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Wer Drachen liebt, kommt an dieser Saga nicht vorbei! »Die Legenden« ist die zweite Trilogie der berühmten Drachenlanze-Saga.
Beim Versuch, die Eroberung des Abyss durch den dunklen Magier Raistlin aufzuhalten, wurden dessen Zwillingsbruder Caramon und der Kender Tolpan durch ein magisches Artefakt in die Zukunft geschleudert. Was sie dort erfahren, ist schlimmer als alles, was sie befürchtet haben. Raistlin und die Göttin der Finsternis kämpfen noch immer um die Herrschaft und haben mit ihrem Krieg den ganzen Kontinent zerstört. Erst jetzt wird Caramon und Tolpan klar, wie wichtig es ist, den Magier zu stoppen. Auch wenn das bedeutet, dass sie ihren Bruder und Freund vernichten müssen …
Die Drachenlanze-Saga ist zeitloser Fantasy-Kult: Lesen Sie, wie alles in der »Chronik der Drachenlanze« begann und verpassen Sie nicht die neue Trilogie »Das Schicksal der Drachenlanze«.
Dieser Roman ist früher bereits geteilt unter den Titeln »Der Hammer der Götter« und »Caramons Rückkehr« erschienen.
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Seitenzahl: 505
Veröffentlichungsjahr: 2024
Beim Versuch, die Eroberung des Abyss durch den dunklen Magier Raistlin aufzuhalten, wurden dessen Zwillingsbruder Caramon und der Kender Tolpan durch ein magisches Artefakt in die Zukunft geschleudert. Was sie dort erfahren, ist schlimmer als alles, was sie befürchtet haben. Raistlin und die Göttin der Finsternis kämpfen noch immer um die Herrschaft und haben mit ihrem Krieg den ganzen Kontinent zerstört. Erst jetzt wird Caramon und Tolpan klar, wie wichtig es ist, den Magier zu stoppen. Auch wenn das bedeutet, dass sie ihren Bruder und Freund vernichten müssen …
Margaret Weis und Tracy Hickman gehören zu den beliebtesten und meistgelesenen Fantasy-Autoren der Welt, seit sie Mitte der 1980er-Jahre mit der unvergessenen Chronik der Drachenlanze den Grundstein der vielschichtigen und noch immer wachsenden Drachenlanze-Saga gelegt haben. Zwar haben sie sich gelegentlich – teils gemeinsam, teils allein – auch anderen Projekten zugewandt, doch sie sind immer wieder gerne ins Reich der Drachenlanze zurückgekehrt wie mit der neuen Trilogie »Das Schicksal der Drachenlanze«.
Erstmals auf Deutsch! Das Schicksal der Drachenlanze:
1. Drachen des Verrats
2. Drachen der Vorsehung
3. In Vorbereitung
Die Chronik der Drachenlanze:
1. Drachen des Zwielichts
2. Drachen der Nacht
3. Drachen der Dämmerung
Die Legenden der Drachenlanze:
1. Die Zeit der Zwillinge
2. Der Krieg der Zwillinge
3. Die Prüfung der Zwillinge
www.blanvalet.de
MARGARET WEIS & TRACY HICKMAN
Die Legenden der Drachenlanze 3
Roman
Deutsch von Marita Böhm
Die Originalausgabe erschien 1986 unter dem Titel »Test of the Twins (Dragonlance Legends 3)« bei TSR, Inc., Lake Geneva, WI, USA.Dieser Roman ist früher bereits geteilt unter den Titeln »Der Hammer der Götter« und »Caramons Rückkehr« erschienen.Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.
Copyright der Originalausgabe © 1986 by TSR, Inc.
TSR, Inc. is a subsidiary of Wizards of the Coast, Inc. licensing by Hasbro Consumer Products. All rights reserved.
Wizards of the Coast, Dungeons & Dragons, D&D, their respective logos, Dragonlance, and the dragon ampersand are registered trademarks of Wizards of the Coast LLC in the U.S.A. and other countries. © 1984, 2024 Wizards of the Coast LLC. All rights reserved. Licensed by Hasbro.
All characters in this book are fictitious. Any resemblance to actual persons, living or dead, is purely coincidental. All Wizards of the Coast characters, character names, and the distinctive likenesses thereof, and all other Wizards trademarks are property of Wizards of the Coast LLC.
Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2024 by Blanvalet in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München
Redaktion: Michael Rahn
Covergestaltung: Isabelle Hirtz, nach einer Originalvorlage von Wizards of the Coast
Umschlagdesign: Tanya Matson
Umschlagillustration: Matt Stawicki
HK · Herstellung: fe
Satz: Uhl + Massopust, Aalen
ISBN 978-3-641-32314-1V001
www.blanvalet.de
Wie scharfer Stahl schnitt der Trompetenruf durch die Herbstluft, als die Zwergenarmee von Thorbadin in die Ebenen von Dergod stürmte, um sich dort mit ihrem Feind zu messen – den eigenen Verwandten. Jahrhunderte voller Hass und Missverständnisse zwischen den Hügelzwergen und ihren Bergvettern färbten an jenem Tag die Erde der Ebenen blutrot. Wer siegen würde, war ohne Bedeutung – denn danach strebten sie nicht. Das Unrecht zu rächen, das vor langer Zeit von ihren Großvätern begangen worden war, die doch seit Langem schon in ihren Gräbern lagen, war das Ziel beider Seiten. Zu töten und zu töten und wieder zu töten – das war der Zwergentorkrieg.
Der Zwergenheld Kharas blieb seinem Wort treu und kämpfte für seinen König. Glattrasiert stand er an der Spitze der Armee, denn seinen Bart hatte er geopfert als Zeichen der Schande, dass er gegen jene, die er stets als Verwandte bezeichnet hatte, jetzt kämpfen musste. Er weinte sogar beim Töten. Und noch während des Kampfes erkannte er plötzlich, dass der Begriff »Sieg« verzerrt worden war und längst nur noch »Ausrottung« bedeutete. Er hatte die Standarten beider Armeen fallen sehen, nun lagen sie auf dem blutigen Feld, zertrampelt und vergessen, während beide Armeen in ihrer wahnsinnigen Gier nach Rache von einer roten Welle überflutet wurden, die Entsetzen verbreitete. Und als er erkannte, dass es längst keine Rolle spielte, wer gewann, dass es schließlich gar keinen Sieger geben würde, warf Kharas seinen Hammer fort – jenen Hammer, der mithilfe von Reorx, dem Gott der Zwerge, geschmiedet worden war – und verließ das Schlachtfeld.
Plötzlich erhoben sich Stimmen, die »Feigling« kreischten.
Falls Kharas sie hören konnte, schenkte er ihnen keine Beachtung. In sein Herz drangen sie nicht, denn er wusste, wer er war, besser als irgendein anderer. Er wischte die bitteren Tränen aus dem Gesicht, spülte das Blut seiner Verwandten von den Händen und suchte unter den Toten, bis er die Leichen der beiden geliebten Söhne von König Dunkan gefunden hatte. Kharas warf die verstümmelten jungen Zwerge über zwei Pferderücken, verließ die Ebenen von Dergod und machte sich mit seiner Last auf nach Thorbadin.
Kharas entfernte sich schnell, aber nicht weit genug, um dem Klang heiserer Stimmen zu entkommen, die nach Rache schrien, dem Klirren von Stahl, den Schreien der Sterbenden. Er blickte nicht zurück. Er hatte das beklemmende Gefühl, dass er diese Stimmen bis zum Ende seines Lebens hören würde.
Kharas hatte gerade die ersten Ausläufer der Kharolisberge erreicht, als er ein unheimliches, leises Poltern vernahm. Sein Pferd schreckte nervös zurück. Der Held zügelte es und hielt an, um das Tier zu beruhigen. Vorsichtig sah er sich um. Was war los? Das war kein Geräusch von der Schlacht, kein natürliches Geräusch auf seinem Weg.
Kharas drehte sich beklommen um. Das Geräusch kam von dem Feld, das er gerade verlassen hatte, von jenen Ebenen, wo sich seine Verwandten immer noch im Namen der Gerechtigkeit gegenseitig abschlachteten. Es wurde immer lauter, ein leises, dumpfes Dröhnen, das an Stärke stetig zunahm. Kharas glaubte fast sehen zu können, wie dieses Donnern immer näher kam. Der Zwergenheld erschauerte und senkte seinen Kopf, als ein fürchterliches Grollen über die Ebene donnerte.
Das ist Reorx, dachte er in Trauer und Entsetzen. Das ist die Stimme des zornigen Gottes. Wir sind dem Untergang geweiht. Auf das Getöse folgte eine Druckwelle – eine glühend heiße Explosion und ein sengender, übel riechender Wind, der Kharas fast aus dem Sattel riss. Wolken aus Sand und Staub und Asche hüllten ihn ein, verwandelten den Tag in eine grauenvolle Nacht. Bäume krümmten sich, seine Pferde wieherten verängstigt, gerieten in Panik und wollten ausbrechen. Eine Zeit lang war Kharas nur damit beschäftigt, sie zu zügeln.
Kharas wurde von der stechenden Staubwolke geblendet, musste würgen und husten. Er bedeckte seinen Mund und versuchte – so gut er das in dieser seltsamen Dunkelheit konnte –, auch die Augen seiner Pferde zu schützen. Später konnte er sich nicht mehr erinnern, wie lange er in dieser Wolke aus Sand und Asche und heißem Wind gestanden hatte. Aber so plötzlich, wie sie gekommen war, verschwand sie auch wieder.
