Die Schlank-Strategie - Stefan Winter - E-Book

Die Schlank-Strategie E-Book

Stefan Winter

0,0
14,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Frustriert von gescheiterten Diäten, vom Jo-Jo-Effekt und Rückfällen in schlechte Ess-Gewohnheiten? Ökonom Prof. Stefan Winter geht die klassische Diät-Falle aus einer ganz neuen Perspektive an: mithilfe der neuesten Erkenntnisse aus Psychologie, Verhaltensökonomik und Hirnforschung. Er liefert einfache, effektive Wege aus gängigen Denk- und Verhaltensfallen, die wir selber und eine findige Ernährungsindustrie uns täglich stellen. Und er stellt klar: Das Scheitern von Diäten hat nichts mit persönlichem Versagen zu tun, denn wenn es ums Essen geht, wird Willenskraft überbewertet. Mithilfe von effektiven Techniken des Selbstmanagements kommen wir weg von Verzichtslogik und Selbstkasteiung und legen das innere Fress-Viech an die Leine. Machen wir uns die guten Entscheidungen einfach und holen uns gesundes Essverhalten und ein positives Körpergefühl zurück!

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 560

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Zum Buch

Dies ist die Geschichte einer wunderbaren Freundschaft – gestatten: der Denker und das Viech.

Beide stehen für neuronale Systeme, mit denen unser Gehirn Entscheidungen trifft. Das Viech ist Jahrmillionen alt, schnell und simpel: es will fressen, um unser Überleben zu sichern. Der Denker ist bedächtig, rational und kann absehen, dass eine tägliche Tüte Kartoffelchips langfristig nicht zu gesunder Ernährung oder Wunschgewicht beiträgt. Kein Wunder also, dass sich beide regelmäßig in die Quere kommen…

»Die Schlank-Strategie« von Prof. Dr. Stefan Winter ist eine wissenschaftlich fundierte, unterhaltsame Anleitung dazu, wie einfache Tricks im Alltag zu guten Entscheidungen beitragen: neue Essgewohnheiten statt frustrierendes Kalorienzählen. Für eine ungezwungen gesunde Ernährung, die eine oder andere Zimtschnecke zwischendurch und ein dauerhaft besseres Körpergefühl. Damit das Viech und der Denker satt, glücklich und stressfrei zusammenleben können.

Zum Autor

Prof. Dr. Stefan Winter, geboren 1964 in Barsinghausen bei Hannover, studierte Wirtschaftswissenschaften und erwarb seinen Doktorgrad 1995 an der Humboldt-Universität zu Berlin. Von 2000 bis 2004 lehrte er allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Personal und Organisation an der Julius-Maximilians-Universität in Würzburg. Seit 2004 ist er Inhaber des Lehrstuhls für Human Resource Management an der Ruhr-Universität in Bochum und wurde mehrfach mit dem Lehrpreis seiner Fakultät für herausragende Leistungen ausgezeichnet. Seit 2021 unterrichtet er neben Ökonomie auch Selbstmanagement für Studierende. Stefan Winter lebt mit seiner Frau in Witten.

Prof. Dr. STEFAN WINTER

DIE

SCHLANK

STRATEGIE

Gesünder leben mit den Erkenntnissen der Verhaltenswissenschaft

WILHELMHEYNEVERLAG

MÜNCHEN

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Originalausgabe 12/2023

Copyright © 2023 by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München

Illustrationen © by Isabell Klett

Redaktion: Evelyn Boos-Körner

Umschlaggestaltung: wilhelm typo grafisch, unter Verwendung von Fotos von Shutterstock.com (Mongta Studio, Maks Narodenko)

Satz und E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering

ISBN 978-3-641-30795-0V002

www.heyne.de

INHALT

Einleitung

Ein Werkzeugköfferchen für den Anfang

Lesen und lernen

Startprotokoll

Prozesse, aber nicht vor Gericht!

Realistische Erwartungen

Zielplanung und Lernziele

Präzise Absichten

Demut

Des Werkzeugköfferchens Fazit

Wo kommen Sie denn her?

Oh je, Evolution!

Das Viech und der Denker

Wahrnehmung

Voll normal? Übernormal!

Beziehungsprobleme

Steinzeitpsychologie

Das Herkunftsfazit

Geschichten aus dem Land des Scheiterns

Ein Kurztrip in die Vergeblichkeit

Beispielstuss

Das Dummehoffnungssyndrom

Die Todesstatistik

Scharlatane!

Meine Idee gehört mir!

Gefühlsorakel

Des vielen Scheiterns Fazit

Timing für Ausgeschlafene

Das Kurzschläferfett I

Das Kurzschläferfett II

Die Schlafmeisterschaft, erster Teil

Die Schlafmeisterschaft, zweiter Teil

Die Zeitmäuse

Den Keller entrümpeln!

Das Fazit am Ende aller Zeiten

Ihre Entscheidungsarchitektur

Die vermissten Kaltduscher

Der Großmeister der Bequemlichkeit

Die Wichtigkeit der Irrelevanz

Ein angestupster Nobelpreis

Willenskraft

Gewohnheiten

Essgewohnheiten

Mitmenschenfutter

Das Fazit aller Entscheidungsarchitekten

Schokolade und andere Gefühle

Cyberball, duschen und Schokolade

Salzstangen auf dem Bahnsteig

Körpergucken!

Zusammenhänge

Schäm dich!

Das Unglück des Übergewichts

Ein Schokoladenfazit

Ihre Emotionsarchitektur

Obacht!

Innenansichten

Bewegte Innenansichten

Werbefutter

Digitalfutter

Nachrichtenfutter

Ein Emotionslenkrad

Feinjustierung

Prognosevorbereitung

Die Emotionsnische

Das Fazit aller Emotionsarchitekten

Schlussworte

Persönliches Schlusswort

Fachliches Schlusswort

Anmerkungen

Literatur

EINLEITUNG

Das Jo-Jo ist die Standardstrafe für Diäten. Ein Kilo runter, zwei wieder rauf. Die Nummer mit Spiegel/»O Gott!«/Blitzhungern wird im Diätstrafrecht als das schwerstmögliche Ernährungsverbrechen von allen gewertet. Sehen Sie also zu, dass Sie sich dabei nie wieder erwischen lassen!

Dabei scheitern Diäten und Ernährungsumstellungen nicht an Kalorien, Eiweiß oder essenziellen Fettsäuren. Sie scheitern am Denken, und sie scheitern an ganz grundsätzlichen Verhaltensweisen, die auf den ersten Blick überhaupt nichts mit Ernährungsproblemen zu tun haben. Man muss nicht lernen, Ernährungsfehler zu verstehen, man muss lernen, grundsätzliche Denk- und Verhaltensfehler und deren Ursachen zu verstehen. Dort liegt die Lösung, nicht in künstlichen Hungerattacken, im Kalorienzählen oder in der Selbstkasteiung. Für den Fall, dass Sie mir hier noch nicht abkaufen, dass Diäten ganz fundamental nicht funktionieren, kündige ich schon mal an, dass ich Ihnen ein ganzes Kapitel zum fundamentalen Scheitern von Diäten zumuten werde. Wenn dieses Buch hier nur den Effekt hat, Sie vom kollektiven Diätwahn zu heilen, dann feiere ich mich selbst als einen der weltweit erfolgreichsten Sachbuchautoren.

Ich koche gern und besuche hin und wieder Kochkurse. Dabei ist mir aufgefallen, dass es eigentlich zwei Typen von Kursen gibt, die sich dadurch unterscheiden, dass es bei dem einen Typ nur schmeckt und man bei dem anderen Typ etwas lernt. Der Typ, bei dem es nur schmeckt, wird oft von Leuten veranstaltet, die selbst eigentlich gar nicht richtig kochen können. Daher kann man bei denen auch nichts lernen. Die bringen aufwendige Rezepte in Kombination mit edlen Zutaten mit. Man kocht dann einfach ein Rezept nach, hat später am Abend ganz gut gegessen, aber gelernt hat man nichts.

Bei der anderen Art von Kurs geht es um Techniken des Kochens und der Zubereitung. Die zweiundzwanzig Zen-Techniken des Gurkenschälens, achtsames Karottenputzen, gewaltfreie Kommunikation mit defekten Küchengeräten. So was in der Art. Schmeckt vielleicht erst mal nicht so gut, aber ich habe seit drei Jahren meinen Entsafter nicht mehr angeschrien − was mich deutlich friedlicher gemacht hat. Techniken zu lernen, hat gegenüber dem Nachkochen vorgefertigter Rezepte den enormen Vorteil, dass man mit Techniken dann selbst herumhantieren und diese auch auf neue Situationen und Herausforderungen übertragen kann. Für mich sind genau das die wahren Kochkurse. Diese Idee habe ich diesem Buch zugrunde gelegt. Deshalb geht es hier um Techniken, nicht um Rezepte. Es geht um Denk- und Verhaltenstechniken. Grundlegende Techniken, die Sie überall mit hinnehmen können, egal wo Sie gerade sind. Damit aber keine Missverständnisse aufkommen: Guter Geschmack gehört ganz dezidiert mit zu diesen Techniken. Ernährungsumstellungen auf irgendwelches Zeug, das nicht schmeckt, scheitern sowieso. Bitte gar nicht erst versuchen!

Bevor wir einsteigen, lassen Sie mich eine kurze Geschichte erzählen, die Geschichte dieses Buches. Ich habe Wirtschaftswissenschaften studiert. Darin habe ich auch meinen Doktortitel erworben, mich habilitiert und bin seit mehr als 25 Jahren Professor für Betriebswirtschaftslehre. Nicht gerade der typische Lebenslauf für einen, der ein Buch über Ernährung schreibt, möchte man meinen. Wieso dann also trotzdem? Nun, zunächst ist anzumerken, dass das hier kein Buch über Ernährung im engeren Sinne ist. Es geht nur ganz nebenbei auch einmal um Kalorien, Eiweiß, Fett und Kohlehydrate. Vielmehr geht es um die Art und Weise, wie Menschen Entscheidungen treffen, wenn es ums Essen geht. Die Analyse menschlichen Entscheidungsverhaltens hingegen war schon immer eine wirtschaftswissenschaftliche Fragestellung. Zwar geht es Wirtschaftswissenschaftlern bei dieser Thematik gewöhnlich nicht ums Essverhalten, aber die Verhaltensgrundlagen sind immer dieselben.

