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»In einem Zarenreiche, in einem fernen Lande, lebte einmal …« Wassilissa, die Wunderschöne, der Zarensohn Iwan, die Hexe Baba Jaga mit ihrem Häuschen auf Hühnerbeinen und der über übernatürliche Kräfte verfügende Bogatyr Ilja Murometz – nicht nur in Russland kennt sie jedes Kind: Sie sind Teil einer langen und reichhaltigen Erzähltradition und faszinieren seit Generationen Leser in aller Welt.
Der russische Märchenforscher Alexander N. Afanasjew ist dem Vorbild der Brüder Grimm gefolgt und hat das wertvolle literarische Erbe seines Landes zusammengetragen und für die Nachwelt bewahrt. Seine erstmals 1855 bis 1863 veröffentlichte Sammlung ist bis heute die verbreitetste und populärste russische Märchensammlung.
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Seitenzahl: 663
Veröffentlichungsjahr: 2018
Die schönsten russischen Märchen
Von Alexander N. Afanasjew Übertragen von Werner von Grimm
Herausgegeben von Imogen Delisle-Kupffer
Insel Verlag
Die schönsten russischen Märchen
Prolog
Der Fuchs, der Hase und der Hahn
Der Fuchs als Beichtvater
Der Fuchs als Arzt
Der Kater, der Hahn und der Fuchs
Undank ist der Welt Lohn
Die Tiere in der Grube
Der Fuchs und der Birkhahn
Der Kater und die Füchsin
Der Bär, der Hund und die Katze
Das Märchen von der morschen Ziege
Das goldene Fischchen
Das Hühnchen
Der Kranich und die Rohrdommel
Die Geschichte vom bissigen Hecht
Das Haus der Fliege
Die Hexe und die Sonnenschwester
Die Wasusa und die Wolga
Der Frost
Die alte Schwätzerin
Wassilissa die Wunderschöne
Die drei Zarenreiche: das kupferne, das silberne und das goldene
Die Baba-Jaga und der kecke Junge
Gänse-Schwäne
Fürst Danilo und seine Schwester
Iwan Zarewitsch und Marfa Zarewna
Der Norka
Sieben Semjone
Iwan der Bär
Iwan der Bauernsohn und das Männchen — selbst klein wie ein Finger, der Schnurrbart aber sieben Werst lange Dinger
Marja Morewna
Iwan-Zarewitsch und der Weiße Recke
Buchtan Buchtanowitsch
Der kristallene Berg
Der Feuervogel und Wassilissa die Zarentochter
Das Zauberpferd
Zweie aus dem Sack
Der Hahn und die Handmühle
Der Zauberring
Das Wunderhuhn
Das wunderbare Hemd
Geh dahin — ich weiß nicht, wohin, bring mir das — ich weiß nicht, was
Die kluge Ehefrau
Der Meeres-Zar und Wassilissa die Wunderweise
Die gekaufte Frau
Der Schmied und der Teufel
Die Feder Finists, des hellen Falken
Jelena die Wunderweise
Der weissagende Traum
Das Salz
Der goldene Berg
Der Jäger und seine Frau
Der Schatz
Der schnelle Bote
Zarewna-graue Ente
Zarewna-Unke
Zarewna-Schlange
Die verzauberte Königstochter
Der verwunschene Zarensohn
Der rotznasige Ziegenbock
Schmutzchen
Ohneärmchen
Sonne, Mond und Sterne
Die Zarentochter, die nicht lachen konnte
Werlioka
Marko der Reiche und Wassilij der Glücklose
Die Geschichte vom berühmten und tapferen Helden Ilja Muromez und dem Räuber Nachtigall
Ilja Muromez und der Drache
Danilo der Glücklose
Wassilissa die Popentochter
Die kluge Jungfrau
Die verleumdete Kaufmannstochter
Gespenstergeschichte
Der Vampir
Der Waldgeist
Ein Lügenmärchen
Ein Schelmenmärchen
Die Wahrsagerin
Der Zauberer
Der Dieb
Der diebische Bauer
Soldatenrätsel
Der Dumme und die Birke
Lutonja
Foma Berennikow
Der Bauer und die Gans
Volksspäße
Der Soldat
Ilja der Prophet und der heilige Nikola
Der weise Salomo
Der Soldat und der Tod
NACHWORT
Am Meeresstrand an stiller Stätte
Steht eine Eiche knorrig, krumm;
Ein Kater streicht an goldner Kette
Beständig um den Baum herum.
Er geht nach rechts — erzählt ein Märchen,
Nach links — und singt ein altes Lied.
Dort haust der Schrat, ein Elfenpärchen
Auf einem Halm im nahen Ried.
Noch nie betretne Wege führen
In ein noch unbekanntes Land;
Ein Häuschen steht mit offnen Türen
Auf Hühnerfüßen dort im Sand.
Das Meer, der Wald, die Fluren stecken
Voll Wunderdinge. Reihenweis
Betreten dreißig stolze Recken
Zusammen mit Neptun, dem Greis,
Den Strand beim Strahl der Morgensonne.
Ein Königssohn — des Vaters Wonne —
Erfreut durch Anmut und Verstand.
Ein Zauberer in einer Wolke
Trägt einen Ritter über Land
Und Meere dort vor allem Volke.
Im Kerker weint ein Kaiserkind,
Ein brauner Wolf bewacht die Holde;
Koschtschej sitzt dort auf seinem Golde.
Und Rußlands Seele weht im Wind.
In jenem sagenhaften Reiche
Genoß ich einmal Met und Bier;
Der Kater auf der grünen Eiche
Erzählte seine Märchen mir …
(A. Puschkin)
Es lebten einmal ein Fuchs und ein Hase. Der Fuchs hatte eine kleine Hütte aus Eis, der Hase aber eine aus Baumrinde. Da kam der schöne Frühling — die Hütte des Fuchses zerschmolz, die des Häschens stand da wie immer. Da bat der Fuchs den Hasen, ob er sich wohl bei ihm wärmen könnte. Kaum war er drin, so jagte er den Hasen hinaus. Das Häschen ging fort und weinte, ihm entgegen aber kamen Hunde: »Tjaff, tjaff, tjaff! Weshalb weinst du, Häschen?« Das Häschen aber sagt: »Ach, laßt mich zufrieden, Hunde! Wie soll ich nicht weinen? Ich hatte eine kleine Hütte aus Baumrinde, der Fuchs aber eine aus Eis; da bat der Fuchs, ob er zu mir kommen dürfe, und dann jagte er mich hinaus.« — »Weine nicht, Häschen!« sagen die Hunde, »wir werden ihn hinausjagen.« — »Nein, ihr könnt das nicht!« — »Doch, wir können's!« Sie kamen zur Hütte: »Tjaff, tjaff, tjaff! Raus, Fuchs!« Der Fuchs sagt aber vom Ofen herunter: »Wenn ich dann so rausspringe, und wenn ich dann so auf euch draufspringe, dann wird eure Wolle nur so durch die Luft fliegen!« Da erschraken die Hunde und liefen fort.
Das Häschen geht fort und weint. Da kommt ihm der Bär entgegen. »Worüber weinst du, Häschen?« Das Häschen aber sagt: »Ach, laß mich zufrieden, Bär! Wie soll ich nicht weinen? Ich hatte eine kleine Hütte aus Baumrinde, der Fuchs aber eine aus Eis; da bat der Fuchs, ob er hereinkommen dürfe, und jagte mich dann hinaus.« — »Weine nicht, Häschen!« sagt der Bär, »ich jag den Fuchs hinaus.« — »Ach was, du jagst ihn sicher nicht hinaus! Die Hunde wollten ihn hinausjagen — und haben es nicht gekonnt, und du wirst es auch nicht können.« — »Doch, ich tu's!« Sie gingen hin. »Fuchs, mach, daß du rauskommst!« — Er aber ruft vom Ofen: »Wenn ich dann so rausspringe, und wenn ich dann so auf euch draufspringe, dann wird eure Wolle nur so durch die Luft fliegen!« Der Bär erschrak und lief fort.
Wieder geht das Häschen fort und weint, ihm entgegen aber kommt der Ochs. »Worüber weinst du, Häschen?« — »Ach, laß mich zufrieden, Ochs, wie soll ich nicht weinen? Ich hatte eine kleine Hütte aus Baumrinde, der Fuchs aber eine aus Eis; da bat er, ob er hereinkommen dürfe, und jagte mich dann hinaus.« — »Komm, ich werde ihn hinausjagen!« — »Nein, Ochs, du wirst ihn sicher nicht hinausjagen! Die Hunde haben es versucht und nicht gekonnt, und auch der Bär, du wirst es auch nicht können.« — »Doch, ich werde es tun!« So kamen sie zur Hütte: »Raus, Fuchs!« Er aber ruft vom Ofen: »Wenn ich dann so rausspringe, und wenn ich dann so auf euch draufspringe, dann wird eure Wolle nur so durch die Luft fliegen!« Der Ochs erschrak und lief fort.
