Die schönsten Kindermärchen - Richard von Volkmann - E-Book

Die schönsten Kindermärchen E-Book

Richard von Volkmann

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Beschreibung

In 'Die schönsten Kindermärchen' von Richard von Volkmann werden die Leser in eine Welt voller Fantasie und Magie entführt. Der Autor präsentiert eine Sammlung traditioneller Märchen, die sowohl Kinder als auch Erwachsene gleichermaßen begeistern. Von Volkmanns literarischer Stil ist geprägt von einer klaren und zugänglichen Sprache, die es jedem Leser ermöglicht, sich in die Geschichten zu vertiefen. Diese Märchen sind zeitlos und bieten sowohl Unterhaltung als auch Lehren für das Leben. Die Auswahl und Bearbeitung der Märchen spiegelt die kulturelle Bedeutung und den literarischen Kontext wider, in dem sie entstanden sind. Richard von Volkmann ist bekannt für sein Interesse an Volksmärchen und seine Fähigkeit, sie auf eine Weise zu präsentieren, die die Leser fesselt. Seine Liebe zur Tradition und zur Erzählung von Geschichten kommt in 'Die schönsten Kindermärchen' deutlich zum Ausdruck. Der Autor versteht es, die moralischen Werte und Lehren hinter den Märchen hervorzuheben, und schafft so ein Buch, das sowohl unterhaltsam als auch lehrreich ist. 'Die schönsten Kindermärchen' ist ein Buch, das sowohl Kindern als auch Erwachsenen empfohlen werden kann, die auf der Suche nach zeitlosen Geschichten sind, die die Fantasie anregen und zum Nachdenken anregen.

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Richard von Volkmann

Die schönsten Kindermärchen

Das Klapperstorch-Märchen + Der alte Koffer + Der kleine Mohr und die Goldprinzessin + Traumbuche…

Books

- Innovative digitale Lösungen & Optimale Formatierung -
2017 OK Publishing
ISBN 978-80-272-1219-4

Inhaltsverzeichnis

Das Klapperstorch-Märchen
Der alte Koffer
Der kleine Mohr und die Goldprinzessin
Der verrostete Ritter
Der Wunschring
Die AlteWeiber-Mühle
Die drei Schwestern mit den gläsernen Herzen
Die himmlische Musik
Die künstliche Orgel
Die Traumbuche
Eine Kindergeschichte
Goldtöchterchen
Heino im Sumpf
Pechvogel und Glückskind
Sepp auf der Freite
Vom unsichtbaren Königreiche
Von der Königin, die keine Pfeffernüsse backen, und dem König, der nicht das Brummeisen spielen konnte
Von Himmel und Hölle
Wie der Teufel ins Weihwasser fiel
Wie sich der Christoph und das Bärbel immer aneinander vorbeigewünscht haben

Das Klapperstorch-Märchen

Inhaltsverzeichnis

Wovon die Beine der Teckel so kurz sind, und daß sie sich dieselben abgelaufen haben, weiß jeder. Wie aber der Storch zu seinen langen Beinen gekommen ist, das ist eine ganz andere Geschichte.

Drei Tage nämlich, ehe der Storch ein kleines Kind bringt, klopft er mit seinem roten Schnabel an das Fenster der Leute, welche es bekommen sollen, und ruft:

»Schafft eine Wiege, Ein‘ Schleier für Fliegen, Ein buntes Röcklein, Ein weißes Jäcklein, Mützchen und Windel: Bring‘ ein klein Kindel!«

Dann wissen die Leute, woran sie sind. Doch zuweilen, wenn er sehr viel zu tun hat, vergißt er es, und dann gibt‘s große Not, weil nichts fertig ist.

Bei zwei armen Leuten, welche im Dorf in einer kleinen Hütte wohnten, hatte es der Storch auch vergessen. Als er mit dem Kinde kam, war niemand zu Hause. Mann und Frau waren auf Feldarbeit gegangen und Türe und Fenster verschlossen; auch war nicht einmal eine Treppe vor dem Hause, auf die er es hätte legen können. Da flog er aufs Dach und klapperte so lange, bis das ganze Dorf zusammenlief und eine alte Frau eilends aufs Feld hinaussprang, um die Leute zu holen.

