Die schönsten Sagen aus Hessen - Burckhard Garbe - E-Book

Die schönsten Sagen aus Hessen E-Book

Burckhard Garbe

0,0

Beschreibung

Alte Sagen neu belebt und exklusiv illustriert. Quer durch Hessen, von Witzenhausen bis Heppenheim, von Limburg bis Fulda nehmen uns der Autor Burckhard Garbe und der Künstler Albert Völkl mit auf eine imaginäre Reise in die Welt der Zwerge, Hexen, Teufel, Geisterreiter und tollkühnen Frauen. Aus dem Fundus der heimischen Sagen hat Burckhard Garbe, Germanist und Grimm-Kenner, die schönsten ausgewählt. Er hat ihren überlieferten Kern stets erhalten, ihn aber liebevoll zu einer Geschichte ausgeschmückt und den Sagen damit ihren ursprünglichen Unterhaltungswert zurückgegeben. Die exklusiven Scherenschnitte von Albert Völkl ergänzen die Texte auf besonders harmonische Weise. Wie die Sagen lassen sie vieles im Dunkeln und beflügeln so die Phantasie des Lesers. Der Scherenschnittkünstler und Schattentheaterspieler Albert Völkl aus Nordhessen gestaltete den sagenhaften "Heppenheimer Laternenweg" – mit seinen etwa 120 Scherenschnitten eine einzigartige hessische Sagensammlung.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 146

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Die schönsten Sagen

aus Hessen

 

ausgewählt und erzählt

von Burckhard Garbe

 

 

Scherenschnitte

Albert Völkl

 

 

Prolibris Verlag

 

 

Mit freundlicher Unterstützung des Magistrats der Kreisstadt Heppenheim

– Kultur- und Sportamt –

© Prolibris Verlag Rolf Wagner, Kassel, 2017

Tel 0561/766 44 9-0, Fax 0561/766 44 9-29

www.prolibris-verlag.de

Alle Rechte vorbehalten, auch die des auszugsweisen Nachdrucks

und der fotomechanischen Wiedergabe sowie der Einspeicherung 

und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Alle Bilder: Albert Völkl, außer Fotos S. 145 u. 185

Seitenzahlvignette, Autorenportrait und Reihenlogo: Veronica Felgentreu

Lektorat: Dr. Anette Kleszcz-Wagner

E-Book: Prolibris Verlag

E-Book ISBN: 978-3-95475-162-4

Dieses Buch ist auch als Printausgabe im Buchhandel erhältlich.

ISBN: 978-3-935263-79-5

 

Vorwort

 

Vom Wesen der Sage

Der besondere Reiz der Sage liegt in ihrem wahren Kern, der ihr zu Grunde liegen soll. Sie erzählt von Erlebnissen, die sich so oder ähnlich ereignet haben könnten, und von den Spuren, die sie hinterlassen haben und die zum Teil noch heute besichtigt und erkundet werden können. Im Gegensatz zum Märchen, das fast nie Ort und Zeit benennt, also im fiktiven Irgendwo spielt, gibt die Sage ihren Handlungsort an, nennt Gemarkungen und Gebäude und berichtet von realen (bekannten wie unbekannten) Persönlichkeiten der regionalen Geschichte. Dadurch stellt sich beim Leser, der die Region kennt, eine ganz besondere Betroffenheit ein. Liest man von unheimlichen Geschehnissen, die im eigenen Lebensumfeld passiert sein sollen, erhöht das den Nervenkitzel. Der Lesegenuss und die Spannung steigen, wenn es dem Erzähler gelingt, den dokumentarischen Kern der Sage zu beleben.

 

Regionalität als Vorteil

Alle für diesen Band ausgewählten Sagen stammen aus Hessen. Das bietet dem Leser aus diesem überschaubaren Gebiet den Vorteil, die einzelne Sage meist räumlich zuordnen zu können. Aber auch wem nicht jeder Ort bekannt ist, der in den Sagen eine Rolle spielt, kann ihn schnell auf der Karte am Anfang des Buches lokalisieren und lässt sich ja vielleicht sogar zu einem Ausflug an die Originalschauplätze verführen. Ein besonderes Vergnügen ist dann der gedankliche Vergleich vom Beschriebenen aus alter Zeit mit dem heute noch Sichtbaren.