Wieder geht das Häschen fort und weint, ihm entgegen aber kommt der Hahn mit einer Sense: »Kikeriki! Worüber weinst du, Häschen?« — »Laß mich zufrieden, Hahn! Wie soll ich nicht weinen? Ich hatte eine kleine Hütte aus Baumrinde, der Fuchs aber eine aus Eis; er bat, ob er hereinkommen dürfe, und jagte mich dann hinaus.« — »Gehn wir, ich jag ihn hinaus!« — »Nein, du kannst es nicht! Die Hunde haben es versucht, auch der Bär, und dann der Ochs, keiner hat es gekonnt, und du wirst es auch nicht können.« — »Doch, ich werde es machen!« So kamen sie zur Hütte: »Kikeriki! Ich trage eine Sense auf der Schulter, und ich werde den Fuchs zerstückeln! Geh raus, Fuchs!« Der Fuchs hörte es, erschrak und sagt: »Ich zieh mich schon an …« Da sagt der Hahn wieder: »Kikeriki! Ich trage eine Sense auf der Schulter, ich werde den Fuchs zerstückeln! Geh raus, Fuchs!« Der Fuchs aber sagt: »Ich zieh schon meinen Pelz an.« Der Hahn sagt zum drittenmal: »Kikeriki! Ich trage eine Sense auf der Schulter, ich werde den Fuchs zerstückeln! Geh raus, Fuchs!« Der Fuchs kam herausgelaufen, der Hahn aber zerstückelte ihn mit der Sense, und dann lebte er mit dem Häschen in Eintracht und Frieden. Da hast du das Märchen, und mir bitte einen Topf mit Butter!
Sehr merkwürdig: Einmal kam der Fuchs aus fernen Einöden. Da erblickte er auf einem hohen Baume einen Hahn und spricht zu ihm mit freundlichen Worten: »Oh, du mein geliebter Sohn, Hahn! Du sitzest auf hohem Baume, hegst ungute, verfluchte Gedanken; ihr Hähne haltet euch Frauen in Menge: der eine zehn, der andere zwanzig, mancher — dreißig, es kommen auch vierzig vor! Wo ihr zusammenkommt, da prügelt ihr euch um die Frauen, als wären es Kebsweiber. Steige herab, du mein geliebter Sohn, steige zur Erde herab und tue Buße! Ich komme aus fernen Einöden, lebte dort als Einsiedler, trank nicht, aß nicht und habe viel Not gelitten — sehnte mich danach, dich, geliebter Sohn, beichten zu hören.« — »Oh, du mein Vater, Fuchs! Ich habe nicht gefastet und nicht gebetet. Komm zu einer andern Zeit!« — »Oh, du mein geliebter Sohn, Hahn! Und ob du auch nicht gefastet und gebetet hast, steige trotzdem herab zur Erde, tue Buße, auf daß du nicht in Sünden sterbest.« — »Oh, du mein Vater, Fuchs, du mit den Honiglippen und mit süßen Worten, du mit deiner schmeichlerischen Zunge! Verdammet einander nicht, auf daß ihr selbst nicht verdammet werdet; was ihr säet, das werdet ihr ernten. Du aber willst mich mit Gewalt zur Buße führen, und nicht mich erretten willst du, sondern meinen Leib fressen.« — »Oh, du mein geliebter Sohn, Hahn! Weshalb sprichst du so? Weshalb sollte ich solches tun? Hast du denn nicht das Gleichnis vom Zöllner und Pharisäer gelesen, wie der Zöllner sich rettete, der Pharisäer aber wegen seines Hochmuts zugrunde ging? Du, mein geliebter Sohn, wirst ohne Buße auf deinem hohen Baume zugrunde gehn. Senke zur Erde den Körper dein, so wirst du der Buße näher sein. Vergeben, losgesprochen, und das himmlische Reich wird dir offenstehn.«
Da erkannte der Hahn in seiner Seele die schwere Sünde, wurde gerührt und weinte und begann niederzusteigen von Zweig zu Zweig, von Ast zu Ast, immer tiefer und tiefer, bis er ganz auf der Erde anlangte und sich vor den Fuchs hinsetzte. Da sprang der Fuchs, der Arglistige, hinzu, packte den Hahn mit seinen scharfen Krallen, schaut ihn an mit seinen grausamen Augen, knirscht mit seinen scharfen Zähnen und will ihn wie irgendeinen gottlosen Frevler bei lebendigem Leibe fressen. Da sprach der Hahn zum Fuchs: »Oh, du mein Vater, Fuchs, du mit den Honiglippen und mit süßen Worten, du mit deiner schmeichlerischen Stimme, wie willst du meine Seele erretten, wenn du meinen Körper auffrißt?« — »Nicht wichtig ist dein Körper und dein buntes Kleid, wichtig aber ist, Freundschaft mit Freundschaft zu vergelten. Erinnerst du dich noch? Einst ging ich zu einem Bauern und wollte mir ein Hühnchen für meine Leibesnotdurft nehmen. Du Dummer aber, du Tagedieb, saßest dort auf deinem hohen Sitz und schriest und zetertest mit lauter und aufdringlicher Stimme, trampeltest mit den Füßen, schlugst mit den Flügeln. Darauf fingen natürlich auch die Hühner an zu gackern, die Gänse an zu schnattern, die Hunde an zu bellen, die Pferde an zu wiehern, die Kühe an zu muhen. Und dann vernahmen es natürlich auch die Bauern und ihre Weiber. Die Weiber kamen gelaufen mit ihren Ofenbesen, die Männer mit ihren Beilen und wollten mich wegen des Hühnchens dem Tode überantworten … und dabei lebt bei ihnen die Eule jahraus, jahrein und frißt immerzu Hühnchen. Du aber, du Dummer, du Tagedieb, du hast jetzt am längsten gelebt!« Da sprach der Hahn zum Fuchs: »Oh, du mein Vater, Fuchs, du mit den Honiglippen und mit süßen Worten, du mit deiner schmeichlerischen Stimme! Am gestrigen Tage rief man mich zum Metropoliten als Vorsänger, und ich wurde gepriesen vom gesamten Sängerchor: Ein schöner Bursche, tüchtig, fähig, Bücher zu lesen, und eine so prachtvolle Stimme! Ich könnte dich doch, oh, mein Vater Fuchs, durch ein Gesuch vielleicht zum Hostienbäcker befördern lassen. Oh, was werden wir dann für herrliche Einnahmen haben! Man wird uns süße Hostien spenden, große Osterbrote und Butter und Eierchen und Käschen.« Der Fuchs hatte sich so sehr in die Stimme und Erzählung des Hahns hineingehört, daß sich die Krallen lockerten. Da riß sich der Hahn los, flog auf einen hohen Baum und schrie und zeterte mit gewaltiger Stimme: »Teurer Herr Hostienbäcker, sei mir gegrüßt! Sind die Einnahmen groß? Sind die Hostien süß? Tut dir der Rücken vom Tragen des großen Osterbrotes nicht weh? Wünschest du nicht vielleicht, oh du Feind aller Vögel, ein paar Nüsse? Und hast du überhaupt Zähne?«
Da ging der Fuchs, der arme Teufel, in den Wald und schluchzte bitterlich: »Wo bin ich nicht alles in der Welt gewesen, aber solch eine Schande ist mir niemals widerfahren! Das hat es doch noch nie gegeben, seit die Welt steht, daß Hähne Vorsänger und Diakone sind und Füchse Hostienbäcker!« — Ihm aber Ehre und Macht von nun an und in Ewigkeit, und das Märchen ist zu Ende.
Es lebten einmal ein Alter und eine Alte. Der Alte pflanzte einen kleinen Kohlkopf in den Keller, die Alte aber in den Aschenkasten. Bei der Alten verwelkte der Kohlkopf im Aschenkasten, beim Alten aber wuchs und wuchs er, bis zur Decke des Kellers wuchs er. Der Alte nahm ein Beil und schlug ein Loch in die Kellerdecke, gerade über dem Kohlkopf. Der Kohlkopf wuchs und wuchs — er wuchs bis zur Zimmerdecke. Der Alte nahm wieder das Beil und schlug in die Zimmerdecke ein Loch, gerade über dem Kohlkopf. Der Kohlkopf wuchs und wuchs, er wuchs bis zum Himmel. Wie soll der Alte bloß die Spitze des Kohlkopfs sehen? Er kletterte am Stamm hinauf, kletterte und kletterte und kam bis an den Himmel, schlug ein Loch in den Himmel und kroch dort hinein. Da sieht er, dort steht ein Mühlstein. Wenn sich der Mühlstein dreht, dann erscheinen darauf eine Pastete und ein Pfannkuchen und darüber noch ein Topf mit Grütze. Der Alte aß sich satt, trank sich satt und legte sich schlafen.