»Herr Nachbar, Frau Nachbarin! Herr Nachbar, Frau Nachbarin!« rief sie schon von weitem, ganz außer Atem, »um Gottes Willen! Der Storch sitzt auf eurem Hause und will euch ein kleines Kind bringen. Niemand ist da, der ihm‘s Fenster aufmachen kann. Wenn ihr nicht bald kommt, läßt er‘s fallen, und ‘s gibt ein Unglück. Oben beim Müller hat er es vor drei Jahren auch fallen lassen, und das arme Wurm ist heute noch bucklig.«

Da liefen die beiden Hals über Kopf nach Haus und nahmen dem Storche das Kind ab. Wie sie es besahen, war es ein wunderhübscher kleiner Junge, und Mann und Frau waren vor Freude außer sich. Doch der Storch hatte sich über das lange Warten so geärgert, daß er sich vornahm, ganz bestimmt den beiden Leuten nie wieder ein Kind zu bringen. Als sie endlich kamen, sah er sie schon ganz schief und ärgerlich an, und während er fortflog, sagte er noch: »Heute wird‘s auch wieder spät werden, ehe ich zu meiner Frau Storchen in den Sumpf komme. Ich habe noch zwölf Kinder auszutragen, und es ist schon spät. Das Leben wird einem doch recht sauer!«

Doch die beiden Leute hatten in ihrer Herzensfreude es gar nicht bemerkt, daß sich der Storch so schwer geärgert. Eigentlich war er ja auch ganz allein daran schuld, daß er so lange hatte warten müssen, weil er es ihnen doch vergessen hatte, es ihnen vorher zu sagen. Wie nun das Kind wuchs und täglich hübscher wurde, sagte eines Tages die Frau:

»Wenn wir dem guten Storch, der uns das wunderhübsche Kind gebracht hat, nur irgend etwas schenken könnten, was ihm Spaß macht! Weißt du nichts? Mir will gar nichts einfallen!«

»Das wird schwerhalten«, erwiderte der Mann; »er hat schon alles!«

Am nächsten Morgen jedoch kam er zu seiner Frau und sagte zu ihr:

»Was meinst du, wenn ich dem Storch beim Tischler ein paar recht schöne Stelzen machen ließe? Er muß doch immer in den Sumpf, um Frösche zu fangen, und dann wieder in den großen Teich hinterm Dorf, aus dem er die kleinen Knaben herausholt. Da muß er doch sehr oft nasse Füße bekommen! Ich dächte auch, er hätte damals, als er zu uns kam, ganz heiser geklappert.«

»Das ist ein herrlicher Einfall!« entgegenete die Frau. »Aber der Tischler muß die Stelzen recht schön rot lackieren, damit sie zu seinem Schnabel passen!«

»So?« sagte der Mann; »meinst du wirklich rot? Ich hatte an Grün gedacht.«

»Aber, bester Schatz!« fiel die Frau ein, »wo denkst du hin? Ihr Männer wißt doch niemals, was zusammenpaßt und gut steht. Sie müssen unbedingt rot sein!«

Da nun der Mann sehr verständig war und stets auf seine Frau hörte, so bestellte er denn wirklich rote Stelzen, und als sie fertig waren, ging er an den Sumpf und brachte sie dem Storch.

