Die Star-Schule: Ein neuer Stern am Himmel - Henriette Wich - E-Book

Die Star-Schule: Ein neuer Stern am Himmel E-Book

Henriette Wich

0,0
9,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Welches Mädchen träumt nicht davon, später einmal als Sängerin, Schauspielerin oder Tänzerin berühmt zu werden? Die neue Serie ›Die Star-Schule‹ erzählt, wie kleine Sternchen zu großen Stars werden – spannend, humorvoll und mit viel Gefühl! Bei einer Schulaufführung tritt die zwölfjährige Vicky mit einem selbst komponierten Song auf – und wird prompt von einem Talentscout entdeckt. Vicky bekommt einen Platz an der berühmten Star-Schule. In dem Internat am Meer beginnt für sie ein neuen Lebens – denn plötzlich stehen neben Mathe und Deutsch auch Songschreiben, Tanz und Schauspiel auf dem Stundenplan!

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 174

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Henriette Wich

Die Star-Schule: Ein neuer Stern am Himmel

FISCHER E-Books

Inhalt

1. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. Kapitel5. Kapitel6. Kapitel7. Kapitel8. Kapitel9. Kapitel10. Kapitel11. Kapitel12. Kapitel13. Kapitel

1. Kapitel

Vicky saß im Schneidersitz auf dem Teppich. Sie lockerte die Schultern, ihre Arme und Beine. Als sie bis in die Fußspitzen entspannt war, machte sie die Augen zu und malte sich ihren Traum in den schönsten Farben aus. Den Traum, der ihr großes Geheimnis war. Nicht mal ihrer besten Freundin Sara hatte sie davon erzählt, weil das alles einfach zu verrückt und natürlich völlig größenwahnsinnig war. Dennoch kehrte dieser Traum immer wieder, sie konnte nichts dagegen tun.

Vicky stellte sich vor, wie es sich anfühlen würde, wenn ihr Traum schon heute Wirklichkeit wäre. Sie holte tief Luft und flüsterte:

Ich bin ein Star.

Ich bin ein Star.

Ich bin ein …

»Hey Vicky!« Die Tür zu ihrem Zimmer wurde aufgerissen, und Sara platzte herein. »Wo bleibst du denn? Deine Eltern warten im Auto auf dich. Sie wollen …« Sara vergaß mitten im Satz, was sie eigentlich hatte sagen wollen. Stattdessen fing sie an zu kichern. »Was machst du da? Schläfst du etwa?«

Vicky wurde rot. »Natürlich nicht. Ich wollte nur … äh … ein bisschen zur Ruhe kommen, bevor es losgeht. Ist es wirklich schon so spät?«

»Allerdings. Du bist aufgeregt, stimmt’s? Wäre ich an deiner Stelle auch. Vor 600 Leuten spielen – ich würde es wahrscheinlich gerade noch auf die Bühne schaffen und sofort tot umfallen.«

Mit einem Schlag war die schöne Entspannung verpufft. Vickys Herz begann wie eine aufgestörte Motte hektisch zu flattern. »Erzähl mir so was bloß nicht! Sag mir lieber, wie ich aussehe.« Vicky stand auf und drehte sich vor Sara einmal um die eigene Achse. Sie trug eine verwaschene Jeans und ein rotweiß gestreiftes Top.

Sara kniff kritisch die Augen zusammen. »Du siehst super aus. Aber ich würde nicht unbedingt barfuß gehen.«

»Das hatte ich auch nicht vor.« Vicky robbte auf den Knien umher und suchte unter dem Bett nach ihren Lieblingssandalen. »Mist! Ich kann nur eine Sandale finden. Wo ist die andere?«

»Cool bleiben.« Sara sah sich im Zimmer um, dessen Wände nahezu lückenlos mit Postern berühmter Popstars tapeziert waren. Beim Bett blieb Saras Blick hängen. Vickys Kater hatte es sich auf der geblümten Tagesdecke gemütlich gemacht und schnurrte zufrieden. Zwischen seinen zusammengerollten Pfoten schimmerte etwas Rotes. »Ich glaube, ich weiß, wer deinen Schuh geklaut hat.«

Vicky schimpfte: »Du bist unmöglich, Tiger! Tut mir leid, aber die gehört mir.« Sanft, aber bestimmt entzog sie ihrem Kater das Beutestück.