 

Alte Sagen ans Licht geholt

Der vorliegende sechste Band der Sagenreihe, in dem Burckhard Garbe seine Auswahl hessischer Sagen erzählt, wurde in besonderer Weise durch die Stadt Heppenheim angeregt. Die Hessentagsstadt 2004 kann wohl ohne Übertreibung als die hessische Sagenstadt bezeichnet werden. Und dies nicht nur, weil besonders viele Sagen aus der Stadt an der Bergstraße überliefert wurden. Seit dem Jahr 2001 werden hessische Sagen im Stadtbild Heppenheims im wahrsten Sinne des Wortes ans Licht gebracht. Der Grafiker Albert Völkl, der dieses Buch illustrierte, machte mit seinen Scherenschnitten Altstadtlaternen zu Kunstwerken. Er belebt damit alte Erzähltraditionen wieder, denn die Laternenbilder lassen im Kopf der Vorübergehenden Geschichten entstehen. Sicher die ungewöhnlichste Sammlung hessischer Sagen. Im zweiten Teil dieses Buches wird sie mit erläuternden Kurztexten festgehalten.

 

Unterhaltung durch Auswahl und Erzählweise

Der erste Teil des Buches mit seinen 26 erzählten Sagen will keine dokumentarische Sagensammlung sein und erhebt auch keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Im Gegenteil wurde hier bewusst ausgewählt. Immer unter der Prämisse, den Sagen wieder ihren Unterhaltungswert zurückzugeben. Denn Sagen erzählte man sich in Spinnstuben, Wirtshäusern und im Kreis der Großfamilie, weil sie außergewöhnliche, meist unerklärliche Vorkommnisse beschrieben. Dabei wechselten von Erzähler zu Erzähler jeweils die Zutaten, wurde mehr oder weniger ausgeschmückt, nur der Kern der Sage – die unerhörte Begebenheit – blieb konstant und wurde weiter tradiert.

Der Autor Burckhard Garbe, Hochschullehrer in Göttingen, Germanist und Grimm-Kenner, will den alten Sagen hier wieder ihre ursprüngliche Kraft zurückgeben. Er beschränkt sich nicht auf die Auswahl, trägt nicht nur zusammen, sondern versetzt sich in die Tradition des Sagen-Erzählens, schmückt die Geschichten um den essenziellen, unangetasteten Kern herum weiter aus, wirft hier einen erklärenden Einschub ein, macht dort Zusammenhänge sichtbar. Um den Sagen ihren ganz eigenen Charakter zu erhalten, bleibt er weitgehend bei der leicht archaischen Sprache – dem Originalton der Sagen – und entwickelt schon dadurch eine eigenartige Atmosphäre und entführt in eine andere Zeit.

Burckhard Garbe wendet sich mit diesem Buch an alle, die sich auf die Sagen einlassen wollen, weil sie in dieser Literaturform ein Stück regionaler Eigenart suchen, ebenso wie an die Leser, die hier einen Kontrast sehen zu unserer technisierten, aufgeklärten und bis in die letzten Winkel ausgeleuchteten Welt oder die sich einfach nur unterhalten lassen wollen. Auf angenehm beiläufige Weise erfährt der Leser einiges über seine Region, über alte Zeiten, Bräuche, Ängste und Rituale.

 

Scherenschnitt als optimale Visualisierung

Dieser Idee entsprechen in idealer Weise die Scherenschnitte des Schattentheaterspielers und Scherenschnittkünstlers Albert Völkl, der alle Scherenschnitte dieses Buches eigens zu den entsprechenden Sagen angefertigt hat. Seine Illustrationen  sind nicht reine künstlerische Phantasiegebilde, sondern spiegeln oft den Ortsbezug der Sage durch ein erkennbares Ortsdetail wider. Dabei entspricht der Scherenschnitt als Medium in idealer Weise der Sage. Genau wie sie teilt er die Welt in Schwarz und Weiß, reduziert die Darstellung auf wesentliche Linien und verrät nicht alles, lässt vieles im Dunkeln. Genau wie die Sage zum geistigen Ausmalen der Szene reizt, fordert der Scherenschnitt den Betrachter heraus, Details hinzuzudenken. Die Fantasie des Lesers wird durch diese Illustration nicht eingeschränkt, sondern beflügelt.

 

Rolf Wagner

Prolibris Verlag

 

 

 

 

TEIL 1

Hexenritt

Ein Bursche aus Berfa bei Alsfeld hatte sich in ein Mädchen verliebt und sie sich in ihn, und war beschlossen, sie wollten einander heiraten. So sahen sich Braut und Bräutigam nun häufig, und hatten sie ihre Lust aneinander.