Dabei wurde die wirtschaftswissenschaftliche Theorie lange von der Rationalitätsannahme beherrscht. Es wurde einfach angenommen, Menschen würden bei ihren Entscheidungen niemals irgendwelche Fehler machen. Der Mensch als intellektueller Superheld. Diese Annahme ist für eine Reihe von theoretischen Überlegungen überaus nützlich. Von daher gibt es gute Gründe, für bestimmte ökonomische Analysen an dieser Superheldenannahme festzuhalten. In vielen anderen Bereichen hat diese Annahme jedoch äußerst wenig mit der Realität echter menschlicher Entscheidungen zu tun. Das wussten Psychologen und Soziologen schon viel früher. In den letzten Jahrzehnten ist jedoch ein Zweig der Wirtschaftswissenschaften herangereift, der sich Verhaltensökonomik nennt. In dem wird das Entscheidungsverhalten realer Menschen untersucht und danach gefragt, wie es zu »Entscheidungsfehlern« kommen kann. Dieser Zweig hat unter anderen durch die Verleihung der Wirtschaftsnobelpreise an Daniel Kahneman (der eigentlich Psychologe ist) und den Verhaltensökonomen Richard Thaler einen rasanten Aufschwung genommen. Dabei ist der Übergang von der Verhaltensökonomik in die Psychologie fließend. Es sind dieser Zweig der Wirtschaftswissenschaft und die angrenzenden Bereiche der Psychologie, die mich in den letzten Jahren immer mehr fasziniert und gefesselt haben.

Damit komme ich zu der Geschichte, die mich veranlasst hat, dieses Buch zu schreiben. Diese Geschichte beginnt mit einer Statistik und einer Studie, über die ich gestolpert bin. Die Statistik und die Studie hängen so eng zusammen, dass ich daraus einfach ein Buch machen musste. Beginnen wir mit der Statistik. In Deutschland sind 60 Prozent der Erwachsenen übergewichtig, in den USA 73 Prozent und in Mexico, dem Weltspitzenreiter, sind es 75 Prozent. Übergewicht ist ein Problem, weltweit. So weit die Statistik.

Nun zu der Studie. Es ist eine Übersichtsstudie über das Treppensteigen. In der Übersicht wurden die Ergebnisse aus einer Vielzahl von Einzelstudien zusammengefasst, wobei sich jede einzelne damit befasste, wie man Menschen dazu bringen kann, die Treppe statt den Fahrstuhl zu benutzen. Das Ergebnis der Übersichtsstudie von Eduardo Lucia Caputo und Kollegen zeigt: Stellt man direkt vor den Fahrstuhl ein Hinweisschild, das an die gesundheitlichen und figürlichen Vorteile des Treppensteigens erinnert, dann reicht das schon, um viel mehr Menschen in die Treppenhäuser zu kriegen.1 Damit ist die Vorgeschichte dieses Buches geklärt. Wenn ein kleines Schild vor dem Fahrstuhl reicht, unser Verhalten zu ändern, dann sollte es bei einer Ernährungsumstellung nicht um Fett und Zucker gehen, sondern um möglichst simple, aber wirksame Techniken der Verhaltensänderung. Stellen Sie sich einfach vor, Sie könnten sich überall kleine Schildchen hinstellen, und die würden dann dafür sorgen, dass Sie ständig die richtigen Entscheidungen beim Essen treffen. Wäre das nicht großartig?

Nun, ganz so simpel ist es nicht, aber das Grundprinzip funktioniert hervorragend. Es besteht darin, Entscheidungen so vorzubereiten, dass Sie dann, wenn Sie die Entscheidung treffen, eine gute Entscheidung treffen. In der Fachliteratur wird in diesem Zusammenhang von der sogenannten Entscheidungsarchitektur gesprochen. Damit sind all die Kontextfaktoren gemeint, die unsere Entscheidungen beeinflussen. Das können Hinweisschilder vor Fahrstühlen sein. Das können Schubladen in Ihrer Küche sein, die Sie so umräumen, dass nicht ständig Kekse und Schokolade in Ihr Sichtfeld springen. Das kann der Spaziergang im Wald statt in der Stadt sein, der Sie davor schützt, ungewollte Zuckerschocks in Konditoreien zu erleiden. Wenn Sie begriffen haben, dass wir Dinge meist nicht essen, weil sie das sind, was sie sind, sondern weil sie da sind, wo sie sind, haben Sie ein wichtiges Prinzip der Entscheidungsarchitektur verstanden und können Ihr Ernährungsverhalten umbauen. Wenn Sie wissen, dass hungrige Menschen mehr und schlechter einkaufen, dann wissen Sie, was zu tun ist. So können Sie im Vorfeld des Supermarktbesuchs mit einer Scheibe Vollkornbrot dafür sorgen, dass Sie dort bessere Entscheidungen treffen werden, ohne sich sonderlich disziplinieren zu müssen. Disziplin funktioniert langfristig übrigens genauso gut wie Diäten: überhaupt nicht. Auch das werden wir uns sehr genau angesehen, und auch hier werde ich mich wieder bemühen, Sie vom Irrglauben an Disziplin zu heilen.

Mit diesem Buch haben Sie sich eine ganze Sammlung von Techniken zugelegt, mit denen Sie gute Entscheidungen vorbereiten können, es ist ein Buch über Entscheidungsarchitektur. Es sind die klugen Vorbereitungen von Entscheidungen, die über Sieg oder Niederlage entscheiden, nicht Willenskraft oder Disziplin. Der Zweck dieses Buches liegt also darin, Ihnen Handlungs- und Denkmuster vorzustellen, mit denen Sie das ständige Bombardement von Versuchungen besser managen können. Es geht hier nicht um Sachertorte oder frittierte Schokoriegel, es geht um Management. Um Selbstmanagement.

Dieses Selbstmanagement ist nötig geworden, weil die Menschheitsgeschichte uns vor eine Vielzahl von Herausforderungen gestellt hat, für die wir psychologisch und biologisch nicht gebaut sind. Wir sind gebaut für Schlaf von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang. Aber dann kamen elektrisches Licht, Fernseher, Computerbildschirme, Netflixserien und Cocktailbars. Und weltweit drastisch zunehmende Schlafstörungen. Wir sind gebaut für einen Wechsel zwischen Kalorienüberfluss und -mangel. Aber dann kamen Supermärkte, Festtagsbraten im Winter und das Ende des Mangels. Und die weltweite Zunahme von Übergewicht. Wir sind gebaut für Bewegung und physische Belastung. Aber dann kamen Büros und stundenlanges Sitzen. Wir werden wohl flimmernde Bildschirme, Bürostühle und Supermärkte nicht so schnell wieder los. Daher fahren wir besser, wenn wir lernen, diese vernünftig zu bedienen. Das aber heißt letztlich: Wir fahren besser, wenn wir lernen, uns selbst vernünftig zu bedienen. Manchmal reicht es schon zu wissen, welche Knöpfe man in welchen Situationen besser nicht drücken sollte.

Bis zu diesem Punkt haben wir über Techniken des Verstandes gesprochen. Das ist aber immer nur eine Seite der Essensmedaille. Die andere Seite ist die emotionale. Ernährung ist eben keineswegs eine Angelegenheit, die man komplett mit dem Verstand organisieren kann. Es sind die Emotionen, die in großem Umfang unser Essverhalten steuern. Und es ist umgekehrt auch das Essverhalten, das in großem Umfang unsere Emotionen beeinflusst. Essverständnis ohne Emotionsverständnis ist nicht möglich. Daher werde ich Sie zu einer zweiten Architektour einladen: einer Emotionsarchitektour. Die Sache mit der Entscheidungsarchitektur ist den meisten Menschen sehr schnell einsichtig: Man kann Entscheidungen so vorbereiten, dass man in der Entscheidungssituation selbst möglichst keine blöden Entscheidungen mehr trifft. Wenn Sie mit dem Bus zur Party fahren, mag das auf den ersten Blick lästig sein. Es verhindert jedoch effektiv, dass Sie später betrunken mit Ihrem Wagen nach Hause fahren. Das ist Entscheidungsarchitektur.

Das Erstaunliche: Auch Emotionen lassen sich so vorbereiten, dass man mehr positive hat und den negativen aus dem Weg geht. Im Prinzip ist auch das den meisten Menschen klar. Wenn man sich völlig übermüdet durch den Tag quält, dann spuckt der Tag am Ende keine guten Emotionen aus. Schlaf ist einer der effektivsten Bausteine einer stabilen, konstruktiven Emotionsarchitektur. Und das Schöne dabei ist: Schlaf reduziert Hunger und führt zu besseren Ernährungsentscheidungen. Nachgewiesenermaßen. Was aber dennoch drastisch unterschätzt wird, ist das enorme Ausmaß, in dem wir unsere eigenen Emotionen beeinflussen können. Am besten dadurch, dass man die Entstehung von negativen Emotionen im Vorfeld unterbindet.

Die Zahl der Möglichkeiten, Emotionen vorzubereiten, ist nicht geringer als die Zahl der Möglichkeiten, Entscheidungen vorzubereiten. Bereiten Sie Entscheidungen klug vor, werden Sie kluge Entscheidungen treffen. Bereiten Sie Emotionen klug vor, werden Sie gute Emotionen haben. In dem Umfang, in dem Fehlernährung ein Symptom negativer Emotionen ist, ist jedes Programm zur Verbesserung der Emotionen ein Programm zur Verbesserung der Ernährung. Jede gute Emotionsarchitektur ist eine gute Ernährungsarchitektur, weil sie das Essen aus rein emotionalen Gründen überflüssig macht. Kämpfen Sie also nicht gegen Ernährungsprobleme, sorgen Sie für positive Emotionen, indem Sie sich eine stabile Emotionsarchitektur zulegen. Eine längere Liste von Vorschlägen finden Sie weiter hinten im Buch. Wenn Sie die Grundbausteine verstanden haben, können Sie selbst draufloskonstruieren, dass sich die Balken biegen.

