Die schönsten deutschen Märchen -  - E-Book

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Beschreibung

Die schönsten deutschsprachigen Volksmärchen vom Mittelalter bis zum 20. Jahrhundert stellt dieser Band vor. Den Auftakt bildet das »Lied vom Einochs« aus dem 11. Jahrhundert, das erste schriftlich fixierte Märchen. Es folgen Zauber- und Tiermärchen, Schwank – und Novellenmärchen aus den unterschiedlichsten Regionen, die die Gattung in ihrer ganzen poetischen Vielfalt zeigen. Den Abschluss bildet Wilhelm Buschs »Bauer Pihwitt«.

Einige der hier versammelten Märchen sind uns in Varianten der Brüder Grimm vertraut, die meisten aber sind weniger bekannte, regional geprägte Märchen, die bisher nur an entlegenen Stellen publiziert wurden. Das Buch ist eine Einladung an den Leser, deutsche Märchen neu zu entdecken.

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Seitenzahl: 861

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Die schönsten deutschen Märchen

Herausgegeben von Waltraud Woeller

Unter Mitarbeit von Anneliese Schmidt

Insel Verlag

Die schönsten deutschen Märchen

Inhalt

Einochs

Vom König, der alles glaubte

Ein schöne History von einer Frawen mit zweyen Kindlin

Vom Ursprung des Namens Bärnhäuter

Jorinde und Joringel

Die Bücher der Chronika der drei Schwestern

Erstes Buch

Zweites Buch

Drittes Buch

Von dem Machandelboom

Von dem Fischer un syner Fru

Die Padde

Die Bremer Stadtmusikanten

Dornröschen

Der singende Knochen

Das Waldhaus

Goldmariken und Goldfeder

Siebenschön

Die grüne Feige

Das tapfre Schneiderlein

Hirsedieb

Der Hasenhüter

Der beherzte Flötenspieler

Die drei Musikanten

Der starke Gottlieb

Das goldene Schloß

Das kleine alte Männlein

Von dem Schiff, das zu Wasser und zu Lande fuhr

Der Hinkelhirt

Die gutherzige Köchin

Des Toten Dank

Das graue Männchen

Der dumme Wirrschopf

Die Nixe im Mansfelder See

König Blaubart

Der Klosterbarbier

Die goldene Ente

Das Bäuerlein

Die Drachenfedern

Der Stinkkäfer

Der Ziegenhirt

Die Schlange

Der Wurm

Griseldele

Peter Bär

Zwerg Holzrührlein Bonneführlein

Die Querpfeife

Aschenpöling

Die sieben Gesellen

Der dankbare Tote

Kleesam

Bruder Stiefelschmer

Der lustige Zaunigel

Der Maurerlehrling

Böse werden

Der Jäger und die drei Brüder

Das Rauhtier

Von dem Schaf, das eine Königstochter trug

Die Jungfrau auf dem gläsernen Berge

Der Waldkater

Die geraubte Königstochter

Der Wunschfetzen, die Goldziege, die Hutsoldaten

Der Wunderschimmel

Der Wittnauer Hans

Die drei Raben

Der Teufel als Schwager

Der starke Hans

Die Geisterküche

Der Teufel und der Drescher

Hadelum-pum-pum

Wie aus einem Schweinehirten ein König ward

Wie Dummhans für ein Gerstenkorn ein Königreich bekam

Die beiden feindlichen Könige

Die Mädchen im Pfluge

Die Königin von Siebenbürgen

Das Goldspinnen

Die alte Slüksche

Der Königssohn mit der goldenen Kette

Königin Isabelle

Bauer Pihwitt

Anhang

Nachwort

Anmerkungen zu den Sammlern

Kommentar

Worterklärungen

Bibliographie

Einochs

Am Tisch großer Herren geht die Märe vom Bauer Einochs. Als Bauer war er von Bauern geboren, die Natur erzeugte ihn bloß, aber sein Schicksal machte ihn berühmt. Wiederholt kaufte der arme Mann ein Gespann von Rindern, um sein Land zu pflügen, wie die Bauern tun, aber ach, niemals legte er mehr als einem das Joch auf, nie blieb ihm ein Paar. Vergebens suchte der Arme dem Schicksal zu trotzen, immer ging ihm ein Ochse ein. Und wie er immer so mit einem pflügt, während den andern der Schindanger deckt, wird der Arme noch dazu von den Nachbarn verspottet: sie nennen ihn Einochs. Aber das Schicksal raubt ihm auch den letzten Ochsen, und schon gilt auch dieser Name nicht mehr. Nachdem nun der Rinderstall leer ist, will er wenigstens das Fell verkaufen. Er streift also die Hülle des Leichnams ab und läßt diesen zum Fraß den Raben. Er lädt die Last auf den Rücken des Maultiers und eilt damit zum nächsten Grenzort, wo sich die Leute zum Wochenmarkt einstellen. Sobald er den Platz betreten hat, bietet er das Leder zu einem Preise feil, der ihm dem schönen Kleid entsprechend dünkt. Die Marktleute und die Schuster besehen mit Sachverständnis die Haut und ermessen auf Fuß und Zoll ihre Größe. Aber der geforderte Preis scheint allen zu hoch, und schließlich muß Einochs froh sein, das schmutzige Leibgewand des Ochsen um acht Groschen loszuschlagen. Als der Markt beendet ist, besteigt er sein Reittier, das sich inzwischen satt gefuttert hat, und wendet die Schritte heimwärts. So trabte er durch einen kleinen Wald, als ihm ein körperliches Bedürfnisüberkam. Er riß ein wenig Gras aus, um sich abzuwischen, aber statt des Grases fand er das, was geizige Leute lieben: Einen Schatz von drei Scheffel Silbermünzen hob er auf und steckte ihn ins leere Futtersäckchen, das nun wieder mächtig anschwoll. 

Eilends reitet er heim, knüpft den Sack auf und ruft ‒ der Tor ‒ dem Knaben zu, er solle beim Schulzen das Scheffelmaß entleihen. Der Knabe bittet um das Maß, der Schulze fragt, was er damit wolle, und der Knabe in seiner Unschuld plaudert das silberne Geheimnis aus. Da reicht ihm der Schulze das Scheffelmaß. ›Der arme Einochs wäre ja‹, denkt er und staunt, ›alsdann reich geworden!‹ Er folgt dem Knaben, späht in die rauchige Hütte und sieht die silberne Masse blinken. Bei diesem Anblick schlägt er die Hände zusammen. »Der Schatz dieses Armen ist Diebstahl, nicht Gewinn! Die Schatzkammern der Kaiser und Päpste bergen nicht solche Schätze wie diese Hütte!« Zornig antwortet der Bauer dem argwöhnischen Schulzen: »Mitnichten ist dies nächtliche Beute, sondern der Gewinn der Haut. Hinter den Grenzen dieses Landes liegt ein berühmter Handelsplatz, wo für Ochsenfelle die Fülle des Silbers lacht. Nirgends zahlt man solche Preise. Wenn du dir ein Beispiel an mir Armem nehmen willst, so handle danach!« Am Kreuzweg kamen alsbald die drei Dorfoberen zusammen: der Meier, der Schulze und der Pfarrer. Erregt legt der Schulze den andern die Mär von dem neuen Handel, vom Erlös der einen Haut, auseinander; er seufzt vor Freude und spricht salbungsvoll:

»Ich sage euch ein Wunder und enthülle euch Ungeheures, ich gebe euch guten Rat, der euch reich machen wird, wenn ihr ihn geheimhaltet. Wollt ihr glücklich sein, so tut wie ich, Gefährten, leicht gangbar ist der Weg, den ich euch weise. Ob dieses größten aller Händel soll jede Armut von unseren Schwellen weichen. Und woher stammt das Glück, das uns vom Himmel fällt? Aus den Fellen der Ochsen und den Häuten der Kühe! Seht unsern armen Einochs! Er zählt sein Geld nicht mehr, sondern mißt es nach Scheffeln. Und dieses Geld ward ihm, als er vor kurzem eine Ochsenhaut verkaufte. Lernen wir von diesem Armen, dann brauchen wir nicht mehr im Regen zu ackern. Aber dies bleibe unter uns dreien verborgen, die Münzer würden zu prägen aufhören, wenn sie davon erführen. Nun wißt ihr den Sachverhalt, jetzt überlegt: Was sollen wir tun?« Schmunzelnd antwortete darauf der Pfarrer, den der Handel mehr freute, als er zeigen mochte: »In der Hoffnung auf so viel Reichtum wird meine liebe Ehefrau schon ein Häutlein hergeben.« Als dritter sprudelte der Meier, der nie an sich halten konnte, seine Ansicht hervor: »Bei meinem Meierstab schwöre ich, daß morgen kein Ochs mehr in meinem Stalle brüllt!«

Sie reichen sich die Hände zum geheimen Bunde und schwören einander, ihre Rinder zu schlachten und zu enthäuten. Der Dummheit folgt die Verrücktheit. Noch in der nämlichen Nacht machen sie ihren Rindern den Garaus. Das Fleisch hängen sie an den Balken, die Häute aber laden sie auf die Karren, und fort geht's, ehe der erste Hahn kräht.

