, nicht der ganzen. Das zu sagen, wär' 'ne Prahlerei, so 'ne echte franzmänn'sche Prahlerei. Aber der Wald rings um die Bucht hier gehört mir, ja, und auch die Bucht dazu, wenn nämlich irgend ein Mensch Meerwasser sein eigen nennen kann. Ich habe den Boden mit allem, was darauf ist, von dem jungen Sachem der Naragansetts erworben und manchen lieben Tag mit Jagen und Fischen hier verbracht.«

»Gut, wenn das Land hier Euer Eigentum ist, Fremder, so müßt Ihr auch anerkennen, daß es zu Neuengland gehört. Die Oberherrlichkeit über Neuengland aber kommt Sr. Majestät König Karl von Großbritannien und Irland zu.«

»König Karl? Oberherrlichkeit? Hört, Mann, und merkt's Euch, ich kümmere mich keinen Pfifferling um König Karl und seine Oberherrlichkeit. Meint Ihr, ich sei so dumm, zu glauben, die Könige drüben in Europa könnten sich die Länder hier diesseits der See dadurch Untertan machen, daß sie Schiffe herüberschicken, deren Kapitäne eine Stange mit 'nem bunten Lappen am Ufer aufpflanzen? Geht, solchen Firlefanz mag man in den Städten und Ansiedlungen glauben, aber im Walde lacht man darüber.«

»Wie, Ihr leugnet die Oberherrschaft König Karls über Neuengland?«

»So tu' ich, wenn's Euch beliebt oder auch nicht beliebt. Neuengland, wie Ihr das Land nennt, gehört von Rechts wegen niemand zu als den Rothäuten, und Euer König Karl hat nicht mehr Anspruch darauf als auf meine Tabakspfeife.«

»Verdammt will ich sein, wenn das nicht gesprochen ist, wie nur ein Erzrebell sprechen kann,« schrie der hitzige Kirk auf.

»Laßt den Gelbschnabel schweigen, Mann,« erwiderte der Trapper mit unstörbarer Ruhe vom Ufer her; »laßt ihn schweigen, wenn Ihr nicht wollt, daß statt meiner mein Roer mit Euch reden soll.«

»Ruhig, Tom, in's Teufels Namen,« sagte Kellond zu seinem Gefährten. »Wir sind, fürcht' ich, etwas unvorsichtig in eine häklige Lage hineingerannt. Der riesenhafte Lümmel und sein Kamerad, der dort am Blockhaus lauert, haben den Vorteil des Terrains für sich. Also con sagitad y con prudencia, wie die Spanier sagen.«

Nach dieser Zwischenbemerkung wandte sich Master Kellond wieder zu dem Trapper und sagte oder rief vielmehr:

»Wir wollen einen unnützen Streit nicht verlängern, Fremder. Ich gebe Euch auch die Versicherung, daß wir nicht hierher gekommen sind, Euch oder Euer Eigentum irgendwie zu schädigen oder zu beeinträchtigen. Ich frage Euch nur, wo die Leute hingekommen sind, welche wir vor wenigen Minuten in diese Bucht einfahren sahen und deren Boot ich dort am Ufer bemerke?«

»Hm, diese Leute sind vermutlich nicht weit von hier.«

»Vermutlich? Ei, Ihr wollt mich schrauben? Wißt Ihr auch, wer diese Leute sind?«

»Dermalen sind sie meine Gäste.«

»An denen Ihr Euch garstig die Finger verbrennen könntet, glaubt mir. Es sind zwei der –«

»Halt, kein Wort mehr, Mann! Wer immer sie seien, dermalen sind sie meine Gäste und genießen den Schutz meines Daches. Ihr sollt sie in Frieden lassen, solange meine Hand noch mein Roer regieren kann.«

»Aber bedenkt, Fremder, was Ihr tut. Auf der einen Seite, das heißt auf der unsrigen, könnt Ihr, so Ihr Vernunft annehmt, eine Handvoll der schönsten Nobels verdienen, welche je den Prägstock verlassen; auf der andern Seite macht Ihr Euch des Hochverrats an König Karl schuldig.«

»Zum Duivel mit Euren Nobels, zum Duivel auch mit Eurem König Karl!«

»Nehmt Euch in acht, sag' ich, nehmt Euch in acht! Ich führe den königlichen Befehl in der Tasche und die Vollmacht der Kolonialregierung von Massachusetts, aufzuspüren, zu ergreifen, festzunehmen, einzuliefern tot oder lebendig die –«

»Holla, schont Eure Lunge und laßt mich mit all dem Gesetzeskram in Ruhe. Und sag' Euch, Mann, scheint mir unser Gespräch jetzt gerade lange genug gedauert zu haben. Rate Euch daher –«