»Miau!«, machte Tiger empört und fuhr seine Krallen aus.

Vicky lachte nur. Schnell schlüpfte sie in ihre Schuhe, nahm ihre Tasche und griff nach dem Gitarrenkoffer. »Bin startklar.«

»Toi, toi, toi!« Sara umarmte Vicky. »Es wird alles gut, du wirst sehen.«

Vicky war sich da nicht so sicher. Wie hatte sie bloß zusagen können, als Schramm, der Musiklehrer, sie gefragt hatte, ob sie ihren selbstkomponierten Song beim Sommerkonzert spielen würde? Sie musste völlig umnachtet gewesen sein. Aber jetzt war es zu spät, einen Rückzieher zu machen. Das wäre noch peinlicher.

Vicky und Sara liefen gemeinsam zum Auto und quetschten sich auf die enge Rückbank. Der Wagen schien die gesamte Sommerhitze des Tages gespeichert zu haben. Als Vicky ihren Gitarrenkoffer zwischen die Knie klemmte, hatte sie das Gefühl, in der Sauna zu sitzen.

»Alles klar, mein Schatz?«, fragte Vickys Mutter besorgt. »Du siehst blass aus. Was übrigens prima gegen Lampenfieber hilft, ist …«

Vicky grinste gequält. »Danke, Mama, nicht jetzt.« Ihre Mutter war wirklich in Ordnung, nur manchmal vergaß sie nach der Arbeit, ihren Job als Erzieherin zu Hause an der Garderobe abzugeben.

»Dann steige ich mal aufs Gas«, verkündete Vickys Vater. Trotz Protesten von der Vorder- und der Rückbank drehte er den Schlagersender im Radio voll auf und sang laut mit.

Vicky konnte sich nicht entscheiden, ob sie lieber lachen oder weinen sollte. Die Begeisterung für Musik hatte sie eindeutig von ihrem Vater geerbt, aber sein Musikgeschmack war so was von verboten, dass sie schon mit sechs Jahren dagegen rebelliert hatte, als sie anfing, Gitarre zu spielen.

Zum Glück dauerte die Fahrt nicht lange. Bei der Christa-Wolf-Gesamtschule schnappte Vickys Vater der Mathelehrerin die letzte Parklücke weg und entschuldigte sich: »Wir haben eine Künstlerin an Bord. Sie muss zur Bühne!«

»Na, wenn das so ist …« Frau Novi lächelte süßsauer. In der letzten Arbeit bei ihr hatte Vicky eine Drei Minus bekommen. Und das nur, weil die Novi »extrem großzügig« gewesen war.

Vicky trat die Flucht nach vorne an. Sie verabschiedete sich von Sara und bahnte sich einen Weg durch die Schülergrüppchen, die mit ihren Familien vor der Aula standen.

Drinnen war es erfreulich kühl. Im großen Probenraum hinter der Bühne stimmte gerade das Schulorchester die Instrumente. Vicky packte ihre Gitarre aus und zupfte die Saiten an, aber es hatte keinen Sinn bei dem Lärm. Sie würde ihr Instrument erst später stimmen können. Vicky setzte sich aufs Fensterbrett und atmete tief durch. Irgendwie musste sie diesen Abend überstehen, sie wusste nur noch nicht, wie.

»Hallo Vicky!« Herr Schramm kam freudestrahlend auf sie zu. »Da bist du ja. Ich freu mich schon auf deinen Auftritt. Wirst du deinen Song auswendig vortragen, oder brauchst du ein Notenpult?«

»Ich brauche kein Pult«, hörte Vicky sich sagen und bereute es in der nächsten Sekunde.