Und der Storch war sehr erfreut, probierte sie gleich und sagte: »Eigentlich war ich auf euch recht böse, weil ihr mich damals so lange habt warten lassen. Weil ihr aber so gute Leute seid und mir die schönen roten Stelzen schenkt, so will ich euch auch noch ein kleines Mädchen bringen. Heute über vier Wochen werde ich kommen. Daß ihr mir dann aber auch hübsch zu Hause seid, und expreß es erst noch einmal ansagen werde ich nun nicht. Den Weg kann ich mir sparen! – Hörst du?«

»Nein, nein!« erwiderte der Mann. »Wir werden sicher zu Hause sein. Du sollst diesmal keinen Ärger davon haben.«

Als die vier Wochen um waren, kam richtig der Storch geflogen und brachte ein kleines Mädchen; das war noch hübscher als der kleine Junge, und war nun gerade das Pärchen voll. Auch blieben beide Kinder hübsch und gesund, und die Eltern auch, so daß es eine rechte Freude war. –

Nun wohnte aber im Dorf noch ein reicher Bauer, der besaß ebenfalls nur einen Knaben, und der war noch dazu ziemlich garstig, und der Bauer wünschte sich auch noch ein Mädchen dazu. Als er vernahm, wie es die armen Leute angefangen, dachte er bei sich, es könne ihm gar nicht fehlen. Er ging sofort zum Tischler und bestellte ebenfalls ein paar Stelzen, viel schöner wie die, welche die armen Leute hatten anfertigen lassen. Oben und unten mit goldenen Knöpfen und in der Mitte grün, gelb und blau geringelt. Als sie fertig waren, sahen sie in der Tat ungewöhnlich schön aus.

Darauf zog er sich seinen besten Rock an, nahm die Stelzen unter den Arm und ging hinaus an den Sumpf, wo er auch gleich den Storch fand.

»Ganz gehorsamer Diener, Euer Gnaden!« sagte er zu ihm und machte ein tiefes Kompliment.

»Meinst du mich?« fragte der Storch, der auf seinen schönen roten Stelzen behaglich im Wasser stand.

»Ich bin so frei!« erwiderte der Bauer.

»Nun, was willst du?«

»Ich möchte gern ein kleines Mädchen haben, und da hat sich meine Frau erlaubt, Euer Gnaden ein kleines Geschenk zu schicken. Ein Paar ganz bescheidene Stelzen.«

»Da mach nur, daß du wieder nach Hause kommst!« entgegnete der Storch, indem er sich auf einem Bein umdrehte und den Bauer gar nicht wieder ansah. »Ein kleines Mädchen kannst du nicht bekommen; und deine Stelzen brauche ich auch nicht! Ich habe schon zwei sehr schöne rote, und da ich meist nur eine auf einmal benutze, so werden sie wohl sehr lange vorhalten. – Außerdem sind ja deine Stelzen ganz abscheulich häßlich. Pfui! blau, grün und gelb geringelt wie ein Hanswurst! Mit denen dürfte ich ja der Frau Storchen gar nicht unter die Augen kommen.«

Da mußte der Bauer mit seinen schönen Stelzen abziehen, und ein kleines Mädchen hat er sein Lebtag nicht bekommen.

Der alte Koffer

Inhaltsverzeichnis

Ein alter Herr, der viel reiste, besaß einen Koffer. Schön war der Koffer nicht, sondern grundhäßlich; denn er war mit struppigem Seehundsfell überzogen und hatte eiserne Bäner und Ecken. In dem Fell aber waren schon oft die Motten gewesen, und das eiserne Beschläge war stark verrostet, hatte auch mit der Zeit manchen Buckel und manche Schmarre bekommen.

»Der kann was vertragen«, sagten die Kofferträger, wenn sie ihn aus dem Wagen hoben. Bums! warfen sie ihn hin, daß es krachte. Das war nun gerade nicht dazu angetan, die ohnedies schon üble Laune des alten Koffers zu mildern. Mit seinen eisernen Ecken stieß und knuffte er jeden, der ihm in den Weg kam. »Ihr braucht mir ja nicht zu nahe kommen«, brummte er, wenn die andern Koffer, mit denen er zusammen reiste, sich darüber beklagten. »Ihr wollt euch doch bloß ansehn, wie struppig ich bin.«

Aber der Herr, dem der Koffer gehörte, war ein Sonderling. Wenn er zu Haus war, mußte der Koffer stets in seiner Stube unter dem vergoldeten Spiegel stehen, obgleich es recht komisch aussah: der alte, häßliche Koffer in der sonst ganz hübschen, gemütlichen Stube. Und wenn er reiste und irgendwo einkehrte, war es stets das erste, daß er sich den Koffer bringen und neben sein Bett stellen ließ.

