Die Star-Schule: Halt deine Träume fest - Henriette Wich - E-Book

Die Star-Schule: Halt deine Träume fest E-Book

Henriette Wich

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Beschreibung

Welches Mädchen träumt nicht davon, später einmal als Sängerin, Schauspielerin oder Tänzerin berühmt zu werden? Die neue Reihe ›Die Star-Schule‹ erzählt, wie kleine Sternchen zu großen Stars werden – spannend, humorvoll und mit viel Gefühl! Nach den ersten Erfolgen plagen Vicky Zweifel: Wird sie den Erwartungen und dem Druck auf Dauer standhalten können? Bei einem Theaterprojekt schnappt Rivalin Coco ihr dann auch noch die Hauptrolle vor der Nase weg. Weil sie besser tanzen kann! Vicky verarbeitet ihre Enttäuschung in einem neuen Song – und ihre Freundinnen Luna und Maxi geben ihr Halt. Bei der Theaterpremiere muss sie dann aber zusammen mit Coco auf der Bühne stehen …

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Henriette Wich

Die Star-Schule: Halt deine Träume fest

FISCHER E-Books

Inhalt

1. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. Kapitel5. Kapitel6. Kapitel7. Kapitel8. Kapitel9. Kapitel10. Kapitel11. Kapitel12. Kapitel13. Kapitel

1. Kapitel

Natürlich hatte Vicky nicht geglaubt, dass es einfach werden würde. Kein Künstler, egal ob Musiker, Schauspieler oder Tänzer, konnte beim ersten Mal schon ein Star sein. Die richtig großen, berühmten Stars hatten alle klein angefangen, sehr viel geübt und hart an sich gearbeitet. Sie waren nicht plötzlich vom Himmel gefallen. Nein, so naiv war Vicky nicht. Aber dass es so schwer sein würde, hätte sie dann doch nicht gedacht.

Das große Instrument vor ihr hatte 88 Tasten, 52 weiße und 36 schwarze. Zusammen ergaben sie ein verwirrendes Muster, das zu flimmern begann, wenn Vicky die Augen zu schmalen Schlitzen verengte. Und in diesem unübersichtlichen breiten Band sollte sie den Grundton C finden? Das war, als müsste sie die Stecknadel in einem Heuhaufen suchen. Also völlig unmöglich!

Anna, die neben ihr auf einem Stuhl saß, lächelte. »Versuch dich zu konzentrieren. Such in der Mitte zwei schwarze Tasten. Hast du sie? Das C liegt links neben der unteren schwarzen Taste.«

Vicky schlug eine weiße Taste an. »Ist es die?«

»Ja, genau.«

Vicky bewunderte Anna. Erst hatte Vicky sich nicht getraut, sie überhaupt anzusprechen. Anna ging in die elfte Klasse, sie gehörte zu den Finalistinnen der Star-Schule und konnte wundervoll schauspielern, singen und Klavier spielen. Vicky dagegen war eine Newcomerin und gerade mal vier Wochen auf dem Internat. Zwischen ihnen lagen Welten. Aber Vicky hatte irgendwann diese spontane Idee gehabt und nicht mehr aus dem Kopf bekommen. Und Anna hatte glatt ja gesagt! Sie verlangte nicht mal Geld für die Klavierstunden, weil sie ohnehin gerade einen Coaching-Workshop machte und Praxiserfahrung im Unterrichten sammeln wollte.

»Träumst du mit offenen Augen?«, fragte Anna amüsiert.