Sie hatte ihren Song selbst getextet und sich die Melodie dazu ausgedacht. Sie liebte diesen Song. Sie summte ihn unter der Dusche, beim Radfahren und jeden Morgen auf dem Weg zur Schule, doch ausgerechnet jetzt konnte sie sich an die erste Strophe nicht mehr erinnern! Jemand hatte in ihrem Gehirn das Licht ausgeschaltet, ohne ihr zu verraten, wo sich der Schalter befand.

»Viel Glück!« Der Musiklehrer klopfte ihr auf die Schulter und ließ sie alleine mit der größten Katastrophe ihres Lebens.

Die nächsten anderthalb Stunden erlebte Vicky wie einen Film. Das Schulorchester spielte ein Doppelkonzert von Bach, dann trug der Unterstufenchor zwei moderne Stücke vor. Nach einer kurzen Pause gab es eine Tanzeinlage der Jazz-Dance-AG und eine Musical-Nummer der Oberstufe. Alles lief reibungslos ab. Keiner machte Fehler oder fiel durch schräge Töne auf. Das Sommerkonzert war fast vorbei. Es fehlte nur noch die größte Blamage des Schuljahres: Vickys grandios verpatzter Auftritt.

»Bist du so weit?«, raunte Herr Schramm ihr zu.

»Ja, gleich«, behauptete Vicky. Sie hatte den Lichtschalter immer noch nicht gefunden und lenkte sich davon ab, indem sie ihre Gitarre besonders sorgfältig stimmte. Leider klangen viel zu bald alle Saiten so, wie sie klingen sollten.

Der Musiklehrer kündigte ihren Song an. Er ging von der Bühne ab, das Publikum klatschte erwartungsvoll – und Vicky musste raus.

Ihre Beine fühlten sich an, als ob sie zu einem Roboter gehörten. Sie schaffte es die wenigen Stufen die Bühne hoch und wurde vom Scheinwerferlicht geblendet. Was hatte Sara gesagt? Cool bleiben! Vicky setzte sich auf einen Stuhl und legte die linke Hand um den Gitarrenhals. Das Holz fühlte sich glatt und gut an. Mit der Berührung geschah etwas: Vicky konnte sich wieder an die erste Strophe erinnern. Sie war so erleichtert darüber, dass sie in den vorderen Zuschauerreihen nach Sara und ihren Eltern suchte.

Ein Fehler! Ein furchtbarer, schrecklicher, grausamer Fehler. Die Eltern und Sara entdeckte sie in der Aufregung nicht. Dafür sah sie einen jungen Mann mit dunklem Vollbart in der zweiten Reihe am Rand. Er hatte seinen Stuhl zum Gang gedreht und kehrte ihr demonstrativ den Rücken zu. Was war das denn für ein fieser Typ? Wenn er so wenig Lust auf ihren Song hatte, sollte er doch gleich rausgehen.

Das Publikum hatte längst aufgehört zu klatschen. Ein paar Leute räusperten sich, es wurde unruhig. Am liebsten wäre Vicky aufgestanden und einfach abgehauen. Aber dann dachte sie plötzlich: jetzt erst recht!

Sie suchte den ersten Gitarrengriff, legte die Finger an die richtigen Stellen und schwang sich innerlich auf den Rhythmus ein. Ein leichter, flirrender Sommer-Rhythmus.

Vicky spielte das Intro. Die ersten Takte klangen noch zaghaft, aber der Rhythmus war von Anfang an da. Vicky sang die erste Strophe.

Barfuß im Gras,

lauf ich plötzlich los.

Hab so viel Spaß.

Was ist nur mit mir los?

Und auf einmal war Vicky wieder auf der großen Wiese im Stadtpark. Ihrem Lieblingsort, wo sie fast jeden Tag hinradelte, alleine oder zu zweit mit Sara. Wo sie stundenlang auf einer Decke im Gras liegen konnte, während die Sonne auf ihren Rücken brannte und die Vögel in den Bäumen zwitscherten. Wo sie den Wolken beim Wettfliegen zusah, bis sie selber das Gefühl hatte, abzuheben.

