Die Star-Schule: Bleib deinem Herzen treu - Henriette Wich - E-Book

Die Star-Schule: Bleib deinem Herzen treu E-Book

Henriette Wich

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Beschreibung

HIER WERDEN AUS KLEINEN STERNCHEN DIE STARS VON MORGEN! Im dritten Band der ›Star-Schule‹ geht es wieder hoch her: Vicky darf ihren ersten Song im Tonstudio aufnehmen, der Leiter eines Tanztheaters sorgt für jede Menge Aufregung, und alle fiebern der großen Weihnachtsshow entgegen. Vicky, Maxi und Luna haben auch schon eine tolle Idee dafür, doch die intensive Teamarbeit stellt die Freundschaft der Mädchen auf eine harte Probe … Das perfekte Lesefutter für alle Mädchen mit großen Träumen: spannend, humorvoll und mit viel Gefühl!

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Seitenzahl: 182

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Henriette Wich

Die Star-Schule: Bleib Deinem Herzen treu

FISCHER E-Books

Inhalt

1.  Kapitel2.  Kapitel3.  Kapitel4.  Kapitel5.  Kapitel6.  Kapitel7.  Kapitel8.  Kapitel9.  Kapitel10.  Kapitel11.  Kapitel12.  Kapitel13.  Kapitel

1. Kapitel

Vicky hatte den Strand für sich allein. So früh am Morgen war noch niemand unterwegs. Der kalte, stürmische Wind Anfang Oktober lud auch nicht wirklich zu einem ausgedehnten Strandspaziergang ein. Es sei denn, man hatte etwas Besonderes vor.

Vicky hatte heute definitiv etwas Besonderes vor: eine wahnsinnig aufregende Premiere. Zum ersten Mal würde sie einen eigenen Song im Tonstudio aufnehmen. Richtig professionell, wie ein Popstar. Es war so verrückt und wunderbar, dass sie es noch gar nicht richtig glauben konnte.

Vicky kehrte dem tosenden Meer den Rücken zu und sah zum Hügel hinauf. Ganz oben thronte ein großes Haus mit einem Dach aus Schilfrohr. Die Morgensonne brachte das warme Rot der Außenfassade zum Leuchten. Im Sommer konnte man sich auf den zwei langen Terrassen genüsslich in die Sonne legen, doch vor ein paar Tagen waren die Liegestühle weggeräumt worden. Auch im Garten des Internats, der in eine Dünenlandschaft überging, war der Herbst eingezogen. Vickys erster Herbst auf der Star-Schule.

Während der Wind an ihrer Jacke zerrte, ihre langen Haare zerzauste und die kalte Gischt einen feinen Sprühnebel auf ihrer Hose verteilte, wurde Vicky warm ums Herz. Sie war so stolz, dass sie beim Sommerkonzert an ihrer früheren Schule von einem Talent-Scout entdeckt worden war und eines der begehrten Stipendien ergattert hatte. Nur die besten jungen Talente des Landes bekamen auf der Star-Schule die Chance, später einmal Sängerin, Tänzerin oder Schauspielerin zu werden. Tag für Tag, Woche für Woche rückte Vickys großer Traum nun ein kleines Stück näher.

Vicky wandte sich wieder dem Meer zu und sog tief die frische, salzige Luft ein. Dann rief sie, so laut sie konnte, gegen die Brandung:

Ich liebe die Musik!

Ich singe und spiele Gitarre.

Ich schreibe eigene Songs.

Ich bin eine Singer-Songwriterin!

Obwohl sie alles gegeben und richtig laut gebrüllt hatte, wurde der Großteil ihrer Worte vom gewaltigen Meeresrauschen verschluckt.

Vicky musste lachen. »Ja, ich weiß, du bist stärker als ich!«

Schließlich machte sie sich wieder auf den Weg. Nachdenklich, die Hände tief in den Taschen ihrer Jacke vergraben, lief Vicky weiter am Strand entlang. Wie sehr sich das Meer in den letzten drei Monaten doch verändert hatte. Jetzt konnte sie es sich kaum noch vorstellen, dass sie im Sommer mit ihren Schulfreundinnen Luna und Maxi in seinen erfrischenden Fluten gebadet hatte. Aber es war immer noch wunderschön, eine raue Schönheit, die jeden Tag anders aussah und nie langweilig wurde.