Bevor wir einsteigen, lassen Sie mich Ihnen noch eine Warnung mit auf den Weg geben, eine Warnung vor zwei schwerwiegenden Erkrankungen, die mit Ernährung zu tun haben. Die eine ist Schokolanhedonie. Das ist die Unfähigkeit, aus dem Verzehr von Schokolade Genuss zu ziehen. Eine ganz, ganz scheußliche Erkrankung, die man sich einfangen kann, wenn man anfängt, Kalorien zu zählen oder in Punktwerte umzurechnen. Damit macht man Nahrung zum Feind. Kalorienzählen für sich genommen ist bereits eine leichte psychische Störung, die den Menschen teils sogar als Konzept untergejubelt wird, das man auch noch bezahlen soll. Gibt man sich dieser Störung längerfristig hin, ohne etwas dagegen zu unternehmen, drohen Folgeerkrankungen. Wie eben Schokolanhedonie. Falls Sie im Duden nachschlagen: Die Krankheit habe ich erfunden, Sie werden sie nicht finden. Das macht allerdings nichts, da es hier nur ums Prinzip geht.

Neben der Schokolanhedonie gibt es noch eine andere fiese Erkrankung. Das ist Orthorexia nervosa. Diese Erkrankung gibt es nun wirklich. Das ist die zwanghafte Fixierung auf gesunde Lebensmittel. Wenn Sie sich unbedingt einen Zwang zulegen müssen, dann suchen Sie sich bitte einen, der nicht so genussfeindlich ist. Statt Kartoffeln demnächst Spinat zu frittieren, wird Sie nämlich definitiv nicht glücklich machen, glauben Sie mir!

Warum ich von diesen Krankheiten berichte? Nun, dieses Buch hier heißt »Die Schlankstrategie«. Das klingt schon auch ein wenig nach Spaßfeindlichkeit, oder? »Schlank« gilt ja allgemein als erstrebenswert und sexy. Aber irgendwie denkt man auch ein wenig an magersüchtige Models, die als Dreigangmenü drei unterschiedliche Salatblätter bestellen. Solche Vorschläge werden Sie in diesem Buch nicht finden. Ich plädiere ganz dezidiert für Genuss. Auf gesündere Ernährung und gesündere Essenszeiten umzustellen, heißt nicht, den Genuss herunterfahren zu müssen. Im Gegenteil: Erhöhen Sie Ihre Gewürz- und Kräuterkompetenzen, werden Sie Knuspereffektspezialist oder Cremigkeitskönigin. Umstellung heißt auch nicht, auf irgendwas lebenslang verzichten zu müssen. Ich habe bei meinem Durchwühlen der Ernährungsliteratur nichts gefunden, was man nicht ab und an mal essen kann. Morton Kringelbach schreibt, dass Küchenchefs der Spitzenrestaurants mit Konsistenzen und Geschmäckern hantieren, um das Wohlgefühl ihrer Gäste zu maximieren.2 Und damit vielleicht sogar deren Lebensglück erhöhen. Falls dafür aber hin und wieder auch ein einfaches Stück Schwarzwälder Kirschtorte reicht, bin ich der Letzte, der versuchen wird, Sie davon abzuhalten. Versprochen. Und nun gutes Gelingen!!!

EIN WERKZEUGKÖFFERCHEN FÜR DEN ANFANG

Ich werde Ihnen im Verlauf dieses Buches eine ganze Reihe von hoffentlich neuen, vor allem aber auch nützlichen Ideen und Konzepten vorstellen. In diesem Sinne ist das hier natürlich eine Art Lehrbuch. Nach über dreißig Jahren in Hörsälen bin ich allerdings zu der Einsicht gekommen, dass man Menschen nicht sofort mit neuen Konzepten konfrontieren sollte. Vielmehr sollte am Anfang eine passende Einstimmung stehen. Teil I einer solchen Einstimmung besteht darin zu erläutern, worum es geht. Nun, das kann ich mir an dieser Stelle schenken, weil das aus dem Buchtitel und der Einleitung hoffentlich klar genug hervorgeht. Somit kommen wir zu Teil II. Das ist die Bedienungsanleitung. Und deshalb gebe ich Ihnen in diesem Kapitel ein paar Empfehlungen zum Umgang mit diesem Buch und ein paar erste, fundamentale Denk- und Verhaltenskonzepte.

Die Empfehlungen dieses Kapitels beziehen sich also zunächst auf Empfehlungen zum Umgang mit diesem Buch. Lesen Sie es aktiv, nicht wie einen Roman oder wie eine Tageszeitung. Was aktives Lesen ist, erläutere ich gleich. Sodann befassen wir uns mit Denk- und Verhaltenskonzepten, mit denen ich Sie schon einmal ein wenig gegen den üblichen Diätenwahn immunisieren möchte. Diäten funktionieren NICHT. Dieser Tatsache ist ein ganzes Kapitel in diesem Buch gewidmet, auf das Sie bald stoßen werden.

Ich hoffe, dass dieses Kapitel es Ihnen einfacher macht, die späteren Inhalte dieses Buches aufzunehmen und abzuspeichern. Lassen Sie mich Letzteres an einem einfachen Beispiel verdeutlichen: Wenn Menschen Ernährungsratgeber kaufen, dann tun sie das zu vermutlich über 95 Prozent, um abzunehmen. Wenn man komplett auf dieses Ziel eingeschossen ist, dann überliest man leicht all das, was nicht diesem Ziel dient − und übersieht dabei möglicherweise, dass man etwas über die Sinnhaftigkeit des Ziels lernen und mit einem anderen Ziel viel mehr erreichen könnte. Lassen Sie uns nun also gemeinsam dazu übergehen, Sie gut einzustimmen.

Lesen und lernen

Können Sie lesen? Klingt wie eine blöde Frage an jemanden, der gerade ein Buch in der Hand hält, in dem diese Zeilen stehen. Doch urteilen Sie nicht zu schnell! Ich weiß ja nicht, wie es Ihnen geht, aber ich habe das Lesen in der Schule eher nicht gelernt. Jedenfalls nicht das richtige Lesen. Ich habe gelernt, Buchstaben zu dechiffrieren und daraus irgendwelche Wörter und Sätze zusammenzubasteln. Das reicht für Tageszeitungen. In der Schule habe ich gelernt, die Texte in der Reihenfolge zu lesen, in der sie abgedruckt sind. Das reicht für Krimis. Und bei Romanen habe ich gelernt, so viel zu lesen, bis ich einschlafe. Was ich nicht gelernt habe, ist, dass richtiges Lesen nicht möglich ist, ohne dabei zu schreiben. Richtiges Lesen geht nicht ohne Reflexion. Richtiges Lesen verlangt, dass ich meine eigenen Gedanken, Beispiele und Ergänzungen aufschreibe, weil die genauso wichtig, nein, weil die wichtiger sind als das, was der Autor mir da aufgeschrieben hat. Unter richtigem Lesen verstehe ich dabei ein Lesen, das mir etwas über die Welt verrät, das ich tatsächlich nutzen kann. Mit dem ich dann selbst etwas anfangen kann, mit dem ich mein Leben ein Stück besser machen kann. Richtiges Lesen ist für mich ein Lesen, das dazu dient zu lernen. Krimis einfach so durchzulesen, ist völlig okay. Die will ich aber auch nicht lernen. Das ist Unterhaltung. Und bei Tageszeitungen ist es mir sogar lieber, dass ich das, was ich da lese, möglichst schnell wieder vergesse. Vor allem wenn es um Politik, Flugzeugabstürze und Epidemien geht.

Wenn ich aber etwas lese, von dem ich etwas lernen will, dann funktioniert das mit dem Einfach-von-vorne-bis-hinten-Durchlesen nicht. Dabei gehen viel zu viel Inhalt und eigene Assoziationen verloren. Sie werden in diesem Buch Hunderte von Gedanken und Ideen finden, zu denen Ihnen mit absoluter Sicherheit etwas einfällt, das passt und die ganze Sache für Sie erst richtig rund macht. Dazu brauchen Sie ein paar Utensilien: Textmarker, einen Kugelschreiber oder Bleistift, eine Packung Post-its. Und, am allerwichtigsten: Sie brauchen Schreibblöcke. Also: Wenn Sie mit diesem Buch fertig sind, dann sollte dieses Buch hier fertig sein und auch so aussehen. Blutleer, komplett von Ihnen ausgesaugt. Jede freie Stelle ist dazu da, mit Ihren Anmerkungen versehen zu werden. Relevante Ideen, die Sie auf einer Seite gefunden haben, sind mit Textmarker markiert. Alle paar Seiten kleben Sie ein Post-it so ins Buch, dass Sie damit die betreffende Seite direkt aufschlagen können. Ihr Buch besteht aus Papier, das zum Benutzen da ist. Machen Sie von Ihrem Recht auf Veränderung Gebrauch. Das Buch muss hinterher nicht mehr so aussehen, dass Sie es beim Buchhändler ins Regal zurückstellen könnten.