Vicky sang den Refrain. Er pulsierte in ihrem Herzen, pulsierte so stark, dass er sich im Raum ausbreitete wie eine Welle.

Einfach weil Sommer ist,

Sommer in der Stadt.

Einfach weil Sommer ist,

den ich so sehr mag.

Bei der zweiten und dritten Strophe wurde Vicky immer sicherer. Sie vergaß alles um sich herum. Es gab nur noch den Sommer und Vicky und dieses unglaubliche Gefühl von Freiheit und Glück. Als sie den Refrain wiederholte, fingen die Leute im Publikum an, mitzuklatschen. Ein paar Schüler, die nur noch Stehplätze bekommen hatten, wiegten sich mit den Oberkörpern im Takt.

Vicky ließ den Song mit einem verträumten Gitarrensolo ausklingen. Die letzten gezupften Akkorde erinnerten an eine laue Sommernacht, an zirpende Zikaden unter dem Sternenhimmel. Vickys rechte Hand ruhte auf den Saiten. Die Luft im Saal vibrierte.

Stille.

Dann brach ein überwältigender Applaus los. Die Leute sprangen von den Plätzen auf, trampelten mit den Füßen und jubelten.

»Bravo, bravo!«, hörte Vicky Sara brüllen.

Langsam stand sie auf. Ihre Knie zitterten, als sie sich verbeugte. Dann hob sie den Kopf und suchte ihre Freundin. Sara winkte wie verrückt und hüpfte von einem Bein aufs andere. Vickys Vater platzte fast vor Stolz, und ihre Mutter schüttelte mehrfach ungläubig den Kopf. Vicky suchte weiter. Der Mann in der zweiten Reihe am Rand war nicht mehr da, aber sein Stuhl stand immer noch zum Gang hin gedreht. Vicky spürte einen winzigen Schmerz in der Brust. Als ob eine Maus ein Stück von ihrem Glück abgeknabbert hätte.

Es gab jemanden, dem ihr Song nicht gefallen hatte. Wann war der Mann rausgegangen? Gleich am Anfang, beim Refrain oder erst kurz vor dem Ende? Warum grübelte sie überhaupt darüber nach? Es konnte ihr doch total egal sein. Sie würde den unverschämten Typen sowieso nie wiedersehen.

Vicky verbeugte sich ein letztes Mal, rief »Danke, danke!« und verließ die Bühne.

Auf der Treppe lief Sara ihr entgegen und warf sie mit ihrer Umarmung fast um. »Du warst sooo toll! Ich hab Gänsehaut bekommen, sieh mal!« Sara tippte auf ihren linken Arm.

»Ich glaub’s dir ja!«, beteuerte Vicky.

Dann spürte sie die warmen Arme ihrer Mutter um ihren Nacken. »So hab ich dich noch nie erlebt. Du hast wundervoll gesungen.«

»Wundervoll ist gar kein Ausdruck«, widersprach ihr Vater. »Du hast uns umgehauen!«

Vicky wollte mit Sara und ihren Eltern in den Probenraum gehen, aber der Weg war versperrt. Plötzlich wurde sie von begeisterten Mitschülern, Eltern und Lehrern umlagert. Herr Schramm überhäufte sie mit Komplimenten, und sogar die Novi gratulierte »zur sehr guten Leistung«. Vicky schwirrte der Kopf. Ihr wurde schwindelig vom Lärm und dem vielen Lob.

Endlich legte sich der Ansturm etwas. Da kam ein Mann mit dunklem Vollbart nach vorne. Der Mann, der ihr demonstrativ den Rücken zugekehrt hatte! Vicky kochte innerlich vor Wut, aber sie ließ sich nichts anmerken. Den Triumph gönnte sie ihm nicht, da konnte er lange warten.

