Die schönen Seiten des Winters - Sarah Smit - E-Book

Die schönen Seiten des Winters E-Book

Sarah Smit

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Beschreibung

Jannik kann Weihnachten nicht ausstehen, dass weiß Mina nur allzu gut. Sie liebt Weihnachten. Mina setzt alles daran, ihn umzustimmen. Wird es ihr gelingen? Dieser Roman ist für Jugendliche und junge Erwachsene und ist in 24 Kapitel eingeteilt, die man wie ein Adventskalender lesen kann. Mit Mina und Jannik kann man gemeinsam die Vorweihnachtszeit miterleben und genießen.

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Seitenzahl: 316

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Die schönen Seiten des Winters

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Sarah Smit

Die schönen Seiten des

Winters

Impressum:

© Sarah Smit, 2017

Alle Rechte vorbehalten

Titelbild: Annika Gehrt

Umschlaggestaltung: Sarah Smit

Dies ist ein fiktiver Roman. Namen, Charaktere und Handlung sind frei erfunden. Übereinstimmungen sind rein zufällig.

Für mein Krümel

1.Dezember

Ich konnte es kaum glauben! In nur 23 Tagen war schon Heiligabend. Die Zeit rannte nur so davon. Obwohl es noch drei Wochen waren und ich noch regelmäßig zur Schule musste, waren genau diese 23 Tage immer etwas ganz Besonderes für mich. Das lag bestimmt an der Vorfreude. Heute war der erste Dezember und ein Dienstag. Da meine Familie keine Zeit oder Lust hatte etwas mit mir zu unternehmen, wollte ich meinem besten Freund Jannik einen Besuch abstatten. Meistens war es so, dass er hier bei mir rumhing, doch heute wollte er wegen der Kälte das Haus nicht verlassen. Ich wusste einfach nicht, was sein Problem war, denn so kalt war es noch gar nicht. Ich zog mir meine Winterstiefel, meine Mütze und meine Handschuhe an und wickelte mir meinen Schal um den Hals, den meine Mutter extra für mich gestrickt hatte.

„Ich bin bei Jannik!“, rief ich durchs Haus.

Als ich, wie üblich, keine Reaktion darauf bekam, verließ ich das Haus und machte mich auf dem Weg zu ihm. Es war etwas kälter geworden, daher umklammerte ich meinen Oberkörper mit meinen Armen. Somit ging kaum etwas an Wärme verloren und die Kälte kam nicht herein. Ich hatte es von mir aus nicht weit zu Jannik. Nach weniger als zwanzig Minuten konnte ich schon an seiner Haustür klingeln. Ich musste einige Sekunden warten, bis Jannik mir die Tür öffnete. Er stand in einem dicken Wollpullover, eine sehr kuschelig aussehenden Jogginghosen und selbstgestrickten Socken vor mir.

„Du hast dich also wirklich in die Kälte getraut“, stellte Jannik fest und sah mich stolz an.

„Warum auch nicht? Ich mag den Dezember und will auch nicht den ganzen Tag im Haus sitzen, nur weil es kälter geworden ist. Es sind immerhin nur noch 23 Tage bis Heiligabend.“

„Können wir Weihnachten nicht dieses Jahr ausfallen lassen?“, fragte Jannik, während er mich ins Haus ließ.

Er stellte mir jedes Jahr diese Frage und ich konnte wie jedes Jahr nur eins darauf antworten. „Es ist doch nur einmal im Jahr, also stell dich mal bitte nicht so an, du Weihnachtsmuffel.“ Ich verdrehte meine Augen, als ich das sagte. „Ich mag Weihnachten und die Vorweihnachtszeit eben nicht. Ich kann sehr gut darauf verzichten.“

„Was stört dich denn bitte so daran?“, fragte ich ihn.

„Ich weiß auch nicht. Am schlimmsten ist es, dass es im September schon Weihnachtssüßigkeiten gibt, die in der ersten Zeit einfach am besten schmecken und man zu Weihnachten einfach keinen Hunger mehr darauf hat. Dann fangen sie auch gleichzeitig schon um die Zeit damit an, Weihnachtsmusik im Radio zu spielen und jeder meint, genau dann anzufangen, Weihnachtsgeschenke zu kaufen. Das macht die ganze Vorfreude darauf kaputt. Es wird zudem kalt und irgendwann fängt es auch noch an zu schneien. Das nervt mich eben!“

Ich konnte nicht anders und musste grinsen. „Du hast irgendwie was von dem Grinch. Dir fehlt nur noch die grüne Farbe.“ Jannik streckte mir die Zunge heraus und wir mussten beide lachen. Dann schaffte ich es endlich aus meiner Winterjacke, meinen Handschuhen, meiner Mütze und meinem Schal, da schlug Jannik vor Tee für uns zu kochen. Ich nickte ihm zufrieden zu und folgte ihm in die Küche.

Während er das Wasser für unseren Tee aufsetzte, machte ich es mir auf einem der Küchenstühle gemütlich. Es war mollig warm in der Wohnung und es duftete im ganzen Haus nach Zimt. Ich liebte den Duft von diesem Gewürz und das verstärkte meine Weihnachtsvorfreude noch viel mehr.

„Ich kann einfach nicht verstehen, was du an Weihnachten nicht magst. Das ist immerhin das Fest der Liebe“, stellte ich verwundert klar.

„Ich habe dir doch an der Tür schon gesagt, was mich so daran nervt“, antwortete Jannik abgehackt, der gerade das Wasser in zwei Tassen goss und mir meine Tasse mit Teebeutel in die Hand drückte. Er schien nicht weiter darüber reden zu wollen und ich gab mich ausnahmsweise mal geschlagen. Zumindest für einen kurzen Augenblick.

Hier duftet es voll nach Zimt“, sagte ich zufrieden und atmete den Duft tief ein. „Ich liebe dieses Gewürz.“

„Meine Mutter hat einen Apfelkuchen gebacken. Wenn du willst kannst du gleich ein Stück essen“, schlug Jannik mir vor.

Ich nickte ihm zu und sagte erst mal nichts weiter. Ich musste mir etwas einfallen lassen, um Jannik doch noch von Weihnachten zu überzeugen. So konnte das ja nicht weiter gehen.