Als er ausgeschlafen hatte, kletterte er wieder auf die Erde hinunter und sagt: »Alte, hör, Alte, was das für ein Leben im Himmel ist! Dort gibt es Mühlsteine — sobald die sich drehen, erscheinen darauf eine Pastete und ein Pfannkuchen und darüber ein Topf mit Grütze!« — »Ob ich wohl auch mal da hinauf könnte, Alterchen?« — »Setz dich, Alte, in einen Sack. Ich trage dich hinauf.« Die Alte überlegte und kroch dann in einen Sack. Der Alte nahm einen Zipfel des Sackes zwischen die Zähne und kletterte in den Himmel. Sehr lange kletterte er. Der Alten wurde es langweilig, und sie fragt: »Ist es noch weit, Alterchen?« — »Weit, Alte!« Wieder kletterte und kletterte er. »Ist es noch weit, Alterchen?« fragt sie wieder. — »Noch die Hälfte!« Wieder kletterte und kletterte er. Die Alte fragt aufs neue: »Ist es noch weit?« Gerade wollte der Alte sagen: »Nicht mehr weit!«, da rutschte ihm der Sack aus den Zähnen, die Alte fiel hinunter und lag mit zerschmetterten Gliedern am Boden.
Der Alte ließ sich hinunter, hob den Sack auf, im Sack sind aber nur noch Knochen — und auch die ganz klein und zerbrochen.
Da ging der Alte aus seinem Hause und weinte bitterlich. Ihm entgegen kommt der Fuchs: »Worüber weinst du, Alterchen?« — »Wie soll ich nicht weinen! Die Alte ist gestürzt und zerschellt.« — »Sei ruhig, ich heile sie.« Der Alte fiel vor dem Fuchs nieder: »Heile sie, ich zahl' dir auch, was du willst!« — »Na, dann heiz die Badestube, bring ein Säckchen Mehl und ein Töpfchen Butter dorthin, selbst aber stell dich vor die Tür und schau nicht hinein.« Der Alte heizte die Badestube, brachte, was nötig war, und stellte sich vor die Tür; der Fuchs aber trat in die Badestube, schloß die Tür mit dem Haken und begann, die Knochen der Alten zu waschen. Wäscht und wäscht, und nagt sie dabei ab. Der Alte fragt: »Wie geht es der Alten?« — »Sie bewegt sich schon!« sagt der Fuchs, selbst aber fraß er die Alte auf, nahm die Knochen zusammen und legte sie in eine Ecke. Dann rührte er einen Mehlbrei an. Der Alte stand und stand und fragt endlich: »Wie geht es der Alten?« — »Sie kann schon ein wenig sitzen!« sagt der Fuchs, selbst aber frißt er den Mehlbrei zu Ende. Als er damit fertig war, sagt er: »Alterchen, mach die Tür ganz weit auf!« Der tat es. Da sprang der Fuchs aus der Badestube hinaus und lief nach Hause. Der Alte trat in die Badestube, schaute hin. Da liegen nur die Knochen der Alten unter der Bank, und noch dazu ganz abgenagt. Und auch das Mehl und die Butter waren aufgegessen. So blieb der Alte allein zurück, allein und ganz arm.
Es lebte einmal ein Alter, der hatte einen Kater und einen Hahn. Der Alte ging in den Wald zur Arbeit, der Kater brachte ihm das Essen, und den Hahn ließen sie das Haus hüten. Da kam der Fuchs.
»Kikeriki, mein Hähnchen
mit dem goldnen Kämmchen,
sieh aus dem Fenster,
da liegen viel Erbsen.«
So sang der Fuchs, als er unter dem Fenster saß. Der Hahn machte das Fenster auf, steckte den Kopf hinaus und guckte, wer da wohl singt? Der Fuchs packte den Hahn und trug ihn zu sich zu Gast! Der Hahn schrie: »Es trägt mich der Fuchs, mich, den Hahn, hinter dunkle Wälder, in ferne Länder, in fremde Gegenden, hinter dreimal neun Länder, ins dreißigste Zarenreich, ins dreißigste Königreich. Kater Katerowitsch, befreie mich!« Der Kater im Felde hörte die Stimme des Hahnes, jagte hinter dem Fuchs her, holte ihn ein, nahm ihm den Hahn ab und trug ihn nach Hause. »Paß nächstens besser auf, Hänschen, mein Hähnchen!« sagt zu ihm der Kater, »sieh nicht zum Fenster hinaus, hör nicht auf den Fuchs, sonst frißt er dich auf und läßt kein Knöchelchen übrig.«
Der Alte ging wieder in den Wald zur Arbeit, der Kater aber brachte ihm das Essen. Eh der Alte wegging, hatte er dem Hahn befohlen, das Haus zu hüten und nicht aus dem Fenster zu gucken. Aber der Fuchs lag schon auf der Lauer, er wollte zu gern das Hähnchen fressen. So kam er denn zur Hütte und sang sein Lied:
»Kikeriki, mein Hähnchen
mit dem goldnen Kämmchen,
sieh aus dem Fenster,
da liegen viel Erbsen.«
Der Hahn ging in der Hütte auf und ab und schwieg. Da begann der Fuchs sein Lied von neuem und warf ein paar Erbsen zum Fenster hinein. Der Hahn pickte die Erbsen auf und sagt: »Nein, Fuchs, du wirst mich nicht betrügen! Du willst mich fressen und kein Knöchelchen von mir übriglassen.« — »Ah, was redest du da, Hänschen, mein Hähnchen! Weshalb sollte ich dich denn fressen! Ich will nur, daß du zu mir zu Gast kommst, daß du siehst, wie ich da so wohne und wie ich mich eingerichtet habe!« — Und dann sang der Fuchs wieder:
»Kikeriki, mein Hähnchen
mit dem goldnen Kämmchen,
strahlendschönes Köpfchen!
Sieh aus dem Fenster,
da liegen viel Erbsen
und auch viele goldne Körner!«
Der Hahn blickte nur einen Augenblick zum Fenster hinaus, da hatte ihn der Fuchs auch schon gepackt. Der Hahn schrie laut: »Es trägt mich der Fuchs, mich, den Hahn, hinter dunkle Wälder, über steile Ufer, über hohe Berge; es will der Fuchs mich fressen und kein einziges Knöchelchen übriglassen!« Der Kater hörte es im Felde, verfolgte den Fuchs, nahm ihm den Hahn ab und brachte ihn nach Hause. »Habe ich dir nicht gesagt, öffne das Fenster nicht, sieh nicht zum Fenster hinaus — sonst frißt dich der Fuchs, läßt kein Knöchelchen übrig. Paß auf und hör auf mich! Morgen müssen wir weiter weggehen.«
Und wieder ist der Alte bei der Arbeit, der Kater aber bringt ihm das Essen. Da schleicht sich der Fuchs ans Fenster heran und stimmt dasselbe Liedchen an; dreimal sang er es, dreimal schwieg der Hahn. Da sagt der Fuchs: »Was ist denn das?! Ist unser Hänschen heute stumm?« — »Nein, Fuchs, du betrügst mich nicht mehr, ich sehe nicht wieder zum Fenster hinaus!« Der Fuchs warf Erbsen durchs Fenster hinein, und auch Weizenkörner, und sang dazu:
»Kikeriki, mein Hähnchen
mit dem goldnen Kämmchen,
strahlendschönes Köpfchen!
Sieh aus dem Fenster!
In meinem Hause habe ich große Gemächer.