Vicky warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. Wenn sie pünktlich im Tonstudio sein wollte, musste sie langsam umkehren.

Plötzlich wurde sie nervös. Im Studio würde sie gleich ihr Aufnahmeteam treffen: Sami Swan, den coolen Hip-Hop-Sänger aus England, der ihr Klassenlehrer war und der Leiter des Gesangs-Workshops. Finalistin Anna aus der Elften Klasse, bei der sie seit zwei Monaten Klavierstunden nahm und Tipps für Arrangements bekam. Außerdem würde ein Tonmeister da sein, der Vickys Song aufnehmen und hinterher abmischen sollte.

Alle dachten bestimmt, dass Vicky sich ganz lässig vors Mikro stellte und loslegte. Und dass sie nur zwei, drei Takes brauchte, um ihren Song Mein Freund, der Stern einzusingen. Schließlich stand sie seit einem Monat auf Platz zwei der Newcomer-Ranking-Liste, war zur Klassensprecherin gewählt worden und konnte bereits einige künstlerische Erfolge verbuchen. Zuletzt hatte sie in einer Musical-Komödie in der männlichen Hauptrolle das Publikum begeistert.

Aber genau das war das Problem. Alle erwarteten von ihr, dass es so glatt weiterging. Dass sie auch heute wieder eine tolle Leistung abliefern würde. Vicky kam es manchmal so vor, als ob jemand auf ihren Schultern zwei unsichtbare Sandsäcke abgeladen hätte, die sie nun die ganze Zeit mit sich herumtragen musste.

Vicky lockerte ihre Arme und Beine. Danach machte sie eine Atemübung, die Sami Swan ihnen in der ersten Stunde beigebracht hatte: Sie atmete mit einem lauten »Schsch!« aus, bis sie kein bisschen Luft mehr in den Lungen hatte. Danach atmete sie so entspannt wie möglich passiv ein und stellte sich vor, dass sie einen Luftballon in den Himmel steigen ließ. Das Ganze wiederholte sie ein paarmal, bis sie wieder etwas ruhiger wurde und neue Energie in sich spürte.

Es würde schon irgendwie klappen. Sie durfte ihren neuen Lieblingssong singen! Darauf freute sie sich schon sehr. Und was hatte ihre beste Freundin Sara gestern Abend zu ihr am Telefon gesagt? »Du musst nicht perfekt sein. Das sind all die ganzen Stars auch nicht, auch die sind nur Menschen und machen Fehler.«

Sara hatte es wieder mal auf den Punkt gebracht. Obwohl sie seit Vickys Abreise von zu Hause nur noch telefonieren und mailen konnten, waren sie sich noch genauso nah wie früher.

Gerade als Vicky umdrehen und zurück zum Internat gehen wollte, sah sie einen schwarzen Punkt in der Ferne, der am Strand auf und ab zu tanzen schien. Sie war also doch nicht alleine hier! Neugierig kniff sie die Augen zusammen. Der schwarze Punkt wurde größer und kam langsam näher. Es war ein Pferd. Jetzt sah Vicky auch die wehenden dunkelblonden Haare der Reiterin, die im federnden Galopp auf sie zuritt.

»Hallo Lissi!« Vicky winkte ihrer Mitschülerin.

Lissis Eltern besaßen auf der Insel einen Pferdehof und organisierten für Touristen Ausritte, Reitunterricht und Kutschfahrten. Lissi war eine Externe und übernachtete nicht im Internat, sondern zu Hause.

»Brrr!«, machte sie und brachte ihr Pferd zum Stehen. Liebevoll streichelte sie seine Mähne. »Hi Vicky! Das ist Allegra, meine neue Rappstute. Ist sie nicht wunderschön?« Lissis Augen leuchteten vor Stolz.

Vicky lächelte. »Ja, das ist sie wirklich.« Mit zehn Jahren hatte sie auch mal ein paar Reitstunden gehabt, den Sport dann aber wieder aufgegeben, weil ihr die Musik schon damals wichtiger gewesen war.