Sie ziehen im Marktflecken ein und stellen ihre armseligen Gefährte anspruchsvoll in die Wagenreihen, voll eitler Träume. In schweigender Hoheit wandeln sie auf und ab und warten auf die Käufer. Die Menge schiebt sich vorüber, aber keiner fragt nach ihrer Ware. Nach geraumer Zeit schreit der Meier mit rauher Stimme: »Wer will diese Felle kaufen?« Dreckiges Schusterpack mit sieben Groschen in der Tasche will gemeinsam die Häute erstehen. »Was sollen wir für deine Felle geben?« ‒ »Drei Pfund!« erwidert der Meier. »Du bist besoffen!« schreit der Schuster. »Mitnichten, um keinen Heller gehe ich vom verlangten Preise ab!« ‒ »Das ist wohl Scherz«, meint Meister Sauborst. Aber der Meier in seiner Narrheit besteht auf drei Pfund. Die Marktbesucher bleiben stehen und lauschen und lassen ihre Geschäfte im Stich. Schließlich herrscht der Pfarrer ergrimmt den Meier an: »Dummkopf, du verstehst nicht, mit den Leuten umzugehen! ‒ Hier, Schuster, diese Haut wird ja wohl ihre drei Pfund wert sein, nun knüpfe deinen Beutel auf, den festen Preis weißt du.« Der Schuster entgegnet: »Dümmere Verkäufer gibt es nicht auf der Welt! Wo mögen diese Kerle nur herstammen? Was soll man sagen, wenn gleich drei Narren auf einmal ihre Ochsenhäute für große Reichtümer halten? Mit zehn Groschen wären sie reichlich bezahlt. Jetzt schert euch zum Teufel!« Die Schmähreden fliegen noch eine Zeitlang hin und wider, das Schusterblut gerät in Wallung, und der Handel endet schließlich damit, daß die drei Gevattern dem Richter vorgeführt, verklagt und bestraft werden. Die Felle verbleiben als Pfand bis zur Bezahlung der Geldbuße. ‒ Als dem Recht Genüge getan ist, kehren sie mit leeren Karrren und Beuteln heim. Leicht an Habe, aber vom Kummer schwer bedrückt, schwören sie dem Einochs den Tod. Niemals hat man unter dem Himmelszelt etwas Derartiges gehört, was sich jetzt Einochs erdachte, um die Narren zu besänftigen: seine Gattin muß sich tot stellen, und er malt sie mit Schweinsblut rot. Da liegt sie auf dem Boden, als sei sie wirklich tot, umgebracht von der Hand des Gatten. Und wie abscheulich sieht sie aus, so mit Blut beschmiert! Einem jeden graust, der sie sieht. So auch die drei Gevattern: statt ihre Absicht auszuführen, fangen sie an, um die schmählich hingeschlachtete Frau zu jammern. »Unseliger, wie konntest du das tun? Du niederträchtiger Ränkeschmied hast uns eine schöne Suppe eingebrockt, und wir haben deinen Tod beschlossen, aber dieser Mord macht dich für den Henker reif.« Der Einochs fühlt sich nun sicher und spielt seinen Streich weiter. »Freilich ließ ich mich zu einem Frevel hinreißen, aber wenn ihr euren Zorn bändigen und mit mir Frieden machen wollt, so sollt ihr die, welche jetzt tot daliegt, alsbald wieder lebendig sehen.«

»So sei es«, rufen die Toren alle drei, »unsre Feindschaft sei begraben!« Als Einochs seine Gegner besänftigt sieht, eilt er zur Truhe und entnimmt ihr eine Weidenpfeife. Vor ihren Augen umwandelt er zweimal feierlich die Leiche, bläst auf dem Rohr und heißt die Tote auferstehen. Beim dritten Umgang rafft sich die Ruhende wie von einer geheimnisvollen Kraft bewegt empor, als sie ihren Namen nennen hört. Vom Blut entstellt, steht sie da, und Einochs sagt: »Wasch dich zunächst!« Und siehe, mit gereinigtem Antlitz erschien sie viel schöner, als sie sonst zu sein pflegte. Die drei Gevattern begaffen staunend den Liebreiz der auferstandenen Frau und flüstern einander zu: »Nie sahen wir eine schönere Frau als die, welche eben vom Tode erstand. Vor ihrem Tod war sie ein Scheusal, als ein Engelsbild kehrt sie vom Tod zurück. Und welch ein Zauberrohr, das neue Jugend schafft! Auch unsere Gattinnen sind seit langer Zeit alt' und häßlich. Verhilft uns die Gnade Gottes zu dieser Pfeife, so wollen wir geschwind unsere runzligen Weiber umbringen. Den Einochs aber wollen wir bitten, daß er uns die Pfeife leihe oder verkaufe, welche die alten Weiber jung macht. Bei ihrem Ton entflieht der Tod, und wir fangen dann mit den verjüngten eine neue Ehe an. Laßt uns dem Bauer Geld bieten, daß er uns das Rohr verkauft!« Sie bieten viel Geld, und schließlich gelingt es ihnen, die Pfeife zu erstehen. Der Pfarrer sagt darauf zu den zweien: »Verstattet, Gevattern, daß ich als erster meine Frau umbringe. Leiht mir zuerst die belebende Flöte! Durch einen Schnitt will ich dem Altern meiner Lieben ein Ziel setzen. Nach mir nehme das heilbringende Rohr, wer als zweiter sein Weib ersticht, wie ein Metzger die Kuh.« Die Bitte des beliebten Pfarrers wird gewährt, und er geht zu töten und zu erwecken. Mit der Pfeife in der einen und dem Messer in der andern Hand tritt er vor seine Frau und küßt sie auf den Mund. Er zeigt das Messer, und lachend sagt die Frau: »Was soll das Messer? Du willst mir doch nichts zuleide tun?« Fröhlich entgegnet der Pfarrer: »Ich will dich fein sänftiglich umbringen, damit du zu neuer Jugend und Schönheit erstehst.« Die Frau schreit nur noch: »Weh!«, dann liegt sie durchbohrt auf dem Boden. Der Narr aber ruft voll Freude: »Gott sei gedankt!« Darauf legt er die Pfeife an den Mund und bläst und bläst, aber wie er die Tote dreimal umwandelt hat und sie immer noch nicht aufersteht, da fährt er sie an: »Du schlaue Heuchlerin, an Starrsinn einer Eselin gleich, erhebe dich, hörst du nicht, wie ich blase?« Wie nun der Schulze das Geschrei hört, beeilt er sich, in der Hoffnung auf die Zauberpfeife, auch seine Gattin umzubringen. Darauf geht er in das nahe Pfarrhaus, um das Rohr zu entleihen und die Schulzin zu erwecken. Er nimmt die Pfeife und fragt den Pfarrer, ob seine Frau schon auferstanden sei.

»Nicht eher sollst du sie sehen, bis sie gemeinsam mit deiner Gattin die Kirchenschwelle betritt.« Der Mörder trägt vergnügt die Urheberin des Wirrwarrs heim, aber sein grimmiges Blasen war umsonst: Die Schulzin ersteht ebensowenig wie die Pfarrerin. Der letzte schließlich in Mord und Mißerfolg war der Meier. Am andern Morgen stehen drei Bahren mit drei Leichen in der Kirche zur Schau. Aber wie man sie ins Grab senkt, ergreift die Gatten helle Wut. Als die drei Gevattern die frischen Grabhügel verlassen, raunen sie unter Seufzen einander zu: »Heute machen wir den Einochs kalt! Der uns um unser Vieh betrog, der uns zu Gattenmördern machte, sein verfluchtes Haupt falle unter unsren Schlägen!« Voll Zornmut eilen sie zu den Waffen, um ihren Rachedurst zu stillen. ‒ Der listenvolle Einochs sinnt indes, wie er der Wut der Gevattern begegne. Er läuft zu seinem Schatz und entnimmt ihm einen Haufen Münzen. Darauf zieht er die Stute aus dem Stall, hebt ihr den Schwanz und beginnt die Münzen in die natürliche Öffnung hineinzustopfen. Dann stellt er das Tier mitten in die Hütte und breitet unter ihm ein weißes Leintuch aus. Auf der Schwelle stehen die drei Gegner, und während sie den Einochs töten wollen, fällt ihnen vor Staunen die Waffe aus der Hand. Sie sehen, wie der Verhaßte der Stute die Seiten reibt, worauf sie einen Haufen Münzen von sich gibt. Sie rufen: »Was ist das, Einochs? Uns wundert, wie dieses Pferd offensichtlich Geldstücke zur Welt bringt.« ‒ »Seht ihr das Geld?« erwidert der schlaue Bauer. »Der Bauch dieser Stute fördert Münzen zutage statt gemeinen Kots. Jede Nacht gibt sie einen solchen Haufen Silbers von sich; das macht, weil ihr die Königin Ops im Hintern sitzt.« Bei diesen Worten verraucht der Zorn der Gevattern, und sie reden Einochs an: »Bist du an Gütern so reich, so verkaufe uns das Roß! Nimmst du unsern Vorschlag an, so geschieht dir von uns kein Leids.« Der listige Einochs entgegnet den dreien: »Ja, das ist nicht so leicht, die Spenderin meiner Schätze abzugeben. Kein gewöhnliches Tier ist das, unter dessen Haut solcher Hort verborgen liegt.« ‒ »Denke an dein Seelenheil und hänge dich nicht an irdische Güter, verkauf uns die Stute lieber!« sagt der Pfarrer. »Nun gut«, meint schließlich der geriebene Bauer, »ich will euch die Stute verkaufen, aber billig bekommt ihr sie nicht. Ihr habt gesehen, wie das Geld aus ihr regnet. Soll dieser Münzschrank euer sein, so gebt mir fünfzehn Pfund! Sie wird euch ja in kurzer Zeit durch ihren Mist das Kapital mit Zins zurückerstatten.«

