Die Reise der Mithras - Yann Pfandler - E-Book

Die Reise der Mithras E-Book

Yann Pfandler

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Beschreibung

In der Tiefe ist es einsam.Darius Paarsa findet sich ganz allein an Bord des U-Bootes Mithras wieder - gejagt von der Marine, für die er gerade noch arbeitete. Er weiß, dass der Preis sein Leben ist. Aber die geheimnisvolle Fracht, die er bergen sollte, kann er nicht überreichen.Er darf es nicht.

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Seitenzahl: 73

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Für alle, die sich durchbeißen müssen,

die vielleicht rastlos sind, oder scheinbar

verirrt …

Tausend rostige Maschinenteile, die mühsam vor sich hin knirschten und ratterten, brausten durch die schwarze See. Das U-Boot, das sich nur dürftig aus ihnen zusammensetzte, hatte sehr lange keine Reparaturen mehr gesehen.

Blechern lärmte es an Bord – ob der alte Mann durch traumlose Nächte dämmerte oder lustlos die immergleiche Paste aß, die ihm robotisch serviert wurde und nach nichts schmeckte. Blass nur erinnerte er sich, was Stille hieß. Aber wenn er sich nach Ruhe sehnte, fand er sie auch.

Schließlich musste er nur lauschen, und hinter dem grässlichen Plärren ertönte eine unsterbliche Melodie. Es war das Rauschen der See, das er hörte und das niemals abreißen würde, auch in hundert Jahren nicht. Sobald es ihn durchströmte, unterbrach er alles, was er tat, um sich auszumalen, wie es da oben inzwischen aussehen mochte: Reihten sich noch dieselben schlanken Bürotürme aneinander, oder hatte man sie schon durch höhere ersetzt? Er schlich in der Fantasie durch belebte Straßen und spürte eine Brise, die sie durchtanzte. Stand vor Restaurants, die Safranduft verströmten. Hochzeiten vor leuchtenden Gotteshäusern … das alles, während er hier unten durch die endlose Nacht der Tiefsee irrte, aus der er nicht mehr entkommen konnte.

Er holte seine alte Taschenuhr hervor.

Betastete ihr Blech.

Halb sechs, wie immer. Schon seit Jahrhunderten hatte niemand sie mehr ticken hören.

Ein Familienerbe, das er sich einmal als Talisman auserkoren hatte, um sich daran zu erinnern, dass er bald wieder unter Menschen sein, dass alles nur kurz unterbrochen sein würde. Es schien ein böser Scherz zu sein. Sieben Jahre hatte er an Bord verbracht. Sieben Jahre, die ihn mehr hatten altern lassen als die hundertneunzehn zuvor, denn natürlich besaß er längst keine verjüngende Medizin mehr. Er tastete nach einem staubigen Papierstoß, der in einer Schublade des Schreibtisches ruhte. Strich nachdenklich darüber.

Seine Instruktionen, verliehen durch den Sicherheitsrat der Marine. Früher hatten sie seinen Stolz bedeutet. Bevor man ihn hintergangen hatte. Es war nicht mehr dasselbe wie damals, sie zu berühren. Er hätte sie am liebsten …

»Ich weiß ja, was Sie gerade denken«, ertönte eine fröhliche Frauenstimme. Sie schien wieder einmal aus einer unbestimmten Freude heraus zu bersten – wie in jeder erdenklichen Situation.

Er sah nicht einmal hoch. »Schau an«, knurrte er nur, so rau wie ein Sandsturm. »Na schön, mein Schiff, was denke ich?«

»Sie erinnern sich an das Leben, das Sie verloren haben, und würden gerne heimkehren. Ist doch so, oder? Ich habe das errechnet, indem ich eine Statistik der Bewegungen im Stirnbereich …«

Sein Stöhnen ließ sie sofort verstummen. »Schätze, es war unschwer zu erraten«, brummte er.

»Freuen Sie sich nicht darüber, dass ich Sie mittlerweile lesen kann wie ein Buch?«

»Seit sieben Jahren unterhalte ich mich mit einer verrückten Maschine, und jetzt liest sie mich wie ein Buch. Ein Traum … ein verdammter Traum.«

Sie knisterte. »Sie können ja so charmant sein. Ich rede mit niemandem an Bord lieber als mit Ihnen, Admiral, aber das wissen Sie ja.«

»Exadmiral«, verbesserte er mürrisch, »und niemand außer mir ist an Bord, wie du möglicherweise festgestellt hast?«

»Exadmiral«, besserte sie nach.

»Na endlich.«

»Ich mag Sie auch so.«

Er ließ sich im knarrenden Stuhl zur Scheibe gleiten. Sie hatte eigentlich bloß freundlich sein und für Ausgeglichenheit sorgen sollen. Nur hatte natürlich niemand wissen können, wie sie sich mit den Jahren verändern würde, während die künstliche Intelligenz von ihm lernte. Jahre, die niemals vorgesehen waren.

Kalt schimmerte die See. Sie leckte an der Panoramascheibe, die das Büro halb umrundete, und doch enthüllte sie drinnen nur müde Silhouetten. Es blieb dunkel abseits der Schreibtischleuchte, die selbst schon schwächelte. Nichts war draußen zu sehen – weder das strahlende Blau der Hochsee über, noch das außerirdisch anmutende Feuerwerk aus Leben unter ihnen.

Beides konnte er nur herbeiträumen, wenn er ins blasse Restlicht der Dämmerzone sah, in dieses Niemandsland der Natur.

»Nimmst du es mir übel?«, erwiderte er schließlich mit gebrochener Stimme. »Dass ich mein altes Leben nicht ausblenden kann und mich immer wieder dadurch ablenke. Es ist reine Selbstsucht. Findest du nicht?«

»Gar nicht. Lernen Sie, sich …«

»… loszulassen?«

»… anzunehmen.«

Schweigsam blickte er in den Schatten, mit dem er sich unterhielt. Fern röchelte eine alte Turbine.

