Die Spinne. Unheimliche Geschichten - Bithia Mary Croker - E-Book

Die Spinne. Unheimliche Geschichten E-Book

Bithia Mary Croker

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Beschreibung

Für dunkle Herbstabende: spannende Schauergeschichten einer viktorianischen Klassikerin Eine junge Frau heiratet einen erfolgreichen Geschäftsmann und zieht mit ihm in die australische Provinz. Ihr dämmert, dass ihr Leben nun zu Ende ist. Während ihr Mann rastlos seinen Geschäften nachgeht, entwickelt sich Maimie Grimshaw zu einer verführerischen, bösartigen Spinne ... Höchste Zeit, Bithia Mary Crokers spannende Erzählungen wiederzuentdecken.

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Seitenzahl: 82

Veröffentlichungsjahr: 2025

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RECLAMS UNIVERSAL-BIBLIOTHEK Nr. 962462

2025 Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Covergestaltung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH

Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Made in Germany 2025

RECLAM, UNIVERSAL-BIBLIOTHEK und RECLAMS UNIVERSAL-BIBLIOTHEK sind eingetragene Marken der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

ISBN978-3-15-962462-4

ISBN der Buchausgabe 978-3-15-014724-5

reclam.de | [email protected]

Inhalt

Die Spinne Eine australische Tragödie

Martins Geist

Mein einziges Abenteuer

Mrs. Ponsonbys Traum

Anhang

Zu dieser Ausgabe

Anmerkungen

Nachbemerkung

[5]Die Spinne Eine australische Tragödie

[7]Sie saß in einem Klappstuhl auf einer langen, kahlen, weißgetünchten Veranda und hielt eine zur Hälfte geflickte Socke müßig in der Hand, während sie träumerisch hinausstarrte auf die bläulichen, ungeschlachten Eukalyptusbäume und das sonnenverbrannte braune Gras, das ihr australisches Heim umgab. Das einzige lebende Wesen, das sich in Sichtweite befand, war ein kleiner verschrumpfter Chinese in geräumigen Hosen aus blauem Baumwollstoff, der mit voller Hingabe seiner Geistes- und Gemütskräfte die Pflege kränklich aussehender Gemüse betrieb.

Maimie Grimshaw, die Gattin seines Brotherrn, war eine hübsche Frau von ungefähr dreißig Jahren; sie trieb die Schlankheit so weit, dass ihre Neider von Dürre sprachen, hatte ein Paar Augen von magnetischer Anziehungskraft, ein verwegenes Näschen und volle rote Lippen. Die Züge waren ein wenig scharf geworden, und die Haut sah fast so welk und gelblich aus, wie des Chinesen Kohlköpfe, aber das weiche kastanienbraune [8]Haar war mit Sorgfalt und Geschmack frisiert, das Kattunkleid saß vorzüglich und kleidete die zierliche Gestalt sehr gut, und ihre Schuhe hatten entschieden Schick. Alles in allem genommen war Mrs. Grimshaw für die Gattin eines Farmers, der vierhundert Meilen weit vom Bereich aller Läden wohnt, eine auffallend elegante Erscheinung, und das Daunenkissen in ihrem Rücken, wie die Fußbank, worauf die hübschen Schuhe ruhten, deuteten darauf hin, dass sie nicht verschmähte, sich jede erreichbare Annehmlichkeit zu verschaffen.

Bernhard Grimshaw, ihr Gatte, war auch in der Lage, ihr nicht nur Behagen, sondern sogar Luxus zu schaffen, und er hatte nicht nur die Mittel, sondern auch den Willen dazu. Grimshaw war der wohlhabendste Mann im Stadtbezirk, ja im ganzen Distrikt Leichhardt, und zählte seine Herden nach Zehntausenden, gerade wie die alten Patriarchen. Außerdem wollte man wissen, dass er auch auf der Bank von Melbourne Tausende und Zehntausende liegen habe, und schon dieses Gerücht trug ihm reiche Zinsen.

Trotzdem lag auf dem Gesicht der Frau des reichen Mannes ein Ausdruck hoffnungsloser Langeweile und unüberwindlicher Verstimmung, als sie so hinausstarrte in die brodelnde Mittagsglut und auf den fleißigen [9]Sohn des Himmels. Wenn solch ein Ausdruck sich einnistet, so bedeutet er nichts Gutes, weder für eine junge Frau selbst, noch für den Haushalt einer jungen Frau. Fünf Jahre auf einer Außenlandfarm mit ihren Zeiten der Dürre und ihren Überschwemmungen, den langen Flächen von tödlicher Einförmigkeit, dem schonungslosen Zutagetreten rauer Lebensarbeit, des gemeinen niedrigen Alltags hatten Maimies Nerven, Gemüt und Charakter schwer geschädigt. Sie bereute es bitter, den stämmigen Bernhard Grimshaw geheiratet und damit ihre Jugend und alle Möglichkeiten des Genusses weggeworfen zu haben, um sich in dem einsamen gespenstischen australischen Busch lebendig begraben zu lassen! Warum hatte sie diesen Bernhard genommen? Warum war sie je in diese Linga Longa gekommen? Weshalb hatte sie ihr Leben derart verpfuscht?