»Es wird wohl Geld im Koffer sein!« meinten die Leute, »weil er ihn gar nicht aus den Augen läßt.«

Doch in diesem Punkte waren sie völlig auf dem Holzwege. Etwas darin war schon; aber Geld? Nein, Geld am allerwenigsten!

War nun der alte Herr ganz allein in der Stube, so drückte er auf eine geheime Feder. Schwupp! sprang der Koffer auf, und was war darin? Ein vollständig verschlossener, prachtvoller Kasten mit rotem Samt beschlagen und mit goldenen Tressen und Schnüren besetzt.

Sobald jemand anderes in die Stube eintrat, schnapp! schlug der Deckel zu.

Doch das Dienstmädchen des alten Herrn war sehr schlau. Einmal ließ sie die Schuhe vor der Türe stehen und schlich ganz leise in Strümpfen bis an den Koffer hin, der gerade offenstand.

Sie war schon ganz dicht daneben, und als sie es so rot und golden im Koffer blinken sah, vergaß sie sich und rief: »Herrgott, der alte Koffer ist ja wohl inwendig ganz hübsch!« Da merkte der Koffer, daß jemand Fremdes da sei. Schnapp! schlug er mit Gewalt zu und hätte ihr beinahe den Finger abgeklemmt; denn sie wollte eben hineingreifen, um sich zu überzeugen, ob es wirklich Samt und weich wäre.

»Pfui!« sagte sie erschrocken, »was ist das für ein alter, garstiger Koffer; mit dem darf man sich gar nicht einlassen!« Wenn sie später jemand nach dem Koffer fragte, mit dem der Herr so geheim tue, und ob nicht irgend etwas Besonderes daran sei, erwiderte sie, es sei gar nichts an dem alten Koffer und darin noch weniger. Jeder Mensch habe seine Eigenheiten, besonders was alte, unverheiratete Leute seien. Ihr Herr habe nun einmal sein Herz an den alten struppigen Koffer gehängt; weiter sei es nichts.

Aber es war doch etwas Besonderes in dem Koffer. Denn zuweilen riegelte der alte Herr vorsichtig sämtliche Zimmertüren zu, drückte auf die geheime Feder, so daß der Deckel aufsprang, horchte dann noch einmal, ob alles draußen still wäre, und wenn er niemanden hörte, hob er denroten Samtkasten aus dem Koffer heraus und setzte ihn vor sich auf den Tisch. Darauf drückte er auf eine zweite verborgene Feder am Kasten, und der rote Samtdeckel sprang auch auf.

Und was war darin?

Unglaublich, aber wahr! Eine ganz niedliche kleine Märchenprinzessin mit zwei langen Zöpfen hinten herunter und roten Hackenschuhen. Sie sprang auch sofort mit gleichen Beinen aus dem Kasten heraus, setzte sich darauf und ließ die Beine baumeln – und das machte sie so reizend – und fing dann an, die allerhübschesten Märchen zu erzählen.

Und der alte Herr saß im Lehnstuhl und hörte ihr aufmerksam zu. –

Eines Tages, als sie eben mit Erzählen fertig war, sagte sie: »Ich habe dir nun schon so viele hübsche Märchen erzählt; ich glaube, du vergißt sie immer wieder. Kannst du sie nicht aufschreiben?«

»O ja«, antwortete der alte Herr, »aufschreiben könnte ich sie schon, wenigstens so einigermaßen und freilich bei weitem nicht so hübsch, als du sie erzählst; aber es darf niemand wissen, woher ich sie weiß, und besonders nicht, daß du in dem alten Koffer steckst. Denn ich muß dich ganz allein haben. Sonst kommen gleich alle Leute und wollen dich besehen und tapsen dich mit ihren ungeschickten Fingern an. Der Samt am Kasten würde auch bald schlecht werden.«

»Nein, um Gottes willen!« entgegnete die kleine Märchenprinzessin. »Aber wundern würden sich die Leute doch, wenn sie wüßten, wer in dem alten Koffer steckt.«

Und dann lachte sie.