Einmal kam der Bursche wieder zu ihr, und war es just zu Beginn jener Nacht, die ebenso nach der heiligen Walpurgis heißt wie die Hauptkirche in Alsfeld; da schlich sich der Bursche ins Haus seiner Braut hinein, wollte er sie doch überraschen. Aber, wie überrascht war er nun, als er ins Zimmer des Mädchens durch das Türfenster schaute und sah, wie sie gerade ihre Kleidung von sich tat, und als sie nackt war, griff sie nach einem Glas mit Salbe, und salbte sie sich vom Kopf bis zu den Füßen und ließ keine Handbreit am Körper aus, dazu sagte sie:

 

„Ich salbe mich mit Hexenfieder

Und stoß’ an keiner Ecke wider.“

 

Sofort fuhr sie zum Schornstein hinaus und zum nahen Bechtelsberge hin, dem hessischen Blocksberge, wie er im Volke heißt, sich zu treffen mit ihren Schwestern zum Tanze.

Der Bräutigam war erst erschrocken, dass seine Braut sollte eine Hexe sein. Aber dann nahm er’s gelassen und befiel ihn die Neugier. Da stand noch das Glas mit der Hexensalbe, und tat er es nun dem Mädchen nach, zog sich aus und bestrich sich gründlich mit der Salbe, und sagte er dabei:

 

„Ich salbe mich mit Hexenfieder

Und stoß’ an alle Ecken wider.“

 

Er hatte in der Aufregung nicht gut zugehört und darum versah er’s. So ging es auch mit ihm im Hui durch den Schornstein, aber stieß er an alle Ecken und Kanten und Bäume, dass es ihn am ganzen Körper gar schmerzte. Endlich gelangte auch er mit viel Mühe auf dem Bechtelsberge an. Dort sah er sich allein unter Hunderten Hexen. Die waren über sein Erscheinen ebenso erschrocken wie er über ihre Versammlung.

Nach kurzer Beratung machten die Hexen ihn zu ihrem Musikanten, und sollte er den Hexentänzen aufspielen. Er bekam eine glänzende, neue Trompete, auf der er zu blasen hatte, und hörte es sich an wie:

 

„Ich blase, ich blase die Haare weg,

Die Haare der Katz’ von hinten hinweg!“

 

Und wunderte er sich darüber. Auch spielte er schnelle Melodien, während die Hexen in einer kleinen Vertiefung, der Hexenkaute oder Silberkaute, in wildem Tanze sich drehten. Das ging so bis weit nach Mitternacht, ja bis in den frühen Morgen.

Als dann der Tanz endlich zu Ende war, machten die Hexen ihm die Trompete zum Geschenke, gaben ihm noch einen Ranzen voll Kreppeln obendrein, und sollte ein dreibeiniger Ziegenbock sein Reitpferd sein, doch durfte er beim Reiten weder denken noch sprechen. Mit einem Mal waren alle Hexen fort, und der Bursch gab dem Bocke die Sporen. 

Nach langer Zeit des Reitens kamen sie an ein großes Wasser.

 

‚Ich sehe hier Brücke nicht, nicht eine Fähre,

Ach, wenn ich nur über dies Wasser schon wäre!’

 

In diesem Augenblicke tat der Ziegenbock einen hohen Sprung wie über einen Kirchturm, und lag der Bursch nun, nach unsanftem Fall, am anderen Ufer. Sein dreibeiniger Bock aber blieb für immer verschwunden.

 

 

Nun befiel ihn der Hunger und wollte er speisen. So öffnete er den Ranzen, und wollte er sich an den Kreppeln erfreuen; doch befand sich an Stelle der Kreppel nun Pferdemist und statt der blanken Trompete lag eine verendete Katze darin, der er die Haare weggeblasen hatte. Nun verstand er die Worte.

So ging der enttäuschte Hochzeiter nun also auf Schusters Rappen gen Hause, und hatte er lange, lange zu gehen. Und konnte er nachdenken, ob er eine Hexe zur Braut haben wolle oder nicht.

 

 

Die Frau von Bensheim

„Der kimmt hinnerum wie die Fraa vun Bensem“, so sagt man im Dialekt an der Bergstraße, wenn jemand hartnäckig seinen Willen durch die Hintertür durchsetzt. Aber, wer war die Frau von Bensheim?

