Die Reform und die Reformer - Henry David Thoreau - E-Book

Die Reform und die Reformer E-Book

Henry David Thoreau

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Beschreibung

"Die Reform und die Reformer" ist ein erst 1973 durch Wendell Glick zum ersten Mal veröffentlichtes Essay von Henry David Thoreau. ---------- "Jeder Mensch ist der Herr eines Reiches, neben dem das irdische Reich des Zaren nur ein unbedeutender Staat ist [...]. Geht nicht in irgendein fremdes Theater, um Schauspiele zu sehen, sondern bedenkt zuerst, dass es nichts gibt, was die Augen erfreuen oder in Erstaunen versetzen kann, was ihr nicht alles selbst in euch entdecken könnt." (Henry David Thoreau) ---------- Ergänzt wird "Die Reform und die Reformer" durch drei weitere Schriften: - "Philanthropen und Reformer" - "Die Reformer" - "Schluss" ----------- Alle Texte wurden neu übersetzt und kommentiert, "Die Reform und die Reformer" und "Die Reformer" dürften hier zum ersten mal in deutscher Übersetzung vorliegen.

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Zu den enthaltenen Texten

Die Reform und die Reformer (Teil 2)

Philanthropen und Reformer (Teil 1)

Die Reformer (Teil 3)

Schluss (Teil 4)

Die Reform und die Reformer

Teil 1: Philanthropen und Reformer

[Gehe deinen eigenen Weg]

[Philanthropie als verdorbene Güte]

[Die Selbstgerechtigkeit]

[Philanthropie und Selbstverleugnung]

[Sei ein freier Mensch - ein Azad]

Teil 2: Die Reform und die Reformer

[Konservative und Reformer]

[Ladies und Gentlemen]

[Der Reformer]

[Reform als eine private Sache]

[Der Charakter des Reformers]

[Wie Schall und Rauch]

[Worte und Taten]

[Menschenmassen und Reformen]

[Beschlüsse ohne Wichtigkeit]

[Erkenntnisse, die keine sind]

[Höflichkeit und Wahrheit]

[Die Individualität des Menschen]

[Sei du selbst]

[Vom Sein der Welt]

[Die Schalen der Menschen]

[Erkenne dich selbst]

[Soll ich entfliehen?]

Teil 3: Die Reformer

[Zeitalter]

[Lästige Reformer]

[Lässigkeit und Erregtheit]

[Natürliche Veränderungen]

[Veränderungen im Hintergrund]

[Der Staat und die Toten]

Teil 4: Schluss

Literatur- und Quellenangaben

Abbildungen

Literaturangaben

Weitere Veröffentlichungen

Sammelbände

Die Essays als Einzelausgaben:

In Vorbereitung

VORWORT

(Autor: Christina Schieferdecker)

Liebe Leserin, lieber Leser,

in diesem Büchlein versammeln sich einige Schriften, die alle mehr oder weniger miteinander verwandt sind.

"Reform and the Reformers" ist eine von Henry David Thoreau nicht veröffentlichte Schrift, doch verwendete er Teile daraus für andere Schriften, die ebenfalls hier enthalten sind. Gleichfalls sind dies die gesammelten Schriften von Henry David Thoreau, in denen er sich ausführlich über Reformer auslässt.

Die Reihenfolge der enthaltenen Schriften habe ich so festgelegt, dass man sie wie eine einzige Schrift lesen kann. Deshalb nannte ich die einzelnen Texte Teil 1, Teil 2, Teil 3 und Teil 4.

Dieses Büchlein ist die Fortsetzung der Reformschriften, nach "Das (bald) zurückgewonnene Para-dies"1, das sich mit sozialistischen Reformvorschlägen auseinandersetzt.

Es geht in den vorliegenden Texten nicht so sehr um den Staat und unsere Beziehung zu ihm, sondern fast ausschließlich um lästige Reformer, die anderen ihre Reformideen aufzwingen wollen, doch gar nicht an einer wirklichen Veränderung interessiert sind. Wenn du etwas verändern willst, dann verändere erst einmal dich selbst, ist die Haltung von Henry David Thoreau. Unser Innerstes ist ein Reich, das wir noch nie wirklich durchschritten und erforscht haben.