„Du, Jannik?“, fing ich mein Gespräch an. Jannik blickte von seinem Tee auf und lächelte mich an. Es war sein spezielles Lächeln, bei dem sich Grübchen um seine Mundwinkel bildeten und das mich jedes Mal zum Lächeln brachte.

„Ich finde es echt blöd, dass du nichts für Weihnachten übrig hast. Ich will das unbedingt ändern! Ich will dir zeigen wie schön Weihnachten sein kann. Was hältst du davon?“

Jannik sah mich entsetzt an und antwortete: „Was ich davon halte willst du wissen? Eigentlich gar nichts! Aber du kannst es gerne mal versuchen. Vielleicht hast du ja Erfolg.“

Ich sprang vom Stuhl auf, rannte auf Jannik zu und sprang ihm in die Arme.

„Wir werden so viel Spaß haben! Ich habe ja jetzt 23 Tage und heute fangen wir gleich damit an“, sagte ich voller Freude, umarmte ihn ein weiteres Mal und ließ ihn nicht mehr los. Ich atmete seinen Duft ein, und gleich schlug mein Herz schneller. Ich musste mich sofort aus der Umarmung lösen. Nicht dass er das noch merkte.

„Habt ihr eigentlich einen Adventskranz?“, fragte ich nach. Ich wusste ja, dass der Rest der Familie auch nicht so von Weihnachten und der Vorweihnachtszeit angetan war.

„Ne, wofür auch?“

„Weil ein Adventskranz einfach zur Vorweihnachtszeit dazu gehört“, erklärte ich leicht entsetzt und fügte hinzu: „Ich trinke jetzt meinen Tee aus, besorge die Sachen für einen Adventskranz und dann basteln wir einen. Nachher zünden wir dann gemeinsam die erste Kerze an. Das wird toll!“ Ich erkannte an Janniks Gesichtsausdruck, dass er eigentlich keine Lust dazu hatte und er es wirklich nur mir zuliebe tat. Das rechnete ich ihm auch wirklich hoch an. Ich trank meinen Tee schnell auf, zog mir meine Sachen über, um draußen nicht zu erfrieren und sprintete los. Ich wollte in unserem Keller nachsehen, ob wir noch etwas an Weihnachtsdekoration übrig hatten, um bei Jannik zuhause zumindest ein wenig Weihnachtsstimmung zu verbreiten. Ich wurde auch fündig, packte alles zusammen was Jannik und ich gebrauchen könnten und war daraufhin auch schon wieder auf dem Weg zu meinem besten Freund. Ich freute mich riesig darauf, noch einen Adventskranz zu basteln und zu gestalten. Ich liebte es sehr, kreativ zu sein.

Mit einer vollen Kiste mit Weihnachtsdekoration stand ich nach ungefähr zwanzig Minuten erneut vor Janniks Haustür und versuchte den Klingelknopf zu betätigen. Es war gar nicht mal so einfach, denn ich wollte die Kiste nicht abstellen. Doch bevor ich nur in die Nähe des Klingelknopfes kam, hatte Jannik die Haustür schon geöffnet und stand grinsend vor mir.

„Na, schaffst du es alleine, oder soll ich dir irgendwie helfen?“

Ich drückte Jannik die Kiste in die Hand, schummelte mich an ihm vorbei und rief, während ich in die Küche ging: „Danke Jannik!“

Er kam nur wenige Sekunden nach mir in die Küche.

„Du bist echt ein Schatz“, zog ich ihn auf und er streckte mir die Zunge heraus.Das war irgendwie normal zwischen uns. Wie beste Freunde sich nun mal ab und zu neckten.

Jannik stellte die Kiste vor mir ab und ich packte ein Teil nach dem anderen aus, bis der ganze Tisch komplett bedeckt und die Kiste vollständig leer war. Alles was sich auf dem Tisch befand war relativ frisches Tannengrün, Kerzen in den verschiedensten Farben, bunte Schleifen, Weihnachtskugeln und noch viel mehr Dekorationszeug.

Ich drückte Jannik ein Gerüst in die Hand und erklärte ihm, dass er darum das Tannengrün wickeln sollte. Er nickte mir zu und fing an meine Anweisungen zu befolgen. Dafür nahm er den Ring in die Hand und versuchte das Tannengrün um diesen zu wickeln. Leise hörte ich ihn fluchen, da der Draht mit dem man es band und die Nadeln ständig in seine Finger piksen mussten. Lauter fluchte er jedoch, als er fast fertig war und nicht so aussah, wie er es sich vermutlich vorgestellt hatte. Nachdem er das Tannengrün herum gewickelt hatte, sah er sich das Ergebnis genau an und ich konnte Enttäuschung in seinen Augen sehen.

„Versuch es doch einmal neu umzuwickeln. Diesmal aber vielleicht ein bisschen fester“, schlug ich vor und fügte noch hinzu: „Es wird nicht perfekt aussehen, aber zumindest schon mal etwas besser. Ich helfe dir auch, wenn du möchtest.“

Jannik sah mich begeistert an und nickte mir zu. Ich setzte mich näher zu ihm, nahm ihm den Ring ab und wickelte das Tannengrün wieder ab, um es von neuem herum zu binden. Nur etwas fester, als Jannik es zuvor gemacht hatte.

Nachdem ich fertig war, musterte Jannik meinen Kranz. Er schien zufriedener zu sein, als mit seinem Versuch.

„Und jetzt?“, fragte er, nachdem ich ihm den fertigen Kranz in die Hand gedrückt hatte.

„Jetzt kommen die vier Kerzen und die Dekoration auf das Tannengrün. Du kannst dir natürlich aussuchen, was du drauf haben möchtest“, erklärte ich ihm.

Jannik wählte hellblaue Kerzen, dazu hielt er den Kranz sehr schlicht. Ein paar weiße Eiskristalle in unterschiedlichen Formen klemmte er an das Tannengrün und befand seinen Kranz dann für fertig. Gemeinsam begutachteten wir unseren zusammen gewürfelten Adventskranz. Ich sah auf Janniks Gesicht ein Lächeln aufblitzen, das er jedoch nie zugeben würde.

„Halt deinen Adventskranz mal hoch. Ich würde gerne ein Foto machen“, erklärte ich. Ich machte das Foto und ließ diesen Moment kurz auf mich wirken. Ich hatte ihm zum Lächeln gebracht mit etwas Weihnachtlichem. Jetzt hatte ich noch genau 23 Tage Zeit, um ihn noch weiter zu überzeugen.