Sand und Staub legten sich, und die Bäume richteten sich wieder auf. Die Pferde beruhigten sich. Die Wolke trieb im sanften Herbstwind davon und ließ ein Schweigen zurück, das noch fürchterlicher war als ihr donnerndes Auftauchen.
Von einer entsetzlichen Ahnung erfüllt, trieb Kharas seine erschöpften Pferde so schnell wie möglich weiter. Er ritt die Hügel hoch und suchte verzweifelt einen Aussichtspunkt. Schließlich fand er einen – einen hervorragenden Felsen. Kharas band die Packtiere mit ihrer beklagenswerten Last an einen Baum, ritt mit seinem Pferd zu dem Felsen und sah hinab auf die Ebenen von Dergod. Er erstarrte voller Entsetzen.
Nichts Lebendiges rührte sich mehr. Es gab dort überhaupt nichts mehr; nichts als Sand und Gestein, geschwärzt von der Explosion.
Beide Armeen waren vollständig ausgelöscht. So verheerend war die Explosion gewesen, dass auf der mit Asche bedeckten Ebene nicht einmal Leichen zu sehen waren. Selbst die Umrisse der Landschaft hatten sich verändert. Kharas’ entsetzter Blick glitt dorthin, wo einst die magische Festung Zaman gestanden und mit ihren hohen, anmutigen Türmen die Ebene beherrscht hatte. Auch sie war zerstört – aber nicht vollständig. Ihre Mauern waren eingestürzt, und wieder packte ihn das Grauen, denn ihre Ruinen ähnelten jetzt einem menschlichen Schädel, der grinsend auf Ödnis und Tod hinabsah.
»Reorx, Vater, göttlicher Schmied, vergib uns«, murmelte Kharas. Tränen verschleierten seinen Blick. Voll Trauer senkte der Zwergenheld den Kopf, verließ diese Stätte des Grauens und kehrte nach Thorbadin zurück.
Die Zwerge würden überzeugt sein, dass die Zerstörung beider Armeen auf den Ebenen von Dergod von Reorx gewollt war. Der Gott hatte demnach in seinem Zorn seinen Hammer auf das Land geschleudert und seine Kinder erschlagen.
Aber die Chroniken des Astinus berichten wahrheitsgemäß, was sich an jenem Tag in den Ebenen von Dergod wirklich zugetragen hat:
»Als aber der Erzmagier Raistlin, der auch den Namen Fistandantilus führte, auf der Höhe seiner magischen Kräfte stand, begehrte er Zutritt zu dem Portal, das in die Hölle führt, um dort die Königin der Finsternis herauszufordern und gegen sie zu kämpfen. Ihm zur Seite stand Crysania, die weiß gekleidete Klerikerin Paladins.
Finstere Verbrechen hatte dieser Erzmagier begangen, um bis hierher zu gelangen; er hatte den Gipfel seines Ehrgeizes erreicht. Die Schwarzen Roben, die er trug, waren mit Blut befleckt, und einiges stammte von ihm selbst. Dennoch wusste dieser Mann auch über das menschliche Herz Bescheid. Er wusste, wie er die Herzen beeinflussen und lenken konnte; wusste, wie er jene, die ihn eigentlich verschmähen und verachten mussten, dazu bringen konnte, ihn zu bewundern. So geschah es auch Crysania aus dem Haus Tarinius. Diese hochgeehrte Tochter der Kirche verbarg einen schicksalhaften winzigen Sprung im weißen Marmor ihrer Seele. Und diesen Sprung fand Raistlin und vergrößerte ihn, bis sich dieser Spalt über ihr ganzes Sein ausdehnte und schließlich ihr Herz erreichte …
Crysania folgte ihm zu dem Portal des Grauens. Hier rief sie ihren Gott an, und Paladin antwortete, denn sie war wahrhaftig seine Auserwählte. Raistlin rief seine Magie auf und triumphierte, denn nie zuvor hatte es einen solch mächtigen Zauberer wie diesen jungen Mann gegeben.
Das Portal öffnete sich.
Raistlin wollte eintreten … aber im selben Augenblick schickte sich Caramon, der Zwillingsbruder des Magiers an, mit dem Kender Tolpan Barfuß ein magisches Gerät für die Reise durch die Zeit zu aktivieren. Dessen Kraft beeinträchtigte den machtvollen Zauber des Erzmagiers. Das magische Feld wurde zerrissen, und die Folgen waren verheerend und unfassbar.«
Hoppla«, gab Tolpan Barfuß kleinlaut von sich.
Caramon warf dem Kender einen strengen Blick zu.
»Es war nicht mein Fehler! Wirklich, Caramon!«, kreischte Tolpan.
Aber noch während er sprach, irrte sein Blick umher, dann wanderte er zu Caramon und schließlich wieder zu ihrer Umgebung. Tolpans Unterlippe begann zu zittern, und er tastete nach seinem Taschentuch, nur für den Fall, dass er schniefen musste. Aber sein Taschentuch war nicht da, keiner seiner Beutel war da. Tolpan seufzte. In der Aufregung ihres Aufbruchs hatte er sie vergessen – sie waren alle in den Verliesen von Thorbadin zurückgeblieben.
Und es war wahrhaftig ein Moment voll Hektik gewesen. Einige Minuten zuvor hatten er und Caramon in der magischen Festung Zaman gestanden und das magische Gerät für Reisen durch die Zeit zu nutzen versucht; im nächsten Augenblick hatte Raistlin mit seiner Magie begonnen, und bevor Tolpan wusste, wie ihm geschah, hatte es eine schreckliche Erschütterung gegeben – singende Steine und zerspringende Felsen und ein schreckliches Gefühl, gleichzeitig in sechs verschiedene Richtungen gezogen zu werden. Und plötzlich – ZISCH – waren sie hier.
Wo immer dieses Hier auch sein mochte. Aber wo immer es auch war, es schien keineswegs das Hier zu sein, das sie ersehnt hatten.
Er stand neben Caramon auf einem Gebirgspfad in der Nähe eines riesigen Findlings knöcheltief im glitschigen aschgrauen Schlamm, der die Oberfläche des Landes unter ihnen völlig bedeckte, so weit er nur sehen konnte. Hier und dort ragten aus der weichen Aschendecke zerklüftete Spitzen von zerbrochenen Felsen hervor.
Es gab kein Zeichen von Leben. In dieser Ödnis war Leben auch undenkbar. Kein Baum erhob sich; nur feuergeschwärzte Stümpfe bohrten sich durch den dicken Schlamm. So weit das Auge reichte, erstreckte sich bis zum Horizont in jeder Richtung nur absolute Verwüstung.
Selbst der Himmel spendete keinen Trost, spannte sich grau und leer über ihnen. Im Westen jedoch war er seltsam veilchenblau verfärbt durch unheimliche, leuchtende Wolken, in denen strahlend blaue Blitze aufzuckten. Außer dem entfernten Grollen des Donners gab es keine Geräusche … keine Bewegung … nichts.
Caramon holte tief Luft und wischte sich mit der Hand übers Gesicht. Es war unfassbar heiß, und obwohl sie erst vor wenigen Minuten an diesen Ort geraten waren, war seine schweißnasse Haut mit einem feinen Film grauer Asche überzogen.
»Wo sind wir?«, fragte er in ruhigem, gefasstem Ton.
»Ich … ich bin mir sicher, dass ich keine Ahnung habe, Caramon«, murmelte Tolpan. Und nach einer Pause: »Du etwa?«
»Ich habe alles so gemacht, wie du mir gesagt hast«, erwiderte Caramon mit unheilvoll ernster Stimme. »Du hast gesagt, dass Gnimsch erklärt hätte, wir müssten nur daran denken, wohin wir wollen, und dann würden wir dorthin gelangen. Ich weiß, dass ich an Solace gedacht habe …«
»Ich auch!«, schrie Tolpan. Als er dem funkelnden Blick von Caramon begegnete, begann er zu stammeln: »Zumindest habe ich die meiste Zeit daran gedacht …«
»Die meiste Zeit?«, fragte Caramon.
»Also« –Tolpan schluckte – »ich … ich habe einmal gedacht, nur einen kurzen Moment, wirklich, wie – äh – wie lustig und interessant es wäre und, nun ja, einzigartig, wenn wir einen – uh – besuchen … ähm …«
»Ähm was?«, herrschte Caramon ihn an.
»Einen … mmmmmmmm.«
»Einen was?«
»Mmmmmm«, murmelte Tolpan. Caramon zog scharf die Luft ein.
»Einen Mond!«, sagte Tolpan hastig.
»Einen Mond!«, wiederholte Caramon ungläubig. »Welchen Mond?«, fragte er nach kurzem Zögern, nachdem er sich wieder umgeschaut hatte.
»Oh« – Tolpan zuckte die Achseln – »irgendeinen von den dreien. Ich vermute, einer ist genauso gut wie der andere. Ziemlich gleich, könnte ich mir vorstellen. Außer dass natürlich Solinari überall glitzernde silberne Steine und Lunitari nur strahlend rote Steine hat, denke ich mir, und auf dem anderen ist alles schwarz, obgleich ich das auch nicht mit Sicherheit sagen kann, da ich ihn noch nie gesehen habe …«
Ein unterdrückter Laut von Caramon unterbrach ihn, und Tolpan entschied, dass er wohl besser den Mund halten sollte.