"Geht nicht in irgendein fremdes Theater, um Schauspiele zu sehen, sondern bedenkt zuerst, dass es nichts gibt, was die Augen erfreuen oder in Erstaunen versetzen kann, was ihr nicht alles selbst in euch entdecken könnt." (Absatz 52, Reform und die Reformer)

Viele Menschen sind auf der Suche nach sich selbst und merken nicht, dass sie sich schon immer dabei hatten.

Christina Schieferdecker

1 (Thoreau und Schieferdecker 2021a)

ZU DEN ENTHALTENEN TEXTEN

(Autor: Christina Schieferdecker)

Die Reform und die Reformer (Teil 2)

"Reform and the Reformers" ist ein unvollendetes Essay von Henry David Thoreau. Es wurde zum ersten Mal von Wendell Glick im von ihm herausgegebenen Buch "Reform Papers"2 1973 veröffentlicht. In einer Rezension von 1976 zu diesem Buch3 schreibt David M. Atkinson von der Pacific Lutheran University:

"In diesem Band sind elf von Thoreaus [...] Essays enthalten [...] und sein bisher unveröffentlichtes Essay 'Reform and the Reformers'. Obwohl der letztgenannte Essay nie Thoreaus letzten Schliff erhielt, war Glick der Meinung, dass er nahe genug an der Fertigstellung war, um in den Band aufgenommen zu werden. In "Reform and the Reformers", geschrieben vor 1845, konzentriert sich Thoreau nicht auf ein bestimmtes politisches Problem, sondern spricht die Frage der Reform im Allgemeinen an."

Henry David Thoreau hatte bereits mehrere Blätter durchnummeriert, auf welchen er Teile dieses Textes notiert hatte. Wendell Glick sortierte sie und veröffentlichte sie als ein Essay.

Philanthropen und Reformer (Teil 1)

Diese Überschrift gab ich dem Text. Er ist ein Ausschnitt aus dem Kapitel "Ökonomie" ("Economy") in "Walden"4.

Die Reformer (Teil 3)

Auch "Die Reformer" bekam seinen Titel von mir. Es ist ein Auszug aus dem Buch "A Week On The Concord And Merrimack Rivers", aus dem Kapitel "Monday"5.

"A Week On The Concord And Merrimack Rivers" war kein sehr erfolgreiches Buch, was wahrscheinlich daran liegt, dass Henry David Thoreau darin, oft ohne erkennbaren Zusammenhang, ein Thema an das andere reiht und sie mit unendlich vielen Zitaten schmückt. Den größten Teil des Buches "A Week On The Concord And Merrimack Rivers" werde ich in einzelnen Kapiteln in zukünftigen Büchern veröffentlichen.

Schluss (Teil 4)

Viele Teile von "Die Reform und die Reformer" wurden vor allem für sein Buch "Walden" verwendet, doch wurden sie abgeändert und in einen neuen Zusammenhang gebracht. Das Kapitel "Teil 4: Schluss" ist ein Ausschnitt aus dem Kapitel "Zusammenfassung" ("Conclusion") aus "Walden"6.

Thoreaus Amerika:

Schaubild 1: National Atlas Of The Unitet States. (c) public domain. Zu Neuengland gehörten zu Zeiten Thoreaus die Staaten Massachusetts, Connecticut, Rhode Island, New Hampshire, Vermont, Maine.

2 (Thoreau, Glick, und Thoreau 1973)

3 (Atkinson 1976)

4 (Thoreau und Alden 1910, 3–67)

5 (Thoreau 1867, 133–41)

6 (Thoreau und Alden 1910, 258–61)

DIE REFORM UND DIE REFORMER

(Bei allen Texten:Autor: Henry David ThoreauÜbersetzung und Fußnoten: Christina Schieferdecker)

Alle Hervorhebungen, meist kursiv, und alle Klammern wurden von mir gesetzt und befinden sich nicht im Originaltext.