Der Mann sah sie interessiert an. Seine Augen waren eisblau, was einen seltsamen Kontrast zu seinen dunklen Haaren bildete. »Du besitzt eine seltene Gabe«, sagte er. »Die Gabe, Menschen durch deine Musik glücklich zu machen.«

Vicky glaubte, sich verhört zu haben. »Wie bitte?«

»Der Funke ist übergesprungen«, redete der Mann unbeirrt weiter. »Als dein Song zu Ende war, habe ich überall im Publikum strahlende Gesichter gesehen. Das hat mich sehr berührt.«

»Äh … okay.« Vicky war so überrascht, dass ihr im ersten Moment die Worte fehlten.

»Du bist wirklich eine ganz tolle Sängerin.«

»Ach ja?« Vicky konnte sich die Frage nicht verkneifen: »Und warum haben Sie sich dann gelangweilt weggedreht?«

Der Mann fuhr sich lachend durch die Haare. »Entschuldige bitte! Ich wollte nicht unhöflich sein, aber das mache ich immer, um mich vom äußeren Eindruck nicht beeinflussen zu lassen. Du kennst doch sicher die Blind Auditions aus den Musik-Castingshows im Fernsehen?«

»Wo die Jury die Bewerber beim ersten Vorsingen nicht sieht, weil die Sessel von der Bühne abgewandt sind?«

»Genau.«

Jetzt mischte sich Vickys Vater ein. »Wer sind Sie eigentlich? Kennen Sie meine Tochter?«

Der Mann schüttelte den Kopf. »Ich habe Vicky auf der Bühne heute das erste Mal gesehen – und gehört. Eine Hammerstimme übrigens! Da steckt unglaublich viel Soul drin. Aber zurück zu Ihrer Frage: Mein Name ist Friedrich, Tom Friedrich.« Er zog eine Visitenkarte aus der Innentasche seines Jacketts.

Vickys Mutter nahm sie und las mit gerunzelter Stirn. »Sie sind Talentscout? Wofür denn genau?«

»Ich reise herum und suche neue Talente für die Star-Schule.« Tom Friedrich richtete lächelnd seine blauen Augen auf Vicky. »Und heute habe ich wieder ein neues Talent gefunden. Herzlichen Glückwunsch, Vicky! Du hast eins der heißbegehrten Stipendien gewonnen.«

»Was?!?«, rief Vicky.

Ihr großer Traum, ein Star zu sein! War er gar nicht verrückt und völlig größenwahnsinnig? Gab es eine Chance, dass er in greifbarer Zukunft in Erfüllung ging?

»Bitte kneif mich mal in den Arm«, flüsterte Vicky Sara ins Ohr. »Autsch, doch nicht so fest!«

Sara grinste. »Ich hab nur getan, was du von mir verlangt hast. Man soll doch alle Wünsche von Stars erfüllen, sonst werden sie unausstehlich.«

Vicky konnte nicht auf Saras witzige Bemerkung eingehen. Sie musste die Neuigkeit erst mal verarbeiten. Sie hatte ein Stipendium gewonnen? Für eine Star-Schule? »Ist das ein Internat?«, fragte sie nach.

Tom Friedrich nickte. »Ja. Es ist wunderschön gelegen, direkt am Meer.«

Plötzlich rief Vickys Vater überrascht: »Sie meinen doch nicht etwa diese Superstar-Schule? Über die hab ich neulich einen Artikel gelesen. Da werden doch die größten Talente des Landes unterrichtet.«

»Ja, das stimmt«, sagte Herr Friedrich. »Ich erzähle gerne mehr darüber. Einen Prospekt habe ich auch dabei, da steht alles noch mal ganz ausführlich drin. Was halten Sie davon, wenn ich Sie zum Abendessen einlade? Der Italiener gegenüber hat Tische im Freien.«

Vickys Eltern sahen sich zögernd an.

»Warum nicht?«, stimmte Vickys Mutter schließlich zu. »Aber wir werden nichts überstürzen. Wir müssen uns das erst alles in Ruhe überlegen.«

»Natürlich.« Tom Friedrich nickte verständnisvoll. »Nehmen Sie sich ein paar Tage Zeit. Und wenn Sie dann grünes Licht geben, kommt es auf Vicky an.«

Vicky spürte ein Kribbeln im Bauch. »Wie meinen Sie das?«

»Die Entscheidung liegt letztlich bei dir. Möchtest du auf die Star-Schule gehen, Vicky?«, fragte Tom Friedrich.

