Die Plagegeister und der weiße Löwe - Ilka Brühl - E-Book

Die Plagegeister und der weiße Löwe E-Book

Ilka Brühl

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Beschreibung

Die aufgedrehte YouTuberin Mel, der mürrische Sportler Ben, das paranoide Plappermaul Johanna und der schlagfertige Kilian haben absolut nichts miteinander zu tun. Doch dann gibt es Feueralarm an der Integrierten Gesamtschule Spachthausen. Die vier, die sich zufällig als Einzige noch im Gebäude befinden, entdecken etwas Seltsames. Die Tür zum Büro der Schuldirektorin steht weit offen und Papiere liegen auf dem Boden verstreut. Als sie dann auch noch einen Rucksack mit Spiritus und Streichhölzern finden, ist klar: Hier ist ein Verbrechen im Gange. Doch wem gehört der Rucksack? Und wonach wurde im Büro gesucht? Die bunt zusammengewürfelte Gruppe will der Sache auf den Grund gehen. Werden die Plagegeister ihren ersten Fall lösen können?

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Seitenzahl: 174

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ILKA BRÜHL

DIE PLAGEGEISTER UND DER WEISSE LÖWE

ILKA BRÜHL

DIE PLAGEGEISTER UND DER WEISSE LÖWE

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen

[email protected]

Originalausgabe

1. Auflage 2022

© 2022 by LAGO Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Türkenstraße 89

80799 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Redaktion: Carina Heer

Umschlaggestaltung: Pamela Machleidt

Umschlagabbildung und Illustrationen Innenteil: Ilka Brühl, Shutterstock/Modvector

Layout und Satz: Christiane Schuster | www.kapazunder.de

eBook: ePUBoo.com

ISBN Print 978-3-95761-212-0

ISBN E-Book (PDF) 978-3-95762-307-2

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-95762-308-9

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.lago-verlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter www.m-vg.de

INHALT

1. Einbruch im Direktorat

2. Es stinkt!

3. Das erste Verhör

4. Unerwartete Hilfe

5. Die neue Starreporterin

6. Klokunst

7. Minecraft sei Dank

8. Der Weiße Löwe taucht auf

9. Was schief gehen kann, geht schief

10. Die Situation eskaliert

11. Frustjoggen

12. Dein Foto weiß mehr, als du denkst

13. Ausgetrickst

14. Wer verliert zuerst die Nerven?

15. Pläne schmieden

Danksagung

1. EINBRUCH IM DIREKTORAT

Erster Tag, Montag, 11:25 Uhr – Ben

»Echt jetzt? Schon wieder so ein dämlicher Übungsalarm!«, fluchte Ben, während er auf dem Schulklo saß. Wie oft wollten die das denn noch durchspielen? So schwierig war es doch echt nicht, geordnet die Schule zu verlassen. Er hatte überhaupt keine Lust, gleich in der Mittagssonne zu brutzeln, doch es half ja nichts. Oder konnte er vielleicht hier drinnen bleiben und erst wieder rauskommen, wenn dieses Theater vorbei war? Er seufzte. Das klappte bestimmt nicht. So verpeilt wie die Lehrerinnen und Lehrer auch manchmal waren, nahmen sie Übungen sehr genau. Spätestens beim Durchzählen würde sein Fehlen auffallen. Aber schon aus Prinzip würde er sich jetzt richtig viel Zeit lassen. Ein paar TikTok-Videos waren noch drin.

Einige Minuten später blickte Ben im Spiegel in sein eigenes genervtes Gesicht, wusch sich die Hände und verließ das Klo. Sein feuerrotes Haar spiegelte seine gereizte Stimmung ganz gut wider. Auf dem Schulflur ging er träge ein paar Schritte, blieb aber nach ein paar Metern wieder stehen, weil er Stimmen hörte. Klang so, als ob im Erdgeschoss zwei Menschen diskutierten. Was hatte das zu bedeuten? Hier sollte doch niemand sein. Auf leisen Sohlen schlich er zur Treppe und die Stufen herab, darauf bedacht, kein Geräusch zu verursachen.