„Bei uns zuhause würden wir jetzt die erste Kerze anzünden und singen aber ich will dich nicht sofort verschrecken, daher bitte ich dich einfach nur darum, die Kerze anzuzünden“, bat ich ihn und lächelte dabei.

„Das ist wirklich sehr nett von dir, Mina“, zog Jannik mich auf.

„Noch wirst du verschont. In drei Wochen sieht das dann schon ganz anders aus, das verspreche ich dir“, kündigte ich ihm an.

Jannik grinste und ich schmolz fast dahin. So lächeln kann nur mein bester Freund.

Er zog ein Feuerzeug aus seiner Hosentasche und zündete eine der Kerzen an. Ich setzte mich vor dem Adventskranz und beobachtete, wie die erste Kerze vor sich hin brannte.

Obwohl ich Janniks Blick auf mir spürte, konnte ich einfach nicht damit aufhören die Kerze anzusehen, was auch daran lag, dass ich Jannik gerade einfach nicht ansehen konnte. Ich wusste, dass er lächelte und wenn ich das sehen würde, würde mein Herz wieder wie wild schlagen, das hatte ich im Gefühl. Oder lag das wirklich nur an der Vorweihnachtszeit? Vielleicht hatte mein Körper einfach so eine Phase. Man verliebte sich ja nicht einfach so in seinen besten Freund, oder?

„Du bist einfach verrückt“, sagte Jannik irgendwann und lachte. Dabei strich er sich durch seine dunkelblonden kurzen Haare.

„Warum das denn?“, wollte ich wissen.

„Weil ich keinen Menschen außer dir kenne, der so von Weihnachten besessen ist“, antwortete er ehrlich.

„Ist das jetzt so schlimm?“, fragte ich und sah ihn entsetzt an.

„Nein, weil das doch irgendwie einer der Gründe ist, warum ich dich so gern habe und du meine beste Freundin bist. Das ändert aber trotzdem nichts daran, dass ich Weihnachten nicht ausstehen kann und bestimmt auch niemals mögen werde.“

„Das werden wir ja noch sehen!“, erwiderte ich und verschränkte die Arme vor meiner Brust.

Jetzt fing er noch lauter an zu lachen, aber ich wusste, dass ich Recht haben würde. Das hatte ich so im Gefühl.

„Ich werde das übergebliebene Zeug jetzt zusammen packen und mich auf den Weg nach Hause machen. Morgen ist ja auch wieder Schule. Holst du mich ab?“

Jannik nickte. „Wie immer um 7:00 Uhr?“, fragte er mich, während ich die Kerze ausblies und den Küchentisch von meinem Dekokram befreite.

„Ja und sei bitte pünktlich“, antwortete ich.

„Ich bin doch immer pünktlich, das solltest du doch wohl am besten wissen.“

Ich zwinkerte ihm zu, ging in den Flur, zog mir meine Winterklamotten an und wollte gerade gehen, da packte ich Jannik am Arm und fragte: „Hast du nicht noch etwas vergessen?“

„Ach ja… ich kleines Dummerchen. Jetzt hätte ich doch fast die Kiste vergessen.“ Ich wollte gerade in die Küche um sie zu holen, da packte mich Jannik erneut am Arm und zog mich zurück.

„Was sollte ich denn sonst noch vergessen haben?“, fragte ich verwundert nach, doch Jannik antwortete darauf nicht, sondern zog mich an sich und umarmte mich ganz fest. Für einen kurzen Augenblick war ich so erschrocken, dass mein Herz kurz ausfiel und mir das Denken schwer fiel. Ich sollte mich vielleicht etwas auf meine Zehenspitzen stellen, damit ich wieder Luft bekam, denn Jannik erdrückte mich fast. Zudem konnte ich den Duft von seinem Aftershave noch viel intensiver einatmen.

Was dachte ich da eigentlich? Was tat ich nur? Ich musste raus. Und das so schnell wie möglich.

„Du erdrückst mich“, sagte ich und schnappte nach Luft.

„Ich will nur dass du weißt, dass du mir verdammt wichtig bist.“ Ich gab ihm einen Kuss auf die Wange, damit er wusste, dass er mir auch wichtig ist. Dann schaffte ich es mich aus dieser Umarmung zu lösen.

„Ich muss jetzt aber wirklich los“, erklärte ich und fügte noch hinzu: „Sonst wird es noch später und du kennst ja meine Mutter. Ich will nicht, dass sie sich Sorgen um mich macht.“

„Soll ich dich nicht lieber nach Hause bringen? Es ist zwar saukalt, aber auch schon verdammt dunkel. Ich will, dass du sicher nach Hause kommst.

Ich schüttelte den Kopf. „Das sind doch nur ein paar Straßen und ich bin auch schon groß. Außerdem habe ich doch mal den Selbstverteidigungskurs gemacht, den mir meine Eltern zum Geburtstag geschenkt haben. Wenn etwas passieren sollte, weiß ich, wie ich mich verteidigen kann. Also mach dir bitte keine Sorgen um mich“, antwortete ich.

„Dann melde dich aber bitte eben bei mir, sobald du zuhause angekommen bist“, bat Jannik mich. Ich konnte bei seinem besorgten Gesichtsausdruck nur nicken und würde ihm den Gefallen auch tun.

„Ich ruf dich dann kurz an, versprochen!“, versprach ich ihm.

Wir umarmten uns noch einmal und dann ging ich. Ich war so in meine Gedanken vertieft, dass ich erst auf den halben Weg bemerkte, dass ich die Kiste vergessen hatte. Doch noch einmal umdrehen, um sie bei Jannik abzuholen, wollte ich nicht. Das konnte ich auch noch am nächsten Tag machen.

Nachdem ich zuhause angekommen war, wählte ich Janniks Nummer. „Du bist also sicher angekommen“, stellte er erleichtert fest, nachdem er an sein Handy gegangen war.

„Ich habe dir doch gesagt, dass mir nichts passieren wird. Und seit wann machst du dir eigentlich solche Sorgen um mich?“, fragte ich ihn, denn bisher war er nie so besorgt um mich gewesen. Zumindest nicht so extrem. „Was war nur plötzlich mit Jannik los?

„Ich mache mir doch nur einfach Sorgen um dich. Du bist doch meine beste Freundin“, erwiderte Jannik.