Die Chronisten schrieben das Jahr 1644, es war also kurz vor Ende des Dreißigjährigen Krieges, da hatten Schweden und Franzosen Bensheim belagert, Wochen um Wochen, und die Bensheimer hatten sich tapfer verteidigt und gewehrt; aber hatten die Belagerer es zuletzt doch eingenommen und dann schrecklich unter den Städtern gehaust. Sie hatten nicht Frauen, nicht Männer, nicht Kinder geschont, weder Alt noch Jung, weder Reich noch Arm. 

Die Landsknechte hatten sich Zugang zu jedem Hause verschafft, und waren sie dort treppauf, treppab gegangen, und hatten sie jedes durchsucht vom Keller bis hinauf auf den Boden, ob sich nicht irgendjemand versteckt darin halte. Sie hatten alle gefunden, die sich in Kisten, in Kasten, in Schränke oder in Weidenkörbe geflüchtet hatten. Sie hatten in jeden Schornstein und unter jedes Bett geschaut; und die Gefundenen hatten sie auf die Straße gezerrt und sie dort vor aller Augen erstochen oder erschlagen. Und soll der Blutzoll der Bevölkerung so groß gewesen sein, dass das Blut der Getöteten wie ein rasch fließender Bach über den Marktplatz geströmt sein soll. 

Dann hatte das Morden ein Ende, aber Leid und Not waren damit noch nicht vorbei. Die Überlebenden hungerten und litten Durst; denn alles an Vorrat, was nach der Belagerung noch vorhanden war, hatten die schwedischen und französischen Landsknechte konfisziert, und waren die Krämerläden fast leer. Einzig Kartoffeln, Wurzeln und Rüben waren zu haben, oder musste man mit einer Armenspeise aus Hafer, Gerste und Hülsenfrüchten sich notdürftig sättigen.

Da kam unter den Bensheimern das Gerücht auf, die verbündeten Bayern rückten zu ihrer Befreiung heran, und war wieder Hoffnung. Und schaute nicht nur der angestellte Türmer auf dem Mittelturme nach ihnen aus; sondern war auch das gute Dutzend an Wehrtürmen auf der Stadtmauer jetzt von freiwilligen Bürgern bezogen. Dann wurden die sich nähernden Bayern gesichtet, und Freude kam auf. Bald lagen sie vor der Stadt und hatten in ein paar Tagen die äußere Stadtmauer überwunden und standen in der Vorstadt; aber die Schweden und Franzosen schlugen ihre Angriffe auf die innere Mauer mehrfach zurück, und konnten die Bayern nicht in die Stadt gelangen.

Eine sehr alte Frau aus der Vorstadt erinnerte sich aber, wie sie in ihrer Jugend mit ihren Geschwistern und Nachbarskindern ungesehen und, ohne durchs Stadttor zu müssen, in die Stadt gelangt war, nur wusste sie nicht mehr, wo der Eingang zu diesem geheimen Gang lag. So ging sie die Wege ihrer Jugend ab und suchte und suchte und fand. In einem Haus in der Vorstadt, das dicht vor der inneren Stadtmauer lag, hatte ein Keller eine eiserne Bodenklappe, die zu einem unterirdischen Gang führte; durch diesen gelangte man unter der Stadtmauer hindurch in den Keller eines in der Stadt gelegenen Hauses.

So ging sie zum Obersten der bayerischen Soldaten und noch in gleicher Nacht führte sie sie von hintenherum in die Innenstadt Bensheims. Wie überrascht und entsetzt waren die Schweden und Franzosen, als sich ihnen auf einmal mitten in der Stadt die Bayern entgegenstellten. Da gab es einen kurzen, heftigen Kampf, und alle Schweden und Franzosen wurden getötet, wie sie es zuvor mit den Einwohnern Bensheims getan.

Und lässt der Schriftsteller Grimmelshausen 1670 seinen „seltzamen Springinsfeld“ im achtzehnten Kapitel berichten: „wir ... nahmen Bensheim mit Sturm ein / allwo mein Obrister das Leben durch einen Schuß einbüste / darinnen hauseten wir etwas rigoroser als Chur=Bayrisch / und machten daß sich Weinheim auch auf Gnad und Ungnad an uns ergab.“

Zur Erinnerung an diese Errettung Bensheims wurde der „Fraa vun Bensem“ später an der Stadtmühle ein Denkmal gesetzt.