»Willst du da wirklich reingehen?«, fragte eine tiefe Stimme.

»Na klar, als ob das jetzt noch einen Unterschied macht«, antwortete eine Stimme, die ihm irgendwie bekannt vorkam. Daraufhin knirschte es.

Ben spähte um die Ecke. Innerhalb von Sekunden erfasste sein Gehirn die Lage. Vor ihm breitete sich ein Flur mit Spinden in beide Richtungen aus. Zu seiner linken lag das Büro der Rektorin. Die Glastür war zersplittert, Zettel lagen überall verteilt und ein Mädchen, das ihm seltsam vertraut vorkam, versuchte, in den Raum zu gelangen, ohne sich an den herausstehenden Splittern zu schneiden. Sie hatte blonde Locken und trug ein türkisfarbenes Sommerkleid. Anscheinend hatte sie keinerlei Angst, denn sie ließ sich nicht von ihrem Plan abbringen. Ben wäre da ja nicht einfach so reingegangen. Aber wozu auch? So spannend war das jetzt auch nicht … Ein Junge im Rollstuhl sah ihr besorgt hinterher. Seine langen braunen Haare hatte er zum Dutt hochgesteckt, wobei das Zopfgummi farblich zu seinem khakifarbenen Hemd passte. Was hatten die hier verloren?

Warum bin ich nicht einfach so schnell wie möglich nach draußen gegangen?, fluchte Ben innerlich. Er beschloss, sich unauffällig zurückzuziehen, kam jedoch dabei gegen einen Mülleimer, der laut schepperte. Auweia! Hoffentlich hatten die anderen ihn nicht gehört.

»Hey, du da!« rief ihm das Mädel zu, nachdem sie ihn entdeckt hatte. Zu spät, jetzt konnte er sich nicht mehr aus dem Staub machen.

»Ich habe nichts gesehen«, versicherte Ben mit unschuldigem Blick. »Ehrlich, ich werde euch nicht verpetzen.« Betont lässig drehte er sich um und schlenderte los.

Der Junge rollte neben ihn. »He, wir waren das nicht.«

»Habe ich doch gesagt.« Ben blieb mit verschränkten Armen stehen.

»Aber du glaubst uns nicht«, stellte sein Gegenüber richtig fest.

»Was hätten wir denn davon, hier einzubrechen?«, ertönte es aus dem Büro. Jetzt wusste Ben, wieso ihm das Mädchen so vertraut vorgekommen war. Möglicherweise war sie die bekannteste Person an der Schule, denn sie hatte einen eigenen YouTube-Kanal. Das war Melanija Lazić. Wenn er sich nicht irrte, war sie Gamerin. Er hatte persönlich ja nie verstehen können, wieso man seine Freizeit damit verbrachte, anderen Menschen beim Zocken zuzugucken. Aber vielleicht konnte er das auch nicht begreifen, wenn er nicht selbst Videospiele spielte. Er verbrachte seine Zeit lieber mit Sport in der echten Welt.

»Wow, das ist ja krass!« Ein brünettes Mädchen mit Brille stand plötzlich hinter ihnen, in der Hand einen orangen Rucksack, und starrte auf die Scherben. Als sie merkte, dass die drei sie anstarrten, senkte sie sofort den Blick. Warum waren die nicht alle vor der Schule, um sich zählen zu lassen? Hatte er sich die Sirene etwa nur eingebildet?

»Dass gerade Feueralarm ist, scheint auch niemanden zu interessieren, oder?«, sprach der andere Junge seinen Gedanken aus.