Alle Augen richteten sich auf Vicky. Plötzlich stand sie wieder auf einer Bühne, mitten im Scheinwerferlicht.

2. Kapitel

»Bitte tu mir das nicht an. Geh jetzt endlich zu!«, stöhnte Vicky.

Dreimal hatte sie schon vergeblich versucht, ihren großen Koffer zu schließen, aber er wehrte sich hartnäckig. Eigentlich kein Wunder, denn Vicky hatte ihn bis zum Gehtnichtmehr vollgestopft.

Es half nichts, sie musste zu anderen Mitteln greifen. Vicky kniete sich auf den Koffer und drückte ihn mit beiden Händen fest zu. Dann ließ sie die rechte Hand kurz los, um mit der linken Hand den Reißverschluss zu schließen. Ein letzter Widerstand – und sie hatte es geschafft.

Erschöpft ließ sich Vicky auf den Koffer plumpsen. Es war nicht ihr einziges Gepäckstück. Auf dem Teppich in ihrem Zimmer türmten sich außerdem eine Sporttasche, ihr Gitarrenkoffer, ein Rucksack und zwei weitere, allerdings deutlich kleinere Koffer. Alle in Blau und brandneu. Ihr Vater hatte letzte Woche einen Anfall von Großzügigkeit gehabt und das Kofferset spendiert. Vicky hatte sich sofort in das blaue Set verliebt. Die glänzenden Oberflächen schimmerten azurblau. Azurblau wie das Meer, das sie bald täglich sehen würde.

Vicky konnte es immer noch nicht richtig glauben. Das Sommerkonzert an der Schule, bei dem sie das Stipendium gewonnen hatte, war gerade mal vier Wochen her. Und heute begann ihr neues Leben an der Star-Schule! Natürlich hatte sie ja gesagt, nachdem ihre Eltern einverstanden gewesen waren. Das war gar keine Frage gewesen.

In knapp einer Stunde startete der Bus, der sie ins Internat bringen würde. Vicky wurde schwindelig, wenn sie daran dachte, was sie dort alles erwartete.

Da klopfte es an der Tür. Ihre Mutter kam herein. »Na, bist du bereit? Alles fertig gepackt?«

Vicky nickte. »Von mir aus kann’s losgehen!«

»Warte noch kurz«, bat ihre Mutter. Sie setzte sich auf die Bettkante und machte ein Gesicht wie an Weihnachten, wenn sie kurz vor der Bescherung hinter dem Wohnzimmervorhang verschwand und das Glöckchen läutete. Langsam zog sie aus ihrer Jackentasche etwas Silbernes hervor.

Vicky starrte ungläubig darauf. »Was ist das denn?«

»Ich hab gehört, dass viele Stars einen Glücksbringer haben, den sie immer bei sich tragen.« Ihre Mutter lächelte. »Die meisten kaufen ihn sich nicht selbst, sondern bekommen ihn geschenkt. Deshalb hab ich mich mal umgesehen und das hier für dich gefunden. Ich hoffe, es gefällt dir.« Sie öffnete ihre Hand. Darin lag ein silbernes Kettchen mit einem kleinen Anhänger, einem fein geschwungenen Notenschlüssel.

»Du bist verrückt!«, rief Vicky begeistert. Sie stand auf und ließ sich von ihrer Mutter die Kette um den Hals legen. Sie lag kühl und glatt auf der Haut. Schnell lief Vicky zum Spiegel. Die Kette passte perfekt zu ihrem türkisfarbenen Kleid. »Danke, Mama!«

Ihre Mutter trat von hinten an sie heran. »Ich bin sehr stolz auf dich, und ich wünsch dir eine ganz tolle Zeit an deiner neuen Schule.«

Plötzlich schossen Vicky Tränen in die Augen. Sie umarmte ihre Mutter und flüsterte mit erstickter Stimme: »Danke.«