In jeder Ecke steht ein Maß Weizen für dich:
Iß, bis du satt bist und nichts mehr magst!«
Dann sagt der Fuchs: »Ach, sieh doch mal, Hänschen, mein Hähnchen, was ich hier für schöne Sachen habe! Zeig dich doch, Hähnchen! Glaub dem Kater doch nicht! Wenn ich dich hätte fressen wollen, dann hätte ich dich schon längst aufgefressen; aber, sieh mal, ich liebe dich doch, ich will dir die Welt zeigen, will dich Klugheit und Wissenschaft lehren, und wie man leben muß. Nun, so zeig dich doch, Hänschen, sieh, ich geh ja weiter weg, bis an die Ecke!« — dabei drückte er sich ganz dicht an die Mauer. Der Hahn sprang auf die Fensterbank und guckte; er wollte nur sehen, ob der Fuchs noch da wäre. Vorsichtig steckte er den Kopf zum Fenster hinaus, da packte ihn der Fuchs — und weg war er. Der Hahn stimmte sein altes Lied an, aber der Kater hörte ihn nicht. Der Fuchs trug den Hahn fort und fraß ihn hinterm Tannendickicht, den Schwanz und die Federn blies der Wind in die weite Welt hinaus. Der Kater und der Alte kamen nach Hause und fanden den Hahn nicht; lange trauerten sie, dann aber sagten sie: »Das kommt davon!«
Ein Wolf geriet in eine Falle, riß sich irgendwie los und lief in den dunklen Wald. Da sahen ihn die Jäger und verfolgten ihn. Der Wolf mußte über einen Weg, auf dem gerade ein Bauer vom Felde kam, mit einem Sack und einem Dreschflegel auf dem Rücken. Der Wolf lief zu ihm hin und sagte: »Sei so gut, lieber Bauer, versteck mich im Sack, die Jäger verfolgen mich!« Der Bauer war einverstanden, versteckte ihn im Sack, band ihn zu und hob sich den Sack auf die Schultern. So geht er weiter. Ihm entgegen aber kommen die Jäger. »Hast du nicht den Wolf gesehen?« fragen sie. »Nein, ich habe ihn nicht gesehen!« antwortete der Bauer. Die Jäger ritten weiter und verschwanden. »Sind die Bösen fort?« fragte der Wolf. »Sie sind fort.« — »Na, dann laß mich wieder heraus.« Der Bauer band den Sack auf und ließ den Wolf frei. Der Wolf sagte: »Weißt du was, Bauer, ich werde dich jetzt fressen!« — »Ach, Wolf, Wolf, aus was für einer Not habe ich dich errettet, und du willst mich fressen!« — »Undank ist der Welt Lohn«, antwortete der Wolf. Der Bauer sieht, daß es schlimm steht, und sagt: »Na, wenn das so ist, dann laß uns noch ein wenig zusammen gehn, und wenn der erste, der uns begegnet, dasselbe sagt wie du, daß Undank der Welt Lohn ist, dann ist nichts zu machen — dann friß mich!«
So gingen sie weiter. Und sie trafen eine alte Stute. Der Bauer fragte sie: »Sei so gut, liebe Stute, entscheide zwischen uns! Da habe ich den Wolf aus einer großen Not errettet, er aber will mich fressen!« Und er erzählte der Stute alles, wie es gewesen war. Die Stute dachte nach und sagte: »Ich lebte bei meinem Herrn zwölf Jahre, habe ihm zwölf Füllen geboren, habe für ihn mit all meinen Kräften gearbeitet, als ich aber alt wurde und nicht mehr arbeiten konnte, da stieß er mich in eine Grube. Was habe ich mich abgemüht herauszukommen, und jetzt gehe ich und weiß selbst nicht, wohin. Ja, Undank ist der Welt Lohn!« —
»Du siehst, daß ich recht habe!« sprach der Wolf. Da wurde der Bauer traurig und bat den Wolf noch einmal, bis zur nächsten Begegnung zu warten. Der Wolf war damit einverstanden. Da trafen sie einen alten Hund. Der Bauer fragte ihn dasselbe. Der Hund überlegte und sagte dann: »Ich diente meinem Herrn zwanzig Jahre, bewachte sein Haus und sein Vieh, als ich aber alt wurde und nicht mehr bellen konnte, da jagte er mich vom Hof, und jetzt gehe ich und weiß selbst nicht, wohin. Ja, Undank ist der Welt Lohn!« —
»Nun, siehst du, daß ich recht hatte!« Der Bauer wurde noch trauriger und bat den Wolf, noch eine dritte Begegnung abzuwarten, »dann kannst du machen, was du willst.« Das dritte Mal kam ihnen der Fuchs entgegen. Der Bauer wiederholte seine Frage. Da rief der Fuchs: »Was? Das glaub' ich nicht! Ein so großer Kerl wie der Wolf soll in so einem kleinen Sack Platz gehabt haben? Das glaube ich nicht!« Der Wolf und der Bauer schworen, daß das die vollkommene Wahrheit sei, der Fuchs aber glaubte es nicht und sagte: »Na, Bäuerlein, zeig mir mal, wie du ihn im Sack versteckt hast!«
Der Bauer machte den Sack auf, und der Wolf steckte seinen Kopf hinein. Da rief der Fuchs: »Ja, hast du denn nur seinen Kopf im Sack gehabt?« Da kroch der Wolf ganz hinein. »Na, Bäuerlein«, fuhr der Fuchs fort, »zeig mal, wie du den Sack zugebunden hast!« Der Bauer band ihn zu. »Na, Bäuerlein, zeig mal, wie du im Felde das Korn gedroschen hast!« Der Bauer fing an, mit dem Dreschflegel auf den Sack zu schlagen. »Na, Bäuerlein, zeig, wie du jedesmal ausgeholt hast!« Der Bauer holte aus und schlug dabei den Fuchs über den Kopf, erschlug ihn und sagte: »Undank ist der Welt Lohn!«
Ein Schwein ging nach Petersburg, um zu Gott zu beten. Da kommt ihm der Wolf entgegen. »Schwein, Schwein, wohin gehst du?« — »Nach Petersburg, zu Gott beten.« — »Nimm mich mit!« — »Komm, Gevatter!« Sie gingen und gingen, da kommt ihnen der Fuchs entgegen: »Schwein, Schwein, wohin gehst du?« — »Nach Petersburg, zu Gott beten.« — »Nimm mich mit!« — »Komm, Gevatter!« Sie gingen und gingen, da kommt ihnen der Hase entgegen: »Schwein, Schwein, wohin gehst du?« — »Nach Petersburg, zu Gott beten.« — »Nimm auch mich mit!« — »Los, lauf mit, du Krummer!« Dann kam noch das Eichhörnchen dazu, und so gingen und gingen sie denn … Da plötzlich ist auf dem Wege eine tiefe und breite Grube. Das Schwein wollte hinüberspringen und fiel hinein, nach ihm der Wolf, der Fuchs, der Hase und das Eichhörnchen. Lange saßen sie darin, wurden sehr hungrig, zu essen gab's aber nichts. Da schlug der Fuchs vor: »Laßt uns«, sagt er, »singen. Wer am höchsten singt, den wollen wir zuerst auffressen.« Der Wolf fing an und sang mit ganz dicker, tiefer Stimme: o — o — o! Das Schwein ein wenig weicher: u — u — u! Der Fuchs noch weicher: e — e — e! Hase und Eichhörnchen aber mit hoher Stimme: i — i — i! Sofort zerrissen die Tiere den Hasen und das Eichhörnchen und fraßen sie mit allen Knochen auf.
Am nächsten Tage sagt der Fuchs wieder: »Wer tiefer als alle singen wird, den wollen wir auffressen.« Der Wolf stimmte am tiefsten an: o — o — o! — nun, sie fraßen ihn auf. Der Fuchs fraß das Fleisch, die Eingeweide aber versteckte er unter sich. Als drei Tage vergangen waren, sitzt der Fuchs so da und frißt ruhig das Eingeweide. Da fragt das Schwein. »Was frißt du da, Gevatter? Gib auch mir davon!« — »Ach, Schwein: ich fresse doch mein eigenes Eingeweide. Reiß dir auch den Bauch auf, zieh das Eingeweide heraus und ernähre dich!« Das Schwein tat es, riß sich den Bauch auf und — wurde ein schönes Mittagessen für den Fuchs. So blieb der Fuchs mutterseelenallein in der Grube übrig. Ob er da herausgeklettert ist, oder ob er noch heute darin sitzt — das weiß ich wirklich nicht.
Der Fuchs lief durch den Wald. Da sah er auf dem Baum einen Birkhahn und sagt zu ihm: »Terenz, Terenz! Ich war in der Stadt.« — »Bu-bu-bu, bu-bu-bu! Warst du, so warst du.« — »Terenz, Terenz! Ich habe eine Verfügung erwirkt.« — »Bu-bu-bu, bu-bu-bu! Hast du sie erwirkt, so hast du sie erwirkt.« — »Daß ihr Birkhähne nicht mehr auf Bäumen sitzen dürft, sondern immer auf grünen Wiesen spazierengehen müßt.« — »Bu-bu-bu, bu-bu-bu! Wenn spazieren, dann spazieren.« — »Terenz! Wer fährt dort?« fragt der Fuchs, als er Pferdegetrappel und Hundegebell hört. — »Ein Bauer.« — »Wer läuft hinter ihm?« — »Ein Füllen.« — »Was hat es für einen Schwanz?« — »Geringelt.« — »Nun, dann leb wohl, Terenz! Ich habe keine Zeit, muß schnell nach Hause.«
Es war einmal ein Bauer, der hatte einen Kater. Dieser Kater aber machte ihm viel Schaden — einfach furchtbar! Lange überlegte der Bauer. Endlich nahm er den Kater, tat ihn in einen Sack, band den Sack zu und trug ihn in den Wald. Dort ließ er den Kater laufen und dachte bei sich: Mag er zugrunde gehen! Der Kater ging lange Zeit durch den Wald und kam zu einer kleinen Hütte, in welcher der Waldhüter wohnte; er kletterte auf den Dachboden, ließ sich dort häuslich nieder, wenn er aber Hunger fühlte, dann ging er in den Wald Vögel und Mäuse fangen. Ist er wieder satt, geht er zurück auf den Boden — so lebte er ohne Sorgen!