„Auf jeden Fall bin ich jetzt zuhause und werde mich gleich noch kurz zu meiner Familie setzen und bei uns die erste Adventskerze anzünden. Die erste Kerze konnten wir letzten Sonntag ja nicht anzünden, weil wir ja nicht zuhause waren. Wir sehen uns ja morgen früh.“

„Bis morgen!“, verabschiedete sich Jannik und legte auf.

Ich ging in unser Wohnzimmer, wo meine Mutter, mein Vater, mein großer Bruder Rafael und mein kleiner Bruder Luca zusammen am Wohnzimmertisch saßen und „Mensch-ärgere-dich-nicht“ spielten.

„Ich bin wieder da!“, sagte ich und setzte mich zu ihnen.

„Wir haben schon auf dich gewartet“, hörte ich meine Mutter sagen, die daraufhin einen Schluck Kaffee aus ihrer Tasse trank.

„Entschuldige bitte. Ich war bei Jannik und habe die Zeit total vergessen“, gab ich zurück.

Meine Mutter lächelte mich nur an und deutete dann auf das Feuerzeug. Es war schon Tradition, dass ich jedes Jahr die erste Kerze auf dem Adventskranz anzündete. Da wir es dieses ja nicht an dem Tag geschafft hatten, wollten wir es heute nachholen. Sobald die Kerze brannte, erfüllte sich der ganze Raum mit Vanilleduft. Meine Mutter hatte extra Duftkerzen genommen. Ich atmete den süßlichen Duft ein und freute mich nun noch mehr auf die Vorweihnachtszeit und das Weihnachtsfest. Gemeinsam saßen wir alle im Wohnzimmer und sangen die erste Strophe des AdventliedesWir sagen euch an den lieben Advent.

2. Dezember

Mein Wecker riss mich aus meinem Schlaf. Wirklich unsanft, denn als der Wecker losschrillte, erschrak ich mich so sehr, dass ich aus meinem Bett fiel und auf meinem kalten, harten Laminatboden landete. Ich brauchte unbedingt einen Teppich für mein Zimmer. Eigentlich wäre ich am liebsten sofort wieder ins Bett gegangen uns hätte die Schule geschwänzt, doch ich war irgendwie viel zu aufgeregt. Das könnte daran liegen, dass Jannik hier bald auftauchen würde. Was hatte sich seit gestern nur so plötzlich geändert? Ich freute mich immer riesig, meinen besten Freund zu sehen, hatte aber nie Probleme mit einem schnelleren Herzschlag, weiche Knie und feuchte Hände, sobald ich ihn sah. Genau jetzt bekam ich diese Anzeichen nicht nur, wenn ich ihn sah, sondern auch schon wenn ich nur ganz kurz an ihn dachte. Mein Blick fiel auf meinen Wecker. Wenn er könnte, würde mir dieser sicher jeden Morgen eine Punktzahl geben, für Flug und Landung. Leider fiel ich nämlich jeden Morgen aus dem Bett. Es war schon halb sieben. In einer halben Stunde würde Jannik vor der Haustür stehen: mit zwei Bechern Kaffee, einer Tüte voll mit Muffins und Donuts und einem breitem Grinsen im Gesicht. Und wieder fing mein Körper an verrückt zu spielen. Ich musste unbedingt versuchen so zu reagieren wie immer. Er durfte mir nicht anmerken, dass etwas mit mir nicht stimmte.

Während ich aufstand, überlegte ich, was ich anziehen sollte und wie ich mir meine Haare frisieren könnte. Ein bisschen Makeup könnte heute auch nicht schaden. Ich besaß nicht viel Schminke, da ich nicht so viel davon hielt und es sich für mich immer so unecht anfühlte, wenn ich es auf der Haut hatte. Wie eine Maske eben. Eigentlich hatte ich es nur für besondere Anlässe wie Familienfeiern oder wenn mein Gesicht aussah, als wäre ich gerade mitten in der Pubertät und sich Pickel auf meinem Gesicht ausbreiteten. Dann würde ich mich ohne Makeup nämlich nicht aus dem Haus trauen. Heute jedoch war ein Anlass für etwas Makeup. Ich hatte nämlich so das Gefühl, dass ich heute nicht ohne aus dem Haus gehen sollte. Ich ging auf meinen Kleiderschrank zu und kramte darin herum, bis ich etwas Passendes gefunden hatte: einen grünen langen Pullover (den ich oft auch als Kleid trug), dazu eine schwarze Strumpfhose und dazu grüne Ohrringe. Ich ging ins Bad, bevor Luca oder Rafael dazu die Möglichkeit hatten. Luca war gerade in der Pubertät und brauchte oft länger im Bad als ich. Und Rafael versuchte mich nur damit zu ärgern, indem er sich eine Ewigkeit im Badezimmer einschloss. Ich hatte es noch vor Luca geschafft, der sich darüber ärgerte und trotzig die Treppe herunter stiefelte. Ich zog mich also um, machte mir einen Zopf und schminkte mich dezent. Jetzt nur noch schnell meine Schulsachen in meinen Rucksack packen und ab in die Küche. Doch bis in die Küche schaffte ich es nicht, denn es klingelte plötzlich an der Haustür. Das konnte eigentlich nur Jannik sein und sofort breitete sich ein breites Grinsen auf meinem Gesicht aus.

„Ich geh schon“, brüllte ich in den Raum herein, egal ob es jemand hörte oder es irgendwen auch nur im Geringsten interessierte. Kurz bevor ich die Tür öffnete ging ich noch mal in mich und zwang mich nicht zu grinsen. Es fiel mir echt schwer, denn ich freute mich riesig darauf, Jannik jeden Moment vor mir zu haben. Ich holte noch einmal tief Luft und öffnete daraufhin die Tür. Da stand er: mit zwei Kaffeebechern in der einen Hand, eine Tüte voll mit Muffins und Donuts in der anderen Hand und mit einem unglaublich süßen Grinsen auf seinem Gesicht. Sofort bekam ich weiche Knie und mein Herz fing wie wild an zu schlagen. Jannik trug eine braune Jeanshose, die etwas enger anlag, womit er seine durchtrainierten Beine am besten zum Vorschein bringen konnte. Da es draußen eiskalt war, hatte er eine dunkelblaue dicke Winterjacke an. Seine blonden Haare hatte er unter eine graue Mütze gepackt. Einige Strähnen hatten sich doch daraus befreit und hingen ihm in die Stirn. Das sah verdammt niedlich aus und ich konnte es nicht vermeiden zu lächeln, während ich ihn musterte. So sehr ich auch dagegen ankämpfte, es gelang mir einfach nicht.