Das gelang ihm auch ungefähr drei Minuten lang, während Caramon weiterhin die Umgebung mit todernstem Gesicht musterte. Aber eine größere Macht wäre schon vonnöten gewesen, über die der Kender aber nicht verfügte, um ihn länger als drei Minuten vom Sprechen abzuhalten.
»Caramon«, plärrte er, »glaubst … glaubst du, dass wir es wirklich geschafft haben? Ich meine, auf einem – äh – Mond zu landen? Ich meine, es sieht jedenfalls nicht nach einem Ort aus, an dem ich zuvor schon einmal gewesen bin. Diese Steine sind zwar nicht silbern oder rot oder schwarz. Sie haben eher die Farbe von Gestein, aber …«
»Es wäre dir zuzutrauen«, unterbrach ihn Caramon düster, »immerhin hast du uns schon einmal zu einer Hafenstadt geführt, die sich mitten in einer Wüste befand …«
»Das war damals auch nicht mein Fehler!«, widersprach Tolpan beleidigt. »Sogar Tanis hat gesagt …«
»Dieser Ort« – Caramons Gesicht legte sich grübelnd in Falten – »sieht seltsam aus, aber irgendwie scheint er mir vertraut zu sein.«
»Du hast recht«, stimmte ihm Tolpan hastig zu, nachdem er noch einmal einen Blick auf die kahle, aschebedeckte Landschaft geworfen hatte. »Es erinnert mich auch an irgendetwas, jetzt, wo du das erwähnst. Nur« – der Kender schauderte – »ich erinnere mich einfach nicht, dass ich jemals an einem Ort gewesen sein soll, der so schrecklich war wie dieser … außer der Hölle.« Die letzten Worte sagte er ganz leise.
Die brodelnden Wolken drängten näher und näher und warfen noch ein Leichentuch über das öde Land. Ein heißer Wind kam auf, und feiner Regen begann zu fallen, vermischte sich mit der Asche, die in der Luft schwebte. Tolpan wollte gerade eine Bemerkung über diesen merkwürdig glitschigen Regen machen, als plötzlich und ohne Warnung die Welt explodierte.
Zumindest hatte Tolpan diesen Eindruck. Strahlendes, blendendes Licht, ein Zischen, ein Krachen, ein Dröhnen, das den Boden erschütterte, und Tolpan fand sich im grauen Schlamm wieder. Dort saß er und starrte dümmlich auf ein riesiges Loch, das nicht einmal dreißig Meter von ihm entfernt im Gestein aufgebrochen war.
»Im Namen der Götter!«, keuchte Caramon. Er packte Tolpan und zog ihn auf die Füße. »Bist du in Ordnung?«
»Ich … ich glaub’ schon«, stotterte Tolpan etwas mitgenommen. Er beobachtete, wie ein weiterer Blitz aus der Wolke in den Boden schlug und Stein und Asche durch die Luft schleuderte.
»Du meine Güte! Das war allerdings eine interessante Erfahrung. Obwohl es bestimmt nicht notwendig ist, sie zu wiederholen«, fügte er hastig hinzu, als er sah, dass der Himmel immer dunkler wurde und er fürchten musste, diese interessante Erfahrung noch mehrmals zu machen.
»Wo immer wir auch sind, wir sollten wohl lieber von dieser Anhöhe verschwinden«, murmelte Caramon. »Zumindest gibt es da einen Weg. Er muss doch irgendwohin führen.«
Als Tolpan auf den schlammigen Pfad sah, der in ein ebenso schlammiges Tal führte, kam ihm flüchtig der Gedanke, dass dieses Irgendwohin wahrscheinlich genauso grau und widerlich wie das Hier sein würde, aber nach einem kurzen Blick auf Caramons grimmiges Gesicht entschied der Kender eilig, diesen Gedanken für sich zu behalten.
Als sie sich auf dem Pfad durch den dicken Schlamm plagten, wehte der heiße Wind immer stärker, trieb Stückchen von geschwärztem Holz und Schlacke und Asche in ihre Haut. Blitze tänzelten zwischen Baumskeletten, ließen sie in leuchtend grünen und blauen Flammenkugeln explodieren. Der Boden erbebte vom Grollen des Donners. Und immer noch ballten sich Gewitterwolken am Horizont zusammen. Caramon trieb zur Eile an.
Als sie den Fuß des Hügels erreicht hatten, betraten sie ein Tal, das einst wunderschön gewesen sein musste, wie Tolpan sich auch jetzt noch vorstellen konnte. Früher, vermutete er, hatten hier Bäume gestanden, die in herbstlichen Orange- und Goldtönen oder im Frühling hellgrün geleuchtet hatten.
Hier und dort kräuselten sich Spiralen von Rauch, die sofort vom stürmischen Wind fortgepeitscht wurden. Zweifellos hatten hier Blitze gewütet, dachte er. Aber merkwürdigerweise kam auch ihm etwas bekannt vor. Wie Caramon zuvor hatte er das Gefühl, er müsse diese Gegend eigentlich kennen.
Tolpan watete durch den Schlamm und versuchte, nicht darauf zu achten, was dieses schleimige Zeug mit seinen grünen Schuhen und der leuchtend blauen Hose anstellte. Dabei entschied er sich dafür, den alten Kendertrick »Hilfe für den Orientierungslosen« auszuprobieren. Er schloss seine Augen und verbannte aus seinem Bewusstsein alles, was er soeben gesehen hatte, und befahl seinem Gehirn, ihm ein Bild der vor ihm liegenden Landschaft zu zeigen. Die Kenderlogik bei diesem Trick bestand darin, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit irgendein Familienmitglied von Tolpan diesen Ort einmal besucht und die Erinnerung daran irgendwie an die Nachkommen weitergereicht hatte. Obwohl dieser Effekt wissenschaftlich bisher nicht erforscht ist (die Gnome arbeiten daran und haben ihre Untersuchungen dem Komitee vorgelegt), ist jedoch eindeutig belegt, dass sich – bis zum heutigen Tage – niemals ein Kender auf Krynn verlaufen hat.
Auf jeden Fall stand Tolpan mit geschlossenen Augen bis zum Knie im Schlamm und versuchte, ein Bild seiner Umgebung hervorzurufen. Und plötzlich tauchte tatsächlich ein Bild auf, so klar und deutlich, dass es ihn ziemlich verblüffte – eigentlich waren die geistigen Landkarten seiner Vorfahren niemals so perfekt. Er sah Bäume – gigantische Bäume –, und am Horizont erstreckten sich Berge, und da war ein See …
Als Tolpan seine Augen wieder öffnete, stöhnte er. Da war ein See! Bisher war er ihm nicht aufgefallen, wahrscheinlich weil ihn die gleiche graue, matschige Asche bedeckte wie den Boden. Enthielt er noch Wasser, oder war er nur mit Schlamm gefüllt?
Ich frage mich, sinnierte Tolpan, ob Onkel Fallenspringer eigentlich jemals einen Mond besucht hat. Denn das könnte die Tatsache erklären, warum ich diesen Ort wiedererkenne. Aber sicherlich hätte er dann von diesem Besuch erzählt … Vielleicht wollte er das auch, aber er fand keine Gelegenheit dazu, bevor ihn die Goblins verspeisten. Wenn wir schon beim Essen sind, erinnert mich das …
»Caramon«, schrie Tolpan gegen den starken Wind und den dröhnenden Donner an. »Hast du Wasser mitgenommen? Ich nicht. Auch nichts zu essen. Ich habe einfach nicht gedacht, dass wir Proviant bräuchten. Schließlich wollten wir zurück nach Hause. Aber …«
Tolpan entdeckte plötzlich etwas, das alle Gedanken an Essen und Wasser und Onkel Fallenspringer aus seinem Bewusstsein vertrieb. »O Caramon!« Er klammerte sich an den großen Krieger und zeigte auf den Himmel. »Schau mal, glaubst du, das ist die Sonne?«
»Was sollte es sonst sein?«, schnappte Caramon mürrisch. Sein Blick war auf die wässrige grünlich gelbe Scheibe gerichtet, die durch einen Riss in den Gewitterwolken aufgetaucht war. »Übrigens nein, ich habe kein Wasser mitgebracht. Also sprich nicht mehr davon!«
»Nun, du brauchst nicht so grob …«, begann Tolpan. Als er Caramons Gesicht sah, verstummte er jedoch schnell.
Sie hatten im Schlamm haltgemacht, nachdem sie den halben Weg rutschend hinter sich gebracht hatten. Der heiße Wind blies ihnen ins Gesicht, ließ Tolpans Haarknoten schlenkern und peitschte durch Caramons Umhang. Der große Krieger starrte auf den See – auf den gleichen See, den auch Tolpan bemerkt hatte. Caramons Gesicht war blass, und seine Augen wirkten beunruhigt. Nach kurzer Pause ging er weiter und schleppte sich mühsam den Pfad hinunter. Mit einem Seufzer stapfte Tolpan hinter ihm her. Er hatte eine Entscheidung getroffen.