Vicky fühlte sich ertappt. »Entschuldige bitte. Ich hab gerade daran gedacht, wie toll es ist, neben Gitarre auch Klavier zu spielen. Ich freu mich schon so, wenn ich mir auf dem Klavier Arrangements zu meinen Songs ausdenken kann!«

»Ja, das ist ein super Gefühl.« Annas Gesicht leuchtete von innen. »Ich erinnere mich noch gut, als ich so alt war wie du und mein erstes Arrangement geschrieben habe.« Sie rückte ihren Stuhl näher zum Klavier. »Aber jetzt lass uns die C-Dur-Tonleiter üben. Sie beginnt mit dem C. Leg den Daumen auf die weiße Taste. Ja, so ist es gut. Spiel mit dem Zeigefinger das D und mit dem Mittelfinger das E. Jetzt musst du wechseln und den Daumen unterschieben zum F. Perfekt! Und wenn du mit dem kleinen Finger das obere C erreicht hast, machst du das Ganze rückwärts.«

Vicky war jetzt mit vollem Herzen bei der Sache. Immer wieder spielte sie die Grundtonleiter rauf und runter. Langsam wurde sie sicherer. Nach etlichen Wiederholungen hörte sich die Tonleiter überraschend fließend an, wie gleichmäßige Wellen, die an den Strand rauschten und wieder zurückwichen.

»Das war richtig gut«, lobte Anna. »Und jetzt wollen wir unsere unsichtbaren Zuhörer mal ordentlich beeindrucken. Ich bringe dir in zehn Minuten dein erstes Stück bei. Lässt du mich kurz auf die Klavierbank?«

Vicky stand auf, und Anna nahm ihren Platz ein. Sie spielte mit der linken Hand einen Dreiklang und mit der rechten Hand einzelne Töne dazu. Der Rhythmus war so mitreißend, dass Vicky unwillkürlich mit den Fingern schnippte. Sie hatte einmal bei einem Jazzfest einen Pianisten gehört, von dem war sie auch sofort begeistert gewesen.

»Und das soll ich in zehn Minuten können?« Anna nahm sie bestimmt auf den Arm.

Aber die Finalistin verzog keine Miene. »Klar. Ich zeig’s dir. Der Akkord mit der linken Hand ist immer derselbe. Den üben wir zuerst.«

Nachdem Vicky die drei Töne erst mal gefunden hatte, musste sie G, C und E gleichzeitig anschlagen. Das schaffte sie ohne große Probleme. Danach lernte sie mit der rechten Hand eine Abfolge von vier Tönen, die sie immer mit dem Mittelfinger anschlagen sollte. Die Herausforderung lag darin, die linke und rechte Hand miteinander zu kombinieren.

Anna gab ihr den Tipp: »Fang langsam an, mit einem ganz einfachen Rhythmus, links und rechts auf denselben Schlag. Ja, sehr gut.«

Vicky wurde mutiger. Sie probierte aus, wie es wirkte, wenn sie den Dreiklang und die einzelnen Töne kurz nacheinander spielte. Dann improvisierte sie einen Dreiertakt, einen kleinen Walzer.

Anna lachte. »Hey, das ist toll! Und jetzt lass mal was Cooles hören: Wie klingt Hip-Hop?«

»Ich glaub so …«, sagte Vicky.

Ihr Klassenlehrer Sami Swan war ein erfolgreicher Hip-Hop-Sänger aus London. Vicky mochte seine Songs und kannte deshalb ein paar typische Schlagzeug-Figuren. Eine davon setzte sie jetzt um, und es klappte!

Vicky war so vertieft in ihr Spiel, dass sie gar nicht bemerkte, wie die Tür zum Musikübungszimmer leise aufging. Erst als ein Schatten auf die Tasten fiel, hob sie den Kopf. Luna und Maxi standen vor ihr. Als Vicky die Hände auf die Oberschenkel legte, klatschten ihre Freundinnen spontan.

Luna sah Vicky bewundernd an. »Das war super!«

»Ganz große Show!«, fand auch Maxi.

Vicky wurde verlegen. »Äh … danke. Aber eigentlich sind wir mitten in der Klavierstunde. Könnt ihr vielleicht draußen auf mich warten?«

Anna warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. »Das müsst ihr gar nicht. Die Zeit ist sowieso um.«

Vicky konnte es nicht glauben. Waren wirklich schon sechzig Minuten vergangen? Die Zeit war ihr viel kürzer vorgekommen.