„Komm erst einmal ins Haus“, schlug ich vor, nachdem sich mein Gehirn wieder eingeschaltet hatte und fügte noch hinzu: „Dir muss doch bestimmt verdammt kalt sein.“

„Das ist mir wirklich“, antwortete er.

Ich nahm ihm den Kaffee und die Tüte ab und stellte alles auf den Garderobenschrank.

„Ich bin auch gleich fertig. Ich muss mich eben noch kurz Wetterfest anziehen: Winterjacke, Winterschuhe, Schal, Handschuhe und Mütze, Dann können wir uns auch direkt auf den Weg machen.“

Während wir auf dem Weg zur Schule waren, wusste ich erst nicht, was ich sagen sollte. Immer wieder flatterte das Bild in meinem Kopf herum, wie Jannik mich angrinste. Eigentlich hatte er das auch vorher schon immer getan. Immerhin war ich schon seit dem Kindergarten mit ihm befreundet. Ich trank unterwegs meinen Kaffee, um mich aufzuwärmen. Es war über Nacht noch kälter geworden und ich zitterte am ganzen Leib. Es würde sicher bald anfangen zu schneien, worauf ich mich wiederum freute, denn ich liebte Schnee.

„Ich glaube, es wird bald anfangen zu schneien“, sagte ich, bevor wir das Schulgebäude erreichten.

„Oh nein! Sag das bitte nicht zu laut, Mina. Nachher hört dich der Wettergott und es schneit wirklich.“

„Und was wäre daran bitte so schlimm?“, fragte ich nach und merkte, dass ich irgendwie sauer auf ihn wurde.

„Was mich daran nervt? Du fragst mich ernsthaft, was mich am Schnee nervt?“, wollte Jannik wissen.

„Wie es scheint, tu ich das“, antwortete ich energisch und meine Stimme wurde immer lauter.

„Mich nervt es, das der Schnee matschig und grau wird, dass die Bahnen ausfallen und ich den ganzen Weg in der Kälte zu Fuß laufen muss. Dass es immer so glatt ist, ich gefühlte zwanzig Mal ausrutsche und auf den kalten nassen Boden falle und ich hasse es, das es, wenn es schneit, so verdammt kalt ist. Reicht dir das als Antwort?“

„Du siehst immer nur das Negative. Das nervt mich tierisch. Aber ich werde es dir ja noch beweisen. Dann wirst du mich verstehen und die Vorweihnachtszeit und Weihnachten selbst auch so mögen“, sagte ich und stürmte ins Schulgebäude. Ich war sauer und verletzt und es schmeckte mir nicht, dass er in dieser Zeit immer so mies drauf war. Dadurch bekam auch ich schlechte Laune. Ich ging ins Klassenzimmer, zog mir meine Jacke, Handschuhe, Schal und Mütze aus und setzte mich auf meinen Platz. Nur wenige Minuten später kam Jannik auch schon ins Klassenzimmer und setzte sich neben mich. Warum mussten wir auch nebeneinander sitzen? Ich versuchte ihn zu ignorieren, was mir jedoch nicht gelang, weil er mich die ganze Zeit ansah und dabei grinste. Da konnte ich ihm nun wirklich nicht lange böse sein, auch wenn ich ihm wenige Sekunden zuvor gerne seine Augen ausgekratzt hätte.

„Wir haben heute Abend übrigens etwas vor! Ich will, dass du dir etwas Schickes anziehst und um 19:00 Uhr bei uns vor der Tür stehst“, sagte ich mit ernstem Ton und richtete meinen Blick auf ihn.

„Was haben wir denn vor?“, fragte Jannik verwundert.

„Das verrate ich nicht“, gab ich mit einem Grinsen wieder und fügte hinzu: „Es wird eine kleine Überraschung.“

„Wenn du Überraschung sagst, heißt es aber oft nichts Gutes für mich“, antwortete Jannik und wieder hatte er dieses breite Grinsen im Gesicht, was ich auf der einen Seite tierisch hasste, aber gleichzeitig auch an ihm liebte. Es war wie ein Teufelskreis aus dem ich wahrscheinlich nicht mehr so schnell wieder heraus kam. Zumindest in den nächsten 22 Tagen nicht.

„Zieh dir einfach etwas Schickes an und sei heute Abend pünktlich“, erklärte ich ein weiteres Mal genervt und sagte daraufhin kein Wort mehr. Er machte mich manchmal völlig wahnsinnig und trieb mich wirklich zur Weißglut, aber trotzdem konnte ich nicht aufhören, ihn zu mögen oder an ihn zu denken. Wie sich wohl seine Lippen anfühlen und schmecken würden? Ich spürte, wie mir bei dem Gedanken heiß wurde und war mir sicher, dass meine Wangen so rot waren wie eine Tomate. Leider war es vor Jannik nicht verborgen geblieben und er wollte jetzt sicher wissen, was mit mir los war. Ich musste mir also schnell eine plausible Ausrede einfallen lassen, die er mir glauben könnte. Ich konnte ihm ja wohl schlecht sagen, dass ich mir vorstellte, wie er mich küsst und dass mir dieser Gedanke sehr gefiel.

„Warum bist du denn plötzlich so rot im Gesicht?“, fragte mich Jannik, während wir gemeinsam durch den Schulflur ins nächste Klassenzimmer schlenderten.

„Ich… ähm… hier drinnen ist es einfach nur so unglaublich warm. Ist dir etwa nicht warm?“, hakte ich nach und tat so, als wäre das der tatsächliche Grund.

„Mir ist ehrlich gesagt eiskalt“, gab Jannik zurück, zog den Reißverschluss seiner Jacke bis zum Anschlag hoch und fing an mit seinen Zähnen zu klappern. Ich musste lachen, weil ich ihm nicht abkaufte, dass ihm wirklich kalt war.

„Kommst du nach der Schule noch mit zu mir? Ich muss dir noch etwas geben.“

„Nur wenn du mir einen Kaffee kochst. Ich brauche dringend etwas Koffein“, erwiderte Jannik.