»Caramon«, sagte er, »lass uns hier verschwinden. Lass uns diesen Ort schnell verlassen. Selbst wenn es ein Mond ist, den Onkel Fallenspringer besucht haben muss, bevor die Goblins ihn aufgefressen haben, ist es einfach nicht lustig. Ich meine den Mond hier – und nicht, dass er von Goblins aufgegessen worden ist, was vermutlich auch nicht lustig war, wenn ich darüber nachdenke. Um die Wahrheit zu sagen: Dieser Mond ist fast genauso langweilig wie die Hölle, und auf alle Fälle stinkt es hier genauso. Außerdem war ich dort nicht durstig … Nicht, dass ich jetzt durstig wäre«, fügte er hastig hinzu, weil er sich zu spät erinnerte, dass er ja darüber nicht sprechen durfte, »aber meine Zunge ist irgendwie ausgetrocknet, wenn du verstehst, was ich meine, und dann fällt das Reden schwer. Wir haben übrigens noch das magische Gerät.« Er hielt den mit Juwelen übersäten, zepterförmigen Gegenstand in seiner Hand hoch, nur für den Fall, dass Caramon im Laufe der vergangenen halben Stunde vergessen haben sollte, wie er aussah. »Und ich verspreche – ich schwöre es sogar feierlich … dass ich mich dieses Mal mit all meinen Gedanken auf Solace konzentrieren werde, Caramon. Ich … Caramon?«
»Pst, Tolpan«, sagte Caramon.
Sie hatten das Tal erreicht, und Caramon steckte nun bis zu den Knöcheln im Schlamm, Tolpan noch immer bis zu den Knien. Caramons Knie, das er sich in der magischen Festung Zaman verstaucht hatte, machte ihm wieder zu schaffen, sodass er hinkte. Außer Beunruhigung fand der Kender jetzt auch noch Zeichen von Schmerz in Caramons Gesicht.
Aber da war noch ein anderer Ausdruck. Ein Ausdruck, der Tolpan irgendwo in seinem Innern erschauern ließ – ein Ausdruck echter Angst. Erschreckt sah sich Tolpan schnell um und fragte sich, was Caramon wohl gesehen hatte. Es ist hier genauso wie auf dem Hügel, dachte er – grau und eklig und entsetzlich. Nichts war anders, nur dunkler. Die Gewitterwolken hatten zu seiner großen Erleichterung wieder die Sonne ausgelöscht, eine verderbt aussehende Sonne, die die öde graue Landschaft nur schlimmer aussehen ließ. Der Regen war stärker geworden, als die Gewitterwolken näher kamen. Aber sonst wirkte nichts irgendwie beängstigend.
Der Kender versuchte ernsthaft zu schweigen, aber die Worte hüpften irgendwie aus seinem Mund, bevor er sie zurückhalten konnte. »Was ist los, Caramon? Ich sehe nichts. Macht dir dein Knie Ärger? Ich …«
»Sei ruhig, Tolpan!«, herrschte ihn Caramon mit angespannter, unnatürlicher Stimme an. Er starrte um sich, seine Augen waren weit aufgerissen, seine Fäuste öffneten und schlossen sich nervös.
Tolpan seufzte und schlug eine Hand vor den Mund, um die Worte zu unterdrücken. Er war entschlossen, tatsächlich zu schweigen, auch wenn es ihn töten würde. Aber als er selbst ruhig blieb, kam es ihm plötzlich in den Sinn, wie auffallend ruhig es ringsum war. Wenn der Donner nicht gerade grollte, war es völlig still, es gab nicht einmal das übliche Geräusch wie sonst, wenn der Regen fällt – Wasser, das von Baumblättern tröpfelt und auf den Boden trifft, Wind, der in den Zweigen rauscht, Vögel, die ihre Regenlieder singen und sich über ihre nassen Federn beschweren …
Tolpan spürte in seinem Inneren ein seltsames Beben. Er betrachtete die Stümpfe der verbrannten Bäume genauer. Selbst verbrannt waren sie riesig, bestimmt die größten Bäume, die er in seinem Leben gesehen hatte, außer denen in …
Tolpan schluckte. Blätter, Herbstfarben, der Rauch von Kochfeuern, der sich aus dem Tal emporschlängelt, der See – blau und glatt wie Kristall. Blinzelnd rieb er sich über die Augen, um sie von dem klebrigen Film aus Schlamm und Regen zu befreien. Er starrte umher, sah zurück auf den Pfad und auf den riesigen Findling … Er starrte zum See, den er auf einmal deutlich durch die verbrannten Baumstümpfe erkennen konnte. Er starrte auf das Gebirge mit seinen scharfen, zerklüfteten Gipfeln.
Es war nicht Onkel Fallenspringer, der hier zuvor gewesen war …
»O Caramon!«, flüsterte er entsetzt.
Was ist?« Caramon drehte sich um und sah Tolpan so merkwürdig an, dass der Kender spürte, wie sich sein inneres Erstaunen auch nach außen ausdehnte. Am ganzen Körper zitterte er.
»N… nichts«, stammelte Tolpan. »Nur meine Fantasie! Caramon«, fügte er drängend hinzu, »lass uns aufbrechen! Jetzt sofort. Wir können doch gehen, wohin wir wollen! Wir können zurück in die Vergangenheit reisen, wo wir noch alle zusammen waren, wo wir alle glücklich waren! Wir können in die Zeit zurückreisen, wo Flint und Sturm noch gelebt haben, wo Raistlin noch die roten Roben trug und Tika …«
»Halt den Mund, Tolpan«, fauchte Caramon warnend, und seine Worte wurden von einem Blitz untermalt, bei dem sogar der Kender zusammenzuckte.
Der Wind war stärker geworden und pfiff unheimlich durch die toten Baumstümpfe, als ob jemand durch zusammengebissene Zähne den Atem ausstieß. Der warme, glitschige Regen hatte sich gelegt. Die Wolken über ihnen wirbelten und enthüllten die blasse Sonne, die am grauen Himmel schimmerte. Aber am Horizont ballten sich die Wolken immer noch zusammen und wurden schwärzer und schwärzer. Vielfarbige Blitze flackerten zwischen ihnen auf und erfüllten sie mit tödlicher Schönheit.
Caramon biss die Zähne vor Schmerz zusammen, den ihm sein verletztes Bein bereitete, und setzte den Weg auf dem Schlammpfad fort. Aber Tolpan, der zu dem Pfad hinabschaute, den er doch so gut kannte – obwohl er jetzt erschreckend anders aussah –, konnte sehen, wo er eine Biegung machte. Er wusste, was sich dahinter befand, und darum rührte er sich jetzt nicht vom Fleck, sondern baute sich entschlossen mitten im Weg auf und starrte Caramon nach.
Nach einigen ungewöhnlichen Momenten des Schweigens erkannte Caramon, dass etwas nicht stimmte, und sah sich um. Er hielt an. Sein Gesicht war von Schmerz und Erschöpfung gezeichnet. »Nun komm, Tolpan«, rief er gereizt.
Tolpan schüttelte den Kopf, wobei sein Haarknoten stark wackelte.
Caramon funkelte ihn an.
Schließlich platzte Tolpan heraus: »Das sind Vallenholzbäume, Caramon!«
Der strenge Ausdruck auf dem Gesicht des großen Mannes glättete sich. »Ich weiß, Tolpan«, murmelte er müde. »Wir sind tatsächlich in Solace.«
»Nein, das stimmt nicht!«, schrie Tolpan. »Es … es ist einfach eine Gegend mit Vallenholzbäumen! Es gibt doch viele Gegenden mit Vallenholzbäumen …«
»Dann gibt es auch viele Gegenden mit dem Krystalmirsee, Tolpan, oder mit den Kharolisbergen oder jenem Findling dort oben, wo wir beide Flint haben sitzen sehen, wenn er Holz schnitzte, oder diese Straße, die nach …«
»Du weißt es nicht!«, kreischte Tolpan wütend. »Es ist möglich!« Plötzlich lief er nach vorne, zumindest versuchte er es, und zog seine Füße so schnell wie möglich durch den sickernden, klebrigen Schlamm. Er stolperte gegen Caramon, ergriff dessen Hand und zog ihn mit sich. »Lass uns gehen! Lass uns hier verschwinden!« Wieder hielt er das magische Gerät hoch. »Wir … wir können nach Tarsis zurückgehen! Wo die Drachen ein Haus auf mich geworfen haben! Das war eine lustige Zeit, wirklich toll. Erinnerst du dich?« Seine schrille Stimme gellte durch die verbrannten Bäume.
Mit grimmigem Gesicht nahm ihm Caramon das magische Gerät aus der Hand. Ohne auf Tolpans hektische Proteste zu achten, drehte und wendete er die Juwelen und verwandelte das funkelnde Zepter in einen schlichten, nichtssagenden Anhänger. Tolpan beobachtete ihn und fühlte sich elend.
»Warum gehen wir denn nicht, Caramon? Dieser Ort ist entsetzlich. Bisher haben wir nichts zu essen oder zu trinken gefunden, und nach allem, was ich bisher gesehen habe, ist es auch so gut wie ausgeschlossen, dass wir etwas finden werden. Außerdem werden wir direkt in unseren Schuhen zerfetzt werden, falls einer dieser Blitze uns trifft, und dieser Sturm kommt näher und näher, und du weißt, dass dies hier nicht Solace ist …«
»Ich weiß es nicht, Tolpan«, unterbrach Caramon ruhig. »Aber ich werde es herausfinden. Was ist eigentlich los mit dir? Bist du auf einmal nicht mehr neugierig? Seit wann verzichtet ein Kender auf die Chance, Abenteuer zu erleben?« Er fuhr fort, den Pfad hinunterzuhinken.