Anna stand auf und klappte den Klavierdeckel zu. »Das hat Spaß gemacht. In der ersten Klavierstunde hast du richtig viel gelernt, Vicky. Darauf kannst du stolz sein. Also, dann bis nächste Woche.«

»Ja, bis nächste Woche«, sagte Vicky.

Anna verabschiedete sich mit einem Nicken und verschwand. Vicky, Luna und Maxi blieben im Übungszimmer zurück.

»Moment, jetzt noch mal ganz langsam zum Mitschreiben! Das war deine erste Klavierstunde?« Maxis aufgeregte Stimme kletterte eine Oktave höher. »Du machst Witze, oder?«

Vicky strich sich eine Ponyfranse aus der Stirn. »Nein, du bist doch das Mädchen mit den lockeren Sprüchen und Witzen, nicht ich.«

Luna war auch total verblüfft. »Aber warum hast du uns nicht erzählt, dass du Klavier lernen willst? Warum hast du ein Geheimnis daraus gemacht?«

»Ich hätte es euch schon noch erzählt«, verteidigte sich Vicky. Sie nahm ihre Jeansjacke, die über der Stuhllehne hing, und schlüpfte hinein. »Ich wollte nur abwarten, wie es in den ersten drei Stunden läuft. Es hätte sich ja auch herausstellen können, dass ich hoffnungslos unbegabt fürs Klavier bin, und das wär mir peinlich gewesen.«

Maxi tippte sich mit dem Zeigefinger gegen die Stirn. »So ein Quatsch! Vor uns muss dir doch nichts peinlich sein, und beeindrucken musst du uns auch nicht. Wir mögen dich, egal ob du erfolgreich bist oder nicht.«

»Wo Maxi recht hat, hat sie recht«, sagte Luna in ihrer ruhigen, unaufgeregten Art.

Vicky musste lachen. »Danke! Ihr seid lieb. Mir geht’s genauso: Ich mag euch, weil ihr Luna und Maxi seid, Punkt!«

Am Anfang hätte Vicky nie gedacht, dass sie auf dem Internat so schnell Anschluss finden würde. Sie hatte ihre Sandkastenfeundin Sara von zu Hause schrecklich vermisst und mit Heimweh gekämpft. Das Heimweh war zum Glück fast vorbei, und mit Sara telefonierte sie regelmäßig und tauschte Mails aus.

Vicky, Luna und Maxi verstanden sich ohne große Worte und waren sich in vielen Dingen einig: Zum Beispiel wollten sie nicht fies sein und es darauf anlegen, andere auszustechen, so wie Coco aus ihrer Klasse. Und sie wollten sich nicht verbiegen, nur um den Lehrern zu gefallen. Auch das war eine hervorstechende Eigenschaft von Coco. Vicky hatte das eingebildete, reiche Mädchen vom ersten Tag an nicht leiden können. Die Abneigung beruhte übrigens auf Gegenseitigkeit.

Bei Luna und Maxi dagegen konnte Vicky sich entspannen und den Druck vergessen, der mehr oder weniger spürbar an der Star-Schule herrschte. In dem berühmten Internat am Meer wurden nur die besten Talente des Landes aufgenommen. Vickys Eltern hätten sich das Schulgeld nicht leisten können, wenn Vicky nicht eines der begehrten Stipendien ergattert hätte. Manchmal konnte sie immer noch nicht richtig glauben, dass sie das große Los gezogen hatte und ihrem Traum ein ganzes Stück nähergekommen war. Sie wollte nämlich später Singer-Songwriterin werden und Konzerte geben.

»Gut, dass wir das geklärt haben.« Maxis dunkle Augen blitzten unternehmungslustig. »Dann können wir jetzt ja in den Garten gehen. Das Wetter ist super. Das müssen wir unbedingt für unsere Fotosession ausnutzen.«

Luna schwenkte ihren grünen Rucksack. »Da ist meine Kamera drin. Wir können sofort loslegen.«

»Tolle Idee! Ich bin dabei«, sagte Vicky.