Die drei Gevattern händigen dem Einochs die fünfzehn Pfund aus und führen dann das Tier am Zaume heim. Alsbald sagt der Pfarrer: »Hört mich an! Ich wünsche die Stute zunächst in meinen Stall, denn ich bin auch der erste in der Kirche. Bis morgen früh gewinne ich zurück, was ich gab. Die erste Nacht gehört sie also mir, die zweite dem Schulzen und die dritte, wie billig, dem Meier.« ‒ »So sei es!« stimmt der Schulze bei und »Meinetwegen« der Meier. Der Pfarrer versorgt die Stute und gibt ihr Gerstenfutter. Die ganze Nacht sitzt er und lauscht, und als das erste Frühlicht tagt, zieht er das Tier von der Krippe fort, damit es seine Schätze spende. Das Roß meint, es sei Zeit, vor den Pflug gespannt zu werden; daher hebt es zunächst den Schwanz und gibt einige stinkende Äpfel von sich. Als der Priester das Klatschen der Bollen hört, denkt er: ›Jetzt ist die Zeit, wo es Münzen gibt!‹ Er ruft: »Hinaus, ihr Knechte! Ich muß jetzt meine Ausgaben wieder einbringen!« Begierig durchwühlt er den Mist und findet wirklich eine kleine Münze, die er hastig aufklaubt. Die Stute hatte nämlich, als sie ein halbes Jahr alt war, eine Wunde am Hinterteil erhalten, und in dieser Narbe war die Silbermünze steckengeblieben, als der Gaul das von sich gab, was Einochs ihm zuvor eingestopft hatte. So erwies sich jetzt, was einst der Stute weh getan hatte, dem Pfarrer als nützlich. Den Schulzen treibt schon früh das Verlangen nach der Münzenspenderin ins Haus des Pfarrers. »Nun leih mir die Stute, Pfarrer! Sie wird dich diese Nacht für dein ganzes Leben reich gemacht haben.« ‒ »Du sollst sie haben, Schulze«, erwidert der Pfarrer, »doch du zwingst mich, sie vorzeitig abzugeben. Zwar entleerte sie sich beim ersten Hahnenschrei, aber nichts ging aus ihrem Leib hervor als schlecht verdautes Gerstenfutter.« Der Schulze führt das Pferd mit sich und erhält von ihm dasselbe wie der Pfarrer, doch mit Ausnahme der kleinen Münze. In der dritten Nacht birgt sie der Meier in seinem Stalle, und morgens findet er das, was man ins Eck kehrt. Das Tier frißt den dreien ihr Gerstenfutter fort und spendet ihnen dafür nichts als stinkenden Kot. ‒ Einochs liegt im Bett und überlegt voll Sorgen, wie er die Aufgebrachten beschwichtigen soll. Schon kommen sie angerannt, die Schwerter in der Faust, ehe der Tag noch graut, und schreien alle zugleich:

»Hinaus, elender Gauner, hinaus, wir wollen dich in Fetzen hauen!« Der Missetäter erwidert stotternd: »Da bin ich schon, ihr lieben Herrn! Wollt ihr wirklich die härteste Todesart für mich bestimmen, so laßt mich schildern, wie ich sterben sollte. Viel Wege gibt's, doch nur ein Ziel, laßt mich den meinen wählen, so daß ich euch zufriedenstelle! Ihr habt ja nie erprobt, welcher Tod der bitterste sei, und der Himmel bewahre euch auch fernerhin davor. Nun will ich euch sagen, wie ihr mich heute oder morgen aus der Welt schaffen könnt: Schnürt mir Arme und Beine fest mit Stricken zusammen, steckt mich in eine Tonne und schließt sie dann! Kundige Binder mögen das Faß bereifen, und dann wälzt es mit meinem Leib ins Meer, versenkt mich dort, und schickt mich so zur Hölle! Auf diese Weise sterbe ich selbstgewählten Tod.« ‒ »Also geschehe dir!« rufen die drei Gevattern. »Du triffst auch unsern Wunsch mit diesem Urteil.« Sie binden Einochs mit Riemen, dann ‒ ins Faß mit ihm und an den Strand gerollt! Aber noch einmal sucht der Eingesperrte die drei Männer zu betören: »Ich gestehe: Mir geschieht recht, daß ich eingesperrt bin. Aber da mein letztes Stündlein kommt, so bitte ich euch: Denkt des Letzten Gerichtes und laßt ab von eurem Haß! Ich kann ja in diesem engen Kerker die Hände nicht zum Schwur erheben, doch im Angesicht des Todes lügt mein Mund nicht mehr. Auf dem Grunde meines Beutels findet ihr noch zwölf Groschen; die versauft, ehrwürdige Herren, zur höheren Ehre Gottes!« Der Pfarrer, fürs Zechen sehr empfänglich, spricht: »Während wir uns am Trunke erfreuen, erquicke du dich am Schlaf!« Darauf eilen die drei Gevattern ins Wirtshaus, rücken zum Kamin, reden hin und her, und der Wein schmeckt dazu prächtig. Mit lautem Gegrunz zieht eine Sauherde des Weges, angeführt von einem Köcher tragenden Sauhirten. Einochs hört, wie sich die Tiere an der Tonne den Rücken wetzen und ruft: »Ach, noch sind sie nicht besoffen!« Bei diesen Worten erschrickt der Sauhirt, er schlägt mit dem Stock auf die Eichentonne und ruft: »Was tatest du, Bösewicht, daß man dich hier hineinsperrte?« Einochs entgegnete: »Ich lehne die höchsten Ehren ab; die Bewohner dieser Gegend bedrängen mich Tag und Nacht, die Stelle eines Schulzen anzunehmen, aber das will ich nicht, denn mir genügt, was ich habe.« Der Sauhirt spricht voller Begier: »Mir ziemt diese Würde wohl, ich will an deiner Stelle Schulze werden. Ich bin geneigt, Unseliger, deine Tonne mit meinem Knüppel zu öffnen und mich hineinzusetzen.« Zu Einochs' Freude macht der Sauhirt die Reifen los, und das hölzerne Gefäß öffnet sich: nun wandelt sich das Schicksal wieder. Der Tor entfesselt Einochs und schmiegt sich dann in das hohle Faß, als wäre es ein Bett von Blumen. Einochs schlägt den Deckel zu, legt die Reifen wieder um und macht sich mitsamt der Sauherde auf unbegangenen Wegen aus dem Staube. Die drei Gevattern kehren vom Gelage zurück und wälzen die Tonne ins Meer. Da schallt es aus dem Inneren: »Ich will schon Schulze werden! Werft mich nur nicht ins Meer, ich tue euch ja euren Willen«. Entrüstet schreit der weinselige Schulze: »Was soll das Gefasel? Werft eilends die Tonne ins Meer, Gevattern, dann mag er im Wasser Schulze werden, dieser einfältige Einochs!« Die Tonne versinkt in der salzigen Flut, und nach dem armen Sauhirt fragt kein Teufel mehr. Die drei Narren aber meinen, mit dem Einochs sei es ein für allemal vorbei. Drei Tage später, während das Dorf in Sonntagsruhe liegt, kehrt Einochs zurück; er möchte die Gevattern wiedersehen. Er zieht durch den Ort und hält in der Rechten einen Stab; vor sich her treibt er eine große Sauherde. Von Zeit zu Zeit bläst er ins Horn und pfeift, wie es der Sauhirten Sitte ist, er ruft die Tiere und droht denen, die den Zahn wetzen. Einige gewahren den Hirten und glauben, er sehe dem Einochs ähnlich: »Das ist doch nicht unser Einochs? Der ist ja tot!« Dem Schulzen, dem Meier und dem Pfarrer wird gemeldet, der Einochs, der im Meer versenkt sei, wäre wieder da. Sie springen auf, sie glauben, es sei ein Spuk, der Schauder fährt durch ihr Gebein, und die Knie knicken ihnen zusammen. Sie sehen wohl die Gestalt, aber sie glauben nicht, daß er es selber sei, er, den sie doch mit eigner Hand getötet hatten. Und doch, er ist es. Um ihn trabt die ganze Herde. Sie fragen ihn: »Wer gab dir so viele Säue?« ‒ »Oh«, antwortet er, »das ist ein Wunder! Als ich ins Meer geschleudert ward, gelangte ich in ein herrliches Land. Nie wäre ich von dort zurückgekehrt, hätte ich nicht mein liebes Weib hiergelassen, sie, die ihr bei der Trompete Schall vom Tod erstehen saht. Ach, warum warfet ihr mich nicht schon ins Meer, als ich noch ein Knabe war, ich wäre damals schon glücklich und gescheit geworden! Euer Haß wies mir die Stelle, wo es unzählige Herden von Säuen gibt.« Der Schulze spricht voll Staunen: »Die Hoffnung auf Schinken mahnt uns, das Meer zu versuchen. Auf, mir nach! Wir wollen sehen, wer dümmer ist als ich.« Eiligst streben sie zum Strand. Sie hören das Brausen des Meeres und glauben, es sei Schweinegegrunz. »Wo geht es zu den Schweinen?« fragen sie Einochs. Der Schlaue zeigt ihnen die Stelle, wo das Ufer am steilsten ist und das Meer am tiefsten. »Hier ist's, hier taucht ohne Furcht hinein, mehr Schweine findet ihr im Meer als auf dem Lande.« Da stürzen die drei Narren kopfüber in die Flut, und der nasse Tod ereilt sie.