»Wollen wir noch ein bisschen zusammen am Strand spazieren gehen?«, schlug Lissi vor. »Ich kann gern absteigen und Allegra führen.«

Vicky schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, ich hab keine Zeit mehr, hab einen Termin im Tonstudio.«

»Stimmt! Du nimmst ja heute deinen ersten Song auf!« In Lissis Stimme schwang ehrliche Bewunderung mit.

Lissi war ein ausgeglichener, fröhlicher Mensch, der anderen den Erfolg gönnte – ganz im Gegensatz zu Coco, die ihre Mitschülerinnen oft scheinheilig lobte, dann aber hinter deren Rücken gnadenlos über sie ablästerte. Vicky hatte Coco von Anfang an nicht leiden können, was übrigens auf Gegenseitigkeit beruhte. Mit Lissi dagegen verstand sie sich prima.

»Ich drück dir ganz fest die Daumen!« Lissi hob die Zügel an, verabschiedete sich und trabte an Vicky vorbei in Richtung Pferdehof, der zwei Kilometer östlich des Internats lag.

Vicky sah ihr nach und seufzte kurz. Lissi war immer so unbeschwert. Wenn sie das Leben doch auch so leichtnehmen könnte wie ihre Mitschülerin!

Eine große Welle schäumte an den Strand und brachte starken Wind mit sich. Die Böe war so heftig, dass Vicky sich mit dem ganzen Körper dagegenstemmen musste. Sie wartete ab, bis sich der Wind ausgetobt hatte. Dann stapfte sie entschlossen den Strand entlang, durchquerte den Garten der Star-Schule und lief die Stufen zum Haupthaus hoch. Dort holte sie noch schnell ihre Gitarre aus dem Zimmer. Und schon sprintete sie weiter zum Fischerhaus, einem Nebengebäude des Internats, in dem sich die Klassenzimmer, Einzelprobenräume und das Tonstudio befanden.

Atemlos öffnete sie die gepolsterte Tür. Drei Augenpaare blickten ihr erwartungsvoll entgegen. In dem Moment bereute Vicky ihre Entscheidung, Luna und Maxi abgesagt zu haben. Ihre Freundinnen hatten sie ins Tonstudio begleiten wollen, aber Vicky hatte gemeint, dass sie dann wahrscheinlich noch aufgeregter sein würde. Doch jetzt hätte sie den Beistand ihrer Freundinnen gut gebrauchen können!

»Da kommt ja unsere Künstlerin!«, begrüßte Sami Swan sie gutgelaunt. »Na, ausgeschlafen und ready to go?«

Vicky versuchte das Kribbeln in ihrem Bauch zu ignorieren. »Ja, ich bin bereit!«, sagte sie mit fester Stimme.

Anna lächelte ihr aufmunternd zu, und der Tonmeister erhob sich von seinem drehbaren Ledersessel. »Hi! Ich bin Marco und zeige dir, wie hier alles funktioniert. Warst du schon mal in einem Tonstudio?«

»Nein«, antwortete Vicky ehrlich.

Erst jetzt kam sie dazu, sich ein wenig umzusehen. Sie stand in einem dunkelblau gestrichenen Raum mit einem riesigen Mischpult, zwei Bildschirmen und diversen Lautsprechern. An der gegenüberliegenden Wand stand ein abgewetztes Ledersofa. Durch eine Glasscheibe konnte man in den zweiten Teil des Raumes sehen. Dort waren in einem Halbkreis Stellwände aufgebaut. Ansonsten gab es nur einen Hocker, einen Ständer mit einem Mikro und zwei buntgemusterte Teppiche am Boden.

»Das hier ist der Regieraum«, erklärte Marco. »Von hier aus können wir alles koordinieren und die Aufnahme steuern. Wir geben dir Tipps und spielen dir das Tonmaterial zu, das du dann über Kopfhörer hörst. Der Aufnahmeraum hinter der Glaswand ist deine Spielwiese. Dort singst du ins Mikro und lieferst deinen Gitarrenpart ab. Durch die gepolsterte Tür können keine störenden Geräusche von außen eindringen. Und die Stellwände dämpfen den Schall innerhalb des Raums.«

Anna trat neben Vicky ans Mischpult. »Möchtest du zuerst Gitarre spielen oder singen?«

»Gitarre spielen!« Die Antwort fiel Vicky leicht.