In einer Woche mussten die Newcomer ihre Ergebnisse präsentieren. Dominik Helms, der Styleberater, hatte ihnen eine anspruchsvolle Aufgabe gestellt: Sie sollten gegenseitig Künstlerfotos von sich machen und auswählen. Bei den Fotos gab es zwei grundlegende Dinge zu beachten: Die technische Qualität musste stimmen, es durfte nichts verwackelt oder verschwommen sein. Und das Outfit sollte ihre Persönlichkeit unterstreichen.

Vicky, Luna und Maxi hatten den gestrigen Abend mit einer Modenschau auf Maxis Zimmer verbracht. Sie hatten unglaublich viel gekichert und alle möglichen schicken Teile anprobiert, um am Schluss festzustellen, dass sie sich in ihren Alltagsklamotten doch am wohlsten fühlten.

Vicky hing sich ihre Leinentasche über die Schulter. Heute trug sie ausgeblichene Jeans-Shorts und ein sonnengelbes weites Long-Shirt.

Vicky und ihre Freundinnen traten vom Fischerhaus der Star-Schule ins Freie. Draußen wehte ein leichter Wind. Mücken surrten in der warmen Spätsommerluft. Ein paar Schafe mähten in ihrem unendlich langsamen Tempo geduldig die große Wiese. Auf einer Anhöhe weiter westlich konnte man das Falkenhaus erkennen, ein reetgedecktes Häuschen, in dem die Intensiv-Workshops stattfanden.

Hinter der Wiese begann der Bodden. Die ehemaligen Meeresbuchten waren heute durch Landzungen weitgehend vom offenen Meer abgetrennt und sahen aus wie Binnenseen, aber sie enthielten immer noch ein bisschen Salzwasser. Vicky mochte beides: die sanfte Boddenküste und das unruhige Meer.

»Wo gehen wir hin?«, fragte Luna. »In den Garten oder zum Strand?«

»Strand!« – »Garten!«

Die erste Antwort war von Maxi gekommen, die zweite von Vicky.

Luna schlug diplomatisch vor: »Wie wär’s erst mit Garten und dann mit Strand?«

Das klang gut. Die beiden Orte lagen ohnehin nah beieinander. Vicky, Luna und Maxi bogen in die schmale, gepflasterte Straße ein, die zunächst zum Dünenhaus führte und nach dem Busparkplatz immer steiler wurde.

Auf dem obersten Punkt des Hochufers stand das Haupthaus. Vicky liebte diesen ersten Blick von der Straße aus auf das Dach aus Schilfrohr mit den runden Gaubenfenstern. Ging man ein paar Schritte weiter, sah man das große Gebäude komplett. Die Außenfassade war in einem warmen Rotton gestrichen und hatte zwei lange Terrassen. Darunter erstreckte sich ein weitläufiger Garten, der in eine Dünenlandschaft überging.

Sie ließen das Haupthaus links liegen und gingen gleich in den Garten hinunter. Vicky streifte ihre Sandalen ab. Die Grashalme des gepflegten Rasens kitzelten ihre Zehen. Wie schön es hier war! Die Kletterrosen standen immer noch in voller Blüte und wetteiferten an Farbenpracht mit den üppigen Rhododendronbüschen. Mehrere hochgewachsene Buchen, Linden und Eichen boten Schatten. Weiter unten stand eine Gruppe schlanker, schiefer Kiefern. Windflüchter wurden sie genannt. Vicky sog tief die frische, salzige Luft ein, die vom Meer herüberwehte.

Maxi suchte inzwischen einen geeigneten Platz für das Fotoshooting aus. Schließlich wurde sie fündig. »Hier vor den Farnen ist es gut. Da ist es nicht zu sonnig, und wir haben das saftige Grün als Hintergrund.«

Luna packte ihre Kamera aus. »Ich stelle eine kurze Belichtungszeit ein, dann können wir uns spontan bewegen, und die Bilder werden trotzdem scharf.«

Vicky kannte sich mit der Technik nicht aus, aber sie hatte genau wie Luna keine Lust auf steife Porträtfotos. Plötzlich war sie doch ein bisschen aufgeregt und froh, dass Maxi sich als erstes Model zur Verfügung stellte.