Den verschlagenen Ratschlägen eines Feindes darf man nicht glauben, das lehrt diese Geschichte von nun an bis in Ewigkeit.

Vom König, der alles glaubte

Ich weiß ein Schelmenliedchen fein,

das üb' ich gleich den Kindern ein,

daß alles sie zum Lachen bringen,

wenn sie die Schelmenverse singen.

 Ein König eine Tochter hätt,

war wohlgestalt und zier und nett,

der macht in seinem ganzen Land

ein feierlich Gebot bekannt,

wer die Prinzessin freien wollte,

daß der ein Ding erfüllen sollte:

 »Kommt vor mein Angesicht ein Mann,

der also grausam schwindeln kann,

daß ich ihn selber strafe Lügen,

dann soll er meine Tochter kriegen.«

 Ein Schwabe kam des Weges her

und meldet sich von ungefähr:

 »Ich bin einmal mit Pfeil und Bogen

allein zum Jagen ausgezogen.

Da kam ein Häsichen geloffen,

das hat mein Pfeil zu Tod getroffen.

Ich nehm den Burschen, weide

den Leib ihm aus und schneide

den Kopf mit meinem Messer ab.

Doch nun ich in den Händen hab,

so fliegen aus dem linken Löffel

goldgelben Honigs hundert Scheffel,

und quellen aus dem andern Ohr,

auch hundert Scheffel Erbsen vor.

Da faßt' ich in des Hasen Fell,

zerlegte dann ihn selber schnell,

und an der Blume, ganz, ganz hinten

Muß einen Königsbrief ich finden,

Der spricht Euch mir als eigen zu.«

»Das lügt der Brief«, der König schreit's, »und du!«

 So log der Schwab den König an

und ward des Königs Tochtermann.

Ein schöne History von einer Frawen mit zweyen Kindlin

Ein guter armer Mann hett ein Frau, von deren er zwei Döchterlin hett. Und aber, ehe die selbige Kindlin, deren das kleinst Margretlin und das größt Annelin hieß, erwachsen waren, starb ihm die erste Frau, derhalb er ein andere nahm. Nun warf aber die selbig Frau ein Neid auf das Margretlin und hätte gerne gewöllt, daß es tot wäre gewesen, doch dasselbig selbst umzubringen sie nicht gut daucht, und mit Listen zohe sie das älter Maidlin an sich, daß es ihr hold und der Schwester feind warde.

Und einsmal begab sich, daß die Mutter und die ältist Dochter beeinander saßen und beratschlagten, wie sie ihm doch tun wollten, daß sie des Maidlins abkämen, und beschlossen endlich, daß sie miteinander wollten in den Wald gehn und das Maidlin mit ihn nehmen, und in dem Wald wollten sie das Maidlin verschicken, daß es nicht mehr zu ihn kummen künnte.

Nun stund das Maidlin vor der Stubentür und hörte alle die Wort, so sein Mutter und Schwester wider es redten und Ursach zu seinem Tod suchten; sehr betrübt was, ohn all Ursach so jämmerlich zu sterben und von den Wölfen zerrissen zu werden. Und also betrübt ging es zu seiner Dotten oder Göttel, die es aus der Tauf gehebt hette, und klaget ihr die große Untreu und tödliche, mörderische Urteil, über sie von der Schwester und Mutter geschehen. »Nun wohlan«, sprach die gut alt Frau, »mein liebs Kind, dieweil dein Sach ein solche Gestalt hat, so gang hin und nimm Sägmehl und, wann du deiner Mutter nachgehst, streue es vor dir anhin! Wann sie hernacher schon von dir laufen, so geh du demselben Gespor nach, so kummst du wieder heim.«

Die gut Dochter tet, als ihr die alt Frau befohlen hett. Und wie sie hinaus in den Wald kam, setzt sich ihr Mutter nieder, und zum ältern Maidlin sagt: »Kumb her, Annelin, und such mir ein Laus! So geht dieweil das Gretlin hin und klaubet uns drei Bürden Holz; so wollen wir an diesem Ort warten, darnach gehn wir miteinander heim.«

Nun das gut arm Döchterlin zohe hin und streuet als vor ihm anhin das Sägmehl (denn es wohl wußt, wie es ihm gehn würde) und sammlete drei Bürdin Holz. Und als es die gesammlet, nahm es sie auf den Kopf und trug sie an das End, da es sein Stiefmutter und Schwester gelassen hett. Als es aber dar kam, fand es sie nicht, doch seine drei Büschlin auf dem Kopf behielt und seinem gemachten Weg nach wieder heimzohe, die drei Büschlin abwarf.

Und als es die Mutter ersahe, sprach sie zum Maidlin: »Annelin, unser Dochter ist wiederkummen und hat uns all unser Kunst gefehlet. Darumb wöllen wir morgen an ein ander Ort gehen und das Maidlin aber von uns schicken; so würd es nicht mehr mögen heimkummen, so sind wir hernacher sein ledig.«

Nun hett das gut Margretlin abermals solche Wort gehört, wieder zu seiner Göttel lief und ihr die Handlung anzeigt. »Wohlan«, sprach die Frau, »ich siehe wohl, daß sie dir nach deinem Leben stellen und nicht Ruh haben werden, bis sie dich umbringen. Darumb, so geh jetzt hin und nimm Spreuer und streu die abermals vor dir hin, wie du mit dem Sägmehl geton hast! So kannst du wieder heimkummen.«

Als nun das Maidlin wieder heimkam, sagt sein Mutter: »Kummet her, Gretlin und Annelin! Wir wöllen gehn in Wald.« Das älter Maidlin, als das umb alle Sach gar wohl wußt, auch Hilf und Rat darzu geton hette, ganz fröhlich, aber Gretlin hergegen ganz traurig hinauszoge. Und als sie in den Wald kamen, setzt sich die bös, arglistig, zernichtig Frau nieder und sagt zum Annelin: »Kumm her, Annelin, und fahe mir eine Laus! So gehet das Gretlin hin und suchet dieweil jeglichem ein Bürde Holz; darnach gehn wir wieder heim.«

Das arm Gretlin ging hin und suchet Holz, und ehe es wiederkam, war sein Mutter und Schwester hinweg. Nun ging das gute Gretlin mit seinem Holz den Spreuern nach, bis es wieder heimkam. Und als es von seiner Mutter gesehen ward, sagt sie zum Annelin: »Unser elend Maidlin kumbt wieder. Nun wöllen wir sehen, wie wir sein abkummen, und sollt es uns etwas Groß' kosten. Und wir wollen morgen wieder in Wald; da wollen wir sehen, daß es dahinden bleib.«

Solche Red das Maidlin abermals gehört hette und zum drittenmal zu seiner Basen ging, die Rats fraget, wie es ihm doch tun sollte. »Nun wohlan, liebs Kind«, sagt die Frau, »so geh hin und nimm Hanfsamen, säe den als vor dir anhin, darnach geh demselbigen nach wieder heim!«

Das gut Maidlin zoge abermals mit seiner Mutter und Schwester in den Wald und säet den Hanfsamen vor hin. Nun sagt die Mutter abermals wie sie vor zweimal gesagt hette: »Annelin, such mir ein Laus! So muß das Gretlin Holz suchen.«

Das arm Gretlin zohe hin und suchet Holz, gedacht: »Bin ich vor zweimal wieder heimkummen, so will ich das drittemal auch wieder heimkummen.« Und als es das Holz gesucht und wieder an das Ort kam, da es sein Mutter gelassen, waren sie aber hinweg. Und als das arm Maidlin seinem Weg nach wollte heimgehn, da hetten die Vögel den Samen allensammen aufgefressen. Ach Gott, wer was trauriger denn das arm Maidlin! den ganzen Tag im Wald umblief zu weinen und schreien und Gott sein Leid zu klagen, kein Weg finden kunnt, dardurch es möchte aus dem Wald kummen, auch so ferr in den Wald hineinkummen was, da ohne Zweifel nie kein Mensch gewesen. Als nun der Abend herzukam, und das arm verlassen Maidlin an aller Hilf verzweifelt hette, stieg es auf ein sehr hohen Baum, zu besichtigen, ob es doch irgendein Stadt, Dorf oder Haus ersehen möcht, darein es ginge, damit es nicht also jämmerlich den wilden Tieren zur Speis gegeben würde. In solchem Umbsehen sich begab, daß es ein kleins Räuchlin ersahe; behend ab dem Baum stiege und demselbigen Rauch zuginge und in wenig Stunden an das Ort kam, da dann der Rauch aufginge. Das war ein kleines Häuslin, darin niemands wohnet dann nur ein Erdkühlin.