Das Unterstreichen, das Markieren mit Textmarker, das Aufschreiben eigener Notizen haben dramatische Effekte auf Ihr Gedächtnis. Dinge, die Sie aktiv mitgestalten, umgestalten, frisieren, bleiben viel länger hängen, sind viel tiefer verankert. Das hier ist kein Roman, den man liest und auch gleich wieder vergessen kann. Es gibt auch kein »Müssen«, denn natürlich müssen Sie dieses Buch nicht lesen. Aber wenn Sie es tun, dann möchte ich Ihnen ans Herz legen, es zu zerlesen. Lesen Sie es in Grund und Boden. Lernendes Lesen ist aktives Lesen. Sie dürfen Seiten umknicken, Merkzettel reinlegen und rausgerissene Rezepte aus Zeitschriften zwischen die Seiten stecken. Rechtlich ist es bereits Ihr Buch, jetzt sorgen Sie dafür, dass das auch jeder sieht. Machen Sie aus einem industriell gefertigten Massenprodukt Ihren persönlichen Motivationstrainer. Die Notizhefte, die Sie hoffentlich parallel führen, sind auch nicht auf Notizen beschränkt, nur weil die »Notizhefte« heißen. Da dürfen Sie reinmalen, Rezepte reinkleben, was auch immer Ihnen einfällt …

An dieser Stelle möchte ich Sie bitten, die obere Ecke dieser Seite umzuknicken, hier ein Post-it reinzukleben oder irgendetwas anderes zu tun, damit Sie diese Seite hier gleich wiederfinden. Und dann lesen Sie zum Beispiel erst mal die ganzen Einleitungen zu Beginn und die ganzen Zusammenfassungen am Ende jedes Kapitels. Anschließend malen Sie sich ein Schaubild, aus dem der grundlegende Aufbau dieses Buches hervorgeht. Malen und beschriften Sie es so, dass Sie Ihrer Tante den groben Aufbau dieses Buches anhand Ihres Schaubildes erläutern könnten. Probieren Sie das mit der Erläuterung auch dann, wenn Ihre Tante gerade nicht da ist. Machen Sie das für sich selbst als Trockenübung. Sie werden sehen, dass es sich anders anfühlt, ein Buch zu lesen, dem man nicht ausgeliefert ist, sondern das man prinzipiell schon versteht, ehe man es im Detail liest. Dieses Buch hier soll nicht spannend sein, es soll Sie unterstützen. Wenn Sie schon zu Beginn eine Vorstellung davon haben, durch welche Denkwelten Sie reisen werden, dann können Sie sich viel besser auf die Reise vorbereiten. Vielleicht haben Sie ja auch Lust, die Länder in einer anderen Reihenfolge zu bereisen als der, die ich als Ihr Reiseführer hier vorgeschlagen habe. Vielleicht wollen Sie in eines oder mehrere der Länder auch überhaupt nicht reisen, weil das nichts mit Ihnen zu tun hat? In seinem Klassiker »Wie man ein Buch liest« hat Mortimer Adler bereits in den 40er-Jahren des 20. Jahrhunderts dargelegt, wie vorteilhaft es für das Verständnis eines Buches ist, die innere Struktur des Aufbaus zu verstehen.3 Auf dem Klappentext der 5. deutschen Auflage aus dem Zweitausendeins Verlag ist folgendes Zitat aus The New Yorker abgedruckt: »Das Schlüsselwerk zur Kultur – Das Buch zeigt ganz konkret, wie man die eigene Lektüre perfektioniert und wie groß der Gewinn an Genuss und Erkenntnis dadurch wird.« Ein wichtiger Teil der Perfektionierung ist aktives Lesen. Unterstreichen, Kommentare, eigene Notizen. Gutes Lesen ist aktives Lesen. Punkt.

Der nächste Schritt, um wirklich etwas aus einem Buch herauszuholen, besteht in der wiederholten Lektüre. Es gibt Schätzungen, nach denen man eine Information sechsmal in den Schädel stecken muss, bis sie hängen bleibt. Andere sprechen von drei oder vier Wiederholungen. Wenn Sie also etwas gelesen haben, das Sie wichtig und richtig finden, dann können Sie das deswegen noch lange nicht in Ihr Leben einbauen. Das liegt unter anderem daran, dass viel zu viele Informationen ständig auf Sie einprasseln. Sie können Ihrem Gehirn aber helfen zu erkennen, was wichtig ist und was nicht. Dazu haben Sie mehrere Möglichkeiten. Eine ist oben beschrieben: Je aktiver Sie sich mit einem Thema auseinandersetzen und je persönlicher und ehrlicher Sie dabei sind, desto eher prägen sich Ihnen die Dinge ein. Der zweite Baustein besteht dann aber in der Wiederholung. Wenn Sie Dinge wiederholen, ist das für Ihr Hirn ein klares Signal, dass das wichtig ist und dass es sich das merken sollte. Gehen Sie also davon aus, dass Sie dieses Buch hier mindestens drei oder vier Mal lesen. Kluge Menschen wiederholen, weil sie klug genug sind zu wissen, dass echtes Lernen ohne Wiederholung nicht geht.

Ein wenig werde ich Sie bei der Wiederholung unterstützen, ob Sie das nun wollen oder nicht. Sehen Sie es mir bitte nach, dass ich einige der zentralsten Prinzipien dieses Buches an verschiedenen Stellen mehrfach aus verschiedenen Perspektiven anspreche. Wenn Sie dieses Buch weglegen und schon ein Grundgerüst so in Ihrem Kopf verankert haben, dass Sie damit erste Fortschritte erzielen können, dann ist das meines Erachtens ein guter Grund, ein paar Wiederholungen zu erdulden.

Startprotokoll

Robert Scott hat versucht, als Erster am Südpol anzukommen. Das hat nicht nur nicht geklappt, sondern ihn obendrein auch noch das Leben gekostet. Für Menschen, die nach Jahrzehnten der Gewöhnung ihre Ernährung umstellen wollen, ist die Umstellung eine Polarexpedition. Es ist das Vorwagen in völlig unbekanntes Gelände, in dem Tausende von Fallen lauern. Die Hunderte von Millionen gescheiterter Diäten jedes Jahr weltweit zeigen vor allem eines: Kompetenzillusionen und mangelhafte Vorbereitung. Wenn Sie von der Sahara in die Antarktis umziehen, das aber nicht akribisch vorbereiten, dann holen Sie sich übelste Erfrierungen. Es geht schief. Tut es ständig. Überall auf der Welt. Man kann sich nicht einfach irgendein Rezeptbuch oder gar bloß eine Illustrierte schnappen und damit den Wechsel schaffen. Wenn das so simpel wäre, wären nicht 50–75 Prozent der Menschen in den westlichen Industrienationen übergewichtig. Der Wechsel bedarf der Vorbereitung.

Lassen Sie uns hier also über die Vorbereitung sprechen. Tatsächlich ist die Lektüre dieses Buches ja bereits ein Teil Ihrer Vorbereitung. Es ist eben kein Rezeptbuch und auch kein Nährwertbuch. Es ist ein Buch, das sich mit den organisatorischen und emotionalen Fallen der Ernährung auseinandersetzt.

Niemand verbietet Ihnen, wie der Zauberlehrling zu agieren. Einmal angucken, dann kann ich alles und renne Richtung Südpol. Das ist nicht verboten. Und beim Thema Ernährung auch nicht ganz so tödlich. Aber wenn Sie das, was Sie in diesem Buch finden, ernst nehmen, dann agieren Sie eben anders. Langsamer, mit Bedacht. Manchmal öder. Aber am Ende mit Erfolg. Am Ende sein Zelt als Erster am Südpol aufzustellen, ist es allemal wert, im Vorfeld etwas mehr zu ertragen und die längeren Wege zu gehen.

Als ersten Akt der Vorbereitung schlage ich Ihnen daher zunächst Passivität vor. Ändern Sie an Ihrer Ernährung nie viel auf einmal. Wenn Sie sofort viel ändern, verschenken Sie zwei Chancen. Sie verschenken die Chance, die Änderungen auf Basis von Wissen und Freude durchzuführen. Sie rennen vermutlich voller Euphorie los, weil Sie ein paar Gedanken aufgeschnappt haben, die sich schon wie fest verankertes Wissen anfühlen, was sie aber nicht sind. Vermutlich haben Sie diese Euphorie früher schon gefühlt, wenn Sie irgendwo etwas gelesen haben, losgerannt sind und nach ein paar Tagen aufgegeben haben. Bei Ernährungsumstellungen ist Euphorie so ziemlich das Letzte, was Sie gebrauchen können. Demut vor der großen Aufgabe, allerdings gepaart mit zuversichtlicher Gelassenheit, wäre angemessener. Ihr Leben und Ihr Körper werden nicht in zwei Wochen ganz andere sein und in zwei Monaten auch nicht − in zwei Jahren jedoch schon. Dann aber für den Rest Ihres Lebens. Wenn Sie gelassen bleiben.

In diesem Kapitel geht es darum, Ihnen ein erstes kleines Werkzeugköfferchen in die Hand zu drücken. Eines der Werkzeuge in diesem Köfferchen ist die Protokollführung. Nicht erschrecken, es geht hier nicht um lebenslänglich. Es geht nur darum, auch über einen längeren Zeitraum einen Vorher-nachher-Vergleich machen zu können, der nicht auf die Spinnereien der Erinnerung angewiesen ist. Vom Grundprinzip her geht es also darum, ein paar Tage Notizen zu machen und anschließend schrittweise Dinge im Leben zu verändern. Und zum Abschluss noch mal ein paar Tage Notizen zu machen. Und dann die Notizen zu vergleichen, um sich über die großartigen Fortschritte zu freuen und bei dieser Freude nicht darauf angewiesen zu sein, dass sich das Hirn alles richtig gemerkt hat. Vor allem in der medizinischen Fachliteratur des Selbstmanagements taucht die Protokollführung immer wieder auf. Ein Grund für positive Effekte wird darin gesehen, dass die Protokollführung zur Selbstreflexion anregt und so unbewusstes Verhalten sichtbar gemacht wird.4 Doch langsam, der Reihe nach.