Schaubild 2: Nachgemachtes Originalcover der Veröffentlichung von Wendell Glick (leider vergriffen), der ersten Veröffentlichung von "Reform And The Reformers"

Teil 1: Philanthropen und Reformer

[Originaltitel: Walden: Economy (Auszug)]

[Gehe deinen eigenen Weg]

[1] Ein junger Mann aus meinem Bekanntenkreis, der einige Hektar geerbt hatte, erzählte mir, dass er dachte, dass er so ein Leben führen sollte wie ich, wenn er die Mittel dazu hätte. Ich möchte auf keinen Fall, dass irgendjemand meine Lebensweise übernimmt; nebenbei [bemerkt], [denn] bevor er sie richtig erlernt hat, habe ich vielleicht eine andere für mich gefunden, ich wünsche mir, dass es so viele verschiedene Menschen auf der Welt gibt wie möglich; aber ich möchte, dass jeder sehr darauf achtet, seinen eigenen Weg zu finden und zu gehen, und nicht den [Weg] seines Vaters oder seiner Mutter oder den seines Nachbarn. Der junge Mensch mag bauen oder pflanzen oder segeln, nur soll er nicht daran gehindert werden, das zu tun, was er mir sagt, dass er gerne tun würde. Nur im mathematischen Sinne sind wir klug, so wie der Seemann oder der flüchtige Sklave, der den Polarstern im Auge behält; aber das ist genug Führung für unser ganzes Leben. Wir würden unseren Hafen nicht innerhalb einer berechenbaren Zeitspanne erreichen, aber wir würden den richtigen Kurs einhalten.7

[2] Zweifellos gilt in diesem Fall, was für den einen stimmt, stimmt noch mehr für tausend, so wie ein großes Haus nicht proportional teurer ist als ein kleines, denn ein Dach mag es bedecken, ein Keller hat es unter sich8 und eine Wand trennt mehrere Wohnungen von einander. Ich für meinen Teil ziehe jedoch das Alleinwohnen vor. Außerdem ist es in der Regel billiger, das Ganze selbst zu bauen, als einen anderen von den Vorteilen einer gemeinsamen Wand zu überzeugen; und wenn man dies getan hat, muss die gemeinsame Trennwand, um viel billiger zu sein, eine dünne sein, und der andere kann sich zudem als schlechter Nachbar erweisen und seine Seite nicht instand halten. Die einzige Zusammenarbeit, die gewöhnlich möglich ist, ist äußerst einseitig und oberflächlich; und das wenige, das es an echter Zusammenarbeit gibt, ist so, als ob sie nicht da wäre, da es eine für die Menschen unhörbare Harmonie ist. Wenn ein Mensch eine höhere Überzeugung hat, wird er überall mit [Menschen mit] der selben Überzeugung zusammenarbeiten; wenn er keine höheren Überzeugungen hat, wird er weiterhin wie der Rest der Welt [mit jedem zusammen] leben, egal in welcher Gesellschaft er sich [dadurch] befindet. Zusammenarbeit im höchsten wie im niedrigsten Sinn bedeutet, dass wir unseren Lebensunterhalt gemeinsam bestreiten. Kürzlich hörte ich den Vorschlag, dass zwei junge Männer gemeinsam die Welt bereisen sollten, der eine ohne Geld, der seinen Unterhalt mit Gelegenheitsjobs9 verdiente, manchmal vor dem Mast [als Seemann] und manchmal hinter dem Pflug [als Landarbeiter], der andere mit einem Scheckheft10 in der Tasche. Es war leicht zu erkennen, dass sie nicht lange Gefährten sein oder zusammenarbeiten würden, da der eine überhaupt nicht arbeiten würde. Sie würden sich bei der ersten interessanten Krise in ihren Abenteuern trennen. Zusammengefasst [bedeutet das], wie ich angedeutet habe, dass derjenige, der etwas alleine macht, noch heute [damit] anfangen kann; wer aber mit einem anderen reist, muss warten, bis dieser andere bereit ist, und es kann eine lange Zeit vergehen, bevor sie loskommen.