Einst ging er wieder im Walde spazieren, da kommt ihm die Füchsin entgegen. Sie erblickte den Kater und wunderte sich: »Wie viele Jahre lebe ich schon im Walde, aber solch ein Tier habe ich noch nie gesehen!« Sie verbeugte sich vor dem Kater und fragt: »Sage mir doch, guter Bursche, wer bist du? Wie bist du hierhergekommen, und wie heißt du?« Der Kater aber sträubte sein Fell und sagt: »Ich bin zu euch aus den sibirischen Wäldern hergeschickt worden als Bürgermeister, und heißen tu ich Katerich Iwanowitsch.« — »Ach, Katerich Iwanowitsch!« sagt die Füchsin, »ich habe ja nichts von dir gewußt und nichts über dich gehört; komm doch zu mir zu Gast.« Der Kater ging mit. Sie führte ihn in ihre Höhle und bewirtete ihn mit allerhand Wild. Dann fragt sie: »Wie ist es, Katerich Iwanowitsch, bist du verheiratet oder ledig?« — »Ledig«, sagt der Kater. »Auch ich bin ledig, bin Jungfer Füchsin, heirate mich!« Der Kater war einverstanden, und sie feierten Hochzeit. Am andern Tage ging die Füchsin Essen holen, um doch Vorräte zu haben, von denen sie mit ihrem jungen Ehemann leben könnte. Der Kater aber blieb zu Hause.
So läuft die Füchsin durch den Wald, ihr entgegen aber kommt der Wolf und will mit ihr in alter Art ein wenig schäkern: »Wo warst du denn so lange, Gevatterin? Man sah dich nirgends. Wir haben schon alle Höhlen abgesucht und konnten dich nicht finden.« — »Laß mich in Frieden, Dummkopf! Was fällt dir ein, mit mir zu schäkern? Bisher war ich Jungfer Füchsin, jetzt aber bin ich eine verheiratete Frau.« — »Wen hast du denn geheiratet, Lisaweta Iwanowna?« — »Hast du denn nicht gehört, daß zu uns aus den sibirischen Wäldern als Bürgermeister Katerich Iwanowitsch geschickt worden ist? Ich bin jetzt die Frau des Bürgermeisters!« — »Nein, das habe ich nicht gehört, Lisaweta Iwanowna. Könnte ich ihn nicht einmal sehen?« — »Uuuh! Mein Katerich Iwanowitsch ist sehr jähzornig. Wenn ihm jemand nicht gefällt, sofort frißt er ihn! Geh, verschaff dir einen Hammel und bring ihn als Gastgeschenk; den Hammel leg dann hin, selbst aber versteck dich, damit er dich nicht sieht, denn sonst, Bruder, geht's dir schlecht!« Der Wolf lief fort und holte einen Hammel.
Die Füchsin ging weiter, da begegnete ihr der Bär, und auch er begann mit ihr zu schäkern. »Was fällt dir ein, du Dummkopf, faß mich nicht an, du krummbeiniger Mischka! Bisher war ich die Jungfer Füchsin, jetzt aber bin ich eine verheiratete Frau.« — »Wen hast du denn geheiratet, Lisaweta Iwanowna?« — »Den man aus den sibirischen Wäldern zu uns als Bürgermeister geschickt hat, er heißt Katerich Iwanowitsch — den habe ich geheiratet.« — »Könnte man ihn nicht mal sehen, Lisaweta Iwanowna?« — »Uuuh! Mein Katerich Iwanowitsch ist sehr jähzornig. Wenn ihm jemand nicht gefällt — sofort frißt er ihn! Geh, verschaff dir einen Ochsen und bring ihn als Gastgeschenk — der Wolf wollte einen Hammel bringen. Aber paß auf! Den Ochsen leg hin, selbst aber versteck dich, damit Katerich Iwanowitsch dich nicht sieht, denn sonst, Bruder, geht's dir schlecht!« Der Bär machte sich auf den Weg, um den Ochsen zu besorgen.
Der Wolf brachte den Hammel, zog ihm das Fell ab und steht da, in tiefes Nachdenken versunken; da sieht er, daß auch der Bär mit seinem Ochsen daherkommt. »Guten Tag, Bruder Michailo Iwanytsch.« — »Guten Tag, Bruder Lewon! Hast du die Füchsin mit ihrem Mann noch nicht gesehen?« — »Nein, Bruder, ich warte schon lange auf sie.« — »Geh doch und ruf sie!« — »Nein, ich gehe nicht, Bruder Michailo Iwanytsch, geh selbst. Du bist ja mutiger als ich.« — »Nein, Bruder Lewon, ich gehe auch nicht.«
Plötzlich, wer weiß woher, kommt ein Hase gelaufen. Der Bär brüllte ihn an: »Komm mal her, du Hakenschläger!« Der Hase erschrak und kam herbei. »Na, du schiefer Hurlebusch, weißt du vielleicht, wo die Füchsin wohnt?« — »Ich weiß es, Michailo Iwanowitsch!« — »Lauf mal schnell zu ihr hinüber und sag ihr, daß Michailo Iwanowitsch und Bruder Lewon Iwanytsch schon längst bereit sind, sie und ihren Gemahl zu begrüßen, und ihre Aufwartung mit Hammel und Ochs machen wollen.« Der Hase rannte so schnell er konnte zur Füchsin, der Bär und der Wolf aber fingen an zu überlegen, wo sie sich wohl verstecken könnten. Der Bär sagt: »Ich klettere auf die Fichte.« — »Und ich? Was soll ich machen?« fragte der Wolf. »Ich komme ja nie auf einen Baum hinauf, Michailo Iwanowitsch, ich bitte dich, versteck mich irgendwo, hilf mir!« Der Bär hieß den Wolf, sich ins Gebüsch zu legen, und bedeckte ihn mit trockenen Blättern, selbst aber kletterte er auf die Fichte, ganz in die Spitze, und schaut von dort, ob Katerich und die Füchsin schon kommen.
Unterdessen lief der Hase zum Fuchsbau, klopfte an und sagt zu der Füchsin: »Michailo Iwanowitsch und Bruder Lewon Iwanytsch schicken mich zu sagen, daß sie längst fertig sind, dich und deinen Mann erwarten, sie wollen euch mit Ochs und Hammel ihre Aufwartung machen.« — »Geh, Krummer, wir kommen gleich!«
So kommen die beiden heran, der Kater und die Füchsin. Der Bär erblickte sie und spricht zum Wolf: »Nun, Bruder Lewon Iwanytsch, da kommt die Füchsin mit ihrem Mann; was ist der aber klein!« Der Kater kam und stürzte sich sofort auf den Ochsen, sein Fell ist gesträubt, mit Zähnen und Krallen reißt er nur so das Fleisch herunter, und dazu knurrt er, als wenn er sehr böse wäre: »Zu wenig, zu wenig!« Der Bär denkt: »Klein, aber gefräßig! Unser vier können so einen Ochsen kaum bewältigen, aber ihm ist's noch zu wenig. Man muß sich vorsehen, sonst macht er sich noch an uns heran!« Der Wolf wollte sich den Katerich Iwanowitsch auch mal ansehen, konnte es aber wegen der Blätter nicht und fing ganz vorsichtig an, mit der Pfote die Blätter wegzuschieben. Kaum hörte der Kater, daß die Blätter rascheln, da dachte er, es wäre eine Maus, sprang darauf zu, und seine Krallen trafen genau die Schnauze des Wolfes. Der Wolf sprang auf und rannte, was Gott Beine gegeben hat — und war im Nu weit weg. Der Kater aber erschrak selbst fürchterlich und wollte schnell auf den Baum hinauf, auf dem der Bär saß. »Na«, denkt der Bär, »jetzt hat er mich gesehen!« Zum Herunterklettern war es zu spät; er empfahl sich Gottes Willen und ließ sich vom Baum zur Erde fallen. Er schlug so hart auf, daß er sich an allen Lebern weh tat; dann sprang er auf und rannte davon! Die Füchsin aber ruft hinterher: »Er wird's euch zeigen! Wartet nur!« Seit der Zeit fürchteten alle Tiere den Kater, er aber und die Füchsin waren für den ganzen Winter mit Fleisch versorgt und lebten herrlich und in Freuden. Noch heute leben sie so, kauen und sind froh.