»Ich bin genauso neugierig wie jeder andere Kender«, murmelte Tolpan, ließ den Kopf hängen und trottete hinter Caramon her. »Aber es ist eine Sache, auf einen Ort neugierig zu sein, an dem man noch nie gewesen ist, und eine ganz andere Sache, neugierig auf sein Zuhause zu sein. Auf sein Zuhause soll man nämlich nicht neugierig sein! Das Zuhause darf sich einfach nicht verändern. Es bleibt nämlich an seinem Ort und wartet auf dich, bis du zurückkommst. Zuhause ist ein Ort, von dem man sagt: ›Du meine Güte, es sieht ja genauso aus wie damals, als ich es verlassen habe!‹, und nicht: ›Meine Güte, es sieht hier aus, als ob sechs Millionen Drachen herabgestürzt wären und den Laden zertrümmert hätten!‹ Das Zuhause ist wirklich kein Ort für Abenteuer, Caramon!«
Tolpan warf einen Blick in Caramons Gesicht, um zu sehen, ob sein Argument Eindruck auf ihn gemacht hatte. Wenn das der Fall war, verriet es sich nicht in seinem Gesicht. Denn dort war außer Schmerz der Ausdruck ernster Entschlossenheit erschienen, der Tolpan ziemlich überraschte, ja nicht nur überraschte, sondern gleichzeitig erschreckte.
Caramon hat sich verändert, erkannte Tolpan plötzlich. Und das liegt nicht nur daran, dass er keinen Zwergenschnaps mehr trinkt. Da ist noch etwas anderes – er ist ernster und … nun ja, er sieht verantwortungsbewusst aus, denke ich. Aber da ist noch etwas. Tolpan grübelte. Stolz, das ist es, entschied er nach einer Minute tiefen Nachdenkens, Stolz auf sich selbst, Stolz und Entschlossenheit.
Das ist kein Caramon, der schnell nachgibt, dachte Tolpan mit wehem Herzen. Das ist kein Caramon mehr, der einen Kender braucht, damit der ihn aus vielerlei Ärger und etlichen Tavernen herausholt. Tolpan seufzte düster. Auf einmal vermisste er den alten Caramon sehr.
Sie erreichten die Wegbiegung. Beide erkannten sie wieder, obgleich beide schwiegen – Caramon, weil es nichts zu sagen gab, und Tolpan, weil er sich standhaft weigerte zuzugeben, dass er sie erkannte. Aber ihre Schritte wurden schleppend.
Wenn man diese Kurve erreicht hatte, konnte man auf das im Licht erstrahlende Wirtshaus Zur Letzten Bleibe schauen. Man konnte Otiks Würzkartoffeln riechen und Gelächter und Lieder hören, wenn sich die Tür öffnete, um einen Wanderer oder einen Bewohner von Solace einzulassen. Caramon und Tolpan hielten in unausgesprochenem Einverständnis an, bevor sie um diese letzte Wegkrümmung bogen.
Sie sagten immer noch nichts, aber beide sahen voller Entsetzen die Verwüstung, sahen auf die verbrannten und gesprengten Baumstümpfe, auf den aschebedeckten Boden, auf die geschwärzten Steine. In ihren Ohren wurde das Schweigen lauter und beängstigender als dröhnender Donner. Denn beide wussten, sie hätten Solace hören müssen, noch bevor sie es sehen konnten. Sie hätten die Geräusche der Stadt hören müssen – die Geräusche der Schmiede, den Lärm des Markttages, die Geräusche der Hausierer und Kinder und Händler, die Geräusche des Wirtshauses.
Aber es gab nichts dergleichen, nur Schweigen. Und weit, weit entfernt das unheilvolle Grollen des Donners.
Schließlich seufzte Caramon tief auf. »Lass uns gehen«, sagte er und hinkte weiter.
Tolpan folgte langsam. Seine Schuhe waren so stark mit Schlamm überzogen, dass er glaubte, eisenbesohlte Zwergenstiefel zu tragen. Aber seine Schuhe waren bei Weitem nicht so schwer wie sein Herz. Immer wieder murmelte er vor sich hin: »Das ist nicht Solace, das ist nicht Solace, das ist nicht Solace«, bis es sich wie eine magische Zauberformel von Raistlin anhörte.
Als Tolpan endlich die Biegung hinter sich gebracht hatte, hob er ängstlich seinen Blick und stieß einen riesigen Seufzer der Erleichterung aus. »Was habe ich dir gesagt, Caramon?«, schrie er durch den jammernden Wind. »Schau doch, hier ist nichts, überhaupt nichts. Kein Wirtshaus, keine Stadt, nichts.« Er ließ seine kleine Hand in Caramons Riesenpranken gleiten und versuchte, ihn zurückzuziehen. »Jetzt lass uns gehen. Ich habe eine Idee. Wir können doch einfach in die Zeit zurückreisen, als Fizban die goldene Brücke aus dem Himmel kommen ließ …«
Aber Caramon schüttelte den Kender ab und hinkte mit grimmigem Gesicht weiter. Dann blieb er plötzlich stehen und starrte auf den Boden. »Und was ist das da, Tolpan?«, herrschte er ihn mit einer Stimme an, die vor Angst angespannt war.
Nervös kaute der Kender auf seiner Lippe, bis er bei Caramon anlangte. »Was ist was?«, fragte er dickköpfig.
Caramons Hand beschrieb einen Bogen.
Tolpan zog die Nase hoch. »Also, dieser Platz ist gerodet. Na schön, vielleicht war hier mal etwas. Vielleicht war hier tatsächlich ein großes Gebäude. Aber es ist nicht mehr da, warum soll man sich also Gedanken machen? Ich … O Caramon!«
Das verletzte Knie des großen Mannes gab plötzlich nach. Er taumelte und wäre gefallen, wenn Tolpan ihn nicht gestützt hätte. Mit dessen Hilfe schaffte Caramon es, den ungewöhnlich hohen Stumpf eines Vallenholzbaumes am Rand des leeren, schlammbedeckten Platzes zu erreichen. Er lehnte sich dagegen, das Gesicht war blass vor Schmerzen und triefend vor Schweiß, und er rieb sein verletztes Knie.
»Wie kann ich dir bloß helfen?«, fragte Tolpan eifrig und rang seine Hände. »Ich weiß! Ich suche dir eine Krücke! Hier müssen massenweise zerbrochene Äste herumliegen. Ich schaue mich schnell mal um.«
Caramon sagte nichts, nickte nur erschöpft.
Tolpan flitzte davon. Seine scharfen Augen huschten über den grauen, glitschigen Boden, voller Erleichterung, beschäftigt zu sein und keine Fragen über dumme gerodete Plätze beantworten zu müssen. Er fand bald, wonach er gesucht hatte – das Ende eines Astes, das aus dem Schlamm aufragte. Er bekam ihn zu fassen und zog daran. Seine Hände glitten an dem nassen Ast ab, und er stolperte nach hinten. Sofort rappelte er sich wieder auf, starrte gequält auf die klebrige Masse an seiner blauen Hose und versuchte erfolglos, sie abzuwischen. Dann seufzte er und griff grimmig wieder nach dem Ast. Dieses Mal gab der ein wenig nach.
»Ich habe ihn fast, Caramon!«, rief er. »Ich …«
Ein ganz ungewöhnlicher Kenderschrei ertönte durch den kreischenden Wind. Caramon schaute besorgt auf und sah Tolpans Haarknoten in einem riesigen, klaffenden Loch verschwinden, das sich offenbar eben erst unter seinen Füßen aufgetan hatte.
»Ich komme, Tolpan!«, rief Caramon und stolperte zu ihm hinüber. »Halt durch …«
Aber beim Anblick von Tolpan, der aus dem Loch zurückkroch, blieb er abrupt stehen. So hatte Caramon das Gesicht des Kenders noch nie gesehen. Es war aschgrau, die Lippen weiß, die Augen weit aufgerissen und starr vor Schrecken.
»Komm nicht näher, Caramon«, flüsterte Tolpan und winkte ihn mit einer kleinen, schmuddeligen Hand zurück. »Bitte, bleib da, wo du bist!«
Aber es war zu spät. Caramon hatte den Rand des Loches schon erreicht und starrte hinab. Tolpan, der neben ihm am Boden kauerte, begann zu zittern und zu schluchzen. »Sie sind alle tot«, wimmerte er. »Alle tot.« Er vergrub das Gesicht in den Armen, schaukelte hin und her und weinte bitterlich.
Am Boden des steinumsäumten Loches, das mit einer dicken Schlammschicht bedeckt gewesen war, lagen Leichen, Berge von Leichen, Leichen von Männern, Frauen und Kindern. Durch den Schlamm konserviert, waren sie immer noch erschreckend erkennbar – so schien es zumindest Caramons fiebrigem Blick. Seine Gedanken wanderten zum letzten Massengrab, das er gesehen hatte – in dem von der Pest heimgesuchten Dorf, das Crysania gefunden hatte. Er erinnerte sich auch an das zornige, kummervolle Gesicht seines Bruders. Er erinnerte sich, dass Raistlin Blitze herbeibeschworen hatte, die alles vernichteten und das ganze Dorf zu Asche verbrannten.
Caramon biss seine Zähne zusammen und zwang sich, in dieses Grab zu schauen – zwang sich, nach roten Locken zu suchen …
Dann wandte er sich mit einem Schluchzen der Erleichterung ab. Als er sich verstört umgeschaut hatte, begann er dorthin zu laufen, wo das Wirtshaus gestanden hatte. »Tika!«, schrie er.
Tolpan hob seinen Kopf und sprang beunruhigt auf. »Caramon!«, kreischte er, rutschte im Schlamm aus und stürzte.