Melanija runzelte die Stirn. »Bald werden die anderen nach uns suchen. Und ich will damit jedenfalls nicht in Verbindung gebracht werden.« Sie wies auf das Büro der Rektorin. Es war wirklich ein heilloses Bild der Verwüstung. Hatte da jemand was gesucht? Viel Zeit konnte die Person nicht gehabt haben; seit dem Alarm waren vielleicht gerade mal zehn Minuten vergangen.

Ben wollte schon protestieren, dass bei einem Probealarm gar nicht die Feuerwehr käme, fragte sich dann aber, wieso er eigentlich davon ausgegangen war, dass es sich nur um eine Übung handelte. Was wäre, wenn es wirklich brannte?

»Sie hat recht, lasst uns abhauen. Mir nach«, schlug der Junge vor und unterbrach damit seine Gedanken. Und da niemand eine bessere Idee hatte, flitzten die vier über die Schulflure zum Hinterausgang. Sie stießen die Tür auf und traten hinaus in einen heißen Junitag. Es war keine Wolke zu sehen und der Asphalt schien zu glühen.

»Jetzt müssen wir uns nur noch unauffällig unter die Leute mischen«, sagte Ben.

Melanija runzelte die Stirn. »Wenn es nur keinem auffällt, dass wir jetzt so lange weg waren.«

Doch sie kamen gar nicht erst dazu ihren Plan weiter auszufeilen, denn in dem Moment kam eine Feuerwehrfrau auf sie zu. »Entwarnung. Ich habe die fehlenden Kinder gefunden«, sprach sie ins Funkgerät und wandte sich an sie. »Warum habt ihr denn so lange gebraucht?«

»Der Fahrstuhl war kaputt und ich musste erst durch das halbe Gebäude. Die anderen wollten mich nicht allein lassen«, meinte der Junge mit zittriger Stimme. Ben war beeindruckt, wie schnell der Junge eine Ausrede parat hatte. Ben hätte nicht gewusst, was er sagen sollte. Er blickte der Feuerwehrfrau in das schweißnasse Gesicht. In der Ausrüstung war ihr bestimmt richtig heiß.

»Na gut, das ist ja auch vernünftig. Aber jetzt schnell zu den anderen. Habt ihr gesehen, wo es brennt?«

Damit hätte sich die Frage nach dem Übungsalarm auch beantwortet. Doch die vier schüttelten alle nur den Kopf.

Die Feuerwehrfrau zeigte nochmal in die Richtung der Sammelstelle. »Na, dann los jetzt.« Sie selbst ging in die andere Richtung davon und zückte wieder ihr Funkgerät.

Als sie losgingen, flüsterte ihnen das brünette Mädchen zu: »Mist, ich habe noch den Rucksack. Der hat glaube ich was damit zu tun. Jedenfalls wollte den gerade jemand loswerden.«

Ben sah sie mit hochgezogenen Augenbrauen an. Wovon redete sie bloß?

Sie schien seinen Blick zu bemerken und wollte gerade zu einer Erklärung ansetzen, als die YouTuberin sie unterbrach.