Es lebte einmal ein Bauer, der hatte einen treuen Hund. Als nun der Hund alt wurde, da hörte er auf zu bellen und den Hof und die Speicher zu bewachen. Der Bauer wollte ihn nicht mehr füttern und jagte ihn vom Hof. Der Hund lief fort in den Wald und legte sich unter einen Baum, um zu sterben. Plötzlich kommt der Bär und fragt: »Was liegst du hier, Hund?« — »Ich bin hierher gekommen, um Hungers zu sterben! Sieh mal, was jetzt bei den Menschen Gerechtigkeit ist: Solange man Kraft hat, geben sie einem zu essen und zu trinken, wenn aber im Alter die Kraft schwindet, na ja, dann jagen sie einen vom Hof!« — »Sag mal, Hund, möchtest du gern was fressen?« — »Und wie ich fressen möchte!« — »Na, dann komm mit. Ich werde dich satt machen.« Und so gingen sie. Unterwegs trafen sie einen Hengst. »Schau mich an!« sagte der Bär zum Hunde und fing an, mit den Tatzen die Erde aufzureißen. »Hund, hör Hund!« — »Was denn?« — »Sieh her, sind meine Augen rot?« — »Ja, Bär, sie sind rot.« Der Bär riß die Erde noch wütender auf. »Hund, hör Hund! Sag, ist mein Fell gesträubt?« — »Ja, Bär, es ist gesträubt!« — »Hund, hör Hund! Steht mein Schwanz hoch?« — »Ja, er steht hoch.« — Da packte der Bär den Hengst, und der Hengst stürzte zu Boden. Der Bär zerriß ihn und sagt: »Nun, Hund, friß, soviel du willst. Und wenn du fertig bist, dann komm zu mir.« So hatte der Hund zu leben und brauchte sich um nichts zu sorgen. Als er aber alles aufgefressen hatte und wieder hungrig wurde, da lief er zum Bären. »Nun, mein Lieber, hast du alles aufgefressen?« — »Ja, aber jetzt muß ich wieder hungern.« — »Warum hungern! Weißt du, wo die Dorfweiber bei der Ernte sind?« — »Ja, das weiß ich.« — »Na, dann komm, ich will mich an deine ehemalige Hausfrau heranschleichen und ihr das Kind aus der Wiege nehmen, du aber verfolge mich und nimm es mir weg. Sobald du es dann hast, trage es ihr zurück. Sie wird dich dafür wieder füttern.« Na schön. Der Bär kam gelaufen, schlich sich heran, nahm das Kind aus der Wiege und lief fort. Das Kind fing an zu schreien, die Weiber stürzten herzu, liefen hinter dem Bären her, verfolgten ihn lange, konnten ihn aber nicht einholen und kehrten mit leeren Händen zurück. Die Mutter weint, die Weiber sind traurig. Da plötzlich, man weiß nicht woher, kommt der Hund gelaufen, holt den Bären ein, nimmt ihm das Kind fort und trägt es zur Mutter zurück. »Seht«, sagen die Weiber, »der alte Hund hat das Kind dem Bären fortgenommen!«, und sie liefen ihm entgegen. Und was war erst die Mutter froh! »Jetzt«, sagt sie, »werde ich mich niemals mehr von diesem Hund trennen!« Sie führte ihn nach Hause, goß ihm Milch ein, brockte Brot hinein und sagte: »Da, Lieber, friß mal!« Zum Manne aber sagt sie: »Nein, lieber Mann, unsern Hund muß man gut behandeln und füttern. Er hat mein Kind dem Bären fortgenommen. Und du sagst noch, er hätte keine Kraft!« Der Hund erholte sich und war nicht mehr so mager. »Gebe Gott«, sagt er, »dem Bären Gesundheit! Er hat mich nicht Hungers sterben lassen.« Und er wurde des Bären bester Freund.
Einmal hatte der Bauer am Abend Gäste. Zur selben Zeit besuchte auch der Bär den Hund. »Guten Abend, Hund! Na, wie geht's, wie steht's?« — »Gut, Gott sei Dank!« antwortet der Hund, »das ist schon nicht bloß Leben, das ist die reine Butterwoche. Womit soll ich dich denn bewirten? Komm in die Hütte. Der Hausherr hat Gäste, da wird keiner bemerken, wenn du hereinkommst. Wenn du dann in der Hütte bist, kriech gleich unter den Ofen. Und ich bringe dir, was ich finde, dorthin.« Schön. Sie kamen in die Hütte. Der Hund sieht, daß Gäste und Gastgeber schon stark über den Durst getrunken haben, da fängt er an, auch seinen Gast gehörig zu bewirten. Der Bär trank ein Glas, und wieder eins, und das stieg ihm zu Kopfe. Die Gäste stimmten ein Lied an. Da wollte der Bär mitmachen. Und er fing auch an zu singen. Der Hund redet ihm gut zu und sagt: »Sing nicht, das gibt ein Unglück!« Ach wo! Der Bär hört nicht auf, er singt sein Lied immer lauter und lauter. Die Gäste hörten das Gebrumm, nahmen Stangen und fingen an, den Bären zu schlagen. Er riß sich los und lief fort, kam knapp mit dem Leben davon.
Der Bauer hatte auch eine Katze. Als sie alt wurde, da hörte sie auf, Mäuse zu fangen, und richtete überall nur Unheil an. Wohin sie auch geht, überall zerschlägt oder vergießt sie etwas. Der Bauer jagte die Katze aus dem Hause. Als aber der Hund sah, daß die Katze Not litt, da begann er ihr heimlich Brot und Fleisch zu bringen. Die Hausfrau merkte es und schlug den Hund. Sie schlug und schlug und sprach dazu: »Du sollst nicht für die Katze Rindfleisch stehlen, du sollst der Katze kein Brot bringen!« Nach drei Tagen traf der Hund die Katze und sieht, daß sie am Verhungern ist. »Was ist mit dir?« — »Ich verhungere; ich konnte ja nur leben, weil du mich gefüttert hast.« — »Komm mit.« Und sie gingen. Als sie zu einer Pferdekoppel kamen, da fing der Hund an, mit den Pfoten die Erde aufzuwühlen, und fragte dann: »Katze, hör Katze! Sag, sind meine Augen rot?« — »Nein, gar nicht.« — »Sag, daß sie rot sind!« Da sagt die Katze: »Sie sind rot.« — »Katze, hör Katze! Sag, sträubt sich mein Fell?« — »Nein, gar nicht.« — »Sag, du Dumme, daß es sich sträubt!« — »Schön, es sträubt sich.« — »Katze, hör Katze! Steht mein Schwanz hoch?« — »Nein, gar nicht.« — »Sag, du Dumme, daß er hochsteht!« — »Gut, er steht hoch.« Da stürzte sich der Hund auf eine Stute. Die Stute aber schlug aus und — tot war der Hund! Die Katze aber sagt: »Ja, jetzt sind die Augen wirklich rot, das Fell hat sich gesträubt und der Schwanz steht hoch. Leb wohl, Bruder Hund! Auch ich muß nun sterben!«
Eine morsche Ziege, die eine Hälfte dazu noch geborsten! … Hör zu, horch auf! Es lebte einmal ein Mann, der besaß ein Häschen. Da ging der Mann aufs Feld. Und er sieht: Es liegt da eine Ziege — die eine Hälfte geborsten, die andere Hälfte nicht. Der Mann hatte Mitleid mit ihr, hob sie auf, brachte sie nach Hause und legte sie unter die Scheune. Als er zu Mittag gegessen und ein wenig ausgeruht hatte, ging er mit seinem Häschen in den Gemüsegarten. Da arbeitete sich die Ziege unter der Scheune durch in die Hütte und legte von innen den Haken vor die Tür.
Das Häschen bekam Hunger, lief zur Hütte, griff an die Tür — aber sie war zugesperrt. »Wer ist dort?« fragt das Häschen. Die Ziege antwortet: »Ich — die morsche Ziege, die eine Hälfte dazu noch geborsten; wenn ich rauskomme — schlag ich dich schief und krumm!« Das Häschen ging traurig von der Tür fort, trat hinaus auf die Straße und weint. Da kommt ihm der Wolf entgegen. »Warum weinst du?« fragte der Wolf. »Bei uns in der Hütte ist jemand«, sagte das Häschen unter Tränen. Der Wolf aber: »Komm mit — ich treib ihn hinaus!« Sie kamen zur Tür. »Wer ist da?« fragte der Wolf. Die Ziege aber trampelte mit den Füßen und sagte: »Ich — die morsche Ziege, die eine Hälfte dazu noch geborsten; wenn ich rauskomme — schlag ich dich schief und krumm!« Da gingen die beiden von der Tür fort. Das Häschen fing wieder an zu weinen und ging auf die Straße hinaus, der Wolf aber lief in den Wald. Da begegnet dem Häschen der Hahn: »Warum weinst du?« Das Häschen sagte es ihm. Da spricht der Hahn: »Komm mit, ich werde sie hinausjagen!« Als sie sich der Tür näherten, da rief das Häschen, um die Ziege zu erschrecken: »Mir folgt jemand, der trägt einen Säbel auf der Schulter, er wird deine Seele vernichten, er wird dir den Kopf abschlagen!« So kamen sie heran. Und der Hahn fragt: »Wer ist da?« Die Ziege sagt wieder ihren Spruch: »Ich — die morsche Ziege, die eine Hälfte dazu noch geborsten; wenn ich rauskomme — schlag ich dich schief und krumm!« Das Häschen ging wieder unter Tränen auf die Straße. Da kam die Biene geflogen, fliegt um das Häschen herum und fragt: »Wer hat dich gekränkt? Worüber weinst du?« Das Häschen sagte es ihr. Da flog die Biene zur Hütte. Hier fragte sie: »Wer ist drin?« Die Ziege antwortete wieder dasselbe. Da wurde die Biene böse und flog laut summend um die Hütte herum. Sie summte und summte, fand ein Loch, flog hinein und stach der morschen Ziege in ihre geborstene Seite, und sogleich schwoll diese auf. Die Ziege rannte mit aller Kraft gegen die Tür — und weg war sie! Da sprang das Häschen in die Hütte, aß sich satt, trank sich satt und legte sich schlafen. Sobald das Häschen aufwacht — fängt das Märchen an.