„Ich koche ihn dir sogar mit ganz viel Liebe. Weil bald Weihnachten ist“, antwortete ich.

Mit ganz viel Liebe Kaffee kochen war bei mir nicht möglich. Ich musste nur auf den On-Knopf drücken, warten bis das Wasser heiß war, einen Pad in die Maschine legen, auf einen weiteren Knopf drücken und die schwarze Flüssigkeit würde dann von selbst in die Tasse fließen. Wenn ich irgendwann alleine lebe, würde ich auf jeden Fall genauso eine Kaffeemaschine gebrauchen. Auch wenn ich meinen Kaffee viel lieber in meinem Lieblingscafé trinken würde. Im Krümel gibt es verschiedene Geschmacksrichtungen, wie Vanille, Karamell, Haselnuss oder Zimt. Ich liebte Zimt und nahm selbst im Sommer diese Geschmacksrichtung. Zimt war eines der Dinge, die für mich zu Weihnachten gehörten und sobald ich das Gewürz roch oder schmeckte, war ich in Gedanken schon wieder bei meiner Lieblingsjahreszeit. Ich liebte die Weihnachtszeit und alles, was sie so mit sich brachte.

Nach sechs Stunden Unterricht konnten wir endlich das Schulgelände verlassen und endlich das machen, was wir wollten. Jannik und ich liefen zur Stadtbahn. Ausnahmsweise war die Bahn mal nicht so überfüllt wie sonst immer, sodass Jannik und ich die Möglichkeit hatten uns nebeneinander zu setzen.

„Ich hasse es Stadtbahn zu fahren“, meckerte Jannik nach einem kurzen Moment Stille.

„Du bist die einzige Person, die ich kenne, die so pessimistisch ist“, antwortete ich und verdrehte die Augen.

„Ja und? Mich nervt es halt“, entgegnete Jannik.

„Was nervt dich denn genau daran?“, wollte ich wissen.

„Meistens sind sie überfüllt und oft riecht es nach Schweiß, Erbrochenem oder Urin“, antwortete Jannik angewidert. Da musste ich ihm ausnahmsweise einmal Recht geben.

„Aber die Stadtbahnen bringen uns in dieser Stadt überall hin. Selbst bis nach Bonn fährt sie“, erwiderte ich.

„Das stimmt ja auch. Aber trotzdem!“, sagte er nur und winkte ab. Damit war das Thema scheinbar erledigt. Für mich allerdings noch nicht. Ich sagte dennoch nichts mehr dazu, drehte mich von ihm weg und ließ meinen Blick aus dem Fenster schweifen. Irgendwie war meine Laune gerade ganz weit unten.

Irgendwann jedoch hörte ich Jannik sagen: „Tut mir leid, dass ich meine miese Laune ständig an dir auslasse und du mich so ertragen musst.“ Ich sah ihn verwundert an. Hatte Jannik sich gerade wirklich bei mir entschuldigt? Das kannte ich so gar nicht von ihm.

„Ist schon okay“, antwortete ich und lächelte. Jetzt stieg auch meine Laune wieder etwas an.

„Wirklich?“, hakte Jannik nach.

Ich nickte und antwortete: „Schon wieder komplett vergessen.“

Nachdem wir bei mir angekommen waren, ging ich mit meiner dicken Winterjacke in die Küche und machte Jannik und mir einen Kaffee. Er kam vom Flur aus in die Küche und setzte sich auf einen der Küchenstühle. Ich reichte ihm seinen Kaffee und machte mir selbst auch einen, bevor ich mich zu ihm setzte. Doch bevor ich das tat, zog ich mir noch schnell meine Winterjacke aus.

„Ich bin ja schon neugierig darauf, was mich heute Abend erwarten wird“, sagte Jannik und trank einen Schluck von seinem Kaffee.

Ich lächelte, sagte aber nichts dazu. Es wäre ja voll blöd, wenn ich ihm jetzt irgendetwas von dieser Überraschung verraten würde.

„Kannst du nicht eine klitzekleine Andeutung machen?“, fragte Jannik neugierig nach und grinste.

„Keine Chance mein Lieber! Es wird einem ja auch nicht vorher gesagt, was man zu Weihnachten bekommt oder welche Bilder sich im Schokoladenkalender befinden. Stell dir einfach vor, dass das hier dein eigener, einzigartiger Adventskalender ist und du jeden Tag ein Türchen öffnen kannst.“

„Hast du dann nicht vielleicht doch noch einen mit Schokolade?“, neckte er mich.

„Du bist manchmal ein riesengroßer Vollidiot“, antwortete ich wütend, da ich mir wirklich sehr große Mühe gab und er dies nicht einmal ein bisschen würdigte. Ich stand von meinem Stuhl auf und drehte mich von Jannik weg. Das war wirklich gemein von ihm gewesen und so schnell würde ich ihm das nicht verzeihen. Davon war ich diesmal wirklich selbst überzeugt.

Ich hörte wie sich der Stuhl bewegte, auf dem Jannik saß. Plötzlich stand er hinter mir, legte seine Hände ganz sanft auf meine Hüften, zog mich näher an sich heran und flüsterte mir ins Ohr: „Tut mir wirklich leid, Mina-Mäuschen. Ich wollte dir nicht wehtun, mit dem was ich gesagt habe.“ Ich spürte seinen warmen Atem in meinem Nacken und fühlte mich ihm ganz nahe.

Ich drehte mich zu ihm um und wandte mich aus seinen Händen, die noch immer auf meinen Hüften lagen. Er durfte mir nicht so nahe kommen, denn das könnte unsere Freundschaft kaputt machen. Ich musste wieder mehr auf Abstand gehen, denn ich wollte mir auch nicht irgendwelche unnötigen Hoffnungen machen.

„Alles bestens, Jannik. Wenn du das so siehst ist das in Ordnung. Du wirst schon noch verstehen, was so toll an der Vorweihnachtszeit ist. Aber alles zu seiner Zeit. Und jetzt bin ich mit Niklas verabredet. Wir haben Tanztraining. Wir sehen uns dann ja heute Abend“, sagte ich, noch immer ein wenig enttäuscht über Janniks Aussage.