»Dafür haben wir jetzt keine Zeit! Wirf ihn da vorne in die Mülltonne«, schlug Melanija vor, weil die Feuerwehrfrau sie noch immer wachsam beobachtete. »Dann sammeln wir den nach Schulschluss ein. Lasst uns uns nach der Schule kurz treffen, nach der sechsten Stunde, hier am Mülleimer. Passt das allen?« Der andere Junge nickte mit leuchtenden Augen und schien es gar nicht abwarten zu können. Auch das Mädchen murmelte ein »Okay«. Da Ben nicht die Spaßbremse sein wollte, zuckte er nur mit den Schultern. »Dann wäre das abgemacht. Außerdem müssen wir uns abstimmen, was wir erzählen, falls wir nochmal befragt werden oder so.« Ben fand das ziemlich übertrieben, sagte aber nichts. Doch er konnte es sich nicht nehmen lassen, mit den Augen zu rollen. Er meinte, kurz zu sehen, wie sich die Mundwinkel des brünetten Mädchens zu einem Grinsen verzogen, als sie das sah. Sofort stieg sie auf Bens Sympathieskala. Dann machten sie sich wieder auf den Weg. Die Sammelstelle befand sich auf der Südseite der Schule auf der anderen Seite der Straße auf dem Schulparkplatz. Als der unbeliebte Herr Meier sie erblickte, kam er direkt auf sie zugedackelt, wobei eine potthässliche Sonnenbrille an einer Kordel um seinen Hals schlackerte. Der lebt auch echt noch in den Siebzigern, dachte Ben, während er das geblümte Hemd und die orange Hose zur Kenntnis nahm. Doch er sah hochzufrieden aus, weil er nun seiner Lieblingsbeschäftigung nachgehen konnte: Kinder anmeckern. Noch ehe der Lehrer zu einer ordentlichen Standpauke ausholten konnte, packten sie eilig ein weiteres Mal ihre Geschichte aus und er wurde ganz kleinlaut. Von Vorwürfen war plötzlich nichts mehr zu hören, im Gegenteil, er entschuldigte sich bei ihnen. Kurz hatte Ben ein schlechtes Gewissen, doch es überwog die Erleichterung darüber, so glimpflich davongekommen zu sein. Manchmal musste man eben Glück haben.

Er gesellte sich zu seiner Klasse, der 9c, und seine Freunde Nils und Tim löcherten ihn direkt mit Fragen. Ihnen erzählte er natürlich die Wahrheit und sie machten große Augen. Nebenbei suchte er die Menge nach seinem Partner Cemil ab, mit dem er seit einem halben Jahr zusammen war. Jetzt, da er wusste, dass das kein Probealarm war, wollte er sehen, ob auch er in Sicherheit war. Er erkannte seinen dunklen Haarschopf und als sich ihre Blicke begegneten, lächelte er erleichtert. Immerhin etwas an diesem verkorksten Tag. Cemils Anwesenheit milderte seine schlechte Laune direkt – so wie eigentlich immer. Ben war häufiger mal grummelig und wenn dann einer zu ihm durchdringen konnte, war es sein Freund. Nach einer halben Stunde, die ihm wie eine gefühlte Ewigkeit vorkam, gab die Feuerwehr die Schule wieder frei, da alles unter Kontrolle war. Offenbar war es ein kleiner Brand gewesen.

Als sich die Korridore wieder füllten, war der Bereich um das Büro der Rektorin abgesperrt und ein Polizist fotografierte den Raum.

»Schau mal, da ist jemand eingebrochen«, hörte er ein Kind raunen. »Ach, echt? Wie heftig!«, erwiderte ein anderes. Und auch Ben ließ die Sache keine Ruhe. Während der letzten zwei Unterrichtsstunden konnte er sich nicht konzentrieren. Er sah zwar, dass seine Englischlehrerin Frau Seilers vor sich hinplapperte, aber er hörte nicht, was sie sagte – wie in einem Stummfilm. Ihre Worte drangen einfach nicht zu ihm durch. Seine Gedanken kreisten stattdessen permanent um den Einbruch und auch den anderen schien es so zu gehen, denn ihre Lehrerin musste sie noch häufiger als sonst zur Ruhe ermahnen. Doch im Gegensatz zu der reinen Aufregung, die er in den Augen der anderen sah, mischte sich bei ihm Nervosität dazu. Warum war er nicht einfach direkt rausgegangen beim Feueralarm? Stattdessen hatte er sich rebellisch gefühlt und durch TikTok gescrollt. Na super, das hatte es ja voll gebracht. Jetzt war er irgendwie in diese Sache verwickelt und sie hatten sogar eine Feuerwehrfrau belogen. Ab jetzt würde er sich da raushalten.

Und dieser Melanija würde er einfach aus dem Weg gehen.