Im Meere Ozean, auf der Insel Buján, stand ein kleines, uraltes Hüttchen. In jenem Hüttchen lebten ein Alter und eine Alte. Sie lebten in großer Armut. Der Alte machte sich ein Netz und ging ans Meer, um Fische zu fangen. Nur so beschaffte er sich sein täglich Brot. Einmal hatte der Alte wieder sein Netz ausgeworfen, und als er es herausziehen wollte, da war es so schwer, wie er es bisher noch nie erlebt hatte: kaum konnte er es herausziehen. Er schaut hinein, aber das Netz ist leer. Nur ein ganz kleines Fischchen war drin, dafür war es aber kein gewöhnliches Fischchen, sondern ein goldenes. Da bat das Fischchen mit Menschenstimme: »Fang mich nicht, Alterchen, laß mich lieber ins blaue Meer, ich kann dir von Nutzen sein. Was du dir wünschst, soll in Erfüllung gehen.« Der Alte überlegte lange und sagte dann: »Ich brauche nichts von dir, geh, freu dich deines Lebens im Meer!« Und er warf das goldene Fischchen ins Wasser und kehrte nach Hause zurück. Da fragt ihn die Alte: »Hast du viel gefangen, Alter?« — »Alles in allem nur ein goldenes Fischchen, und auch das warf ich zurück ins Meer; es bat so sehr. ›Laß mich los‹, sprach es, ›laß mich zurück ins blaue Meer, ich kann dir von Nutzen sein; was du dir wünschst, das kann ich dir gewähren!‹ Das Fischchen tat mir leid, ich habe ihm kein Lösegeld abgenommen, habe es unentgeltlich wieder freigelassen.« — »Ach, du alter Dummkopf! Da war nun einmal das große Glück in deiner Hand, du aber konntest es nicht festhalten.« Die Alte wurde furchtbar böse, sie schilt den Alten vom frühen Morgen bis zum späten Abend und läßt ihm keine Ruhe: »Hättest du doch wenigstens um Brot gebeten! Bald werden wir nicht einmal mehr eine trockene Brotrinde haben — was sollen wir dann essen?«
Da hielt es der Alte nicht aus und ging zum goldenen Fischchen, um es um Brot zu bitten. Er kam ans Meer und rief mit lauter Stimme: »Fischchen, Fischchen, stell dich mit dem Schwanz zum Meer, und dreh den Kopf zu mir her!« Das Fischchen kam ans Ufer geschwommen. »Was willst du, Alter?« — »Die Alte ist wütend, sie schickt mich nach Brot.« — »Geh nach Hause. Ihr werdet genug Brot haben.« Der Alte kehrte heim. »Na, was ist, Alte, ist Brot da?« — »Brot ist genug da, aber schlimm ist, daß der Waschtrog geborsten ist, worin soll ich die Wäsche waschen? Geh zum goldenen Fischchen und bitt es um einen Waschtrog.« Da ging der Alte ans Meer: »Fischchen, Fischchen, stell dich mit dem Schwanz zum Meer, und dreh den Kopf zu mir her!« Da kam das goldene Fischchen geschwommen. »Was willst du, Alter?« — »Die Alte schickt mich, will einen neuen Waschtrog haben.« — »Gut, ihr sollt einen neuen Waschtrog haben.« Der Alte ging nach Hause. Kaum aber stand er in der Tür, da fuhr ihn die Alte an: »Geh sofort zum goldenen Fischchen und bitt es, uns eine neue Hütte zu bauen. In unserer kann man nicht wohnen, die stürzt jeden Augenblick ein!« Der Alte ging ans Meer. »Fischchen, Fischchen, stell dich mit dem Schwanz zum Meer, und dreh den Kopf zu mir her!« Das Fischchen kam geschwommen, stellte sich mit dem Kopf zu ihm, mit dem Schwanz zum Meer und fragt: »Was willst du, Alter?« — »Bau uns eine neue Hütte! Die Alte schilt und läßt mir keine Ruhe. ›Ich will nicht‹, sagt sie, ›in der alten Hütte wohnen, die kann jeden Tag einstürzen.‹« — »Sei nicht traurig, Alter, geh nach Hause und bete zu Gott; alles wird nach deinem Wunsch geschehen.« Der Alte kehrte heim — auf seinem Hofe steht eine neue Hütte, aus Eichenholz, mit schönem Schnitzwerk. Da kommt die Alte herausgelaufen, zürnt schlimmer denn je, schilt ärger denn je: »Ach, du alter Dummkopf, verstehst dein Glück nicht wahrzunehmen! Hast dir da eine Hütte ausgebeten und glaubst wohl, damit wäre die Sache gemacht! Nein, geh sofort wieder zum goldenen Fischchen und sag ihm, ich will keine Fischersfrau mehr sein, ich will Statthaltersfrau sein, damit alle Leute mir gehorchen und sich tief vor mir verneigen.« Da ging der Alte wieder ans Meer und spricht mit lauter Stimme: »Fischchen, Fischchen, stell dich mit dem Schwanz zum Meer, und dreh den Kopf zu mir her!« Das Fischchen kam geschwommen, stellte sich mit dem Schwanz zum Meer, mit dem Kopf zu ihm und fragte: »Was willst du, Alter?« Antwortet der Alte: »Sie gibt mir noch keine Ruhe, die Alte, sie ist ganz verrückt geworden: Sie will von nun ab keine Fischersfrau mehr sein, sondern eine Statthaltersfrau.« — »Schon gut, sei nicht traurig, geh nach Hause und bete zu Gott, alles wird nach deinem Wunsch geschehen.« Der Alte kehrte heim, statt der Hütte aber steht da ein steinernes Haus, drei Stock hoch; über den Hof laufen Diener, in der Küche hantieren Köche, die Alte aber sitzt da, in einem teuren Brokatkleide, auf einem hohen Sessel, und gibt Befehle. »Guten Tag, Frau!« sagt der Alte. »Ach, du Flegel, wie wagst du es, mich, die Statthalterin, deine Frau zu nennen? He, Leute, in den Stall mit dem Kerl, und gebt ihm Prügel!« Sofort kamen die Diener gelaufen, faßten den Alten am Kragen und schleppten ihn in den Stall; die Stallknechte aber gaben ihm eine so gehörige Tracht Prügel, daß er kaum noch auf den Beinen stehen konnte. Nachher wurde er auf Befehl der Alten Hausknecht. Er bekam einen Besen und mußte den Hof fegen, zu essen und zu trinken bekam er aber in der Küche. Ein schweres Leben war es für den Alten: Den ganzen Tag mußte er den Hof fegen, und wenn auch nur ein kleines Fleckchen nicht sauber war — gleich geht's in den Stall! »Ist das eine Hexe!« denkt der Alte. »Jetzt, wo sie im Glück sitzt, hat sie sich hineingewühlt wie ein Schwein und tut so, als sei ich nicht mehr ihr Mann!«
Nach einiger Zeit wurde es der Alten langweilig, nur Statthaltersfrau zu sein, sie ließ den Alten vor sich kommen und befahl ihm: »Geh, alter Teufel, zum goldenen Fischchen und sage ihm: Ich will nicht mehr Statthalterin sein, ich will Zarin sein.« Da ging der Alte ans Meer: »Fischchen, Fischchen, stell dich mit dem Schwanz zum Meer, und dreh den Kopf zu mir her!« Das goldene Fischchen kam herbeigeschwommen. »Was willst du, Alter?« — »Ja was! Vollkommen verrückt ist meine Alte geworden; sie will nicht mehr Statthalterin sein, sie will Zarin sein.« — »Sei nicht traurig, geh nach Hause und bete zu Gott; alles wird nach deinem Wunsch geschehen.« Der Alte kehrte heim. Da steht an Stelle des früheren Hauses ein großer Palast mit einem goldenen Dach. Um den Palast gehen Wachtposten und präsentieren das Gewehr; hinten ein großer Garten, vorn eine grüne Wiese; auf der Wiese sind Truppen aufmarschiert. Die Alte ist wie eine Zarin gekleidet, ist mit Generälen und Bojaren auf den Balkon herausgetreten und fängt an, diese Truppen zu besichtigen und die Parade abzunehmen. Die Trommeln werden gerührt, die Musik dröhnt, die Soldaten rufen »Hurra!«.