[3] Aber das ist alles sehr egoistisch, habe ich einige meiner Mitbürger sagen hören. Ich gestehe, dass ich mir bislang nur sehr wenige philanthropische11 Unternehmungen geleistet habe. Ich habe dem Pflichtgefühl einige Opfer gebracht und [dabei] unter anderem auch dieses Vergnügen geopfert. Es gibt Leute, die mich mit allen Mitteln dazu überreden wollen, eine arme Familie in der Stadt zu unterstützen; und wenn ich nichts zu tun hätte -denn der Teufel findet Beschäftigung für für die Üntätigen -, könnte ich mich an einem solchen Zeitvertreib wie diesem versuchen. Jedoch, wenn ich daran dachte, mir in dieser Hinsicht etwas zu gönnen, und ihr Himmelreich in die Pflicht zu nehmen, indem ich bestimmte arme Personen in jeder Hinsicht so angenehm unterhalte12, wie ich mich selbst unterhalte, und es sogar riskiert habe, [dies nicht nur zu denken sondern] ihnen [sogar] das Angebot zu unterbreiten, haben sie es [daraufhin] alle ohne zu zögern vorgezogen, arm zu bleiben.13 Während meine Mitbürgerinnen und Mitbürger sich auf so viele Arten dem Wohl ihrer Mitmenschen widmen, vertraue ich darauf, dass wenigstens einer von ihnen für andere, weniger humane Tätigkeiten, übrig bleibt. Man muss eine Begabung für Wohltätigkeit haben, genauso wie für alles andere. Was das Gutes-Tun angeht, so ist das einer der Berufe, die voll sind [und keine freien Stellen aufweisen]. Außerdem habe ich ihn ausprobiert und bin, so seltsam es klingen mag, [und bin] zu der Überzeugung gelangt, dass er sich nicht mit meiner Konstitution verträgt. Wahrscheinlich sollte ich meine besondere Berufung nicht bewusst und absichtlich aufgeben, um das Gute zu tun, das die Gesellschaft von mir verlangt, um das Universum vor der Vernichtung zu bewahren; und ich glaube, dass eine ähnliche, aber unendlich größere Standhaftigkeit [als die meinige] anderswo alles ist, was es momentan bewahrt. Aber ich möchte mich nicht zwischen einen Menschen und seine Begabung stellen; und demjenigen, der diese Arbeit, die ich ablehne, mit seinem ganzem Herzen, seiner ganzen Seele und seinem ganzen Leben tut, möchte ich sagen: Halte durch, auch wenn die Welt es Böses-tun nennt, was sie höchstwahrscheinlich tun wird.

[Philanthropie als verdorbene Güte]

[4] Ich bin weit davon entfernt anzunehmen, dass mein Fall eine Besonderheit ist; zweifellos würden viele meiner Leser eine ähnliche Verteidigung vorbringen. Wenn ich etwas tue - ich werde mich nicht dafür einsetzen, dass meine Nachbarn es gut heißen - zögere ich nicht zu sagen, dass ich ein großartiger Kamerad wäre, den man einstellen könnte; aber was das ist, muss mein Arbeitgeber herausfinden. Was ich Gutes tue, im allgemeinen Sinne des Wortes, muss abseits meines Hauptweges liegen und ist zum größten Teil völlig unbeabsichtigt. Die Menschen sagen, praktischerweise, beginne wo du bist und so wie du bist, ohne das Ziel zu verfolgen, mehr wert zu werden, und gehe es mit bedachter Freundlichkeit an, Gutes zu tun. Wenn ich irgendwie in diese Richtung predigen würde, würde ich eher sagen: Fangt an, gut zu sein. Als ob die Sonne aufhören sollte, wenn sie ihr Feuer bis zur Pracht eines Mondes oder eines Sterns der sechsten Größenordnung geworfen hat, (und [statt dessen] wie ein Robin Goodfellow14 umhergehen sollte, der in jedes Hüttenfenster späht, [dabei] Geisteskranke inspiriert und Fleisch verdirbt und Dunkelheit sichtbar macht,)15 anstatt ihre geniale Wärme und Freigiebigkeit ständig zu steigern, bis sie so hell ist, dass kein Sterblicher ihr ins Gesicht sehen kann, um sich dann, und auch schon in der Zwischenzeit, auf ihrer eigenen Bahn um die Welt zu bewegen, [um] ihr Gutes [zu] tun, oder vielmehr, wie eine wahrere Philosophie entdeckt hat, damit die Welt, die sich um sie bewegt, gut wird.16 Als Phaeton17, in dem Wunsch seine himmlische Geburt durch sein wohltätiges Wirken zu beweisen, den Sonnenwagen18 nur einen Tag lang hatte und von der üblichen Bahn abkam, verbrannte er mehrere Häuserblocks in den unteren Straßen des Himmels und versengte die Oberfläche der Erde, trocknete jeden Frühling aus und machte die große Wüste Sahara, bis Jupiter19 ihn schließlich mit einem Donnerschlag kopfüber auf die Erde schleuderte und die Sonne aus Kummer über seinen Tod ein Jahr lang nicht mehr schien.20