Ich beobachtete, dass Jannik sein Gesicht verzogen hatte, als ich Niklas Namen genannt hatte. Ich wusste ja, dass er ihn nicht leiden konnte, hatte aber nie verstanden warum. Jannik überspielte seine Reaktion jedoch und zuckte mit den Schultern. „Dann bis heute Abend und viel Spaß beim Tanzen“, antwortete mein bester Freund und legte eine kurze Pause ein, fügte dann aber noch hinzu: „Und Mina? Ich freue mich auf heute Abend! Wirklich!“ Als er das sagte, lächelte er mich an.

Jetzt musste auch ich lächeln. Dieser Typ schaffte es doch tatsächlich immer wieder, dass ich ihm nicht lange böse sein konnte.

Doch bevor er ging, hielt ich ihn am Arm fest. „Ich wollte dir ja noch etwas geben“, sagte ich, verließ daraufhin kurz die Küche und kam wenige Sekunden später zurück. Ich drückte ihm einen Schokoladenadventskalender in die Hände und grinste.

Jannik warf einen Blick darauf und lachte. „Danke“, bedankte er sich daraufhin. Dann verließ er die Küche und nur wenige Minuten später hörte ich die Tür ins Schloss fallen. Sofort fing ich an, diesen unglaublich tollen Jungen zu vermissen. Das Gute jedoch war, dass ich wusste, dass ich ihn in nur wenigen Stunden schon wiedersehen werde. So lange würde ich ihn also nicht vermissen müssen. Das konnte ich sicher gut aushalten.

Ich musste mich etwas beeilen und hatte somit kaum die Möglichkeit an Jannik zu denken. Auch beim Tanze, würde ich auch nur in den kurzen Pausen für einen Augenblick an ihn denken können. Ansonsten musste ich mich voll auf die Tanzschritte und meinen Tanzpartner konzentrieren. Leider befand sich die Tanzschule in der Innenstadt. Somit musste ich mit der Stadtbahn vom Klettenbergpark bis zum Neumarkt fahren und hatte in der Bahn viel zu viel Zeit, um an meinen besten Freund zu denken. Zuhause würde ich jedoch noch viel mehr meine Gedanken an ihn verschwenden. Ablenkung war also genau das Richtige für mich, daher freute ich mich umso mehr auf das Tanztraining. Wie ich vorhergesehen hatte, musste ich die ganze Fahrt über an Jannik denken. Ständig hatte ich sein verschmitztes Lächeln vor Augen und seine Stimme im Ohr. Ich fuhr bis zum Neumarkt und stieg dort aus. Ich musste noch ein Stück laufen, bis ich an der Tanzschule ankam. Es war wirklich viel los, was ich so gar nicht gewohnt war. Bestimmt lag es daran, dass die Tanzschule nach dieser Stunde bis zum neuen Jahr geschlossen hatte. Ich quetschte mich durch die Menge und suchte meinen Tanzpartner Niklas, mit dem ich Ausdruckstanz tanzte. Um ehrlich zu sein, hatte ich damals nur wegen ihm damit angefangen, weil ich unglaublich in ihn verschossen war. Diese Verliebtheit fand jedoch ein schnelles Ende, als er mit meiner Erzfeindin Nadine zusammen kam. Ich mochte Nadine zwar nicht und sie hasste es, dass gerade ich seine Tanzpartnerin war, doch ich liebte es mit Niklas zu tanzen und wir waren trotz ihrer Anfeindungen gegen mich weiterhin sehr gut befreundet. Das würde ich mir auch von ihr nicht nehmen lassen. Leider hatte Niklas – dank Nicole – privat nicht mehr so viel Zeit, was dazu führte, dass ich mehr denn je mit Jannik unternahm, in den ich mich jetzt wahrscheinlich hoffnungslos verliebt hatte. Als ich Niklas endlich entdeckt hatte und er mich sah, winkte er mir zu. Kurz nachdem ich ihn erreicht und ihn begrüßt hatte, wurden wir auch schon in den Tanzsaal gebeten. Unsere Tanzlehrerin zeigte uns ein paar Schritte, die wir in unsere schon vorhandene Choreografie einbauen konnten.

Ich hatte eigentlich damit gerechnet, dass ich während des Tanzens nicht an Jannik denken musste, doch damit lag ich verdammt falsch. Ich stellte mir zum Beispiel gerade vor, dass Jannik mit mir tanzte und nicht Niklas. Doch dafür fühlte Jannik sich einfach viel zu cool. Das würde er nie im Leben machen. Nicht einmal für mich und ganz bestimmt nicht mit mir.

Nach einer Stunde war das Tanztraining schon wieder vorbei. Wir verließen den Tanzsaal, wo Niklas Freundin Nadine schon auf ihn wartete. Als sie uns sah, kam sie auf ihn zu und küsste ihn provokativ. Ich zuckte nur mit den Schultern, denn mir war das relativ egal. Ich war ja auch immerhin nicht mehr in Niklas verliebt.

„Bis zum nächsten Mal“, verabschiedete ich mich von Niklas, als das Paar beim Küssen eine Pause einlegte. Er nickte mir nur kurz zu, widmete sich dann aber wieder seiner Freundin.

Ich verließ die Tanzschule und lief zur Stadtbahn. Während ich in der Bahn saß, musste ich wieder die ganze Zeit an Jannik denken. Wie schön wäre es gewesen, wenn er mich auch vom Tanztraining abgeholt hätte und mich küssen würde, so wie Niklas und Nadine sich geküsst hatten. Ich sollte wirklich nicht an sowas denken! Immerhin war Jannik einfach nur mein bester Freund. Mehr nicht! Nur mein bester Freund.

Um meine Muskeln, die ich beim Tanzen sehr beansprucht hatte zu entspannen, ging ich als erstes unter die Dusche. Nach der Dusche wickelte ich mir meinen Bademantel um und stellte mich vor den Spiegel. Ich föhnte mir die Haare und kämmte sie durch. Sie waren extrem widerspenstig und es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis ich sie ohne Probleme durchkämmen konnte. Vom Badezimmer aus ging ich in mein Zimmer und zog mir etwas Schickes an. Ein blaues Kleid mit einer Strumpfhose. Da mein Kleid ärmellos war, zog ich mir noch ein Bolerojäckchen über.

„Wir können gleich los!“, rief meine Mutter aus dem Flur.

„Wir müssen aber noch eben auf Jannik warten. Ich habe ihn darum gebeten mitzukommen“, entgegnete ich.