Bei dem Instrument gab es wenigstens noch ein bisschen Distanz zwischen ihr selbst und der Musik. Wenn sie sang, war das anders. Ihre Körperhaltung, die Art, wie sie ihre Stimmbänder benutzte, ob sie weich sang oder rau, ihr Atem, all das machte sich direkt bemerkbar. Auch ihre Stimmung und ihre Gefühle flossen ungefiltert mit ein. Das konnte sehr intensiv und sehr schön sein, aber auch eine große Herausforderung, weil sich Lampenfieber schlecht verbergen ließ. Selbst ein ganz leichtes Zittern in der Stimme hörte man sofort.

Jetzt war es also so weit: der große Augenblick, den sie gleichzeitig herbeigesehnt und gefürchtet hatte! Vicky öffnete ihren Gitarrenkoffer und holte ihr Instrument heraus. Plötzlich musste sie wieder an das Musikgeschäft in ihrer Heimatstadt denken, an all die vielen Gitarren. Feierlich war sie im Laden auf und ab gegangen und schließlich vor einem Instrument stehen geblieben, das sie magisch angezogen hatte.

»Die will ich haben!«, hatte sie mit der kindlichen Entschlossenheit ihrer sechs Jahre verkündet.

Weshalb war sie sich damals eigentlich so sicher gewesen? Weil der Lack wie flüssiger Honig geglänzt hatte? Weil sich das Holz des Korpus’ so glatt und gut angefühlt hatte? Oder weil die Saiten beim Anschlagen so satt und volltönend geklungen hatten? Vermutlich war es eine Mischung aus allen drei Gründen gewesen.

»Vicky? Wir würden dann gerne anfangen.« Die verhaltene Ungeduld ihres Klassenlehrers brachte sie rasch in die Gegenwart zurück.

»Ja, natürlich!«, sagte Vicky.

Mit weichen Knien folgte sie Anna in den Aufnahmeraum. Die Finalistin half ihr, den Hocker auf die richtige Höhe einzustellen und das Mikro einzurichten. »Wir probieren am Anfang am besten die klassische Aufnahmeposition von schräg unten, rechts unterhalb vom Schallloch«, meinte Anna.

Vicky hörte nur mit halbem Ohr zu. Konzentriert stimmte sie ihre Gitarre. Gestern hatte sie extra neue Saiten aufgezogen. Sami Swan hatte ihr dazu geraten, um einen brillanten, gleichbleibenden Klang zu bekommen.

Alles war so, wie es sein sollte. Anna wünschte Vicky »Toi, toi toi!« und ließ sie alleine.

»Wenn du so weit bist, nickst du einfach, okay?«, sagte Marco durch den Lautsprecher.

»Okay.« Vicky machte die Augen zu und dachte an das Intro ihres Songs. Es war eine schlichte Tonfolge in Moll, sehr traurig und gleichzeitig schön, voller Schmerz und voller Freude.

Sie konnte sich noch genau daran erinnern, wie sie Mein Freund, der Stern komponiert hatte. Es war der schreckliche Tag gewesen, an dem Coco ihr die weibliche Hauptrolle im Musical weggeschnappt hatte, weil sie besser tanzen konnte. Es war der Tag gewesen, an dem sie unendlich verzweifelt gewesen war. Aber auch der Tag, an dem sie auf einer Radtour durch den Wald der Insel die Sehnsucht wiedergefunden hatte, ihren großen Traum zu verwirklichen.

Vicky spürte das Tempo des Intro. Ihr Körper und ihre Seele schwangen sich auf den Rhythmus ein. Wie von selbst stieg ein Lächeln in ihr auf. Sie öffnete die Augen und nickte. Marco schob am Mischpult die Regler hoch, und Vicky begann zu spielen. Erst das Intro, dann die Melodiebegleitung zur ersten Strophe und die Überleitung zum Refrain, der an einen schwebenden Herzschlag erinnerte. Irgendwann hörte Vicky auf zu denken. Der Rhythmus trug sie weiter, von Strophe zu Strophe, von einer Welle zur nächsten, bis sie von den Begleitakkorden zu den leise gezupften Schlussklängen gelangte.