[5] Es gibt keinen so schlimmen Geruch als den, der durch verdorbene Güte entsteht. Er ist menschlich, er ist göttlich, [er ist] Aas. Wenn ich mit Sicherheit wüsste, dass ein Mann in mein Haus käme, mit der bewussten Planung mir Gutes zu tun, sollte ich um mein Leben rennen, wie vor jenem trockenen und brennenden Wind in den afrikanischen Wüsten, der Samum21 genannt wird, der Mund, Nase, Ohren und Augen mit Staub füllt, bis man erstickt, aus Angst, dass ich etwas von seinem Gutes-Tun abbekomme -dass etwas von seinem Virus sich mit meinem Blut vermischt. Nein - in diesem Fall würde ich das Böse lieber auf natürliche Weise erleiden. Ein Mann ist für mich nicht ein guter Mann, weil er mich füttert, wenn ich hungere, oder mich wärmt, wenn ich friere, oder mich aus einem Graben zieht, sollte ich jemals in einen solchen fallen. Ich kann Ihnen einen Neufundländer22 finden, der das Gleiche tut. Philanthropie ist nicht Liebe zu den Mitmenschen23 im weitesten Sinne. Howard24 war auf seine Art zweifellos ein überaus gütiger und würdiger Mann, und er hat seinen Lohn; aber, um einen Vergleich zu nennen, was bedeuten uns hundert Howards, wenn ihre Philanthropie uns nicht in unseren besten Jahren25 hilft, wenn wir es am meisten verdienen26, dass man uns hilft? Ich habe noch nie von einer philanthropischen Versammlung gehört, in der aufrichtig vorgeschlagen wurde, mir, oder denen, die wie ich sind, etwas Gutes zu tun.

[6] Die Jesuiten wurden von den Indianern, während sie [, die Jesuiten,] am Marterpfahl verbrannt wurden und ihren Peinigern neue Foltermethoden vorschlugen, ziemlich ausgebremst.27 Da sie [, die Indianer,] dem körperlichen Leiden überlegen waren, kam es manchmal vor, dass sie jedem Trost, den die Missionare anbieten konnten, überlegen waren28; und das Gesetz, zu tun, was man dir antun soll29, erreichte mit weniger Überzeugungskraft die Ohren derer, die auf ihrer Seite [wiederum], sich nicht darum kümmerten, wie man mit ihnen umging, die ihre Feinde auf eine neue Weise liebten30 und nahe an das Ideal herankamen31, freiwillig alles zu verzeihen, was man ihnen angetan hatte.32

[Die Selbstgerechtigkeit]

[7] Achte darauf, dass du den Armen die Hilfe gibst, die sie am meisten brauchen, wenngleich dein Beispiel es ist, was sie weit zurück liegen lässt. Wenn du Geld gibst, gib es für dich selbst aus und überlasse es nicht einfach den Armen. Wir machen manchmal seltsame Fehler. Oft ist der arme Mensch nicht so kalt und hungrig, wie er schmutzig, zerlumpt und ekelhaft ist. Es ist teilweise sein Geschmack und nicht lediglich sein Unglück. Wenn du ihm Geld gibst, kauft er sich damit vielleicht noch mehr Lumpen. Ich pflegte die unbeholfenen irischen Arbeiter zu bemitleiden, die in solch schäbiger und zerlumpter Kleidung auf dem Teich Eis schnitten, während ich in meinen ordentlicheren und etwas modischeren Kleidern fröstelte, bis eines bitterkalten Tages einer, der ins Wasser gerutscht war, zu mir nach Hause kam, um sich zu wärmen, und ich sah, wie er drei Paar Hosen und zwei Paar Strümpfe auszog, bevor man die nackte Haut sah33, jedoch waren sie schmutzig und zerlumpt, ja, wirklich, und dass er es sich leisten konnte, die zusätzli-chen Kleidungsstücke, die ich ihm anbot, abzulehnen, denn er hatte so viele darunter34. Dieses Untertauchen war genau das, was er brauchte. Da fing ich an, mich selbst zu bemitleiden, und ich sah, dass es eine größere Wohltat wäre, mir ein Flanellhemd zu schenken als ihm einen ganzen Laden billiger Klei-dung. Es kommt einer, der das Übel an den Wurzeln packt, auf tausend, die [nur] auf die Äste hacken, und es mag sein, dass derjenige, der den Bedürftigen am meisten Zeit und Geld schenkt, durch seine Lebensweise am meisten zu dem Elend beiträgt, das er vergeblich zu lindern sucht. Es ist der fromme Sklavenzüchter, der den Erlös jedes zehnten Sklaven dazu verwendet, den übrigen einen Sonntag frei zu kaufen. Manche zeigen ihre Güte gegenüber den Armen, indem sie sie in ihren Küchen arbeiten lassen. Wären sie nicht gütiger, wenn sie selbst dort arbeiten35 würden? Ihr rühmt euch, den zehnten Teil eures Einkommens für wohltätige Zwecke auszugeben; vielleicht solltet ihr die neun Zehntel [einfach] so ausgeben und fertig damit. Die Gesellschaft erhält sonst36 nur ein Zehntel des Vermögens zurück. Ist dies der Großzügigkeit desjenigen zu verdanken, in dessen Besitz es sich befindet, oder der Nachlässigkeit der Justizbeamten?