Die einfache und wahrheitsgemäße Antwort auf diese Fragen würde gelautet haben, weil sie damals nichts Besseres hatte finden können. Mit Bernhards Antrag hatte sie den höchsten Pegelstand im Strom ihres Lebens erreicht geglaubt, sie hatte gewähnt, diese Flutwelle werde sie zum Glück tragen, stattdessen war sie von ihr sozusagen an einen öden Strand geworfen worden als eine Schiffbrüchige.

[10]Bernhard Grimshaw war der geborene Kolonist, ein großer Mann mit starken Gliedern, harten Zügen und einem festen unbeugsamen Willen, genügsam, ehrgeizig, vom Glück begünstigt. Seine erste Frau, die er schon mit zwanzig Jahren geheiratet hatte, war in jeder Hinsicht ein Gegensatz zu Maimie gewesen, ein unschönes, sehniges, sonnengebräuntes Frauenzimmer, aber eine ideale Genossin für den hart ringenden Siedler, der entschlossen ist, seinen Weg zu machen. Ihr treues Herz, ihr rascher Blick und ihre fleißigen Hände hatten nicht wenig zu den Erfolgen ihres Mannes beigetragen. Dass seine Herden und seine Einlagen in die Bank von Melbourne nach Tausenden zählten, war auch ihr Werk gewesen, ihr Lohn für alle Mühsal aber ein sauberer weißer Grabstein, dessen Anschaffung viel Geld gekostet hatte, wie Bessie selbst gefunden haben würde, sündhaft viel Geld, und der in goldenen Buchstaben verkündete, dass hier »Bessie, die heißgeliebte Frau Bernhard Grimshaws« ruhe.

Sie war keine heißgeliebte Frau gewesen; Bernhard hatte sich an sie gewöhnt gehabt, hatte sie geduldet und ihre Hingebung als etwas Selbstverständliches angenommen, nach ihrem Tode aber war er insgeheim aufs unliebsamste überrascht gewesen, dass er sie so [11]sehr vermisste! Seine Mahlzeiten waren jetzt ungenießbar, seine Hemdkragen zerschlissen, und dabei kostete die Haushaltung viel mehr als früher, es blieb ihm also nichts andres übrig, als wieder zu heiraten. Er begann sich behutsam unter den Töchtern seines Bekanntenkreises umzusehen, musste aber aus allerhand Andeutungen und Winken bald erkennen, dass niemand in seiner Nachbarschaft auf die Stellung einer zweiten Mrs. Grimshaw erpicht war, und so entschloss er sich rasch zu einer Reise nach England, die den dreifachen Zweck hatte, die alte Heimat wiederzusehen, Geldangelegenheiten zu ordnen, die mit einer kleinen Erbschaft im Zusammenhang standen, und sich eine Frau zu holen.

Grimshaws Bevollmächtigter besorgte ihm das Geschäftliche zu seiner vollen Zufriedenheit, und bei einem kleinen Diner, wo sich die beiden Herren über Erbschaftssteuer, Zinssatz und Kapitalanlage unterhielten, lenkte eine Bemerkung des australischen Kunden die Aufmerksamkeit des findigen Geschäftsmanns auch auf ein anderes Gebiet. Er wusste ja genau, wen er vor sich hatte, einen wohlhabenden Kolonisten in mittleren Jahren, der geradezu zaghaft auf Freiersfüßen ging, und er selbst hatte ja eine Nichte, die sehr hübsch, sehr [12]einnehmend, fünfundzwanzig Jahre alt und gänzlich mittellos war! Diese Nichte, Maimie Perry, war jetzt lebendig begraben in einem kleinen Dorf, wo sie unzweifelhaft zur alten Jungfer werden und als solche sterben musste. Ihre Mutter war eine Apothekerswitwe mit sehr beschränkten Mitteln und schrankenlosem, aber leider fruchtlosem Ehrgeiz.