Hinter der Glasscheibe streckte Anna den Daumen in die Höhe. »Das war super, Vicky! Ganz großes Kino!«

Sami Swan grinste von einem Ohr zum anderen, und auch Marco war total begeistert. »Wenn du magst, kannst du den Gitarrenpart noch mal spielen. Diesmal könnten wir das Mirko senkrecht von oben gegen den Korpus platzieren. Dann nehmen wir auch noch die Anschlaggeräusche deiner Gitarre mit, und das Ganze bekommt noch mehr Drive.«

»Einverstanden!« Vicky lachte.

Ihr Lampenfieber hatte sich in Luft aufgelöst. Ein völlig neues, aufregendes Fieber hatte sie gepackt: Sie wollte etwas Neues ausprobieren, mit der Technik spielen, sich überraschen lassen, von den anderen und von sich selbst.

Nach einer Stunde hatte Marco zwölf verschiedene Takes des Gitarrenparts aufgenommen. Jedes war anders und jedes auf seine Weise faszinierend. Mal klang der Song cool und ausgeglichen, mal bewegt und stürmisch, aber am besten gefiel Vicky die Version, die beides in sich vereinte.

»Ist gut«, sagte Sami Swan. »Dann nehmen wir die. Marco wird sie dir jetzt auf deine Kopfhörer spielen.«

Zum Singen stellte Vicky sich lieber hin. Sami Swan brachte noch einen Popschutz vor dem Mikrophon an. Die runde Scheibe würde verhindern, dass harte Konsonanten wie p oder t später auf der Aufnahme wie kleine Explosionen klangen.

Ganz kurz fing Vickys Puls wieder an zu flattern, als sie mit der ersten Strophe begann. Sie brach die Aufnahme ab, und beim zweiten Take hatte sie die Sicherheit und das gute Gefühl wieder gefunden.

Vicky versetzte sich zurück in die Zeit ihrer tiefen Verzweiflung. Im Zeitraffer durchlebte sie noch einmal die Krise von damals und legte alle ihre Gefühle in den Song hinein.

Es war einmal ein Stern,

so unendlich fern.

Er strahlte in der Nacht,

hat meinen Schlaf bewacht.

 

Er war mein Freund, der Stern.

Ich hatte ihn so gern.

Wo bist du hin,

was ist passiert?

 

Verglüht in der Nacht,

erloschen – bin aufgewacht.

Eiskalte Zeit,

es ist so weit.

Verloren im All,

in tiefem Fall.

 

Ich geb nicht auf,

lauf einfach weiter.

Er ist immer noch in mir,

kann ihn nicht verlier’n.

Mein Freund, der Stern.

Ich hab dich so gern.

Vicky wiederholte die letzten beiden Liedzeilen, hob den Kopf und öffnete ihre Augen. Die blaue Studiodecke über ihr schien auf einmal zu leuchten. Die Punktlichter verwandelten sich in Sterne. Einer leuchtete besonders hell. Vicky blinzelte. Sie stellte sich vor, dass er als Sternschnuppe vom Himmel fiel und in ihren Händen landete, wo er ein letztes Mal in vollem Glanz erstrahlte und schließlich sanft verglühte.

Sami Swan, Anna und Marco verharrten reglos hinter der Glasscheibe.

»Was ist los?«, fragte Vicky besorgt. »Was kann ich besser machen? Soll ich es noch mal mit einer raueren Stimme versuchen?«

Langsam schüttelte Sami Swan den Kopf. »Für mich war es absolut perfekt. Gratuliere, Vicky!«

Anna und Marco klatschten und trampelten mit den Füßen. Der schallgedämpfte Raum schluckte die Geräusche. Es sah komisch aus, wie die beiden auf und ab hüpften und dazu Grimassen schnitten – wie in einem Stummfilm.

Vicky musste lachen. »Wie lange haben wir das Tonstudio eigentlich gebucht?«

Marco checkte die Zeit. »Bis elf Uhr. Wir haben sogar noch eine halbe Stunde übrig.«

Vicky schraubte das Mikro vom Ständer ab. »Können wir dann noch was ausprobieren? Man kann doch das Mikro auch auf Brusthöhe anbringen, oder? Ich hab mal gelesen, dass dadurch die Stimme noch satter klingt.«

»Ja, das stimmt«, rief Anna überrascht. »Hey, du kennst dich ja schon richtig gut aus!« Die Finalistin kam noch mal zu Vicky in den Aufnahmeraum.