Das Maidlin kam fürs Türlin und klopfet an, begehrt, man sollte es einlassen. Das Erdkühlin antwortet: »Ich laß dich wahrlich nicht herein, du verheißest mir dann, dein Lebtag bei mir zu bleiben und mich nimmermehr zu vermären.« Welches ihme das Maidlin gelobt, und alsbald ward es von dem Erdkühlin eingelassen. Und das Erdkühlin sagt: »Wohlan, du darfst nichts tun, weder eben mich des Abends und Morgens melken. Darnach issest du die selbig Milch von mir, so will ich dir Seiden und Sammat genug zutragen; darvon mach dir schöne Kleider, wie du sie begehrest! Gedenk aber und siehe, daß du mich nicht vermärest! Wann schon deine eigne Schwester zu dir kummt, so laß sie nicht herein, damit ich nicht verraten werd, daß ich an diesem End sei! Sunst hett ich das Leben verloren.« ‒ Nach solchen Worten an sein Weid ging und dem Maidlin des Abends, wann es heimkam, Seiden und Sammat bracht, darvon sich das gut Gretlin so schön kleidet, daß es sich wohl einer Fürstin hett vergleichen mögen.

Als sie nun bis in das ander Jahr also beieinander gewest waren, begab sich, daß dem größern Maidlin, so daheimgeblieben war und das jung Gretlin, sein Schwesterlin, ohn alle Schuld hett helfen in das Elend verjagen, in Gedanken kam und gedenken warde, wie es doch seinem Schwesterlin gehn möchte, das sie hett helfen ins Elend verjagen; kläglich anhub zu weinen und die große Untreu zu bedenken, die sie ihr ohn alle Schuld bewiesen hett. In Summa in ein solchen Reuen kam, daß sie nicht mehr bleiben könnt oder mocht, sundern sehen wollt, ob sie doch irgendein Beinlin von seinem Schwesterlin finden möcht, damit sie dasselbige heimtrüge und es in Ehren hielte.

Und eins Tags sie morgen früh hinaus in Wald ging und suchte und solich Suchen mit kläglichem Weinen so lang trieb, bis sie sich im Walde ganz und gar vergangen und verirret hett und nun die finster Nacht ihr auf dem Hals lag. Wer was da trauriger denn das Annelin? Erst gedenken ward, es solches wohl an seiner Schwester verdient hette, kläglich weinet, Gott umb Gnad und Verzeihung anrufet und bate. Doch war da nicht lang zu warten oder zu klagen, sondern den nächsten auf ein sehr hohen Baum stieg, zu besichtigen, ob es doch irgendein Haus sehen möcht, darin es über Nacht bliebe, damit es nicht also jämmerlich von den wilden Tieren zerrissen würde. Und in solchem Umbsehen ersahe es ein Rauch aus dem Häuslin gehn, darin sein Schwester war; von Stund an dem Haus zu nahet, nicht anderst meinet, dann es eines Hirten oder Waldbruders Häuslin wäre.

Und als es zu dem Haus kam, klopfet es an; da es bald von seiner Schwester, wer da wäre, gefragt ward. »Ei«, sprach das Annelin, ich bin ein armes Maidlin und in dem Wald verirret und bitte, daß man mich durch Gottes Willen über Nacht behalte. Das Gretlin sahe durch ein Spältlin außer und erkannte, daß es sein untreue Schwester was; bald anhub und sprach: »Wahrlich, liebs Maidlin, ich darf dich nicht hereinlassen; denn es mir verboten ist. Wann sunst mein Herr käm und ich jemand Fremds hette einher gelassen, so würd er mich schlagen. Darumb ziehe fürt!« Das arm Maidlin wollt sich nicht lassen abreden noch vertreiben, sunder mit Bitten seinem unerkannten Schwesterlin anlag, daß es ihm die Tür auftät und hineinließ.

Und als es hineinkam, erkannt es sein Schwester, fing an heiß zu weinen und Gott zu loben, daß sie es noch lebendig funden hett, nieder auf seine Knie fiel und es bat, daß es ihme verzeihen sollt alles das, so es wider sie getan. Darnach sie freundlich bat, daß sie ihr doch sagen wollt, wer bei ihm wär, daß sie so schön und wohl gekleidet ginge. Das gut Gretlin, dem verboten war, zu sagen, bei wem es wäre, mancherlei Ausred erfand und herfür zohe; dann einmal sagt es, es wär bei einem Wolf, das andermal, bei einem Bären. Welches alles das Annelin nicht glauben wollt, dem Gretlin, seinem Schwesterlin, süß zuredet, ihr die Wahrheit zu sagen. Und das Maidlin auch (wie dann aller Weiber Brauch und Gewohnheit ist, daß sie mehr schwätzen, weder ihnen befohlen ist) sehr kläffig war und zu seinem Schwesterlin sagt: »Ich bin bei einem Erdkühlin. Aber lug, verrat mich nicht!«

Als solches das Annelin höret, welches seiner Untreu an der Schwester noch kein Genüge geton hett, bald sagt: »Wohlan, führ mich wieder auf den rechten Weg, damit ich heimkumme!« Welches das Gretlin bald tät. Und da mein guts Annelin heimkame, sagt es seiner Mutter, wie sie ihr Schwester bei einem Erdkühlin funden hätte und wie es so köstlich gekleidet ginge. »Wohlan«, sprach die Mutter, »so wöllen wir die zukünftig Wochen hinausziehen und das Erdkühlin sampt dem Gretlin heimführen; so wöllen wir das Kühlin metzgen und essen.«

Solches alles das Erdkühlin wohl wußt, und als es des Abends spät heimkam, sagt es weinend zum Maidlin: »Ach, ach, mein allerliebstes Gretlin, was hast du geton, daß du dein falsche Schwester hast eingelassen und ihr gesagt, bei wem du bist. Und nun siehe, dein zernichte Mutter und Schwester werden die zukünftig Wochen herauskummen und mich und dich heimführen. Mich werden sie metzgen und essen, dich aber bei ihnen behalten, da du übler gehalten würst dann vor nie.«

Nach solchen Reden sich so kläglich stellt, daß das arm Maidlin anfing zu weinen und vor Traurigkeit vermeint zu sterben, sehr gereuen ward, daß es sein Schwester hatt eingelassen. Doch tröstet es das Erdkühlin und sprach: »Nun wohlan, liebs Maidlin, dieweil es je geschehen ist, so kann es nicht wieder zurückgetrieben werden. Darumb tu ihm also: Wann mich der Metzger jetz geschlagen hat, so stand und weine! Wann er dich dann fraget, was du willst, so sprich: ›Ich wollt gern meins Kühlin Schwanz‹, den würd er dir geben. Wann du den hast, so fahe aber an zu weinen und begehr das ein Horn von mir! Wann du dasselbig auch hast, so weine aber! Wann man dich dann fragt, was du willst, so sprich: ›Ich wollt gern mein Kühlins Schühlin.‹ Wann du den hast, so geh hin und setz den Schwanz in die Erden, auf den Schwanz das Horn, und auf das Horn setz das Schühlin und geh nicht darzu bis an dritten Tag! Und am dritten Tag wird ein Baum daraus worden sein; derselbig wird Sommer und Winter die schönsten Öpfel tragen, die ein Mann je gesehen hat. Und niemands wird sie künden abbrechen dann du allein, und durch denselbigen Baum würst du wieder zu einer großen mächtigen Frauen werden.«

Als man nun das Kühlin schlachtet, stund das Margretlin und begehrte die Ding alle, wie ihm sein Kühlin befohlen hett, die ihme auch geben warden. Und es ging hin, steckets in die Erden, und am dritten Tag war ein schöner Baum daraus gewachsen.

Nun begab sich, daß ein gewaltiger Herr für ritte; der selbig sein Suhn mit ihm führte, der das Fieber oder kalt Wehe hatte. Und als der Suhn die schönen Öpfel sahe, sprach er: »Mein Herr Vatter, lassen mir Öpfel bringen von diesem Baum. Mir ist, ich würde gesund darvon werden.« Der Herr von Stund an rufet, man sollt ihm Öpfel bringen, er wollt sie teur genug bezahlen.