2. ES STINKT!

Erster Tag, Montag, 13:15 Uhr – Ben

Als Ben nach Schulschluss mit seinen Freunden zum Fahrradständer schlurfte, lief ihm Melanija über den Weg. Sofort sah er zu Boden und wandte sich Tim zu, damit sie ihn nicht bemerkte. Mit Erfolg, sie ging weiter. Dachte er zumindest, denn im nächsten Moment rief sie quer über den Vorplatz. »Heeey, wo willst du hin?«

Er wollte sie ignorieren, aber seine Freunde blieben stehen. »Ben, kann es sein, dass DIE Melanija dich gerade gerufen hat?« Aufgeregt schaute Nils ihn durch helle, etwas strähnige Haare an. Er hatte ihnen die Geschichte zwar erzählt, aber nicht erwähnt, wer dabei gewesen war. Spielte ja auch keine Rolle.

»Ach, Quatsch, sie muss wen anders meinen.« Er wollte wieder los, doch sie kam auf die Gruppe zu und stellte sich ihm mit den Händen in den Hüften in den Weg. Tim guckte so, als sähe er eine Fata Morgana. Es war ein lustiger Anblick, wie beide Jungs Melanija, die sie um gut einen Kopf überragten, ehrfurchtsvoll ansahen. Ben bemerkte, wie sie versuchten, sich möglichst lässig hinzustellen. Als Nils sich die Cap zurechtschieben wollte und dabei seine Brille fast herunterfiel, konnte Ben nur mit Mühe ein Grinsen unterdrücken. Was für ein Zirkus! Sie war doch auch nur ein Mensch, oder nicht? Melanija wiederum schien das entweder gar nicht zu bemerken oder bereits daran gewöhnt zu sein.

»Wo willst du denn hin?«, erkundigte sie sich nun. »Wir haben schließlich noch was vor!«

»Ach das, ja, habe ich ganz vergessen. Ich bin leider schon mit den Jungs verabredet.« Ben deutete auf seine Freunde, die ihn mit ganz neuer Ehrfurcht ansahen. Hoffentlich spielten die beiden mit.

Doch leider waren die so neben der Spur, dass sie rein gar nichts checkten. »Hä? Sind wir?«, wollte Tim wissen.

Und Nils brachte gar kein Wort heraus. Die beiden waren wirklich eine großartige Unterstützung. Ben warf den beiden einen Blick aus zusammengekniffenen Augen zu, den sie allerdings nicht wahrzunehmen schienen, ihre Blicke hingen an Melanija. Sie hatte ihre Hände immer noch in die Hüften gestemmt und sah keineswegs so aus, als ob sie nachgeben würde. Dafür brauchte sie nicht mal viele Worte, sie hatte einfach so eine gewisse Ausstrahlung, als ob sie genau wüsste, was sie wollte und wie sie das bekäme. Wenn er nur halb so viel Durchsetzungsvermögen hätte wie sie … Schließlich ergab er sich seinem Schicksal.

Melanija hatte seinen Schwindel offenbar nicht durchschaut. »Wir müssen uns unbedingt abstimmen. Ihr könnt euch ja danach noch treffen. Das ist ja alles so aufregend. Wir haben so ein Glück, dass wir zur richtigen Zeit am richtigen Ort waren. Endlich passiert hier mal etwas.«

»Ja, endlich«, brachte Ben nur lahm hervor. Er war ja eher der Typ, der das Gewohnte mochte. Bei der Eisdiele musste es immer Vanilleeis sein, egal, wie langweilig andere das fanden. Er wusste einfach gerne, worauf er sich einließ. Handball, Cemil und seine Freunde, mehr brauchte er nicht. Für Abenteuer gab es doch Filme.