»Tika!« Caramons Stimme gellte heiser durch den heulenden Wind und den entfernten Donner. Offenbar hatte er den Schmerz in seinem verletzten Bein vergessen, denn er taumelte zu einer großen, gerodeten, von Baumstümpfen freien Fläche an dem Weg. Dort hat die Straße an dem Wirtshaus vorbeigeführt, fiel Tolpan ein, obgleich er nicht klar denken konnte. Er hatte sich wieder aufgerappelt und eilte Caramon hinterher, aber der große Mann bewegte sich schnell. Hastig stolperte er durch den Schlamm, Angst und Hoffnung verliehen ihm neue Kräfte. Tolpan verlor Caramon zwischen den geschwärzten Stümpfen bald aus den Augen, aber er konnte seine Stimme hören. Immer noch schrie er Tikas Namen. Auf einmal wusste Tolpan, worauf der große Mann zusteuerte. Seine eigenen Schritte verlangsamten sich. Sein Kopf schmerzte von der Hitze und den widerlichen Gerüchen des Ortes, sein Herz schmerzte von dem, was er gerade gesehen hatte. Er schleppte sich weiter, voller Angst, worauf er stoßen würde.
Tatsächlich stand Caramon auf einer öden Fläche neben einem Vallenholzstumpf. In seiner Hand hielt er etwas. Und der Blick, mit dem er darauf starrte, verriet, dass er schließlich doch besiegt war.
Schlammüberzogen, verdreckt, verzweifelt, trat der Kender zu ihm. »Was hast du da?«, fragte er mit zitternden Lippen und zeigte auf den Gegenstand in der Hand des großen Mannes.
»Einen Hammer«, sagte Caramon mit erstickter Stimme. »Meinen Hammer.«
Tolpan sah genau hin. Es war ein Hammer, das stimmte. Oder zumindest schien es einmal einer gewesen zu sein. Ungefähr drei Viertel des Holzgriffs waren abgebrannt. Lediglich ein verkohltes Stück Holz und der geschwärzte Metallkopf waren übrig geblieben.
»Wieso … wieso bist du dir sicher?«, stammelte er. Immer noch rang er mit sich und weigerte sich, zu glauben, was er sah.
»Ich bin mir sicher«, sagte Caramon bitter und hob das Gerät. »Sieh dir das an.« Bei seiner Berührung wackelte der Kopf am Griff. »Ich habe ihn hergestellt, als ich … ich noch getrunken habe.« Er wischte sich mit einer Hand über die Augen. »Er ist nicht gut geworden. Der Kopf ist jedes zweite Mal abgefallen. Aber andererseits« – er würgte – »habe ich auch nicht viel damit gearbeitet.« Vom Laufen geschwächt, gab Caramons verletztes Bein plötzlich nach. Diesmal versuchte er nicht einmal, sich selbst aufzufangen, sondern ließ sich einfach in den Schlamm fallen. Er saß auf der gerodeten Fläche, wo einst sein Haus gestanden hatte, seine Hand krampfte sich um den verkohlten Griff des Hammers, und er begann zu weinen.
Tolpan wandte seinen Kopf ab. Die Trauer des großen Mannes war zu privat, selbst für seine Augen. Auf seine eigenen Tränen, die an seiner Nase herabtröpfelten, achtete er nicht, sondern starrte düster um sich. Er hatte sich noch nie so hilflos, so verloren und einsam gefühlt. Was war geschehen? Was war schiefgelaufen? Es musste doch irgendwo einen Hinweis, eine Antwort geben.
»Ich … ich sehe mich mal um«, murmelte er zu Caramon, der ihn aber gar nicht hörte.
Mit einem Seufzer trottete Tolpan davon. Er wusste jetzt natürlich, wo er sich befand. Er konnte diese Tatsache nicht länger abstreiten. Caramons Haus hatte in der Nähe der Stadtmitte gestanden, nicht weit vom Wirtshaus entfernt. Tolpan stolperte dort entlang, wo einst eine Straße zwischen den Häuserreihen verlaufen war. Obgleich nichts mehr übrig geblieben war – keine Häuser, keine Straße, keine Vallenholzbäume, auf denen die Häuser ruhten –, wusste er genau, wo er war. Er wünschte nur, er müsste es nicht wissen. Hier und dort sah er Zweige aus dem Schlamm emporragen, und er zitterte. Denn sonst gab es nichts. Nichts außer …
»Caramon!«, rief Tolpan, dankbar, etwas Interessantes gefunden zu haben, das vielleicht auch Caramon von seiner Trauer ablenken würde. »Caramon, ich meine, du solltest dir das ansehen!«
Aber der große Mann hörte nicht auf ihn, sodass Tolpan allein weitergehen musste, um den Gegenstand zu untersuchen. Am Ende der Straße, wo einst ein kleiner Park gewesen war, erhob sich ein Steinobelisk. Tolpan erinnerte sich an den Park, aber er erinnerte sich nicht an den Obelisken. Bei seinem letzten Besuch in Solace hatte der jedenfalls nicht dort gestanden, erinnerte er sich, als er ihn näher betrachtete.
Hoch, grob gemeißelt, hatte er die Verheerungen durch Feuer und Wind und Sturm überstanden. Seine Oberfläche war geschwärzt und verkohlt, aber Tolpan erkannte eingemeißelte Buchstaben, Buchstaben, die er glaubte lesen zu können, wenn er erst den Schmutz entfernt hätte.
Tolpan wischte den Ruß und den schmuddeligen Film weg, der über dem Stein lag, starrte einen langen Moment darauf und rief dann leise: »Caramon.«
Der merkwürdige Ton in der Stimme des Kenders drang durch Caramons Schleier der Trauer. Er hob den Kopf. Als er den seltsamen Obelisken und Tolpans ungewöhnlich ernstes Gesicht sah, schob sich der große Mann schmerzgequält hoch und hinkte auf ihn zu. »Was ist denn?«, fragte er.
Tolpan konnte nicht antworten, sondern nur den Kopf schütteln und mit dem Finger auf etwas zeigen.
Caramon kam zu ihm und las schweigend die grob eingemeißelten Buchstaben der unfertigen Inschrift:
»Heldin der Lanze Tika Waylan Majere. Todesjahr 358. Dein Lebensbaum wurde zu früh gefällt. Ich fürchte, in meinen Händen wird die Axt gefunden.«
»Es … es tut mir leid, Caramon«, murmelte Tolpan und ließ seine Hand in die schlaffen, kraftlosen Finger des großen Mannes gleiten.
Caramons Kopf neigte sich. Er legte seine Hand auf den Obelisken und strich über dessen kalte, nasse Oberfläche, während der Wind um sie peitschte. Einige Regentropfen klatschten gegen den Stein. »Sie ist allein gestorben«, sagte er. Er ballte seine Faust und schlug damit gegen den Stein. An den scharfen Ecken schnitt er sich die Hand auf. »Ich habe sie allein gelassen! Ich hätte hier sein sollen! Verdammt, ich hätte hier sein sollen!«
Er schluchzte. Tolpan, der zu den Sturmwolken aufsah und erkannte, dass sie sich wieder bewegten und näher rückten, hielt Caramons Hand fest.
»Ich glaube nicht, dass du etwas hättest tun können, Caramon, wenn du hier gewesen wärst …«, begann der Kender aufrichtig.
Plötzlich brach er ab, biss sich dabei fast auf die Zunge. Er zog seine Hand aus Caramons Faust – der große Mann bemerkte es nicht einmal – und kniete sich in den Schlamm. Seine flinken Augen hatten etwas erhascht, das in den krankhaften Strahlen der blassen Sonne glänzte. Er griff mit einer zitternden Hand nach unten und schaufelte den Schlamm beiseite.
»Im Namen der Götter«, murmelte er voller Ehrfurcht und lehnte sich auf seine Fersen zurück. »Caramon, du warst hier!«
»Was?«, knurrte der andere. Tolpan zeigte es ihm.
Caramon hob den Kopf und sah nach unten. Dort, vor seinen Füßen, lag seine eigene Leiche.
Zumindest schien es seine Leiche zu sein. Sie trug die Rüstung, die Caramon in Solamnia erworben hatte – die Rüstung, die er während des Zwergentorkrieges getragen hatte, die Rüstung, die er getragen hatte, als er und Tolpan Zaman verlassen hatten, die Rüstung, die er jetzt trug …
Aber darüber hinaus gab es keine weiteren Anhaltspunkte an der Leiche. Anders als die anderen, die unter den Schlammschichten konserviert gewesen waren, lag diese dicht an der Oberfläche und hatte sich zersetzt. Übrig geblieben war nur das Skelett eines offensichtlich großen Mannes, das am Fuß des Obelisken lag. Eine Hand hielt einen Meißel und ruhte direkt unter dem Steindenkmal, als ob seine letzte Tat das Einmeißeln dieses letzten schrecklichen Satzes gewesen wäre.
Es war nicht ersichtlich, wie der Mann gestorben war.