Die älter Dochter den nächsten zum Baum ging und Öpfel darvon brechen wollt. Da zogen sich die Äst allesammen in die Höhe, also, daß sie kein erlangen mocht. Da rüft sie der Mutter und sprach, sie sollte Öpfel abbrechen und sie dem Herren geben. Als aber die arge Frau Öpfel abbrechen wollt, zogen sich die Äst noch viel höher auf, welches der Herr alles wohl gesehen hätt, sich heftig verwundert.

Und letztlich kam das Margretlin zum Baum, Öpfel zu brechen, zu dem sich die Äst neigten und es willig Öpfel abbrechen ließen; welches den Herren noch viel mehr verwundert, und meinet, sie vielleicht eine heilige Frau wäre, sie beruft und sie des Wunders fraget. Dem die gut Dochter die ganz Handlung, was sich ihrer Mutter, Schwester und des Erdkühlins halber verloffen hätt, von Anfang bis zu End anzeiget.

Der Herr, als er die Sach vernummen hatt, die Jungfrau fraget, ob sie mit ihme darvon wollt. Welches die gut Dochter wohl zufrieden was, ihren Baum ausgrub und sich sampt ihrem Vater zu dem Herren auf den Wagen setzt, von dem sie freundlich und ehrlich empfangen wurden, hinfuhren, ihr schalkhaftige Mutter und Schwester sitzenließen.

Vom Ursprung des Namens Bärnhäuter

Die so den Ursprung des teutschgegebenen Schandnamens Bärnhäuter per Etymologiam ausecken wollen, haben vermeint, daß vor alten Zeiten, da die alten Teutschen noch auf allerhand Häuten geschlafen, diejenige zum Spott mit diesem Namen genennet worden, die immerhin aus Faulheit auf ihrer Bärnhaut liegen blieben, und nie nichts Tapfers auszurichten begehrt. Es mag sein, mir gedenkt so weit hinaus nicht, daß ich Nachricht darvon geben könnte. Aber auf dem Schloß Hohenrot hat sich ein uraltes Gemäld gefunden, darvon auch beigefügtes Bildnüs kopiert worden, mit nachfolgendem Bericht, woraus dieser Name entsprungen.

Im Jahr 1396, als Sigismundus, damaliger ungarischer König, von dem türkischen Kaiser Celapino geschlagen wurde, ist ein teutscher Landsknecht aus der Schlacht in einen Wald entronnen und darin verirret. Weil er nun noch darzu keinen Herren, keinen Krieg, kein Geld und auch kein Hantierung oder sonst einig Mittel wußte, sich inskünftig zu ernähren, hatte er allerhand schwermütige Gedanken. Da erschien ihme ohngefähr und ehe er sichs versahe, ein abscheuliches Gespenst oder Geist, weiß nicht, ob's der böse Feind selber gewesen oder nicht, und sagte, wann er ihm dienen wollte, so wollte er ihm Gelds genug geben und ihn endlich gar zu einem Herrn machen.

»O ja!« antwortet der Landsknecht, »aber mit dem Geding, daß mir solche Dienste an meiner Seligkeit nicht schädlich seien.«

»Ich muß aber auch zuvor sehen«, sagte der Geist, »was du kannst, und was du vor eine Courage habest, damit ich mein Geld nicht umbsonst ausgebe.«

Indem er solches redet. kam ein großer ungeheurer Bär daher geloffen. »Diesen«, sagte der Geist, »schieße vor den Kopf!« Der Landsknecht war nicht unbehend, sondern traf den Bären auf die Nase, daß er über und über burzelte.

Da solches geschehen war, fing das Gespenst oder Geist an, mit ihm zu kapitulieren und sagte: »Wann du mir dienen willst, so mußt du mir sieben Jahr zu dienen versprechen, und in denselbigen alle Nacht ein Stund Schildwacht umb Mitternacht stehen, deine Haar und Bart weder kämpeln, noch selbige wie auch die Nägel nicht abschneiden, die Nase nicht schneuzen, deine Händ und das Angesicht nicht wäschen, den Hindern nicht wischen, diese Bärnhaut anstatt deines Mantels und Betts brauchen und niemal kein Vatterunser beten.

Hingegen will ich dich mit Komiß, Bier, Tabak und Branntewein versehen, daß du kein Mangel haben sollst, und nach den sieben Jahren einen solchen Kerl aus dir machen, daß du dich über dich selbst verwundern wirst müssen.« Der Landsknecht ging alles ein und sagte zum Geist: »Alles, was du mir zu unterlassen gebotten hast, habe ich von Natur mein Tage niemal gern getan: Ich wasch mich nicht gern, ich bette nicht gern etc.«

Nach geschlossenem Akkord begehrte der Geist seinen Namen zu wissen, umb ihn in seine Roll, die er bei sich hat, zu schreiben. Als er aber eines Heiligen Namen nennete, sprach der Geist: »Dieser taug mir nicht; du sollst Bärnhäuter heißen wegen der Bärnhaut, damit du heut begabt bist worden.«

Darauf zog er dem Bärn die Haut ab und machte seinem Neugebornen einen Mantel daraus. Und führt ihn mitsamt derselben Haut und aller seiner übrigen Bagage durch die Wolken auf sein Lusthaus dahin, welches öde Schloß von dieser wunderbaren Fahrt seinen Namen bekommen haben soll. Daselbst versahe der Landsknecht seine siebenjährige Dienste und wurde in solcher Zeit von Haut, Haar, Bart und Nägeln ein solcher abscheulicher Unflat, daß er dem Geist selbst ähnlicher sahe als einem vernünftigen Menschen, der nach Gottes herrlichem Ebenbild erschaffen worden, sonderlich wann er anstatt eines ehrbarn Mantels seine liebliche Bärnhaut umb sich hatte. Dann seine Haar wurden lauter Höllenzöpf, die ihm umb die Achseln herumb hingen wie indianische Schafschwänze; sein Bart war s. ‌h. von Rotz, Geifer und andern Unlust ineinander gebicht wie ein grober Filzhut; seine Nägel hatten eine Gestalt wie Adlersklauen, und sein Angesicht lag so voller mistigem Unflat, daß man dem gemeinen Sprichwort nach gar wohl hätte Rubsamen hineinsäen können.

Nachdem er aber die sieben Jahr beinahe überstanden hatte, kam der Geist von sich selbst und deutet ihm an, daß es nunmehr Zeit wäre, einmal mit ihm abzurechnen und ihn der Gebühr nach auszuzahlen. Doch steckte er ihm zuvor seine Hosensäcke voller Dukaten und Pistolen und befahl ihm, sich lustig zu machen und kein Geld zu sparen, sondern zu tun und zu lassen, was seinem Herzen geliebte und dem Geld wehe tät; aber dergestalt, daß er aus den Schranken des getroffenen Akkords seiner bisherigen Gewohnheit nicht schreiten sollte, weil seine sieben Jahr noch nicht vollkommlich verflossen waren, in denen sie sich zusammen verbunden.

Der Landsknecht gehorsambte.

Da ihn aber wegen seiner greulichen Abscheulichkeit niemand aufnehmen wollte, wurde er traurig.

Nachdem er aber auch von einem Würt, deren Profession ist, dem Frembden umb die Gebühr Kost und Herberg mitzuteilen, abgewiesen wurde, zeigte er ihm aus dem einen Hosensack eine Handvoll Dukaten und aus dem andern eine Handvoll Duplonen und wurde darauf dessen willkommener Gast.

Der Würt logierte ihn in ein besonder Zimmer, in welchem er ihn auch absonderlich traktierte, damit andere Gäste ob seiner häßlichen Gestalt kein Abscheuens haben, noch ihm seinetwegen die Herberg in kein bös Geschrei bringen sollten.

In demselben mästete sich der Bärnhäuter von des Geistes Gelde aus, bis der Geist einen edlen Herren vom Lande auf der Reis begriffen zu sein wußte, der in selbiger Herberg einkehren würde. Da kam er bei Nacht und malete in selbigem Zimmer alle Contrafet nach dem Leben der berühmtesten Personen, so seit Erschaffung der Welt gelebt hatten, als des Kains, Lamechs, Nimrods, Nini, Zoroastris, der Helenä, der traojanischen und griechischen Fürsten, nicht weniger Sesostris, Nabuchodonosoris, Cyri, Alexandri Magni, Julii Cäsaris, Neronis, Caligulä, des Mahomets etc.; ja sogar auch deren Bildnus, so noch in die Welt kommen sollten, als der Widerchristen und anderer etc.; worüber sich der Würt nicht unbillig verwunderte, vornehmblich als der Bärnhäuter ausgab, er hätte diese Gemälte selbst verfertigt.

Als nun angeregter edle Herr gegen Abend seine Herberg dort nahm und seinen Würt, der ihm bekannt war, fragte: »Was Neus?« erzählte er ihm alles, was er von seinem seltsamen Gast wußte und nicht wußte, als seinen wunderlichen Aufzug, seine große Kunst in der Malerei, und daß er Gelds vollauf hätte.