Für annähernd alle chronischen Krankheiten gibt es Untersuchungen zu der Frage, was die Kranken selbst tun können, um ihre Krankheitsverläufe positiv zu beeinflussen. Erkrankte können den Krankheitsverlauf in erheblichem Umfang beeinflussen. Das ist zumindest das eindeutige Ergebnis der Studienübersicht von John Allegrante, Martin Wells und Janey Peterson.5 In vielen Fällen haben die Kranken sogar einen größeren Einfluss auf den Krankheitsverlauf als Ärzte und Medikamente. Diese krankheitsbezogene Eigenfürsorge der Kranken wird unter der Rubrik »Selbstmanagement« abgehandelt.6 Was aber gehört zum Selbstmanagement? Nun, dazu gehören einfache Dinge wie beispielsweise die Einhaltung des Medikationsplans. Morgens eine und abends eine. Denn das Erstaunliche ist: Selbst derart einfache Dinge kriegen viele Menschen nicht hin. Dass es weltweit immer mehr Bakterienstämme gibt, die gegen Antibiotika resistent sind, hat auch damit zu tun, dass Menschen ihre Antibiotika nicht wie verordnet einnehmen. Die Folge davon: Die kleinen Mistviecher überleben und werden resistent. Derartige Probleme findet man bei allen Erkrankungen, bei denen Patienten in irgendeiner Form mitwirken müssen. Ahola und Groop stellen fest, dass das Selbstmanagement von Diabetes-Patienten häufig suboptimal ist, wodurch sich Krankheitsverläufe verschlechtern.7 In der Fachliteratur zum Selbstmanagement wird nun untersucht, wie man Menschen helfen kann, sich selbst besser zu helfen.8 Sarah Dineen-Griffin und Kollegen kommen in ihrer Übersichtsstudie zu dem Ergebnis, dass dazu Beratung, kontinuierliches Nachfragen und die Bereitstellung von Selbsthilfematerialien notwendig sind.9 Diverse Studien zeigen aber auch, dass man Patienten Techniken des Selbstmanagements beibringen kann. So findet Patrick McGowan in seiner Untersuchung heraus, dass diejenigen, die an einer Schulung zum Umgang mit ihrem Diabetes teilgenommen haben, selbst nach einem Jahr noch bessere Blutzuckerwerte und höhere Gewichtsreduktionen hatten.10 Und dabei taucht ein Instrument immer wieder auf, welches sich als sehr wirksam erweist: die Protokollführung. Ich will Ihnen jedoch nicht verschweigen, dass die Protokollführung nur funktioniert, wenn man die Protokolle auch wirklich führt. Die meisten Menschen tun das eher nicht, wie Arthur Stone und Kollegen feststellen.11 Inwiefern sich das durch einen Übergang von Papier auf elektronische Versionen verbessern lässt, ist inzwischen ein eigenes Forschungsthema.12 Andrea Nes und Kollegen stellen fest, dass elektronische Tagebücher, die über das Internet geführt werden und die ein personalisiertes Feedback liefern, effektiv beim Selbstmanagement unterstützen.13

Was aber bewirken Protokolle? Dino Urzi und Kollegen finden in ihrer Untersuchung eine deutliche Verbesserung in der Ernährung in derjenigen Gruppe ihres Experiments, die täglich Ess- und Bewegungsverhalten protokolliert.14 Raymond Baker und Daniel Kirschenbaum stellen in ihrem Experiment fest, dass diejenigen, die regelmäßig ihre Ernährung protokollierten, beim Abnehmen erfolgreicher waren als diejenigen, die nur unregelmäßig oder gar nicht protokollierten.15 Ich könnte hier jetzt noch weitere Studien aus den unterschiedlichsten Lebensbereichen anführen, die alle zu demselben Ergebnis kommen: Wer Protokoll führt, kommt besser voran. Um besser voranzukommen, braucht man Veränderungen. Unsere Erinnerung ist aber äußerst unzuverlässig, daher ist es praktisch unmöglich, Veränderungen einfach nur per Erinnerung gezielt nachzuverfolgen.

Ich schlage Ihnen daher vor, die ersten zwei bis vier Wochen nichts anderes zu tun, als aufzuschreiben, was Sie essen und trinken und wann Sie das tun.

Wenn man etwas ändern will, hilft es, sich erst mal selbst ein wenig auf die Finger zu schauen.16 Machen Sie es aber nicht zu kompliziert. Legen Sie sich ein Notizheft neben das Bett und schreiben Sie abends auf, was Ihnen noch einfällt, wann Sie was gegessen und getrunken haben. Erstellen Sie ein Ernährungsprotokoll für wenigstens eine Woche, zwei bis vier wären besser, aber wenn die Energie nur für eine Woche reicht, ist das auch schon gut. Es kommt nicht darauf an, dass Ihnen jede Kleinigkeit einfällt, es muss nur in groben Zügen stimmen. Aber nicht mogeln! Und zwar in beiden Richtungen nicht mogeln! Richtung 1: Sie unterschlagen viele Sachen, von denen Sie eigentlich wissen, dass Sie die nicht essen sollten, jedenfalls nicht in diesen Mengen. Das fühlt sich zwar im Augenblick des Unterschlagens etwas besser an, weil Sie abends beim Aufschreiben nicht so erschrecken. Es ist aber doch bloß Selbstbetrug und bringt Ihnen real gar nichts. Tatsächlich schadet es Ihnen, weil Sie sich nämlich eine große Freude der Zukunft nehmen. Sie sollen nämlich in zwei Jahren noch mal dasselbe tun. Sie sollen auch in zwei Jahren für zwei bis vier Wochen aufschreiben, was Sie am Tag jeweils zu sich genommen haben. Und dann vergleichen Sie und strahlen vor Freude bei dem, was Sie da lesen. Strahlen Sie tief in sich hinein und gehen Sie von da an mit dem Gefühl des totalen Sieges durch Ihr weiteres Leben. Dieses so großartigen Sieges berauben Sie sich, wenn Sie am Anfang mogeln und so tun, als hätten Sie sich schon damals eigentlich ganz ordentlich ernährt.

Andersrum mogeln dürfen Sie aber auch nicht! Natürlich könnten Sie auch in der ersten Protokollphase fünf Burger und sechs Stück Torte extra pro Tag essen und das ganze Zeug abends protokollieren. Wenn Sie die dann in der zweiten Phase einfach weglassen, ist das auf dem Papier auch ein großer Sieg. Aber jetzt mal echt, solche Siege wollen Sie doch wohl nicht wirklich einfahren, oder? Nicht böse sein, aber nach ein paar Jahren Beschäftigung mit dem Thema überrascht mich keine menschliche Technik der Beschaffung guter, aber möglichst billiger Gefühle mehr. Ganz im Gegenteil. Die Evolution ist sparsam, und zwar mit allem. Wenn man ein gutes Gefühl billig haben kann, warum dann teuer beschaffen? Würde man mit Schuhen ja auch nicht machen. Es gibt allerdings einen wichtigen Unterschied. Wenn man sich billige Gefühle beschafft, hat man ruckzuck erhebliche Reparaturkosten am Haken.

Also halten wir fest: Ein großartiger erster Schritt der Vorbereitung ist die Erstellung eines Ernährungsprotokolls. Nicht mogeln! Verbaseln Sie das aber auch nicht. Das Startprotokoll in Ihrem Notizheft wird bald sehr wertvoll für Sie sein.

Ich vermute, dass Sie sich einige Zeilen weiter oben empört haben. Als ich schrieb, Sie sollten das Zielprotokoll in zwei Jahren ausfüllen. So viel Zeit hat doch heute niemand mehr, und selbstverständlich schaffen Sie es ja viel schneller, am liebsten bis übermorgen. Was aber, wenn es gar nicht um ein Endziel geht, sondern um einen gesünderen Lebensweg? Um einen Weg, der jeden Tag eine winzige Verbesserung bringt und damit von ganz allein und ganz nebenbei einen gesünderen und damit auch schöneren Weg. Gut, das ist nur meine Vorstellung vom Sinn dieses Buches. Jetzt gehört es ja Ihnen. Damit liegt es auch allein in Ihrer Hand, was Sie damit anstellen.

Prozesse, aber nicht vor Gericht!

Was haben angehende Taucher und Kaltduscher gemeinsam? Sie scheitern häufig. Das Erstaunliche ist, dass sie aus exakt denselben Gründen scheitern. Ich erkläre es Ihnen nur für die Taucher, die Kaltduscher müssen Sie sich aus dem Gesagten selbst zusammenbasteln. Oder Sie warten noch ein paar Kapitel, dann gehe ich selbst etwas detaillierter auf das Kaltduschen ein.

Konzentrieren wir uns hier also auf die Taucher. Die hocken erst mal in einer Tauchschule und hören sich was über Wasserdruck, Zeichensprache und, je nach Gegend, über Haie an. Dann ziehen sie sich den Taucheranzug an, schlüpfen in die Taucherflossen, schnallen sich die Luftflaschen auf den Rücken und watscheln ins Meer. Mundstück in den Mund, Tauchermaske auf und dann: untertauchen, umsehen, atmen nicht vergessen und sich an der Unterwasserflora und -fauna erfreuen. So weit die Theorie. Für viele klappt das auch, für andere nicht. Für die, für die das nicht funktioniert, passiert etwa Folgendes: Bei dem Gedanken, jetzt gleich unter Wasser atmen zu müssen, kriegen sie eine Panikattacke. Dann reißen sie das Mundstück heraus und schnappen nach Luft, rupfen sich hektisch die Tauchermaske vom Kopf und hetzen mit hochrotem Kopf, rasendem Herz und Schnappatmung irgendwie an Land. Der Traum, einmal im Leben vor Australien zwischen den Korallen des Great Barrier Reef zu tauchen oder in der Karibik das Farbenspiel bunter Fische live zu besichtigen: Geplatzt! Der Grund: Selbstüberschätzung. Oder besser: Überschätzung des eigenen Gehirns. Und die sieht so aus: Taucheranzug: neue, erst mal zu verarbeitende Eindrücke für das Gehirn. Gehen und schwimmen mit Taucherflossen: neue, erst mal zu verarbeitende Eindrücke für das Gehirn. Welt durch Tauchermaske betrachten: neue, erst mal zu verarbeitende Eindrücke für das Gehirn. Mundstück im Mund: Ach, keine Lust mehr, machen Sie bitte weiter. Wenn man das dem eigenen Gehirn alles gleichzeitig zumutet, dann fackeln zig Milliarden Neuronen im Hirn ein Feuerwerk ab, das das Hirn noch nie gesehen hat. Für manch einen ist das ein cooles Silvesterfeuerwerk. Die wollen die Taucherbrille am liebsten nie wieder absetzen. Für die anderen ist das Geschützfeuer, das die Welt zusammenstürzen lässt. Die brauchen Tage oder Wochen, um sich von dem Schock zu erholen. Ist der Schock unvermeidbar? Nein, er beruht vor allem auf einem etwas kindlichen Größenwahn.