»Was ist hier los, Caramon?«, fragte Tolpan mit bebender Stimme. »Wenn du das bist und wenn du tot bist, wie kannst du dann zur gleichen Zeit hier stehen?« Ein neuer Gedanke kam ihm plötzlich in den Sinn. »O nein! Was ist, wenn du nicht hier bist?« Er umklammerte seinen Haarknoten und drehte ihn immer wieder. »Wenn du nicht hier bist, dann habe ich dich erfunden. Du meine Güte!« Tolpan schluckte. »Ich habe es nicht für möglich gehalten, dass ich eine derart lebhafte Fantasie habe. Du siehst wirklich real aus.« Er streckte zitternd eine Hand aus und berührte Caramon. »Du fühlst dich real an, und wenn es dich nicht stört, was ich sage: Du riechst sogar real!« Tolpan rang seine Hände. »Caramon! Ich werde verrückt«, schrie er wild. »Wie einer von diesen Dunkelzwergen in Thorbadin!«
»Nein, Tolpan«, murmelte Caramon. »Das ist alles real. Alles ist vollständig real.« Er starrte auf die Leiche, dann auf den Obelisken, der inzwischen im schnell schwindenden Licht kaum noch erkennbar war. »Und allmählich ergibt das alles einen Sinn. Wenn ich nur …« Er hielt inne und musterte eingehend den Obelisken. »Das ist es! Tolpan, sieh dir doch das Datum auf dem Stein an!«
Mit einem Seufzer hob Tolpan seinen Kopf. »358«, las er mit teilnahmsloser Stimme. Dann riss er seine Augen weit auf. »358?« wiederholte er. »Caramon – es war das Jahr 356, als wir Solace verlassen haben!«
»Wir sind zu weit gereist, Tolpan«, murmelte Caramon voller Entsetzen. »Wir sind in unsere eigene Zukunft geraten.«
Die brodelnden schwarzen Wolken, die sie beobachtet hatten, ballten sich am Horizont wie eine Armee zusammen, die sich für einen Angriff in voller Stärke sammelt, drängten kurz vor Einbruch der Dunkelheit herein und löschten gnädig die letzten Strahlen der geschrumpften Sonne.
Der Sturm schlug schnell und mit unglaublicher Heftigkeit zu. Eine Explosion heißer Winde hob Tolpan vom Boden hoch und warf Caramon gegen den Obelisken. Dann setzte der Regen ein und prasselte mit Tropfen wie geschmolzenes Blei auf sie nieder. Der Hagel schlug schmerzhaft auf ihre Köpfe und Körper.
Doch noch entsetzlicher als Wind oder Regen waren die tödlichen vielfarbigen Blitze, die von den Wolken zum Boden zischten, auf die Baumstümpfe einschlugen und sie in leuchtende Flammenkugeln verwandelte, die meilenweit zu sehen waren. Der Donner grollte dröhnend und unablässig, erschütterte den Boden und betäubte ihre Sinne. Verzweifelt versuchten sie, Schutz vor dem heftigen Sturm zu finden. Tolpan und Caramon kauerten sich unter einen umgestürzten Vallenholzbaum und krochen dann in ein Loch, das Caramon im grauen, sickernden Schlamm gegraben hatte. Von dieser dürftigen Zuflucht aus beobachteten sie ungläubig, wie der Sturm an dem ohnehin toten Land seine Zerstörungswut ausließ. Feuer fegten über die Gebirgshänge, und der Geruch von brennendem Holz verbreitete sich. Blitze schlugen in der Nähe ein, Bäume explodierten, große Erdstücke flogen durch die Luft. Der Donner quälte ihre Ohren.
Der einzige Segen, den der Sturm brachte, war das Regenwasser. Caramon hielt seinen Helm auf und sammelte schnell Trinkwasser. Aber es roch entsetzlich – wie verfaulte Eier, schrie Tolpan und hielt sich beim Trinken die Nase zu –, und es half wenig, ihren Durst zu lindern.
Keiner von ihnen sprach aus, woran sie beide dachten, dass sie nämlich keine Möglichkeit hatten, Wasser zu sammeln, und dass sie nichts zu essen hatten.
Allmählich fühlte sich Tolpan wieder normal, da er nun wusste, wo er sich befand und in welcher Zeit (auch wenn ihm nicht ganz klar war, warum er hier gelandet oder wie er hierhergekommen war); daher genoss er in der ersten Stunde den Sturm sogar. »Ich habe noch nie Blitze in dieser Farbe gesehen«, schrie er über den dröhnenden Donner und beobachtete sie mit entzücktem Interesse. »Es ist fast so gut wie die Vorstellung eines Straßenkünstlers!« Aber schon bald begann ihn das Spektakel zu langweilen.
»Wie auch immer«, krächzte er, »sogar die Beobachtung, wie Bäume direkt aus dem Boden gerissen werden, ist nach dem fünften Mal nicht mehr so interessant. Wenn du dich nicht zu einsam fühlst, Caramon«, fügte er mit einem kieferkrachenden Gähnen hinzu, »würde ich gern ein kleines Nickerchen halten. Es stört dich doch nicht, Wache zu halten, oder?«
Caramon schüttelte den Kopf und wollte gerade eine Antwort geben, als ihn das Krachen einer erneuten Explosion aufschreckte. Ein Baumstumpf verschwand keine dreißig Meter von ihnen entfernt in einer blaugrünen Flammenkugel.
Das hätten auch wir sein können, dachte Caramon, starrte auf die glühende Asche und zog seine Nase wegen des Schwefelgestanks kraus. Wir können die Nächsten sein! Ein wilder Wunsch, plötzlich loszurennen, schoss ihm durch den Kopf, ein Wunsch, der so stark war, dass seine Muskeln zuckten und er sich zwingen musste, zu bleiben, wo er war.
Dort draußen wartete der sichere Tod. Zumindest hier in diesem Loch waren sie unterhalb des Bodens. Aber während er noch darüber nachdachte, sah er einen Blitz ein riesiges Loch in den Boden schlagen und lächelte bitter. Nein, nirgendwo gab es Sicherheit. Sie mussten einfach abwarten und den Göttern vertrauen.
Er warf Tolpan einen flüchtigen Blick zu und wollte dem Kender etwas Tröstendes sagen. Die Worte erstarben ihm auf den Lippen. Seufzend schüttelte er den Kopf. Einige Dinge würden sich niemals ändern – unter anderem Kender. Zu einer Kugel eingerollt, unberührt von dem um ihn tobenden Entsetzen, schlief Tolpan tief und fest.
Caramon kauerte sich tiefer in das Loch und hielt seine Augen auf die brodelnden, von Blitzen gesäumten Wolken gerichtet. Um sich von seiner Angst abzulenken, begann er, seine Gedanken über das, was geschehen war, zu ordnen und darüber nachzudenken, wie sie in diese missliche Lage geraten waren. Er schloss die Augen vor den blendenden Blitzen und sah wieder einmal seinen Zwillingsbruder vor dem entsetzlichen Portal stehen. Er konnte Raistlins Stimme hören, wie er die fünf Drachenköpfe anrief, die das Portal bewachten; sie sollten es öffnen und ihm Zugang zur Hölle gewähren. Er sah Crysania, Klerikerin Paladins, wie sie zu ihrem Gott betete, verloren in der Ekstase ihres Glaubens und blind gegenüber dem Bösen in seinem Bruder.
Caramon erschauerte und hörte Raistlins Worte so deutlich, als ob der Erzmagier neben ihm stünde. »Sie wird die Hölle mit mir betreten. Sie wird vor mir gehen und meine Schlachten schlagen. Sie wird dunklen Klerikern gegenübertreten, Zauberern, Geistern der Toten, die verdammt sind, in diesem verfluchten Land umherzuwandern, und die unglaublichsten Foltern auf sich nehmen, die sich meine Königin nur ausdenken kann. All dies wird ihren Körper verletzen, ihren Geist verschlingen und ihre Seele zerstören. Schließlich, wenn sie es nicht mehr ertragen kann, wird sie auf den Boden sinken und vor meinen Füßen liegen … blutend, erbärmlich, sterbend.
Sie wird mit letzter Kraft ihre Hand nach mir ausstrecken. Sie wird mich nicht bitten, sie zu retten. Dafür ist sie zu stark. Sie wird mir ihr Leben freiwillig, freudig opfern. Sie wird lediglich darum bitten, dass ich bei ihr bleibe, wenn sie stirbt …
Aber ich werde an ihr vorbeigehen, ohne sie eines Blickes zu würdigen und ohne ein Wort zu verlieren. Warum? Weil ich dann keine Verwendung mehr für sie habe …«
Spätestens bei diesen Worten hatte Caramon endlich eingesehen, dass sein Bruder unwiderruflich verloren war. Und endlich hatte er ihn verlassen.
Soll er doch in die Hölle gehen, hatte Caramon bitter gedacht. Soll er doch die Dunkle Königin herausfordern. Soll er doch ein Gott des Bösen werden. Es interessiert mich nicht mehr. Ich kümmere mich nicht mehr darum, was ihm passiert. Endlich bin ich von ihm befreit – so wie er von mir frei ist.
Caramon hatte mit Tolpan das magische Gerät ergriffen und den magischen Spruch wiederholt, den Par-Salian ihn gelehrt hatte. Er hatte die Steine singen hören, so wie er sie auch während der vorhergehenden beiden Male hatte singen hören, bei denen er an einem Zeitreisezauber teilgenommen hatte.
Aber dann war irgendetwas Unvorhergesehenes geschehen. Irgendetwas war anders gewesen. Und jetzt, wo er Zeit hatte nachzudenken, fiel ihm ein, dass er sich in plötzlicher Panik gefragt hatte, ob irgendetwas nicht in Ordnung war. Aber er wusste nicht mehr, was es gewesen war.
Nicht, dass ich etwas dagegen hätte unternehmen können, dachte er verbittert. Ich habe die Magie niemals verstanden – und ihr auch niemals vertraut.