Der Herr antwortet: »Ich muß dies ohngewöhnlich Wunder morgen auch sehen, sonst werde ich Euch, was Ihr mir gesagt, schwerlich glauben.«

Wie er des Morgens frühe selber sahe, was er gehöret hatte, befande sich zwischen ihm und dem Würt kein anderer Unterscheid, als daß er die Kunst der Malerei besser als jener verstunde, und sich dannenhero auch beides, über die kunstreiche Hand und die Arbeit selbst, mehrers wunderte, dann ihre Perfektion war ohnvergleichlich, und indem er sahe, daß sich viel Contrafet mit denen künstlichen Antiquitäten verglichen, die er allbereit anderwärtlich gesehen, glaubt er, daß die übrige auch denjenigen gleichsahen, deren Bildnus sie repräsentieren und die er bisher noch nicht gesehen. Er fragte den Bärnhäuter, ob er solche Arbeit gemacht hätte. Derselbe aber fragte hinwiederumb: »Wer sonst?« Der Herr sagte hierauf: »So mußt du viel wissen, wann du auch die Gestalten der künftigen Menschen zu entwerfen weißt!« ‒ »Allzeit!« antwortet der Bärnhäuter, »weiß ich mehr, weder mancher vermeint.« Der Herr fragte: »Wer bist du?« Jener antwortet: »Ich bin der Oberst Bärnhäuter, ein Soldat von Fortun, und hab mich neulich im Krieg wider den Türken brauchen lassen.«

Weil nun dieses ein neuer und noch kein schändlicher Namen war, fragte ihm der Herr auch nicht weiters nach, sonder sagte: »Ich hab drei Töchter von gleicher schöner Gestalt, welche auch ihre Mutter ihrer Ähnlichkeit wegen oft selbst voreinander nicht kennet, ich will dich solche sehen lassen, wirst du nun wissen, welches die älteste, die mittler und die jüngste sei, so will ich dir eine davon zum Weib geben, welche du under ihnen haben willst, wo nicht, so sollst du sambt deinem Vermögen mir zum Eigentum verfallen sein.«

Da der Bärnhäuter dessen zufrieden, nahm ihn der edle Herr mit heim, ihn seine Töchter zu solchem Ende sehen zu lassen.

Der Geist aber eschien ihm wieder und sagte zum Bärnhäuter: »Wisse, dieser Herr pflegt auf solche Fäll die jüngste in die Mitte und die älteste auf der linken, die mittlere aber auf ihre rechte Seite zu stellen.«

Als er nun auf solchen Unterricht sagen konnte, welches die erst, die ander und dritte war, zumalen die jüngste zum Weib begehrt, schwur der Herr alsobalden, er wollte seine Paroln halten, wie es einem ehrlichen Kavalier gebühre, Gott geb, was die Mutter darzu sagte, und wie sich sein Kind darzu bequembte.

Er wollte auch die Hochzeit gleich für sich gehen lassen, ehe ein ander Gewirr dreinkäme; aber der Bärnhäuter wollte nicht, sonder wendet andere Geschäften vor doch mit Versprechen, bald wiederzukommen, und da er einen kostbaren Ring, der hierzu gemacht war, voneinander geschraubt und ein Teil darvon seiner Braut gegeben hatte, ging er seines Wegs.

Die Jungfrau Hochzeiterin aber kleidet sich vor Traurigkeit schwarz und wünschte vergeblich, lieber allein zu leben, als sich mit dem abscheulichen Bärnhäuter zu verehelichen.

Aber was half's? Ihr Herr Vatter wollt's also haben.

Ihre Schwestern gönneten ihr diesen Heurat; sie vexierten sie täglich mit ihrem schönen Hochzeiter und erneuerten damit stündlich und täglich die Wundes ihres ohnedas traurigen Herzens, welches sie doch alles mit Geduld überwande.

Der Geist kam hingegen wieder und führte den Bärnhäuter in den Rhein ins Bad; er richtet ihm seine Haar und beschor selbige sambt dem garstigen Bart auf die neue Mode und zieret ihn dergestalt auf durch besondern Anstrich, daß er dem schönsten Kavalier vergliche.

»Jetzt gehe hin nach N.«, sagte er zu ihm, »und mondiere dich wie ein rechter ehrlicher Obrister und lebe wie ein Herr.

Ich will meine Schätze auftun, die ich hierumb vergraben habe, und dir Gelds genug hierzu geben.«

Weil nun dem Bärnhäuter kein erwünschterer Befelch hätt kommen können, war er desto gehorsamer.

Er hielte sich mit schönen Pferden, herrlichen Kutschen, köstlichen Kleidern und vielen Dienern Livree wie ein Großwesir, und da es dem Geist Zeit sein däuchte, stellte er sich wieder ein und sagte zu ihm: »Jetzt fahr hin und vollziehe deinen Heurat!« und damit er desto reicher erscheinen konnte, füllete er ihm beide Gutschenkisten voller Geld, welches er ihm beides, zur Beschuldigung und zum Heuratgut, mitgab. Also machte er sich auf die Reis und schickte einen Trompeter voran, seinem künftigen Schwäher neben Vermeldung seines Diensts und Grußes anzuzeigen, daß ein stattlicher Kavalier auf dem Weg begriffen wäre, ihme zuzusprechen und seinem Frauenzimmer gebührend aufzuwarten, mit einem Wort, eine aus seinen Töchtern zum Gemahl zu begehren, wofern er anderst gelitten werden möchte und keine Ungelegenheit machte.

Als er nun die höfliche Antwort bekam, daß er ein lieber Gast sein würde, ist er mit seiner Suite prächtig eingezogen und wohl empfangen, auch zu Bezeugung mehrerer Willfährigkeit oben an die Tafel zwischen die beide älteste Töchter gesetzt worden, welche sich auch, ihm zu gefallen, weil ihn jede zu bekommen verhofft, trefflich geschmückt hatten.

Die jüngste aber behalf sich unden an der Tafel wie ein Turteltäublein, das seinen Gemahl verlorn, sintemal sie als eine Versprochene keine Hoffnung schöpfen dörfte, diesen ansehnlichen Herrn zu bekommen, wessentwegen ihr die Schwestern mit den Augen manchen höhnischen Blick und mit Worten manchen empfindlichen und verächtlichen Stich gaben, welches ihr tief ins Herz geschnitten.

Als nun der Bärnhäuter nach Vorweisung seines vielen Golds das Jawort, und under den Töchtern von Vatter und Mutter die Wahl bekam, zumalen noch jede von den ältesten Schwestern ihn zu bekommen festiglich verhoffte, offenbarte er sich der jüngsten durch ein Stück des voneinandergeschraubten Rings, davon er ihr hiebevor ein Teil zugestellt.

So hoch nun diese hierdurch erfreuet wurde, so sehr erschraken hingegen jene beide, als sie sich ihrer Hoffnung so gählings beraubt sahen; sie wurden so bestürzt, daß sie nicht mehr wußten, was sie täten, und ihre Eltern wurden so erfreut über der einen Tochter Glück, daß sie der andern beiden Anliegen nicht wahrnahmen, welche zugleich von Schamhaftigkeit und dem Neid gegen ihrer Schwester angefochten wurden, als daß sich die eine selbst erhenkt, die ander aber in einen Brunnen stürzte.

»Also«, sagte der Geist, der dem Bärnhäuter ganz fröhlich erschiene, »nun haben wir miteinander ausgefischt; du hast eine und ich zwo von den Töchtern bekommen, die hiebevor ihr Vatter manchen ehrlichen Kavalier versagt.«

Mein hochverehrter und respektive großgünstiger lieber Leser nehme vor diesmal hiemit verlieb und urteile aus dieser Erzählung, was er will. Alsdann werde ich verhoffentlich mit der Erläuterung hernachkommen.

Jorinde und Joringel

Es war einmal ein altes Schloß, mitten in einem großen, dicken Wald, darinnen wohnte eine alte Frau ganz allein, das war eine Erzzauberin. Am Tage machte sie sich zur Katze oder zur Nachteule, des abends aber wurde sie wieder ordentlich wie ein Mensch gestaltet. Sie konnte das Wild und die Vögel herbeilocken, und dann schlachtete sie, kochte und briet es. Wenn jemand auf hundert Schritte dem Schloß nahe kam, so mußte er stillestehen und konnte sich nicht von der Stelle bewegen, bis sie ihn lossprach; wenn aber eine keusche Jungfrau in diesen Kreis kam, so verwandelte sie dieselbe in einen Vogel und sperrte sie dann in einen Korb ein und trug den Korb in eine Kammer des Schlosses. Sie hatte wohl siebentausend solcher Körbe mit so raren Vögeln im Schlosse.