Die Position des Mikrophons wurde verändert, und es konnte losgehen. Im ersten Moment war es seltsam, über das Mikrophon hinweg zu singen, aber Vicky gewöhnte sich schnell daran. Sie konnte es kaum erwarten, sich danach das Ergebnis anzuhören. Die Wirkung war verblüffend. Vickys Stimme war voller geworden und hatte noch mehr Tiefe.

Marco war jetzt in seinem Element. Er fügte zu den zwei Tonspuren Schlagzeug, Triangel und Bass hinzu und spielte eine Demoversion des Tapes vor. »Ich muss das Ganze natürlich noch richtig abmischen, aber für einen ersten Eindruck dürfte es reichen.« Grinsend schob er am Mischpult den Lautstärkeregler hoch.

Vicky hörte ihren Song. Sie erkannte ihn in jedem einzelnen Takt, in jeder Note wieder, aber jetzt verbanden sich die einzelnen Elemente zu einem überwältigenden Klangteppich. Vicky konnte es nicht glauben. Das sollte wirklich ihre Stimme, ihr Gitarrenspiel, ihr Song sein? Es hörte sich so professionell, so toll an!

Verstohlen sah sie zu den anderen hinüber.

Anna schnippte mit den Fingern und murmelte: »Das ist Gänsehaut pur!«

Sami Swan summte leise den Refrain. Marco klopfte mit den Fingern im Takt. Alle drei strahlten Vicky begeistert an.

Da konnte Vicky einfach nicht anders: Sie sprang aufs Sofa, hielt sich ein unsichtbares Mikrophon vor den Mund und warf ihren Kopf vor und zurück, dass die langen Haare nur so durch die Luft flogen.

2. Kapitel

Vicky rannte aus dem Tonstudio, die CD mit ihrem ersten Song gegen die Brust gepresst. Sie war so glücklich, glücklich, glücklich! Wenn sie dieses Wahnsinnsgefühl nicht gleich mit Luna und Maxi teilen konnte, würde sie noch vor lauter Glück abheben und davonfliegen.

Vicky bog um die Ecke, hatte den Ausgang des Fischerhauses schon im Blick – und stieß volle Kanne mit einem Mädchen zusammen.

»Aua! Kannst du nicht aufpassen? Du bist nicht allein auf der Welt!« Coco starrte Vicky wütend an. Hektisch zog sie einen Schminkspiegel aus ihrer Handtasche und überprüfte sorgfältig ihre Stirn. »Das gibt bestimmt eine Beule, und du bist schuld!«

»Tut mir leid«, sagte Vicky. Ihre Schulter tat auch ganz schön weh nach dem unfreiwilligen Kontakt mit Cocos Kopf, aber der Schmerz konnte ihrer guten Laune nichts anhaben.

Coco verstaute ihren Schminkspiegel wieder in der Handtasche und zupfte ihre weiße Bluse zurecht. Darüber trug sie eine Jeansjacke mit Glitzersteinen. Coco war immer perfekt gestylt, ihre Eltern lasen ihr offenbar jeden Wunsch von den Augen ab. Anfangs hatte Vicky geglaubt, dass Coco ihren Platz auf der Star-Schule nur dem Einfluss ihrer reichen Eltern zu verdanken hatte. Das hatte sich leider als Irrtum herausgestellt, denn Coco konnte tatsächlich sehr gut singen und auch noch unglaublich toll tanzen. Vicky dagegen stand schon immer auf Kriegsfuß mit dem Tanzen. Das machte ihr auf dem Internat nun besonders zu schaffen, denn Mischa Weinfeld, der Leiter ihres Tanz-Workshops, war sehr streng und stellte hohe Anforderungen an die Schülerinnen.

Coco musterte Vicky von oben bis unten. Jetzt hatte sie die CD entdeckt. »Was ist das?«, wollte sie wissen.