»Still!« sagte auf einmal der alte Herr, »es klopft jemand an der Türe. Kriech rasch wieder in den Kasten.« Sodann trug er eilig den Kasten in den Koffer. Schnapp! schlug der Deckel mit Seehundsfell zu, und als das Dienstmädchen – denn sie war es – hereinkam und den Tee brachte, stand der alte Koffer wieder ganz mürrisch und struppig unter dem Spiegel. Als sie an ihm vorbeiging, gab sie ihm heimlich, und ohne daß der alte Herr es merkte, einen Fußtritt und murmelte: »Alter garstiger Koffer, gestern hast du mir beinahe den Finger abgeklemmt.«

Der kleine Mohr und die Goldprinzessin

Inhaltsverzeichnis

Es war einmal ein armer kleiner Mohr, der war kohlschwarz und nicht einmal ganz echt in der Farbe, so daß er abfärbte. Abends war sein Hemdkragen stets ganz schwarz, und wenn er seine Mutter anfaßte, sah man alle fünf Finger am Kleid. Deshalb wollte sie es auch nie leiden, sondern stieß und schuppte ihn stets fort, wenn er in ihre Nähe kam. Und bei den anderen Leuten ging es ihm noch schlimmer.

Als er vierzehn Jahre alt geworden war, sagten seine Eltern, es sei höchste Zeit, daß er etwas lerne, womit er sich sein Brot verdienen könne. Da bat er sie, soe sollten ihn in die weite Welt hinausziehn und Musikant werden lassen; zu etwas anderem sei er doch nicht zu gebrauchen.

Doch sein Vater meinte, das wäre eine brotlose Kunst, und die Mutter wurde gar ganz ärgerlich und erwiderte weiter nichts als: »Dummes Zeug, du kannst nur etwas Schwarzes werden!«

Endlich kamen sie überein, er passe am besten zum Schornsteinfeger. Also brachten sie ihn zu einem Meister in die Lehre, und weil sie sich schämten, daß er ein Mohr war, so sagten sie, sie hätten ihn gleich schwarz gemacht, um zu sehen, wie es ihm stände.

So war nun der kleine Mohr Schornsteinfeger und mußte tagaus, tagein in die Essen kriechen. Und die Essen waren oft so eng, daß er Angst hatte, er bliebe stecken. Doch er kam stets glücklich wieder auf dem Dache heraus, obschon es ihm oft so war, als wenn Haut und Haare hängenblieben. Wenn er dann hoch oben auf dem Schornstein saß, wieder Gottes freie Luft atmete und sich die Schwalben um den Kopf fliegen ließ, wurde ihm die Brust so weit, als sollte sie ihm zerspringen. Dann schwenkte er den Besen und rief so laut Ho-i-do! Ho-i-do! wie’s die Schornsteinfeger zu tun pflegen, daß die Leute auf der Straße stehenblieben und sprachen: »Seht einmal den schwarzen Knirps, was der für eine Stimme hat!«

Als er ausgelernt hatte, befahl ihm der Meister, er solle in seine Kammer gehen und sich waschen und ganz fein und nobl anziehen. Er wolle ihn freisprechen, dann wäre er Geselle.