Die Bekanntschaft wurde mit Geschick vermittelt, wie sich von selbst versteht, ganz durch Zufall. Mrs. Perry kam mit ihrer Tochter gerade um diese Zeit nach London, um einige Besorgungen zu machen und die jährliche Kunstausstellung zu besichtigen, und der schwerfällige mittelalterliche Witwer fühlte sich sofort zu der jungen Dame hingezogen, die eine ruhige, aber mit tödlicher Sicherheit wirkende Kokette war und ihr niedliches Gesicht und ihre hübsche Figur zu verwerten wusste. Theaterbesuche, Ausflüge auf der Themse, Spaziergänge im Park, wobei Maimie Perry ihren großen Federnhut so tapfer trug wie irgendeine, förderten Umgang und Neigung. Die Hochzeit fand ohne Verzögerung statt und Bernhard Grimshaw kehrte in Begleitung einer reizenden jungen Frau, diese aber in Begleitung einer nagelneuen modischen Ausstattung, nach Melbourne zurück.

[13]Das waren in Tat und Wahrheit selige Tage! Bernhard war gründlich und blindlings verliebt, aber riesig stolz auf seine Frau, die auf dem Schiff als Schönheit gefeiert wurde, und freute sich auf die Verwunderung der Nachbarn im Leichhardt, wenn sie seine Maimie zu sehen bekommen würden! Auch Mrs. Grimshaw war glückselig. Die neue Stellung, die neuen Bekanntschaften, ihre neuen Kleider befriedigten sie außerordentlich, und der große schwarzbärtige Mann, der sie vergötterte und den sie um den kleinen Finger wickeln konnte, sagte ihr sehr zu. Sie schwelgte in angenehmen Vorstellungen von ihrem künftigen Heim mit den Dutzenden von Pferden, den ungeheuren Herden und unübersehbaren Feldern.

Aber ach, kaum dass Grimshaw den Boden seines zweiten Vaterlandes unter den Füßen hatte, war er ein verwandelter Mensch! Im Handumdrehen war er wieder ein rastloser, eifriger Geschäftsmann, fieberhaft ungeduldig, die versäumte Zeit einzuholen. In Melbourne hielt er sich gerade nur lang genug auf, um auf die Bank zu gehen, Spezereien, Sattlerwaren, Porzellan und ein paar Tische und Stühle zu kaufen, dann ging es heimwärts.

Als die junge Frau, die mit jeder Meile des Wegs kleinlauter geworden war, sein Haus, die Linga Longa, [14]ein niederes, hässliches Gebäude zwischen einem Wassertümpel und einem Gemüsegarten gelegen, zum ersten Mal sah, bekam sie einen Weinkrampf. Das war jetzt fünf Jahre her, und wenn sich der erste Eindruck auch nur bestätigt hatte, so war sie doch eine Zeitlang redlich bemüht gewesen, sich den Verhältnissen anzupassen.

Das Leben war verzweifelt einförmig, aber einige Annehmlichkeiten konnte man sich schon verschaffen, und wenn Bernhard sich auch rundweg geweigert hatte, seinen Wohnsitz nach Melbourne zu verlegen, so knauserte er doch nie an ihrer Toilette oder kleinen Luxusgegenständen. Er hielt ihr zwei Hausmädchen, abonnierte Zeitschriften und brachte sie auf seinem neuen hübschen Kutschierwagen zu allen Zusammenkünften oder Gesellschaften in der Nachbarschaft. Eine Kirche war hundert Meilen im Umkreis nicht vorhanden, ein Mangel, der Maimie zwar keineswegs tief berührte, den sie aber nie aufzuführen unterließ in der Liste ihrer Entbehrungen. Trotzdem gab es Zerstreuungen: einen gelegentlichen Besuch bei den Russels oder den Porters, einen Ausflug nach Warra-Barra und eine immer fesselnde Reihe von Liebeleien. Die Letzteren waren ihre Hauptunterhaltung und gestalteten sich mitunter zu einer recht aufregenden.

[15]Maimie Grimshaw herrschte als anerkannte Königin von Leichhardt und nahm alle Huldigungen entgegen, die ihr als solcher gebührten, der Gatte aber betrachtete ihre Eroberungen wie ein nachsichtiger Vater die Unarten eines verzogenen Kindes. So kalt und gleichgültig er gegen seine erste Frau gewesen war, so blind und schwach war er ihrer Nachfolgerin gegenüber. Die Königin konnte kein Unrecht tun … es lebe die Königin! Ging sie einmal zu weit und hatte sie der Biederkeit eines Untertanen zu viel zugemutet, so genügte ein abbittender Blick, ein wenig Zärtlichkeit, um den Prinzgemahl sofort zu ihrer Anschauung des Falls zu bekehren.