Aber nach einiger Zeit wurde auch das der Alten langweilig, sie befahl, den Alten zu suchen und vor ihr Antlitz zu bringen. Das gab eine große Aufregung, die Generäle laufen hin und die Bojaren laufen her: »Was ist das für ein Alter?« Mit Müh und Not fand man ihn auf dem Hinterhof und führte ihn vor die Zarin. »Hör mal, alter Teufel«, sagt zu ihm die Alte, »geh zum goldenen Fischchen und sag ihm, ich will nicht länger Zarin sein, ich möchte die Herrscherin des Meeres sein, damit alle Meere und alle Fische mir untertan sind!« Der Alte versuchte, sich herauszureden: »Was du nicht alles willst!« — »Wenn du nicht gehst — dann rollt dein Kopf!« Der Alte faßte sich ein Herz und ging ans Meer. Als er hinkam, sprach er: »Fischchen, Fischchen, stell dich mit dem Schwanz zum Meer, und dreh den Kopf zu mir her!« Das goldene Fischchen aber kam nicht! Ein zweites Mal rief der Alte — wieder nichts! Und ein drittes Mal rief er — plötzlich rauschte das Meer und bäumte sich auf. Es war so hell und rein gewesen, jetzt aber wurde es ganz schwarz. Das Fischchen kommt zum Ufer geschwommen. »Was willst du, Alter?« — »Die Alte ist jetzt ganz verrückt geworden; sie will schon nicht mehr Zarin sein, sie will jetzt Herrscherin der Meere werden, sie will alle Gewässer beherrschen, sie will allen Fischen befehlen.«
Nichts antwortete da das goldene Fischchen, drehte sich um und verschwand in der Tiefe des Meeres. Der Alte kehrte heim, und er sieht und traut seinen Augen nicht — der Zarenpalast ist weg, wie nie gewesen, und an seiner Stelle steht ein kleines, uraltes Hüttchen, im Hüttchen aber sitzt die Alte in einem zerrissenen Kleid. Da begannen sie, wieder wie früher zu leben. Der Alte ging zum Fischfang, aber wie oft er sein Netz auch auswarf — nie mehr gelang es ihm, das goldene Fischchen zu fangen.
Es lebte einmal ein Alter mit seiner Alten. Sie hatten ein tatarisches Hühnchen, das legte ein Ei hinten in der Hütte unter dem Fenster: Schön bunt, spitz, mit fester Schale, wunderbar! Die Alte setzte das Ei auf ein kleines Wandbrett. Da kam das Mäuschen, wedelte mit dem Schwänzchen, das Wandbrett fiel herunter, das Ei zerbrach. Der Alte weint, die Alte schluchzt, im Ofen flammt es, das Dach auf der Hütte wackelt, die kleine Enkelin erhängte sich vor Kummer. Da kommt die Hostienbäckerin und fragt, warum sie alle so weinen. Die beiden Alten erzählten es ihr: »Wie sollen wir nicht weinen? Wir haben ein tatarisches Hühnchen, das legte ein Ei, hinten in der Hütte unter dem Fenster: Schön bunt, spitz, mit fester Schale, wunderbar! Wir setzten es auf das kleine Wandbrett; da kam das Mäuschen, wedelte mit dem Schwänzchen, das Wandbrett fiel herunter, das Ei zerschlug! Ich, der Alte, weine; ich, die Alte, schluchze, im Ofen flammt es, das Dach auf der Hütte wackelt, die kleine Enkelin erhängte sich vor Kummer.« Als die Hostienbäckerin das hörte — zerbrach sie alle ihre Hostien und warf sie hin. Da kommt der Küster und fragt die Hostienbäckerin, weshalb sie die Hostien hingeworfen hätte. Sie erzählte ihm das ganze Unglück noch einmal. Da lief der Küster auf den Glockenturm hinauf und zerschlug alle Glocken. Da kommt der Pope und fragt den Küster: »Weshalb hast du die Glocken zerschlagen?« Der Küster erzählte dem Popen das ganze Unglück noch einmal, der Pope aber rannte fort und zerriß alle seine Bücher.
Die Eule flog im Wald umher,
sie setzte sich dorthin, daher,
sie wippte mit dem Schwänzchen
und sah nach jeder Seit'.
Sie flog ein Stück … nicht weit.
Sie flog und flog und saß,
und wippte mit dem Schwanz
und sah nach allen Seiten …
Mit diesen Worten leiten
wir nur das Märchen ein.
Das war ja bloß zum Schein!
In einem Sumpf lebten einmal ein Kranich und eine Rohrdommel, die hatten sich an verschiedenen Seiten ihre Hüttchen gebaut. Dem Kranich wurde es langweilig, allein zu leben, und er gedachte zu heiraten. »Ich geh mal und halte um die Rohrdommel an!« So ging der Kranich — tap, tap! — sieben Werst schlappte er durch den Sumpf. Kommt und sagt: »Ist die Rohrdommel zu Hause?« — »Ja, sie ist zu Hause.« — »Heirate mich!« — »Nein, Kranich, ich heirate dich nicht; du hast so lange Beine, so ein kurzes Kleid, du kannst nicht gut fliegen und hast nichts! Geh fort, du Stelzbein!« Der Kranich ging wieder nach Hause, wie bitter es für ihn auch war. Danach überlegte sich die Rohrdommel die Sache und sagte: »Was soll ich so allein leben, lieber heirate ich den Kranich.« Kommt die Rohrdommel zum Kranich und spricht: »Kranich, heirate mich!« — »Nein, Rohrdommel, ich brauch dich nicht, ich will nicht heiraten, ich nehm dich nicht, mach, daß du fortkommst!« Die Rohrdommel weinte vor Scham und kehrte um. Der Kranich überlegte es sich und sagte: »Ganz dumm, daß ich die Rohrdommel nicht genommen habe; denn allein ist's doch langweilig. Will mal gehen und die Rohrdommel heiraten.« Er kommt und sagt: »Rohrdommel, ich will dich doch heiraten, nimm mich!« — »Nein, Kranich, ich heirate dich nicht!« Der Kranich ging nach Hause. Da überlegte sich's die Rohrdommel: »Weshalb habe ich ihn nicht genommen? Was soll ich so alleine leben? Lieber heirate ich den Kranich!« Wieder kommt die Rohrdommel zum Kranich, der will aber nicht.
So gehen die beiden bis heute und machen sich Anträge, aber heiraten tun sie nicht.
In der Johannisnacht wurde im Flusse Scheksna ein Hecht geboren, und zwar ein so bissiger, daß Gott behüte! Die Brachse, die Barsche und Kaulbarsche — alle versammelten sich und starrten das Wunder an und staunten über die Maßen. Damals bäumte sich das Wasser der Scheksna auf. Eine Fähre wäre beinahe gekentert, und die schönen Mädchen, die am Ufer spazierengingen, liefen alle auseinander. Ein so bissiger Hecht wurde geboren! Und nun fing er an zu wachsen, nicht in Tagen, sondern in Stunden: Jeden Tag wächst er um einen Zoll. Und nun fing der Hecht an, in der Scheksna auf und ab zu schwimmen und die Brachse und Barsche zu fangen. Erblickt er auch nur von weitem einen Barsch, da faßt er ihn auch schon gleich mit den Zähnen. Und der Barsch ist weg, wie nie gewesen, nur noch die letzten Gräten krachen zwischen den Zähnen des bissigen Hechtes. Eine schlimme Sache war das! Was sollen die armen Barsche und Brachse machen? Ganz elende Aussichten: Der Hecht wird sie alle auffressen und ausrotten.
Da kamen alle die kleineren Fische zusammen und überlegten stark und dachten tief, wie sie wohl den bissigen und so sehr behenden Hecht loswerden könnten. Zur Ratsversammlung erschien auch der Kaulbarsch, der Sohn des alten Kaulbarsch, und sagte ganz schnell: »Hört auf, tief zu denken und euch den Kopf zu zerbrechen, hört auf, euch das Gehirn zu verderben; hört aber, was ich euch sagen werde. Ganz elend sind unsere Aussichten hier in der Scheksna: Der bissige Hecht läßt niemand in Ruhe, nimmt jeden Fisch auf den Zahn! Das ist kein Leben mehr in der Scheksna. Laßt uns also, und das ist mein Rat, in die kleinen Flüsse und in die Bäche übersiedeln — in die Sisma, Konoma und Slawenka; dort wird uns keiner kränken, und wir werden ein heiteres Leben führen und viele Kinderchen haben.« Da erhoben sich alle Kaulbarsche und Brachse und Barsche und wanderten aus der Scheksna in die kleinen Flüsse Sisma, Konoma und Slawenka. Unterwegs fing ein schlauer Angler viele von ihnen mit seiner Angel und kochte sich eine wunderbar steife Suppe und begann so, wie man sagt, seine Fastenzeit.
Seit der Zeit gibt es kaum noch Fische in der Scheksna. Wenn ein Angler seine Angel ins Wasser wirft, dann holt er sie ebenso wieder heraus, oder es ist was dran, das sich der Mühe nicht lohnt — und aus ist's mit dem Angeln! Und das ist die ganze Geschichte vom bissigen und so sehr behenden Hecht. Viel Scherereien hatte der Gauner den Fischen in der Scheksna gemacht, dann aber kam auch seine Zeit. Als es keine Fische mehr gab, da fing er an, auch Würmer zu packen, und so kam er selbst an den Haken. Der Angler kochte sich eine Suppe, schlürfte sie und lobte sie: So fett war sie! Ich bin auch dabeigewesen, habe auch mitgeschlürft, es floß wohl über den Schnurrbart, aber bis in den Mund kam es nicht.