Nun war einmal eine Jungfrau, die hieß Jorinde; sie war schöner als alle anderen Mädchen. Die, und dann ein gar schöner Jüngling, namens Joringel, hatten sich zusammen versprochen. Sie waren in den Brauttagen, und sie hatten ihr größtes Vergnügen eins am anderen. Damit sie nun einsmalen zusammen reden könnten, gingen sie in den Wald spazieren. »Hüte dich«, sagte Joringel, »daß du nicht so nahe ans Schloß kommst.« Es war ein schöner Abend, die Sonne schien zwischen den Stämmen der Bäume hell ins dunkle Grün des Waldes, und die Turteltaube sang kläglich auf den alten Maibuchen. Jorinde weinte zuweilen, setzte sich hin im Sonnenschein und klagte; Joringel klagte auch. Sie waren so bestürzt, als wenn sie hätten sterben sollen; sie sahen sich um, waren irre und wußten nicht, wohin sie nach Hause gehen sollten. Noch halb stand die Sonne über dem Berg, und halb war sie unter. Joringel sah durchs Gebüsch und sah die alte Mauer des Schlosses nah bei sich; er erschrak und wurde todbang. Jorinde sang:

»Mein Vöglein mit dem Ringlein rot

singt Leide, Leide, Leide;

es singt dem Täublein seinen Tod,

singt Leide, Lei-zicküth, zicküth, zicküth.«

Joringel sah nach Jorinde. Jorinde war in eine Nachtigall verwandelt, die sang: »Zicküth, zicküth.« Eine Nachteule mit glühenden Augen flog dreimal um sie herum und schrie dreimal: »Schu, hu, hu, hu.« Joringel konnte sich nicht regen: er stand da wie ein Stein, konnte nicht weinen, nicht reden, nicht Hand noch Fuß regen. Nun war die Sonne unter: die Eule flog in einen Strauch, und gleich darauf kam eine alte krumme Frau aus diesem hervor, gelb und mager, große rote Augen, krumme Nase, die mit der Spitze ans Kinn reichte. Sie murmelte, fing die Nachtigall und trug sie auf der Hand fort. Joringel konnte nichts sagen, nicht von der Stelle kommen, die Nachtigall war fort. Endlich kam das Weib wieder und sagte mit dumpfer Stimme: »Grüß dich, Zachiel, wenn's Möndel ins Körbel scheint, bind los, Zachiel, zu guter Stund.« Da wurde Joringel los. Er fiel vor dem Weib auf die Knie und bat, sie möchte ihm seine Jorinde wiedergeben, aber sie sagte, er solle sie nie wiederhaben, und ging fort. Er rief, er weinte, er jammerte, aber alles umsonst. »Uu, was soll mir geschehen?« Joringel ging fort und kam endlich in ein fremdes Dorf; da hütete er die Schafe lange Zeit. Oft ging er rund um das Schloß herum, aber nicht zu nahe dabei. Endlich träumte er einmal des Nachts, er fände eine blutrote Blume, in deren Mitte eine schöne große Perle war. Die Blume brach er ab, ging damit zum Schlosse: alles, was er mit der Blume berührte, ward von der Zauberei frei; auch träumte er, er hätte seine Jorinde dadurch wiederbekommen. Des Morgens, als er erwachte, fing er an, durch Berg und Tal zu suchen, ob er eine solche Blume fände; er suchte bis an den neunten Tag, da fand er die blutrote Blume am Morgen früh. In der Mitte war ein großer Tautropfe, so groß wie die schönste Perle. Diese Blume trug er Tag und Nacht bis zum Schloß. Wie er auf hundert Schritt nahe bis zum Schloß kam, da ward er nicht fest, sondern ging fort bis ans Tor. Joringel freute sich hoch, berührte die Pforte mit der Blume, und sie sprang auf. Er ging hinein, durch den Hof, horchte, wo er die vielen Vögel vernähme; endlich hörte er's. Er ging und fand den Saal, darinnen war die Zauberin und fütterte die Vögel in den siebentausend Körben. Wie sie den Joringel sah, ward sie bös, sehr bös, schalt, spie Gift und Galle gegen ihn aus, aber sie konnte auf zwei Schritte nicht an ihn kommen. Er kehrte sich nicht an sie, ging und besah die Körbe mit den Vögeln; da waren aber viele hundert Nachtigallen, wie sollte er nun seine Jorinde wiederfinden? Indem er so zusah, merkte er, daß die Alte heimlich ein Körbchen mit einem Vogel wegnahm und damit nach der Türe ging. Flugs sprang er hinzu, berührte das Körbchen mit der Blume und auch das alte Weib; nun konnte sie nichts mehr zaubern, und Jorinde stand da, hatte ihn um den Hals gefaßt, so schön wie sie ehemals war. Da machte er auch alle die andern Vögel wieder zu Jungfrauen, und da ging er mit seiner Jorinde nach Hause, und sie lebten lange vergnügt zusammen.

Die Bücher der Chronika der drei Schwestern

Erstes Buch

Ein reicher, reicher Graf vergeudete sein Gut und Habe. Er lebte königlich, hielt alle Tage offne Tafel; wer bei ihm einsprach, Ritter oder Knappe, dem gab er drei Tage lang ein herrliches Bankett, und alle Gäste taumelten mit frohem Mut von ihm hinweg. Er liebte Brettspiel und Würfel; sein Hof wimmelte von goldgelockten Edelknaben, Läufern und Heiducken in prächtiger Livree, und seine Ställe nährten unzählige Pferde und Jagdhunde. Durch diesen Aufwand zerrannen seine Schätze. Er verpfändete eine Stadt nach der andern, verkaufte seine Juwelen und Silbergeschirr, entließ die Bedienten und erschoß die Hunde; von seinem ganzen Eigentum blieb ihm nichts übrig als ein altes Waldschloß, eine tugendsame Gemahlin und drei wunderschöne Töchter. In diesem Schlosse hauste er von aller Welt verlassen, die Gräfin versah mit ihren Töchtern selbst die Küche, und weil sie allerseits der Kochkunst nicht kundig waren, wußten sie nichts als Kartoffeln zu sieden. Diese frugalen Mahlzeiten behagten dem Papa so wenig, daß er grämlich und mißmutig wurde und in dem weiten leeren Hause so lärmte und fluchte, daß die kahlen Wände seinen Unmut widerhallten. An einem schönen Sommermorgen ergriff er aus Spleen seinen Jagdspieß, zog zu Walde, ein Stück Wild zu fällen, um sich eine leckerhafte Mahlzeit davon bereiten zu lassen.

Von diesem Walde ging die Rede, daß es darin nicht geheuer sei; manchen Wanderer hatte es schon irregeführt, und mancher war nie daraus zurückgekehrt, weil ihn entweder böse Gnomen erdrosselt oder wilde Tiere zerrissen hatten. Der Graf glaubte nichts und fürchtete nichts von unsichtbaren Mächten, er stieg rüstig über Berg und Tal und kroch durch Busch und Dickicht, ohne eine Beute zu erhaschen. Ermüdet setzte er sich unter einen hohen Eichbaum, nahm einige gesottene Kartoffeln und ein wenig Salz aus der Jagdtasche, um hier sein Mittagsmahl zu halten. Von ungefähr hub er seine Augen auf, siehe da! ein grausam wilder Bär schritt auf ihn zu. Der arme Graf erbebte über diesen Anblick, entfliehen konnte er nicht, und zu einer Bärenjagd war er nicht ausgerüstet. Zur Notwehr nahm er den Jägerspieß in die Hand, sich damit zu verteidigen, so gut er könnte. Das Ungetüm kam nahe heran; auf einmal stunds und brummte ihm vernehmlich diese Worte entgegen: »Räuber, plünderst du meinen Honigbaum? Den Frevel sollst du mit dem Leben büßen!« ‒ »Ach«, bat der Graf, »ach, freßt mich nicht, Herr Bär, mich lüstet nicht nach Eurem Honig, ich bin ein biedrer Rittersmann. Seid Ihr bei Appetit, so nehmt mit Hausmannskost vorlieb und seid mein Gast.« Hierauf tischt er dem Bären alle Kartoffeln in seinem Jagdhute auf. Dieser aber verschmähte des Grafen Tafel und brummte unwillig fort: »Unglücklicher, um diesen Preis lösest du dein Leben nicht; verheiß mir deine große Tochter Wulfild augenblicks zur Frau, wo nicht, so freß ich dich!« In der Angst hätte der Graf dem veramorten Bären wohl alle drei Töchter verheißen und seine Gemahlin obendrein, wenn er sie verlangt hätte, denn Not kennt kein Gesetz. »Sie soll die Eure sein, Herr Bär«, sprach der Graf, der anfing, sich wieder zu erholen; »doch«, setzte er trüglich hinzu, »unter dem Beding, daß Ihr nach Landesbrauch die Braut löset und selber kommt, sie heimzuführen.« ‒ »Topp«, murmelte der Bär, »schlag ein«, und reichte ihm die rauhe Tatze hin, »in sieben Tagen lös ich sie mit einem Zentner Gold und führ mein Liebchen heim.« ‒ »Topp«, sprach der Graf, »ein Wort, ein Mann!« Drauf schieden sie in Frieden auseinander, der Bär trabte seiner Höhle zu, der Graf säumte nicht, aus dem furchtbaren Walde zu kommen, und gelangte bei Sternenschimmer kraftlos und ermattet in seinem Waldschloß an.