 

 

 

Der Advokat und der Teufel

Dass Angehörige verschiedener Berufe sich gegenseitig  schlecht beurteilen und sich mit Schimpfwörtern benennen, ist seit alters als „Berufsschelte“ bekannt. So heißt der Kaufmann im Volksmund seit langem der „Koofmich“ oder „Heringsbändiger“, der Winzer ist ein „Weinpanscher“, aus neuer Zeit kennt man „Bulle“ für Polizist, „Seelenklempner“ für Psychiater und „Sesselpuper“ für den Beamten. Sehr viel älter aber sind die Bezeichnungen „Rechtsverdreher“ und „Winkeladvokat“ für den Rechtsanwalt. Und gibt es eine Sage, die von einem solchen handelt, der diese Bezeichnung wirklich verdiente.

In Darmstadt wohnte einmal ein Advokat Dr. Paragraphus, das war ein rechter Leuteschinder, und brachte er die armen Bauern an den Rand des Ruins oder darüber hinaus, er drängte und trieb sie auch zum aussichtslosesten Prozess, und wenn sie Haus und Hof verprozessiert hatten, nahm er ihnen alles und jagte sie davon.

Eines Tages ging Dr. Paragraphus mit einer gewaltigen Tasche voll Akten und Papieren hinaus ins Ried. Unterwegs holte ihn ein Mann in Odenwälder Tracht ein, er trug einen breitkrempigen Dreispitzhut, einen langen blauen Rock, eine rote Weste und kurze Hosen mit weißen Strümpfen; aber waren seine Beine dürr wie Stecken.

Der Fremde zog den Advokaten in ein Gespräch, er erfreute sich an allem, was dieser so von sich gab und lachte viel. Aber klang das Lachen so spöttisch und scharf, dass es diesen erschauerte. So blickte er seinem Gefährten nun genau ins Gesicht, aber war daran nichts Besonderes zu merken. So schaute er ihn nun von oben bis unten an, und sah er endlich an den Füßen, wen er da neben sich hatte. Es war mit einem Bocksfuß der Herr der Hölle höchstselbst. Nun packte ihn doch die Furcht, und war ihm gar nicht wohl in seiner Haut.

Es fiel ihm eine Weisheit seines Vaters ein: ‚Angriff ist die beste Verteidigung’, also fragte er den Teufel direkt: „Warum verschlägt es Euch in das Ried, ist in der Hölle bereits alles gerichtet?“ Der Beelzebub aber lachte und antwortete: „Ihr habt es getroffen, ich habe eine Seele da abzuholen, die schon viele Menschen dort zu mir gewünscht.“ ‚Im Ried’, dachte der Advokat und wusste sich damit nicht getroffen. So nahm er seine muntere Rede wieder auf, und prahlte er vor dem Bösen mit seinen Händeln und Prozessen und lachte über deren günstigen Ausgang für sich selbst, und der Unterweltsfürst pflichtete ihm immer bei.

Da begegnete ihnen ein armer Metzger, der trieb ein Schwein nach Hause, und grunzte es hier und schnüffelte dort, bald nach Kastanien, bald nach Trüffeln, aber immer in der Erde oder im Kote, so dass es ganz schwarz war. Der Metzger aber ward es Leid, und er beschimpfte sein Schwein: „Ach, dass dich der Teufel hole!“ Darauf hatte der Advokat fleißig gemerkt, stieß den Gottseibeiuns an und sagte: „Das gehört jetzt dir.“ Doch der Böse schüttelte nur den Kopf und sagte: „Das ist so ernst nicht gemeint; ich lasse die Sau dem armen Menschen, er muss mit Frau und Kindern die ganze Woche davon leben.“ Und zeigte es sich, dass der Advokat böser gehandelt hätte als der Böse selbst.

Sie erreichten den nächsten Ort und hörten da ein kleines Kind jämmerlich weinen und schreien, so dass seine Mutter das Fenster öffnete und hinausschrie: „Halt endlich dein Maul, sonst kann dich der Teufel holen!“ Aber das Kind hörte nicht auf. Da wandte sich der Advokat wieder an seinen bocksfüßigen Begleiter: „Das Balg ist dein, du hast es gehört.“ Aber wieder wies ihn der Deixel zurück: „Das war so schlimm nicht gemeint, ich kann doch dieser Mutter nicht ihr einziges Kind nehmen.“

 

 

Und empörte sich der Advokat darob und sagte: „Das hätte ich nie gedacht, dass der Fürst der Hölle ein Herz hat und ein solch weiches dazu. Würde ich so nachgiebig handeln, wäre ich längst Anführer der Bettler und Habenichtse.“