„Wir haben es ja nicht ganz so eilig“, antwortete mein Vater.

Ich wollte gerade etwas erwidern, da klingelte es auch schon an der Tür. Ich öffnete sie und Jannik stand vor mir.

Als er sah, dass sich meine ganze Familie schick angezogen hatte und sich gerade die Winterjacken oder Mäntel anzog, fragte er, um sich abzusichern: „Ich hoffe, es ist okay, dass ich mitkomme?“

„Natürlich ist das in Ordnung“, sagte meine Mutter und nickte ihm freundlich zu. „Du gehörst doch schon zur Familie.“ Meine Mutter fand, dass Jannik der perfekte Schwiegersohn sein würde, doch das konnte sie ja noch gar nicht wissen, denn er war gerade mal siebzehn Jahre alt und hatte es wirklich faustdick hinter den Ohren.

„Wenn jetzt alle da sind, sollten wir auch wohl mal los“, schlug mein Vater vor, der einen Blick auf seine Armbanduhr geworfen hatte. Wir nickten ihm alle zustimmend zu.

„Aber vorher hätte ich noch gerne ein Foto von Jannik und mir.“ Ich drückte meinem Vater mein Handy in die Hand und beobachtete aus dem Augenwinkel, dass Jannik die Augen verdrehte, was mich wiederum sofort zum Lachen brachte. Ich stellte mich neben Jannik und lächelte in die Kamera und mein Vater drückte einige Male auf den Auslöser. Als er fertig war, gab er mir mein Handy wieder zurück.

„Ich will die Fotos sehen“, bat Jannik, doch das durfte er noch nicht, daher musste ich mir schnell etwas einfallen lassen.

„Wir müssen jetzt aber wirklich los. Sonst kommen wir noch zu spät“, wiederholte mein Vater und lenkte Jannik so von den Fotos ab. Ich war meinem Vater gerade wirklich unglaublich dankbar dafür, dass er so drängelte. Väter, die gerne immer pünktlich sein wollten, konnten in manchen Situationen ein echter Segen sein.

Wir wollten mit der Stadtbahn fahren. Meine Eltern liefen voraus, meine Brüder hinter ihnen und dann kamen Jannik und ich. Ich versuchte die ganze Zeit Jannik nicht anzusehen, sondern konzentrierte mich auf meinen kleinen Bruder, der noch einmal seinen Text durchging.

„Ich habe diese seltsame Vermutung, dass wir uns ein Theaterstück angucken werden, in dem dein Bruder mitspielt. Liege ich damit vielleicht richtig?“, fragte er und zwinkerte mir zu.

Ich zuckte nur mit den Schultern und tat so, als wüsste ich von nichts. Ich würde ihm diese Überraschung bestimmt nicht nehmen.

„Lass dich doch einfach mal überraschen“, antwortete ich und zog einen imaginären Reißverschluss vor meinem Mund zu. Ich würde ihm definitiv nichts verraten. Jannik lächelte und ging nicht weiter darauf ein. Mit der Stadtbahn fuhren wir eine gefühlte Ewigkeit und das nervte, da sie ziemlich überfüllt war.

An der Schule angekommen, war mein Bruder sofort verschwunden. Meine Eltern, mein großer Bruder, Jannik und ich betraten das Schulgebäude und nahmen in der Aula fast eine komplette Reihe ein. Der große Raum füllte sich immer mehr und schon bald ging das Licht aus und alles um uns herum wurde still – bis sich der Vorhang öffnete und Musik ertönte. Sofort bekam ich eine Gänsehaut am ganzen Körper. Sobald der erste Ton ertönte, war ich schon voll in der Aufführung mit drin. Die Schule meines Bruders spielte „Die Weihnachtsgeschichte“ von Charles Dickens nach. Ich war stolz , als ich bemerkte, dass mein kleiner Bruder die Hautrolle Ebenezer Scrooge ergattert hatte, einen Geizkragen, der nur an sich dachte, bis ihm über Weihnachten drei Geister aufsuchten, um ihm sein Weihnachten in der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft zu zeigen. Dies machte ihm deutlich, dass er sich verändern musste, da er in der Zukunft sonst ganz alleine sein würde. Dadurch wurde er dann zu einem großzügigen Mensch.

Ich war so begeistert und vor allem stolz, wie mein kleiner Bruder diese Rolle spielte und konnte mir einige Tränen nicht unterdrücken. Ich zitterte sogar ein bisschen. Zumindest so lange, bis Jannik nach meiner Hand griff und sie fest in seiner hielt. Ich warf einen kurzen Blick zu ihm herüber, doch er ließ sich nichts anmerken und starrte stur geradeaus auf die Bühne, auf der mein Bruder als Ebenezer Scrooge gerade mit der Familie mit dem kranken Kind feierte. Ich war doch ein wenig irritiert, aber freute mich auch riesig über die Geste von Jannik. Das seltsame war aber, dass die Stelle meiner Haut, die er berührte, anfing zu kribbeln. Und ich konnte es einfach nicht abstellen. Ich war plötzlich so von meinen Gedanken und Gefühlen abgelenkt gewesen, dass ich nicht einmal gemerkt hatte, dass das Stück vorbei war. Erst als alle um mich herum vor Begeisterung klatschten, jubelten und dabei aufstanden, bemerkte ich es. Jannik ließ meine Hand los und das warme, kribbelnde Gefühl auf meiner Haut löste sich in Luft auf. Ich stand auch auf und klatschte wie benommen den Schauspielern zu, unter denen sich auch mein kleiner Bruder befand.

Nach dem Auftritt verließ mein Bruder die Bühne. Wahrscheinlich zog er sich gerade um. Wir standen schon alle versammelt am Ausgang der Aula und unterhielten uns über die Aufführung, als Luca bei uns ankam.

„Dein Auftritt war so super!“, sagte meine Mutter ganz stolz zu meinem kleinen Bruder und nahm ihn in ihre Arme. Dann drückte sie ihm noch einen Kuss auf die Wange.

„Mama! Doch nicht hier in der Schule! Wenn das jemand sieht! Das ist mir peinlich!“, entgegnete er, löste sich aus ihrer Umarmung, wischte sich den Kuss von der Wange und drehte sich nach links und rechts um, in der Hoffnung, dass keiner seiner Klassenkameraden oder Freunde es gesehen hatte.