Hier die Alternative. Die ersten drei Tage zieht man sich beim Baden Taucherflossen an. Gewöhnt die Füße. Nein, stopp, nicht die Füße! Gewöhnt den für die Steuerung der Füße zuständigen Teil des Gehirns an die neuen Signale der Fußbewegungen. Nach drei Tagen merkt man davon nichts mehr, da das Gehirn kapiert hat, dass die ungewöhnlichen Signale vom Fußende nichts anderes bedeuten als: Hey, mein Körper hat Schwimmflossen an, damit kann ich schneller schwimmen, coole Sache! Dann zieht man sich zwei Tage einen Taucheranzug an und gewöhnt das Gehirn an das neue Hautgefühl beim Schwimmen. Taucherbrille: Kopf quer legen, ein Auge unter, das andere über Wasser. Dann einmal ganz unter Wasser, drei Sekunden umsehen, und gut ist. Nächster Tag. Mundstück: Augen bleiben ohne Tauchermaske über Wasser, nur mit dem Mund unter Wasser und einmal atmen. Nach ein paar Versuchen merkt das Hirn: Hey, das geht ja wirklich! Nach einer Woche, beim ersten echten Tauchgang, erlebt das Hirn nur noch Sachen, die es inzwischen cool findet. Und dann kommt noch dazu, dass man wirklich bunte Fische sieht, die nicht schon zu Fischstäbchen geworden sind. Und man fängt an zu sparen, damit man eines Tages wirklich am Great Barrier Reef tauchen kann.

Und die Moral von der Geschicht? Nun, große Ziele nützen rein gar nichts, wenn man keinen Weg kennt, sie zu erreichen. Denken Sie nicht: »Bikinifigur!« Denken Sie lieber: »Bikinifigurprozess!« Wenn Sie in Prozessen realer Handlungen denken statt in Hirngespinsten schaurig-schöner Zielfantasien, dann sind Sie auf dem Pfad der Erleuchtung angekommen. Wer sich auf Ziele konzentriert und drauflosstümpert, kommt nirgends an. Ermitteln Sie kleine Prozessschritte, die Sie voranschreiten lassen. Konzentrieren Sie alle Energie, die Sie aufbringen können, auf die Umsetzung von täglichen, winzigen Verbesserungen des Prozesses. Damit kommen Sie sogar dann ans Ziel, wenn Sie gar keins haben. Mit oder ohne Bikini.

Realistische Erwartungen

Sprechen wir hier einmal über Erwartungen. Eine davon sollte sein: Diäten funktionieren nicht. Die einzige realistische Erwartung zum Erfolg von Diäten ist daher: Diäten funktionieren nicht. In Ihrem Kopf zucken jetzt vermutlich Tausende von Abers. Aber es gibt doch Leute, die es schaffen! Nun, lesen Sie noch ein wenig weiter. Sie werden in diesem Buch ein ganzes Kapitel dazu finden, das dem fundamentalen Scheitern von Diäten gewidmet ist.

Erwartungen von Menschen, die etwas verändern wollen, sind oft in gleich vier Richtungen überzogen, wie Janet Polivy und Peter Herman schreiben: Der Umfang möglicher Veränderungen wird überschätzt, die Geschwindigkeit der Veränderung und die Leichtigkeit der Veränderung werden überschätzt, und dann erwartet man auch noch sonstige großartige Effekte auf Glück und Lebensqualität.17 Stimmt nur leider alles nicht. Raucher glauben so lange, dass es leicht ist, mit dem Rauchen aufzuhören, bis sie es versuchen. Und die, die dann auch noch gleichzeitig mehr Sport machen und keinen Alkohol mehr trinken wollen, die halten das natürlich auch für simpel. Schaffen tut das dann so ziemlich niemand. Aber dran glauben kann man ja erst mal.

Was sind realistische Erwartungen? Nun, wie oben gesehen, wird der Umfang möglicher Änderungen überschätzt. An erster Stelle bei Diäten stehen unrealistische Gewichtsreduktionsziele. Ihr Körper besitzt eine Art Selbstverteidigungssystem gegen Aushungern. Wenn Sie Ihrem Körper mir nichts, dir nichts einfach mal 20 Prozent Ihres Körpergewichts wegnehmen wollen, dann wehrt er sich. Ihr Körper hat aus der fernen Vergangenheit der Menschheit eine klare Prämisse mitgebracht: Kalorien sind gut, und jeder, der einem Kalorien wegnehmen will, ist ein Feind. Je mehr Kalorien, je mehr Feind. Also: Arbeiten Sie niemals primär mit drastischer Kalorienreduktion, dagegen wehrt sich Ihr Körper.

Tatsächlich gehe ich gleich an dieser Stelle so weit und schlage Ihnen vor, Ihre Waage zu verschenken. Ein sehr unnützes Gerät. Es geht bei einer guten Ernährung um Gewinn an Lebensqualität, Lebensfreude, Energie und Gesundheit und nicht um Pfunde. Die fallen von allein, wenn Sie sich gut ernähren, oder sie fallen nicht. Aber selbst wenn sie nicht fallen, haben Sie mit einem Übergang auf eine bessere Ernährung einen Riesengewinn eingefahren. Wenn Sie täglich etwas wiegen wollen, dann nehmen Sie dazu Ihre Küchenwaage. Wiegen Sie jeden Tag, welche Menge an gesunden und welche Menge Sie an schädlichen Nahrungsmitteln zu sich nehmen, das ist ein Wiegen, das wirklich Sinn macht. Wenn Sie sich ständig selbst auf irgendeine Waage stellen, dann beherrscht das irgendwann Ihr Denken derart, dass Sie die wirklich wichtigen Erfolge gar nicht mehr bemerken. Keine Angst: Auch wenn Sie keine Körperwaage mehr haben, werden Sie bemerken, dass Ihre Hosen in der U-Bahn runterrutschen und Sie schief angesehen werden. Um das zu merken, braucht es keine Waage.

Neben völlig überzogenen Vorstellungen über die Höhe der möglichen Gewichtsabnahme tritt in der Regel dann noch ein absurder Geschwindigkeitswahn. Am liebsten 50 Kilo in 40 Sekunden! Das Fatale an solchen überzogenen Erwartungen ist, dass diese immer in Enttäuschung und Frustration enden, was schnell alle Erfolge kaputt macht, die man hätte einfahren können. Wenn es eben doch (auch) um Gewichtsreduktion gehen soll oder aus gesundheitlichen Gründen auch gehen muss, was spricht dann dagegen, eine Kleidergröße pro Jahr anzupeilen? Schneller, höher, weiter als Motto führt in der Diätrealität nämlich bloß zu Triple-F: fetter, frustrierter, fatalistischer. Wir sehen uns später noch zig Studien an, die das bestätigen.

Zudem werden auch die Lebenskonsequenzen einer Gewichtsreduktion überschätzt. Die Erwartung des typischen Diätabenteurers, den Körper auf Kommando neu designen zu können, gesünder zu werden und natürlich attraktiver und beliebter zu werden, produziert eben völlig unrealistische Ziele.18 Es tut mir daher leid, Ihnen sagen zu müssen, dass Sie mit 15 Kilo weniger vermutlich trotzdem nicht zum Sexiest Man Alive oder zur Sexiest Woman Alive gekürt werden. Auch wird sich wegen ein paar Kilo weniger nicht gleich der Traumpartner einfinden. Weniger Kilos machen nicht automatisch beziehungsfähiger, wobei diese Idee, schlank für andere sein zu wollen, ohnehin nichts taugt. Streben Sie danach, gesund für sich zu sein, um mehr Lebensfreude zu haben. Das ist ein wahrhaft schönes Ziel.

Janet Polivy und Peter Herman fassen noch weitere Motive von Diätisten zusammen.19 So geben diese teilweise an, sie erwarteten Beförderungen, und ihr Image würde sich von »faul und träge« zu »ambitioniert und diszipliniert« verändern. Über das Thema «Disziplin« sprechen wir später noch ausführlich. Versuchen Sie bloß nicht, diszipliniert zu essen, das macht richtig unglücklich und krank!

Sie sehen sicher selbst, was das Problem der überzogenen Erwartungen ist: Man erreicht sein Ziel nie. Am Ende steht also IMMER der Frust, und der ist der beste Garant dafür, auch die kleinsten Erfolge wieder aufgeben zu müssen.

Und jetzt vergleichen Sie das mit folgendem Szenario: Ihre Waage haben Sie jemandem geschenkt, den Sie überhaupt nicht leiden können. Soll der sich doch jeden Morgen darauf zum Affen machen. Sie hingegen arbeiten mit relevanten Zielgrößen und realistischen Erwartungen. Ihr Ziel liegt darin, sich Monat für Monat besser und gesünder zu ernähren. Das tun Sie gelassen und entspannt. Entspannt heißt auch, dass Sie sich den unbeabsichtigten Schokoriegel oder die hinterhältig in Ihren Hals gerutschte Sahneschnitte nicht verübeln. Winona Cochran und Abraham Tesser merken dazu an, dass Ernährungsumstellungen erfolgreicher sind, wenn sie positiv interpretiert werden statt negativ: »Ich esse gesünder und probiere neue Lebensmittel« statt: »Ich darf keine Süßigkeiten mehr essen«.20 Positives zählen führt unter anderem dazu, dass es nicht ständig Misserfolge gibt, wenn Verbote nicht eingehalten wurden. Vielmehr werden die Erfolge sogar überwiegen. Bei positiver Deutung sind zwei Äpfel und ein Schokoriegel ein 2:1 Sieg. In einer Verbotslogik zählt hingegen nur der Schokoriegel, es zählt nur die Niederlage. Das frustriert viel mehr, als es hilft oder motiviert. Das heißt nicht, dass man keinerlei Verbotsziele haben darf. Natürlich müssen Sie sich verbieten, jeden Tag eine komplette Sachertorte zu essen, sosehr das Herrn Sacher auch missfallen mag. Aber auch hier kann man vieles falsch, aber nur eines richtig machen. Setzen Sie sich Verbotsziele nur in Verbindung mit einem Menschlichkeitspuffer. Sie sind ein Mensch, und Sie erleben Momente der Schwäche, weil Willenskraft endlich ist und es hin und wieder auch in Ordnung ist, dem Triebhaften seinen Willen zu lassen. Hier noch ein besonders schönes Beispiel für die Wirksamkeit von Verboten: Raucher, die mit Rauchverbotsschildern konfrontiert werden, reagieren auf die Schilder mit einem verstärkten Rauchbedürfnis.21 Falls Sie selbst mal probieren wollen: Stellen Sie sich mal lauter Schilder mit Süßigkeitsverboten in die Wohnung, am besten in Form von appetitanregenden Fotos, die alibimäßig mit einem roten Balken durchgestrichen sind. Viel Spaß beim Zunehmen! Faktisch tut man genau das, wenn man sich selbst Verbote auferlegt: Man denkt doppelt und dreifach an das, was man sich verbietet. Und dann isst man es.