[8] Philanthropie ist fast die einzige Tugend, die von den Menschen ausreichend geschätzt wird. Nein, sie wird weit überschätzt; und es ist unser Egoismus, der sie überschätzt. Ein kräftiger armer Mann lobte an einem sonnigen Tag hier in Concord einen Mitbürger, weil er, wie er sagte, freundlich zu den Armen sei; wobei er sich [mit "den Armen"] selbst meinte. Die gütigen Onkel und Tanten der Menschen37 werden mehr geschätzt als ihre wahren geistigen Väter und Mütter. Ich hörte einmal, wie ein ehrwürdiger [christlicher] Redner über England [dozierte], ein Mann von Gelehrsamkeit und Intelligenz, [der,] nach der Aufzählung seiner wissenschaftlichen, literarischen und politischen Würdenträger, [wie] Shakespeare, Bacon, Cromwell, Milton, Newton38 und anderen, als nächstes von seinen christlichen Helden sprach, die er, als ob sein Berufsstand es von ihm verlangte, weit über alle anderen als die größten der Großen erhob. Es waren Penn, Howard und Mrs. Fry.39 Jeder muss die Falschheit und Heuchelei dieser Behauptung spüren. Die Letzt[genannt]en waren nicht die besten Männer und Frauen Englands, [sondern] nur, vielleicht, ihre besten Philanthropen.

[Philanthropie und Selbstverleugnung]

[9] Ich möchte das Lob, das der Philanthropie gebührt, nicht schmälern, sondern nur Gerechtigkeit für alle fordern, die durch ihr Leben und ihre Werke ein Segen für die Menschheit sind. Ich schätze nicht in erster Linie die Aufrichtigkeit und das Wohlwollen eines Menschen, die gewissermaßen sein Stamm und seine Blätter sind. Die Pflanzen, aus deren verwelktem Grün wir Kräutertee für die Kranken machen, dienen nur einem bescheidenen Zweck und werden meist von Quacksalbern verwendet. Ich will die Blüte und die Frucht eines Menschen, damit ein gewisser Duft von ihm zu mir herüberweht und eine gewisse Reife unser Verkehren [miteinander] würzt. Seine Güte darf nicht ein teilweiser und vorübergehender Akt sein, sondern [sollte] ein ständiger Überfluss [sein], der ihn nichts kostet und ihm nicht bewusst ist. Dies ist eine Wohltätigkeit, die eine Vielzahl an Sünden verbirgt.40 Der Philanthrop umgibt die Menschheit zu oft mit der Erinnerung an seinen eigenen verdrängten41 Kummer als Atmosphäre und nennt das Mitgefühl. Wir sollten unseren Mut und nicht unsere Verzweiflung, unsere Gesundheit und Leichtigkeit und nicht unsere Krankheit weitergeben und darauf achten, dass sich diese [, unsere Verzweiflung und Krankheit,] nicht ansteckend ausbreiten.42 Aus welchen südlichen Ebenen erhebt sich die Stimme des Jammers? In welchen Breitengraden wohnen die Heiden, denen wir Licht schicken wollen? Wer ist der unbeherrschte und brutale Mensch, den wir erlösen wollen? Wenn einem Menschen etwas fehlt, so dass er seine Aufgaben nicht erfüllen kann, wenn er sogar Schmerzen in den Eingeweiden hat - denn das ist der Sitz des Mitgefühls -, dann macht er sich sofort daran, die Welt zu reformieren.43