»Bitte nicht weinen, hörst du?« Ihre Mutter löste sich aus der Umarmung. »Sonst heule ich sofort mit.«

»Wer heult hier?« Vickys Vater stand auf einmal im Zimmer. Seine Stimme klang empört. »Habt ihr etwa diesen Pfefferminzstift benutzt, den die Schauspieler verwenden, wenn sie in einer dramatischen Szene dauernd weinen sollen?«

Vicky musste lachen. »Nein, wir haben in eine Chilischote gebissen. Das funktioniert genauso gut.«

»Ich hab’s geahnt. Stars haben immer irgendeinen cleveren Trick parat.« Er wuschelte ihr zärtlich durch die Haare. »Pass gut auf dich auf! Wir werden dich schrecklich vermissen, aber in den Weihnachtsferien sehen wir uns ja wieder. Dann kommst du nach Hause.«

»Nach Hause«, wiederholte Vicky in Gedanken für sich. Zwölf Jahre lang war das ganz selbstverständlich ihr Elternhaus gewesen, doch bald würde sie ein zweites Zuhause haben: die Star-Schule.

Plötzlich strich etwas Weiches um ihre Beine. Tiger spürte es genau. Irgendetwas lag in der Luft, das sein beschauliches Katzenleben radikal verändern würde, und das fand er gar nicht gut. Energisch drückte er seine feuchte Nase gegen Vickys Unterschenkel.

Vicky nahm den Kater hoch und kraulte ihn hinter den Ohren. »Nicht traurig sein, Tiger! Du darfst leider nicht mit ins Internat. Aber du hast ja noch Mama und Papa, und wenn dir mal langweilig ist, gehst du einfach rüber zu Sara. Die spielt bestimmt mit dir.«

Der Kater schmiegte sich an ihren Hals. In der nächsten Sekunde machte er »Miau!«, strampelte und wollte unbedingt wieder runter. Blitzschnell sauste er zur offenen Tür hinaus, die in den Garten führte. Dort hatte er einen Vogel entdeckt, dem er hinterherjagte.

»Mach’s gut!«, rief Vicky ihm nach, aber da war Tiger schon längst um die Ecke verschwunden.

Vickys Vater sah nervös auf seine Armbanduhr. »Heute ist zwar Sonntag und nicht so viel Verkehr auf den Straßen. Trotzdem sollten wir langsam los. Der Bus fährt pünktlich vom Rathaus ab.«

»Aber Sara ist noch nicht da. Sie wollte doch mit uns mitfahren.« Vicky würde ganz bestimmt nicht losfahren, ohne sich von ihrer besten Freundin zu verabschieden.

Sie warteten ungeduldig. Nach ein paar Minuten kam ihre Freundin über den Rasen aufs Haus zu. Sie hatte beide Hände in den Taschen ihrer Shorts vergraben und sah so unglücklich aus, dass Vickys Herz sich sofort zusammenzog.

»Hallo«, murmelte Sara. »Jetzt ist es also so weit.«

»Ja …« Vicky gingen die Worte aus. Seit sie im Kindergarten zum ersten Mal miteinander im Sandkasten gespielt hatten, waren Sara und sie unzertrennlich. Wie sollte sie es bloß einen Tag ohne ihre beste Freundin aushalten?

Vickys Vater wuchtete den großen Koffer hoch. »Ich bring schon mal das Gepäck zum Wagen.«

Vickys Mutter half ihm dabei. Vicky und Sara blieben allein zurück. Die Morgensonne schien zum Fenster herein und leuchtete wie ein Scheinwerfer auf Vickys Lieblingsposter von Adele. Draußen im Garten zwitscherte eine Amsel ihr unbeschwertes Sommerlied.

Sara starrte auf ihre ausgefransten Leinenschuhe. »In ein paar Monaten werde ich dich anrufen und nur noch deinen Agenten erreichen. Dann bist du berühmt und hast mich vergessen. Du wirst dich nicht mal mehr an meinen Namen erinnern können.«