Da überkam den armen kleinen Mohr eine Todesangst, denn er sagte sich: »Nun wird alles herauskommen!« Und das geschah auch; denn als er in seinem besten Staate wieder in die Meisterstube eintrat, wo schon Lehrlinge und Gesellen sich versammelt hatten, war er immer noch sehr schwarz, wenn auch hier und da etwas Helles durchschimmerte, wo er sich das Schwarze in den Essen abgescheuert hatte. Da merkten alle mit Entsetzen, wie es mit ihm stand. Der Meister erklärte, Geselle könne er nun nicht werden, denn er sei ja nicht einmal ein ordentlicher Christenmensch; die Lehrjungen aber fielen über ihn her, zogen ihm die Kleider aus und trugen ihn in den Hof. Dort legten sie ihn trotz alles Sträubens unter die Plumpe, plumpten wacker darauf und rieben ihn mit Strohwisch und Sand, bis ihnen die Armre lahm wurden. Als sie endlich gewahr wurden, daß trotz aller Mühe gar wenig abging, stießen sie ihn unter Scheltworten zur Hoftüre hinaus.

Da stand er nun mitten auf der Straße, hilflos und wie ihn der liebe Gott geschaffen, der arme kleine Mohr, und wußte nicht, was anfangen. Da kam durch Zufall ein Mann vorbei, der besah ihn sich von oben bis unten, und als er merkte, daß er ein Mohr war, sagte er, er sei ein vornehmer Herr und wolle ihn in seinen Dienst nehmen. Er solle nichts weiter zu tun bekommen, als hinten auf seinem Wagen stehen, wenn er mit seiner Frau spazierenführe, damit man gleich sähe, daß vornehme Leute kämen.

Da besann sich der kleine Mohr nicht lange, sondern ging mit, und anfangs ging alles gut. Denn die Frau des vornehmen Mannes mochte ihn gut leiden, und wenn sie an ihm vorbeiging, streichelte sie ihn jedesmal. Das war ihm in seinem Leben noch nie begegnet. Eines Tages jedoch, da sie auch wieder spazierenfuhren und er hintendrauf stand, erhob sich ein furchtbares Unwetter, und der Regen floß in Strömen. Als sie wieder nach Hause kamen, sah der vornehme Herr, daß es hinten schwarz vom Wagen herabtröpfelte.

Da fuhr er den kleinen Mohr barsch an, was das heißen solle. Der erschrak heftig, und weil ihm nichts Besseres einfiel, so antworteteer, die Wolken wären ganz schwarz gewesen, da hätte es gewiß auch schwarz geregnet.

»Larifari«, erwiderte der vornehme Herr, der schon merkte, woran’s alg, nahm das Taschentuch, leckte zum Überfluß am Zipfel und fuhr damit dem kleinen Mohr über die Stirn. Da war der Zipfel schwarz.

»Dacht’ ich mir’s doch gleich«, rief er aus, »du bist ja nicht einmal echt! Das ist eine hübsche Entdeckung! Such dir einen anderen Dienst. Ich kann dich nicht gebrauchen!«

Da packte der arme kleine Mohr weinend seine Siebensachen zusammen und wollte gehen. Doch die Frau des vornehmen Mannes rief ihn noch einmal zurück und sagte: es sei recht schade, daß ihr Mann es gemerkt hätte, denn sie wisse es schon lange. Freilich, ein großes Unglück sei es, ein Mohr zu sein, und besonders einer, der abfärbe. Doch er solle nicht verzagen, sondern brav und gut bleiben, dann würde [ er] mit der Zeit noch ebenso weiß werden wie die andern Menschen. Darauf schenkte sie ihm eine Geige und einen Spiegel, in dem solle er sich jede Woche einmal besehen.

So zog denn der kleine Mohr in die Welt hinaus und wurde Musikant. Einen Meister, der ihm vorspielte, hatte er freilich nicht. Doch er horchte auf das, was die Vögel sangen und was die Büsche und Bäche rauschten, und spielte es ihnen nach. Nachher ward er inne, daß die Blumen im Walde und die Sterne in der dunkeln Mitternacht auch ihre besondere Musik machten, wenn auch eine ganz stille, die nicht jedermann hörte. Das war schon viel schwerer nachzuspielen. Doch das Schwerste lernte er zu allerletzt: so zu spielen, wie die Menschenherzen pochen. Er war wohl schon sehr viel die Kreuz und die Quer umhergewandert und hatte vielerlei erlebt, ehe er das lernte.