Ein gesunder Fokus liegt nie auf dem Einzelereignis, sondern auf dem mehrwöchigen Durchschnitt. Sie erwarten nicht von sich, perfekt zu sein, sondern Sie erwarten von sich, im Zeitablauf besser zu werden in dem, was Sie tun. Wenn Ihnen das zur Überzeugung noch nicht reicht, dann vielleicht das: Das unnachsichtige, radikale Reagieren auf einzelne Ausrutscher führt nicht nur zu keinerlei Verbesserung. Es macht die Sache schlimmer. Denn im Anschluss an die Selbstbeschimpfung kommt es zu dem »Was zum Teufel«-Phänomen.22 Und das geht so: Was zum Teufel macht es jetzt noch für einen Unterschied, wenn ich die ganze Weingummitüte aufesse? Wenn Sie sich hingegen angewöhnt haben, sich kleine Ausreißer zu erlauben, dann werden Sie nach der ersten Handvoll Weingummis plötzlich innehalten, schmunzeln, die Tüte in die unterste Schublade schieben und sich einen Apfel reinpfeifen, damit es zumindest wieder unentschieden steht.

Setzen Sie sich bescheidenere Ziele. Ziele, die auf die Verbesserung Ihrer Lebensqualität in kleinen Schritten abzielen. Zählen Sie Ihre Erfolge, nicht Ihre Misserfolge. Die kleinen Ausrutscher auf dem Weg tun Ihnen nicht weh. Im Gegenteil: Auch die sind Lebensqualität. Wenn Sie an einem Tag 12:1 gewonnen haben, dann dürfen Sie das sogar zu einem 13:0 umbuchen. Denn das, was Sie Ihrer Steinzeitpsyche durch diesen einen grandiosen Schokocookie an Gutem getan haben, trägt so viel zu Ihrem Wohlbefinden und Lebensglück bei, dass Sie diesen kleinen Insulinhüpfer positiv verbuchen sollten. Also: Perfektion ist für Perfektionisten, und die sind unglücklich. Unter anderem deswegen, weil sie ständig alles messen und wiegen. Sogar sich selbst.  

Zielplanung und Lernziele

Lassen Sie uns mal das typische Ziel von Diäten unter die Lupe nehmen: Kilos. Hier gilt die Logik, dass Diäterfolg gleich Kiloreduktion ist. Das aber ist ein äußerst problematischer Ansatz, denn man kann Kilos gut oder schlecht abnehmen. Man kann nachhaltig und gesundheitsförderlich abnehmen, man kann sich beim Abnehmen aber auch schwer selbst verletzen. Vom meist eher harmlosen Jo-Jo-Effekt geht vor allem Enttäuschung aus, von längeren Fastenzeiten ohne geeignete Begleitmaßnahmen können massive Gesundheitsrisiken ausgehen. Ein Kilo weniger ist nicht gut, wenn der Gewichtsverlust auf die falsche Art zustande kommt. Daher ist die Gewichtsreduktion als einziges Ziel einer Ernährungsumstellung kein sinnvolles Ziel. Wenn, dann muss es um nachhaltige und gesunde Gewichtsreduktion gehen. Oder nur um Gesundheit!

Sehen wir uns auch dazu mal ein paar Befunde an. Janell Mensinger und Kollegen verglichen zwei Gruppen adipöser Frauen.23 Die eine Gruppe sollte explizit das Ziel verfolgen abzunehmen. Die andere Gruppe sollte versuchen, stärker auf Signale des Körpers und Essensreize aus der Umwelt zu achten. Ergebnis: Beide Gruppen verbesserten sich bezüglich diverser Kriterien, von Blutwerten bis zur persönlichen Zufriedenheit. Das Team um Janell Mensinger kommt zu dem Ergebnis, dass auch ohne Gewichtsabnahme erhebliche Verbesserungen bei Gesundheit und Lebenszufriedenheit zu erreichen sind. Gaesser und Angadi weisen in ihrer Übersichtsstudie darauf hin, dass die höheren Sterblichkeitsrisiken adipöser Menschen durch Erhöhung der Herz-Kreislauf-Fitness reduziert oder sogar eliminiert werden können.24 Die Autoren führen weiter aus, dass die durch die Fitnesserhöhung und die durch höhere körperliche Betätigung erzielbaren Verbesserungen der Sterblichkeitsrisiken höher sind als die Verbesserungen durch reine Gewichtsreduktion. Gewichtsreduktionen allein sind zudem auch nicht automatisch mit Verringerungen von Sterblichkeitsrisiken verbunden. Tarp und Kollegen kommen ebenfalls zu dem Ergebnis, dass unabhängig vom Gewicht körperliche Betätigung die Sterblichkeitsrisiken deutlich reduziert.25 Statt sich allein auf das Gewicht zu konzentrieren, könnten Sie Ihre Aufmerksamkeit also durchaus auch auf mehr körperliche Betätigung richten, wenn es Ihnen um mehr Gesundheit geht. Das passende, politisch natürlich unkorrekte Motto wäre: »Bleib fett, werd fit!« Wenn’s um die Gesundheit geht, ist das kein dummes Motto. Ich sehe schon den Titel meines New York Times-Bestsellers »Fit for Fat − How to beat mortality with hamburgers«. Okay, das alles ist schon ein wenig überzogen. Denn natürlich erreichen Sie mit einer Kombination von gesundem Abnehmen plus verbesserter Fitness am meisten. Aber wenn man nicht alles umsetzen kann, dann muss man zumindest wissen, welche Alternativen es gibt.

Gibt es nur Fitness oder Abnehmen? Oder wie könnten Ihre Ziele sonst noch so aussehen? Ich schlage Ihnen hier mal drei vor. Lassen Sie uns diese drei Ziele am besten als Lernziele auffassen. Bezeichnen wir sie als die VGN-Ziele: Verhalten/Geschmack/Nährwert.

Das erste Lernziel, nämlich das Verhalten, gehen Sie bereits mit diesem Buch hier an. Ernährungsumstellungen scheitern vor allem, weil man nicht weiß, welches Begleitverhalten notwendig oder doch zumindest hilfreich wäre, um in der Spur zu bleiben. Es geht eben keineswegs nur um Kalorien und Nährwerte. Tatsächlich sind die eher nebensächlich und ergeben sich von selbst, wenn man alles drum herum clever organisiert. Dieses Buch hier liefert Ihnen eine Vielzahl von Ansatzpunkten, was Sie aktiv tun können, um nicht in die typischen Diätfallen zu rennen. Ernährungsumstellung heißt eben nicht Kasteiung, damit kommt man nicht weit. Julie Schaefer und Amy Magnuson haben mit viel Akribie zusammengetragen, welche Verhaltenslernziele gemäß den verfügbaren Studien wirklich helfen.26 Einer der erfolgreichsten Ansätze ist der des intuitiven Essens. In dem Ansatz geht es zunächst darum, sich genauer mit den Signalen des Sattseins vertraut zu machen. Dazu gehört zum Beispiel, sich von solchem Unfug zu verabschieden, nach dem ein knurrender Magen angeblich etwas mit Hunger zu tun habe. Hat er nicht. Sodann geht es darum, mehr nach Gründen zu suchen, warum der eigene Körper in Ordnung ist, so wie er ist. Und es geht darum, sich sein Essen nicht nur nach Kalorienzahl und Gesundheit auszusuchen, sondern auch dem Genuss immer wieder mal seinen Raum zu geben. Die Studienübersicht zeichnet ein Bild, das Sie zuversichtlich stimmen sollte. Menschen, die sich an diesen Zielen ausrichten, statt nur auf die Waage zu starren, berichten von verbesserter Psyche, mehr körperlicher Betätigung, größerer Akzeptanz des eigenen Körpers. Und das Beste daran ist: Diese Effekte sind auch nach Jahren noch da.

Daraus ergibt sich unmittelbar ein zweites Lernziel. Nämlich das Geschmacksziel. Wenn Sie Ihre Ernährung umstellen, Ihnen aber das, was Sie essen, nicht schmeckt, dann werden Sie aufgeben. Unser Gehirn ist nicht dafür gemacht, sich mit langweiligen Filmen oder fadem Essen zufriedenzugeben. Ein zweites essenzielles Lernziel besteht also darin, Geschmackskompetenzen zu erwerben. Welche Kräuter und Gewürze machen welche Speisen besonders lecker? Wie kriegt man gesunde Sachen knusprig? Sie werden keine Nachhaltigkeit einer Ernährungsumstellung hinkriegen, wenn es Ihnen nicht schmeckt. Vielleicht setzen Sie hier sogar noch einen drauf: Niemand verbietet Ihnen, dafür zu sorgen, dass es Ihnen nach der Ernährungsumstellung jeden Tag besser schmeckt als vorher!