Am Mülleimer trafen sie die anderen beiden. Er war sich sicher, dass gleich eine Diskussion losgehen würde, wer nun in den Dreck greifen musste. Allein bei dem Gedanken stellten sich Ben die Nackenhaare auf. Wenn er eins hasste, war das Schmutz. Doch zu seiner Überraschung fischte Melanija beherzt direkt selbst nach dem Rucksack, was er ihr nicht zugetraut hätte. Zum Glück war der Abfall fast leer, sodass sie ihn ziemlich sauber heraus bekamen.

»Wollen wir uns mal kurz vorstellen? Ich bin Melanija, 14 Jahre alt und gehe in die 9b.« Ben konnte schon verstehen, warum ihr Kanal so erfolgreich war, denn in ihrer Gegenwart fühlte man sich einfach wohl.

Nach kurzem Schweigen machte der andere Junge weiter. »Ich heiße Kilian, bin auch 14 und in der 8c.« Mit seinem Rollstuhl war er Ben schon häufiger aufgefallen, doch sie hatten bisher nie miteinander geredet. Nun stellte er fest, was für eine angenehme Stimme er hatte – relativ tief für sein Alter, fand Ben.

»Mein Name ist Johanna. Ich bin in der 7d und 13 Jahre alt.« Damit war sie offenbar die Jüngste, denn Ben war schon 15 und besuchte die neunte Klasse, was er den anderen auch mitteilte. »Dann wäre das ja geklärt«, meinte Kilian zufrieden und betrachtete eine Traube an Menschen. »Wo könnten wir denn ungestört reden?«

»Wir können in den Schulgarten gehen, der Geräteschuppen wird erst später abgeschlossen. Ich war mal bei der Garten-AG, daher weiß ich das«, schlug Johanna vor und da keiner eine bessere Idee hatten, setzen sie sich in Bewegung. Hoffentlich dauerte das nicht so lange.

Ben hatte nicht viel für Gartenarbeit übrig. Viel zu dreckig für seinen Geschmack. Links hinter einem Zauntor lagen akkurat abgesteckte Flächen, auf denen Gemüse wuchs. Tomaten und Zucchini erkannte Ben vage, eine Menge anderer Gewächse sah er zum ersten Mal. Rechts blühten Rosen und andere Blumen in den verschiedensten Farben. Ein Beet war komischerweise komplett zertrampelt, doch er hatte keine Zeit, groß darüber nachzudenken, denn sie gingen weiter geradeaus auf einen Schuppen zu. Beim Betreten hatte Ben das Gefühl, in Honig einzutauchen, dick und klebrig legte sich die warme Luft um ihn.

»Ist das heiß hier drinnen«, meinte er, bahnte sich seinen Weg zum Fenster und öffnete es sperrangelweit. Noch eine Sache, die er nicht mochte: Hitze. »Das hält man ja nicht aus.« Sofort merkte er, wie sich Perlen auf seiner Stirn bildeten.

»Gute Idee!« Das kam von Johanna, die nun auch ein Fenster öffnete. Geschickt kletterte sie über zwei Kisten und Ben fiel auf, wie warm sie angezogen war. Während Melanija in luftigem Kleid unterwegs war, trug sie eine lange Jeans und ein Shirt mit längeren Ärmeln. Sie schien seinen Blick zu bemerken und lächelte. »Habe nicht damit gerechnet, dass es heute sooo heiß wird. Und ich friere ziemlich schnell.«

Die hereinströmende Luft war nicht wesentlich kühler, aber immerhin nicht so abgestanden. Ben sah sich um und erblickte allerlei Werkzeuge, Blumentöpfe in diversen Größen, einen Rasenmäher sowie einen halbleeren Kasten Limo. Ben sah sich nach einem Platz um. Melanija hatte sich auf eine Kiste gesetzt und Johanna auf dem Boden Platz genommen, doch er beschloss, sich einfach gegen die Wand zu lehnen. So lange würde das ja nicht dauern.