Ein erneuter Blitz, der ganz in ihrer Nähe einschlug, unterbrach seine Konzentration und ließ sogar Tolpan aus dem Schlaf aufspringen. Gereizt murmelte der Kender etwas Unverständliches, dann legte er die Hände über die Augen und schlief weiter. Er sah aus wie eine in ihrer Höhle eingerollte Schlafmaus.
Mit einem Seufzen zwang sich Caramon, nicht mehr an Stürme und Schlafmäuse zu denken, sondern an die letzten kurzen Augenblicke, bevor sie den Zauber mit dem magischen Gerät ausgeführt hatten.
Ich erinnere mich, dass ich das Gefühl hatte, ich würde gezogen, als ob eine Kraft versuchte, mich in eine Richtung zu zerren, während eine andere mich in die entgegengesetzte Richtung zog. Was hatte denn Raistlin in demselben Moment gemacht? Caramon kämpfte um seine Erinnerung. Ein verschwommenes Bild seines Bruders kam ihm in den Sinn. Er sah Raistlin, das Gesicht vor Entsetzen verzerrt, wie er schockiert auf das Portal starrte. Er sah Crysania im Portal stehen, aber sie betete nicht mehr zu ihrem Gott. Ihr Körper krümmte sich vor Schmerzen, und ihre Augen waren vor schrecklicher Angst weit aufgerissen.
Caramon erschauerte und leckte an seinen Lippen. Das Wasser hatte einen bitteren Geschmack in seinem Mund zurückgelassen, und es kam ihm vor, als hätte er auf rostigen Nägeln gekaut. Er spuckte und wischte sich mit einer Hand über den Mund. Erschöpft lehnte er sich zurück. Eine weitere Explosion ließ ihn zusammenzucken. Und auch eine plötzliche Erkenntnis.
Sein Bruder hatte versagt.
Raistlin war das Gleiche widerfahren wie zuvor Fistandantilus. Er hatte die Kontrolle über seine Magie verloren. Das magische Feld ihres Zeitreisegerätes hatte seinen Zauberspruch irregeleitet. Das war die einzige wahrscheinliche Erklärung …
Caramon runzelte die Stirn. Nein, Raistlin musste diese Möglichkeit doch vorausgesehen haben. Und dann hätte er niemals zugelassen, dass sie das Gerät benutzten; er hätte sie getötet, so wie er zuvor Tolpans Freund, den Gnom, getötet hatte.
Caramon schüttelte den Kopf, um klarer zu sehen, und begann noch einmal von vorne. Er arbeitete sich durch das Problem, so wie er sich durch das verhasste Alphabet gearbeitet hatte, das seine Mutter ihm als Kind beigebracht hatte. Das magische Feld war beeinträchtigt worden, das war klar. Es hatte ihn und den Kender zu weit voraus in die Zeit geworfen und sie in ihre eigene Zukunft geschickt.
Und das bedeutete sicher auch, dass sie nur das Gerät erneut nutzen mussten, um zurück in die Gegenwart zu gelangen, zurück zu Tika, zurück nach Solace …
Er öffnete die Augen und sah sich um. Aber würden sie dann die Zukunft genauso erleben, wenn sie zurückkehrten?
Caramon erschauerte. Er war von dem sintflutartigen Regenfall völlig durchnässt. Die Nacht war eisig; aber es war nicht die Kälte, die ihn peinigte. Er wusste, was es bedeutete, mit dem Wissen zu leben, was in der Zukunft geschehen würde. Er wusste, wie quälend es sein würde, ohne Hoffnung zu leben. Würde er zurückgehen und Tika und seinen Freunden in die Augen sehen können mit dem Wissen, was auf sie alle zukommen würde? Er dachte an die Leiche unter dem Denkmal. Wie nur sollte er mit dem Wissen zurückkehren, was auf ihn zukommen würde?
Wenn er das wirklich gewesen war. Er erinnerte sich an die letzte Unterhaltung mit seinem Bruder. Tolpan habe die Zeit verändert, hatte Raistlin gesagt. Weil Kender, Zwerge und Gnome zufällig entstanden und nicht vorgesehen waren, fügten sie sich auch nicht in den Fluss der Zeit wie die Menschen, die Elfen und die Oger. Folglich war den Kendern das Reisen in die Vergangenheit nicht erlaubt, denn es lag ja in ihrer Macht, die Zeit zu verändern.
Aber Tolpan war zufällig in die Vergangenheit geraten, weil er in das magische Feld gesprungen war, gerade als Par-Salian, das Oberhaupt des Turmes der Erzmagier, den Zauber gewirkt hatte, mit dem Caramon und Crysania zurückgeschickt werden sollten. Tolpan hatte die Zeit verändert. Darum wusste Raistlin auch, dass er nicht das gleiche Schicksal wie Fistandantilus erleiden musste. Er verfügte über die Macht, das Ergebnis zu ändern. Während Fistandantilus gestorben war, konnte Raistlin leben.
Caramons Schultern sackten zusammen. Ihm war plötzlich übel und schwindelig. Was bedeutete das? Was tat er hier? Wie konnte er gleichzeitig tot und lebendig sein? War das überhaupt seine Leiche? Weil Tolpan die Zeit verändert hatte, konnte es sich auch um eine andere Person handeln. Aber was war mit Solace geschehen? Das musste er zuerst erfahren.
»Hat Raistlin das verursacht?«, murmelte Caramon vor sich hin, nur um den Klang seiner Stimme inmitten der strahlenden Blitze und dröhnenden Explosionen zu hören. »Hat das etwas mit ihm zu tun? Hat er dies hervorgerufen, weil er versagt hat, oder …«
Caramon hielt seinen Atem an. Neben ihm bewegte sich Tolpan im Schlaf, wimmerte und schrie. Caramon tätschelte ihn geistesabwesend. »Ein böser Traum«, sagte er und spürte den kleinen Körper des Kenders unter seiner Hand zucken. »Ein böser Traum, Tolpan. Schlaf weiter.«
Tolpan rollte sich auf die andere Seite und schmiegte seinen kleinen Körper eng an Caramon. Seine Hände hielten immer noch seine Augen bedeckt. Caramon tätschelte ihn weiter beruhigend.
Ein böser Traum. Er wünschte, dass es wirklich weiter nichts wäre. Er wünschte ganz verzweifelt, dass er in seinem eigenen Bett aufwachen und sein Schädel vom übermäßigen Alkohol brummen würde. Er wünschte, er könnte Tika hören, wie sie die Teller durch die Küche schleuderte und ihn einen faulen, versoffenen Herumtreiber nannte, während sie gleichzeitig sein Lieblingsfrühstück bereitete. Er wünschte, er hätte dieses erbärmliche, alkoholdurchtränkte Leben einfach so weiterführen können, denn dann wäre er gestorben, ohne zu wissen …
O bitte, lass es einen Traum sein!, flehte Caramon, senkte seinen Kopf zwischen die Knie und spürte bittere Tränen unter seinen geschlossenen Augenlidern hervorquellen.
So saß er da, nicht einmal vom Sturm in Mitleidenschaft gezogen, sondern erschlagen von dem Gewicht seines plötzlichen Verstehens. Tolpan seufzte und zitterte, schlief aber ruhig weiter. Caramon rührte sich nicht. Er schlief nicht. Er konnte nicht schlafen. Der Traum, durch den er ging, war ein Wachtraum, ein Albtraum im Wachsein. Ihm fehlte nur noch eins, um seiner Erkenntnis sicher zu sein, eine Bestätigung, die sein Herz nicht mehr nötig hatte.
Der Sturm legte sich allmählich und verzog sich weiter in den Süden. Caramon konnte deutlich spüren, wie er sich entfernte. Der Donner stampfte mit den Füßen eines Riesen durch das Land. Als alles vorbei war, tönte dann das Schweigen lauter in seinen Ohren als die Explosionen der Blitze. Der Himmel würde bald klar sein. Klar bis zum nächsten Sturm. Er würde die Monde sehen und die Sterne …
Die Sterne …
Er musste nur den Kopf heben und in den Himmel schauen, in den klaren Himmel, dann würde er seine Bestätigung gleich bekommen.
Und wieder ließ er Zeit verstreichen, saß da und wünschte sich, den Geruch von Würzkartoffeln riechen zu können, wünschte sich, Tikas Lachen zu hören, das die Stille vertrieb, wünschte sich, nur Kopfschmerzen von zu viel Alkohol spüren und nicht den entsetzlichen Schmerz in seinem Herzen aushalten zu müssen.
Aber seine Wünsche erfüllten sich nicht. Um ihn war nur die Totenstille des verwüsteten Landes, unterbrochen von dem weit, weit entfernten Grollen des Donners.
Mit einem kleinen Seufzer, den er selbst kaum hören konnte, hob Caramon seinen Kopf und sah in den Himmel hoch.
Er schluckte den bitteren Speichel in seinem Mund hinunter, der ihn fast erstickte. Tränen schossen in seine Augen, aber er drängte sie zurück, damit er deutlich sehen konnte.
Da war sie – die Bestätigung seiner Befürchtungen, das Zeichen seines Untergangs.
Eine neue Konstellation am Himmel. Ein Stundenglas …
»Was bedeutet das?«, fragte Tolpan, rieb sich die Augen und starrte verschlafen zu den Sternen hoch.
»Es bedeutet, dass Raistlin Erfolg hatte«, antwortete Caramon mit einer merkwürdigen Mischung aus Angst, Kummer und Stolz in seiner Stimme. »Es bedeutet, dass er die Hölle betreten, die Königin der Finsternis herausgefordert und – besiegt hat!«