Womit wir dann beim letzten Punkt angekommen wären, beim N. Gesunde Ernährungsumstellung geht nur, wenn man die Nährwerte seiner Nahrung kennt und die Mahlzeiten dementsprechend zusammenstellen kann. Sie können nicht gesund schlanker werden, wenn Sie nicht wissen, was Sie da essen und wie das wirkt. Sie brauchen essenzielle Fettsäuren, tun sich aber einen sehr großen Gefallen, wenn Sie gehärtete Fette meiden. Beschaffen Sie sich doch eine kleine Bibliothek grundlegender Werke zu Nährwerten und Wirkungen von Lebensmitteln. Bücher, die ich selbst sehr schätze, sind »Der Ernährungskompass« von Bas Kast und »Mit Ernährung heilen« von Andreas Michalsen.27 Zwei, drei grundlegende Bücher sollten als erste kleine Bibliothek reichen.

Agieren Sie zielclever. Komplexe Ziele brauchen passende Unterstützung. Geben Sie sich nicht mit einem Kiloziel zufrieden, das Ihnen vielleicht sogar schadet. Stellen Sie dem Kiloziel, falls Sie überhaupt eins haben, die VGN-Ziele an die Seite, dann klappt es dramatisch besser.

Präzise Absichten!

Nehmen wir einmal an, Johannes würde sich felsenfest vornehmen, gesünder zu leben. Wie viel gesünder wird Johannes ein halbes Jahr später tatsächlich leben? Falls Sie jetzt auf null tippen, liegen Sie vermutlich richtig. Unspezifische Vorsätze bringen absolut gar nichts, sie sind nicht handlungsleitend. Ziele müssen konkret sein. Heißt gesünder leben, mehr Sport zu treiben, weniger zu essen oder mit dem Rauchen aufzuhören? Ohne klar und deutlich festzulegen, was man im Detail will, nützen Vorsätze gar nichts. Das aber gilt nicht nur für große Vorsätze, das gilt auch für kleine Vorhaben.

Nehmen wir an, Sie würden zu wenig trinken, was ja viele von uns tun. Nein, ich meine nicht Alkohol, ich meine Wasser! Wie sorgen Sie dafür, dass Sie auch wirklich daran denken, etwas zu trinken? Oder Sie müssen ein Medikament nehmen, vergessen das aber immer wieder. Was dann? Nun, in solchen Fällen hilft ein geeigneter Bauplan für Vorsätze. Der besteht aus zwei Teilen. Der erste Teil ist das, was man tun möchte. Also zum Beispiel ein Glas Wasser trinken. Der Trick, daran auch wirklich zu denken, besteht nun darin, dafür zu sorgen, dass man nicht daran denken muss, sondern daran erinnert wird. Das erreicht man dadurch, dass man das Glas Wasser in einen Plan einbaut. Oder besser gesagt: an eine Bedingung knüpft, von der man weiß, dass diese Bedingung eintreten wird. Wenn Sie wissen, dass Ihr Telefon im Büro oft klingelt, könnten Sie sich vornehmen, jedes Mal, wenn es klingelt, einen Schluck Wasser zu trinken, ehe Sie den Hörer abnehmen.

Diese Idee, das eigene Verhalten an äußere Bedingungen zu knüpfen, um dann auch wirklich daran zu denken, wurde von Peter Gollwitzer intensiv erforscht.28 Als Volksweisheit existiert diese Idee schon viel länger: Mach einen Knoten ins Taschentuch! Wenn du den Knoten siehst, erinnerst du dich daran, dass du etwas tun wolltest. In der Regel fällt dir dann auch wieder ein, was das war. Gollwitzer und die Fachliteratur bezeichnen diese Strategie als sogenannte Implementierungsintentionen oder Wenn-dann-Pläne. Wenn Knoten in Sicht, dann Handlung. Wenn − dann. In einer zusammenfassenden Übersicht über die Studienlage kommen Peter Gollwitzer und Paschal Sheeran zu dem Ergebnis, dass Implementierungsintentionen mittel- bis hochwirksam die tatsächliche Umsetzung von geplantem Verhalten fördern.29 Wenn Sie sich etwa den Plan zurechtlegen, beim Eintritt in Ihre Wohnung jeweils dreimal tief durchzuatmen und sich zu sagen, dass der Stress im Job nicht über diese Schwelle darf, dann wird sich der Stress im Job tatsächlich weniger über Ihre Türschwelle trauen. Das verbinden Sie damit, dass Sie sich sofort etwas Bequemes anziehen. Vampire muss man hereinbitten, sonst können sie Türschwellen nicht überschreiten. Wenn Sie trotzdem noch Stress oder Ärger verspüren, ziehen Sie sich Boxhandschuhe an und prügeln Sie fünf Minuten auf den Boxsack in Ihrem Keller ein, den Sie »Chef« nennen.

Ohne effektive Strategien verpuffen Pläne oft sehr schnell. Ein toller Plan ist schnell zurechtgesponnen. Doch dann muss man erst mal zig Situationen meistern, ehe man überhaupt mit der Umsetzung beginnen könnte. Dabei geht so viel Aufmerksamkeit verloren, dass der Plan aus dem Fokus gerät. Und die Erinnerung funktioniert auch nicht so toll, wie man es gerne hätte − auch ein toller Plan ist schnell vergessen, wenn viele andere Aufgaben dazwischenkommen.30 Um Pläne umsetzen zu können, muss man ferner auch in der Lage sein, äußeren Reizen zu widerstehen, die einen vom Plan ablenken können. Das ist eher schwierig, wie David Kavanagh und Kollegen in ihrem Aufsatz »Imaginäres Vergnügen und exquisite Folter« feststellen. Halten Sie in einem Restaurant mal an Ihrem Plan fest, Salat und Wasser zu bestellen, wenn am Nebentisch Burger, Pommes und Bier serviert werden. Sie können unmöglich verhindern, dass sich Ihr Hirn das Vergnügen des Essens am Nachbartisch vorstellt. Imagination kriegen Sie nicht verboten. Menschen haben in der Regel völlig falsche Vorstellungen davon, welche Rolle ihr Wille bei Entscheidungen spielt. Der Einfluss des Willens wird dramatisch überschätzt, während die Bedeutung des Umfelds systematisch unterschätzt wird. Supermarktbetreiber setzen nicht umsonst Spezialisten ein, um herauszufinden, welche Waren man wie positionieren muss, damit die Kunden zugreifen. Dass um die Kassen von Möbelhäusern herum noch massenhaft kleine Mitnahmeartikel drapiert sind, ist auch kein Zufall.

Wieso aber funktionieren einfache Pläne à la »ich esse heute Gemüse« eher nicht, während Wenn-dann-Pläne à la »ich hole mir als Erstes Gemüse, wenn ich die Mensa komme« durchaus Erfolg versprechend sind? Nun, eine Reihe von Studien zu Gehirnaktivitäten zeigen den Grund: Die Implementierungsintentionen verlagern die Initiierung von Verhalten in andere Hirnregionen und lösen andere Gehirnprozesse aus. Das zeigen zum Beispiel die Studie von Michael De Pretto und Kollegen, die Studie von Schweiger Gallo und Kollegen oder die Studie von Paul und Kollegen, um nur einige zu nennen.31 Sie müssen sich nicht bewusst merken, dass Sie wegrennen sollten, wenn es brennt oder Sie ein Bär angreift. Das tun Sie, wenn die Situation Sie daran erinnert, dass das Wegrennen jetzt eine schlaue Aktion sein könnte. Implementierungsintentionen sorgen dafür, dass die Situation Sie daran erinnern wird, was Sie tun wollten. Das ist viel einfacher für Ihr Gehirn. John Bargh schreibt dazu, dass die Hirn-Studien zeigen, dass Implementierungsintentionen die Verhaltenskontrolle von innen nach außen verlagern und man somit nicht mehr selbst an etwas denken muss; man wird erinnert, ohne sich selbst erinnern zu müssen.32 Auch Gilbert und Kollegen kommen zu dem Ergebnis, dass aufgrund der Verlagerung innerhalb des Gehirns umweltinitiierte, spezifische Pläne à la »wenn ich mich an den Tisch setze, bestelle ich immer als Erstes etwas Gesundes« bessere Umsetzungschancen haben als selbst initiierte, allgemeine Pläne à la »ich werde mich gesünder ernähren«.33

Ich trinke gerne Rotwein, vertrage aber nicht viel davon. Wenn ich zwei Gläser hintereinander trinke, kriege ich schon ein Problem. Seit Jahren weiß ich, dass ich einfach zwischendurch ein großes Glas Wasser trinken muss, habe das aber lange Zeit ständig vergessen. Bis ich mir bei einer Freundin einen Trick abgucken konnte. Sie hat immer dann, wenn sie ihr leeres Weinglas nach dem letzten Schluck abgestellt hat, das Glas sofort wieder randvoll eingeschenkt. Allerdings mit Wasser. Seither habe ich im Kopf den gleichen Plan. Wein kann ich erst wieder einschenken, wenn ich das Wasser ausgetrunken habe. Das Einzige, an das ich mich erinnern muss, ist, dass ein letzter Schluck Wein bedeutet, sofort Wasser nachzuschenken. Das Schöne daran ist: Der letzte Schluck Wasser erinnert mich daran, dass ich jetzt wieder Wein einschenken kann. Das funktioniert viel besser als meine früheren, unspezifischen Vorsätze, zwischendurch Wasser zu trinken. Das ist das Prinzip des Knotens im Taschentuch. Wenn Sie wissen, dass Sie das Taschentuch wieder zu Gesicht bekommen werden, dann haben Sie viel bessere Chancen, dass Ihnen wieder einfällt, was Sie sich vorgenommen haben, als Sie den Knoten gemacht haben.

An welche Bedingung Sie Ihr Verhalten knüpfen, ist dabei gar nicht so entscheidend. Wichtig ist nur, dass Sie sicher sein können, dass die Bedingung eintritt. Zähneputzen könnte ein Anknüpfungspunkt für die Einnahme von Medikamenten sein. Zusammen mit einem Merksatz wie »Gesunde Zähne, gesunder Körper«. Wenn Sie nach einem solchen Plan Ihre Zahnbürste in die Hand nehmen, ist die Chance, dass Sie an Ihre Medikamente denken, deutlich größer. Legen Sie sich für die Dinge, die Ihnen kurzfristig wichtig sind, solche Wenn-dann-Bedingungen zurecht. Am besten noch zusammen mit einem Motto.