»Soooo, ihr Lieben«, fing Melanija an und strich sich ihre blonden Locken aus der verschwitzten Stirn. Ob vor Hitze oder Aufregung ließ sich nicht sagen. »Dann können wir jetzt zum eigentlichen Punkt kommen. Was zur Hölle ist da heute in der Schule passiert?«

»Meiner Meinung nach war das einfach ein Streich«, vermutete Ben achselzuckend.

»Habe ich auch erst geglaubt. Aber dagegen spricht ganz eindeutig der Rucksack«, erwiderte Johanna, griff hinter sich und holte den orangen Rucksack hervor, den sie schon vorhin in der Hand gehalten hatte.

»Was hat der denn damit zu tun?«, wollte Kilian wissen.

»Wirst du gleich erfahren«, meinte sie geheimnisvoll und Ben sah ihr gespannt dabei zu, wie sie den Reißverschluss aufzog. Sie schien die Stillste in der Runde zu sein, doch sie wirkte auch nicht wirklich schüchtern oder so. Einfach, als ob sie sich sorgfältig überlegte, ob sie was zu sagen hatte. Wir sind uns gar nicht so unähnlich, dachte er. Und als er ihr breites Lächeln sah, fügte er in Gedanken hinzu, aber besser gelaunt ist sie auf jeden Fall. Er lehnte sich ein Stück weiter vor, um nichts zu verpassen, als sie zwei leere Flaschen hervorholte. Dann keuchte er auf. Waren das etwa Spiritusflaschen?

»Jemand hat tatsächlich versucht, die Schule anzuzünden!«, rief Kilian geschockt und wurde blass. Er krallte sich so an seinem Rollstuhl fest, dass die Fingerknöchel weiß hervortraten.

Auch Melanija entgleiste kurz das Gesicht. Für ein paar Sekunden war ihr das Entsetzen deutlich anzusehen, doch sie fing sich schnell und lächelte in die Runde. Als Streamerin, deren Emotionen live übertragen wurden, hatte sie darin wahrscheinlich Übung. »Er hat es nicht nur versucht. Irgendjemand bricht in das Büro der Rektorin ein und gleichzeitig fängt es an zu brennen. Ein Ablenkungsmanöver?« Sie machte eine Kunstpause, aber als niemand reagierte, sprach sie selbst weiter. »Höchst merkwürdig. Da ist was oberfaul ...«

»Ich weiß nicht, ob mir die Tat oder deine Begeisterung mehr Angst macht«, murmelte Ben so leise, dass es niemand hörte.

Doch sie schien jetzt erst richtig Fahrt aufzunehmen. »Was sehen wir hier? Einen Rucksack der Marke Rons, der deutliche Verschleißerscheinungen aufzeigt und mit etlichen Stickern beklebt wurde. Ein Totenkopf, ein Logo vom FC Bayern und lauter Kram, den ich noch nie gesehen habe.«

Ben schüttelte innerlich den Kopf. Diese Melanija sprach wie ein Fernsehdetektiv. Ein sehr seltsamer Fernsehdetektiv. Auch Johanna sah nachdenklich aus. »So auffällig, wie der aussieht, lässt sich bestimmt leicht herausfinden, wem der gehört.«

»Genau! Ich glaube, wir sind hier einer großen Sache auf der Spur«, rief Melanija begeistert und hüpfte vor Freude fast in die Luft. Für Ben absolut unbegreiflich.

»Meinst du echt? Aus irgendeinem Grund hat jemand ein kleines Feuer gelegt und ist in das Büro eingebrochen. Vielleicht aus Frust über eine schlechte Note oder einfach, um etwas Verbotenes zu tun. Sowas passiert doch dauernd«, hielt Ben dagegen, dessen T-Shirt mittlerweile nass an ihm klebte.

Melanija zog eine Augenbraue hoch und sah ihn durchdringend an. »Sowas passiert dauernd? Komisch, dass das im Laufe der letzten acht Schuljahre an mir vorbeigegangen ist.«