Vicky hatte nicht vorgehabt, ihr Geheimnis ausgerechnet ihrer ärgsten Rivalin zu verraten, aber sie war so stolz, dass sie spontan mit der Neuigkeit herausplatzte: »Ich hab im Studio einen Song von mir aufgenommen. Das ist mein erstes Tape.«

Coco war kurz verblüfft, doch dann verzog sie ihren herzförmigen Mund zu einem spöttischen Lächeln. »Wie süß! Bei meinem ersten Tape hab ich mich auch so gefreut wie du. Da war ich sieben Jahre alt. Ein Freund meiner Eltern hat ein Tonstudio. Das war quasi mein zweites Zuhause.«

Log Coco gerade das Blaue vom Himmel herunter, oder erzählte sie die Wahrheit? Vicky hätte es nicht sagen können. Cocos hochmütiger Blick war unergründlich.

»Wie schön für dich«, sagte Vicky kühl. »Du entschuldigst mich? Ich hab noch einen anderen wichtigen Termin.« Entschlossen ging sie zum Ausgang und ließ die Tür hinter sich zuknallen.

Im Freien schüttelte sie erst mal ihre Arme und Beine kräftig aus. Wo immer Coco auch auftauchte, verbreitete sie negative Energien. Beinahe hätte sie es doch noch geschafft, ihr die gute Laune zu verderben, aber nur fast!

Eine große Wiese lag vor Vicky, und dahinter begann der Bodden. Vicky mochte die ehemaligen Meeresbuchten. Sie waren durch Landzungen weitgehend vom Meer abgetrennt und sahen aus wie Binnenseen, enthielten jedoch immer noch ein bisschen Salzwasser. Der Wind wehte hier lange nicht so stark wie am Strand.

Vicky bog in die schmale, gepflasterte Straße ein, ging am Dünenhaus vorbei und gelangte zum Busparkplatz. Obwohl die Straße zum Haupthaus hin immer steiler wurde, fing Vicky wieder an zu laufen. Der »wichtige« Termin, den sie Coco gegenüber erwähnt hatte, war eine kleine Übertreibung gewesen. Sie war einfach nur mit Luna und Maxi verabredet, um sich nach der Aufnahme auf ihrem Zimmer zu treffen. Ihre Freundinnen warteten bestimmt schon ungeduldig auf sie.

Das Doppelzimmer von Vicky und Luna war eines der schönsten im Dachgeschoss. Es hatte Meerblick, helle Möbel aus Birkenholz und ein eigenes kleines Bad. An der orangefarben gestrichenen Wand hingen drei Künstlerfotos, die Vicky, Luna und Maxi gegenseitig von sich aufgenommen hatten. Luna blickte ernst in die Kamera. Ihre roten Haare rahmten ihr schmales Gesicht wie ein Seidenvorhang ein, und die grünen Augen leuchteten geheimnisvoll. Maxi, die immer für einen Spaß zu haben war, hatte einen gefährlich-finsteren Ausdruck in ihr Gesicht gezaubert. Und Vicky umarmte lachend eine Eiche.

»Hi! Da bin ich wieder!«, begrüßte Vicky ihre Freundinnen und versteckte schnell beide Hände hinter dem Rücken.

Maxi und Luna hatten es sich auf Lunas Bett gemütlich gemacht. Sie saßen im Schneidersitz auf der Tagesdecke und naschten Gummibärchen. Aufgeregt sprangen sie hoch.

»Und – wie war’s?«, fragte Luna.

»Meine Daumen sind schon ganz rot vor lauter Drücken!«, rief Maxi.

Vicky ließ ihre Freundinnen noch ein klein wenig zappeln. »Hm … Also wir haben sehr intensiv gearbeitet, und ich hab mich echt angestrengt. Der Tonmeister hat auch sein Bestes gegeben und …«

Maxi stöhnte. »Jetzt rück endlich raus damit! Gibt es schon ein Tape?«

Vicky hielt es nicht mehr länger aus. Sie streckte ihre Hände nach vorne und präsentierte die CD wie einen Pokal. »Wollt ihr mal reinhören?«

»Jaaa!«, riefen Luna und Maxi.

Vicky drückte den Power-Knopf auf ihrem CD