»Ich will Ihnen hier nichts vormachen«, sagte sie schließlich. »Sie sitzen in einem harmlosen Scannerboot, das nebenbei schon bessere Tage gesehen hat. Da draußen suchen Bataillone von Schlachttauchern nach Ihnen. Sie können nur hoffen, dass Sie übersehen werden. Für Sie ist das alles nicht so leicht, das ist normal. Menschen möchten voraussehen, wann es sie erwischen wird.«

»Ich weiß nicht recht … «

»Erinnern Sie sich noch, mit welcher Freude Sie diese Mission übernommen haben? Glücklich, vor der Pension noch einmal das große Meer zu sehen. Schließlich war es damals eine Friedensmission.«

»Nichts davon ändert die Situation, in der wir nun

sind«, brummte er – was wollte sie?

»Das sehe ich anders.« Plötzlich änderte sich die Frauenstimme. Sie wurde absolut tonlos, was im Büro nur selten geschah. »Missionsstatus:

Darius Paarsa, alleiniger Träger der Instruktionen, Phase eins: die Fracht bergen.

Phase eins absolviert.

Phase zwei: die Fracht untersuchen.

Phase zwei absolviert.

Phase drei: Bericht erstatten.

Phase drei absolviert.

Phase vier: Fracht öffentlich an den Sicherheitsrat übergeben.

Status: schwere militärische Intervention. Schutz erbeten, Schutz nicht erteilt. Suche nach Methode, die Fracht selbst unschädlich zu machen. Suche … suche … suche …

Beurteile die Instruktionen neu.

Berechne … «

Stirnrunzelnd schaute er durch den leeren Raum, als wäre sie tatsächlich hier. Sie hatte noch nie versucht, darüber zu entscheiden, ob er von seiner Mission entbunden war, seitdem diese Selbstmord bedeutete. Spürte er da seinen Puls?

»Bitte nehmen Sie‘s mir nicht krumm«, summte sie nach einer Pause, die auch eine Stunde hätte sein können, wieder in ihrem vertrauten Frohsinn.

»Aber es ist aus. Sie können die Fracht niemandem überreichen, und daran, sie alleine loszuwerden, ist nicht einmal zu denken. Sie können es nicht rumreißen. Schuld sind Sie am allerwenigsten daran. Sie haben bereits alles versucht, ohne das allerkleinste Resultat.«

Ballte sich da seine Faust?

»Schon möglich«, murmelte er nur leise.

»Hinschmeißen ist eine menschliche Sehnsucht, oder? Ich weiß nur, dass es heißt, eine Maschine müsse nie mehr leisten, als sie kann. Aber worin unterscheiden sich Menschen von Maschinen? Es ist meine erste Priorität, dass Sie überleben, selbst, wenn unsere Fracht dem Feind überlassen werden muss. Ich bitte Sie nur, es zu autorisieren. Für Sie geht’s dann heim.«

Rasselnd atmete er ein. »Ich soll …«

»Bedenken Sie – es ist die Freikarte ins Leben, das Sie vermissen.«

Statt zu antworten, saß er wie versteinert da. Sein Blick suchte nach der Sonne, die sich nur erahnen ließ. Sie nur noch einmal sehen … hatte sich seine Faust gerade um altes Papier geschlossen?

Riss er es gerade in Stücke?

Heulte da nicht schon der Partikelschredder? Es war, als würde er leichter, während er lauschte, bis nichts mehr an die verfluchten Instruktionen erinnerte. So saß er da, den Frieden atmend, heillos überrascht, wie schnell geschehen war, wovon er immer neu geträumt hatte.

»Ich danke dir«, brachte er schließlich lächelnd heraus und ließ sich in den quietschenden Sessel sinken. »Ich ahnte nicht einmal, wie sehr ich das hier wirklich brauchte …«

Das Brüllen eines rostenden Rotors.

Dahin war die Ruhe.

Seufzend richtete er sich auf, schob den noch heißen Partikelschredder unter den Schreibtisch und streckte sich.

»Genug Träumerei für heute!«

»Präzision, bitte.«

»Ich werde ein bescheidenes neues Leben haben«, erklärte er, noch immer lächelnd, »wenn ich erschossen werde, kaum dass ich festen Boden betrete. Ich lebe laut Staatsmedien längst nicht mehr. Sie stünden nicht schön da, wenn ich mich blicken ließe. Irgendwer würde beschließen, nachzubohren … und dieses Risiko würden sie niemals hinnehmen. Selbst, wenn sie mir vertrauen würden. Und das werden sie nicht, berechtigterweise, meine Beste.« Nach und nach breitete sich in ihm die alte Seelenruhe aus, sein altvertrautes, machtvolles Instrument. Sich den Tatsachen stellen, ohne zu beschönigen – es ging noch. So, nur so, ließen sich saubere Beschlüsse bilden.

Die Stimme schien erstaunt. »Sogar, wenn Sie sich stellen und die Fracht übergeben, sterben Sie? Ist das menschlich?«

Er blickte in den Schatten.

»Ja, so sind wir.« Erst jetzt erstarb sein Lächeln.

»Schießen lieber andere durch den Schädel als uns selbst ins Bein. Und darum sollten wir die Fracht nicht besitzen, niemand von uns. Danke, dass du mich von der Mission entbunden hast, und natürlich, dass du die Schuld nicht bei mir siehst, wenn es alles misslingen sollte, aber – es ändert nichts. Schuld abzuwälzen, eliminiert sie nicht. Es mehrt sie meistens nur.«

Sie schien nachrechnen zu müssen.