Vicky lehnte sich an einen Baumstamm und feuerte ihre Freundin an: »Du bist die Beste. Du bist ein Star, wie ihn die Welt noch nicht gesehen hat! Die Fans kreischen, sobald du auftauchst, alle wollen Autogramme von dir.«

Maxi legte los. Erst schnitt sie die verrücktesten Grimassen, dann grinste sie von einem Ohr zum anderen, um gleich darauf einen gefährlich-finsteren Ausdruck in ihr Gesicht zu zaubern. Später riss sie die Arme in die Höhe, machte Luftsprünge und drehte sich mehrfach um die eigene Achse. Am Schluss schlug sie sogar spontan ein Rad.

Vicky kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Maxi war nicht nur sehr sportlich, sie hatte auch ein Riesentalent als Schauspielerin und Comedy-Star. Und obwohl sie manchmal mit ihrer Energie übers Ziel hinausschoss, wirkte sie nie lächerlich.

Luna war begeistert. »Das müsst ihr euch ansehen! Da sind super Schnappschüsse dabei.«

Vicky und Maxi stellten sich hinter Luna. Die schnelle Bilderabfolge im Display erinnerte Vicky an einen Comic-Strip.

»Wow!«, rief Vicky. »Da merkt man erst, wie viele Facetten du hast. Du kannst alles spielen: das lustige Mädchen von nebenan, die durchgeknallte Hollywood-Diva …«

»… und sogar eine Mörderin!«, fügte Luna mit unheilvoller Stimme hinzu. Sie hatte eine Vorliebe für Krimis, je gruseliger, umso besser. Oft las sie abends im Bett. Vicky war es ein Rätsel, wie sie danach einschlafen konnte.

Maxi winkte ab. »Ihr übertreibt. So genial bin ich wirklich nicht. Aber die Fotos gefallen mir auch gut. Da sind bestimmt drei oder vier dabei, die ich Dominik Helms zeigen kann.«

»Der wird Augen machen«, prophezeite Vicky.

Jetzt war sie an der Reihe, und Maxi übernahm die Rolle der Entertainerin: »Viktoria, genannt Vicky. Der Name ist Programm. Dieses Mädchen ist die geborene Siegerin! Nach einem Monat auf der Star-Schule ist sie schon die Nummer zwei im Newcomer-Ranking. Erst vor kurzem wurde sie zur Klassensprecherin gewählt. Und ihre Songs gehen mitten ins Herz. Eine Frage, Vicky: Wie machst du das eigentlich?«

»Keine Ahnung!« Vicky spielte verlegen mit der silbernen Halskette, die sie von ihrer Mutter als Glücksbringer geschenkt bekommen hatte. Ein kleiner Notenschlüssel hing daran. »Ich weiß nur, dass ich jedes Mal vor Lampenfieber fast sterbe, wenn ich auftreten muss.«

»Das merkt man aber überhaupt nicht«, betonte Maxi.

Mit ihrer fröhlichen Art schaffte sie es, dass Vicky die Kamera vergaß. Sie lachte über Maxis Witze, hüpfte auf einem Bein, umarmte eine Eiche und ließ sich am Schluss sogar zu einem Luftgitarren-Solo hinreißen. Dabei warf sie ihre Haare schwungvoll vor und zurück, genau wie vor kurzem, als sie in der Klasse den Sommerhit Happy präsentiert hatte.

»Danke, Vicky, das reicht.« Luna nahm lächelnd die Kamera runter. »Deine Fotos haben wir auch im Kasten.«

Normalerweise mochte Vicky sich nicht auf Fotos. Sie erkannte sich darin selten wieder und fand sich entweder arrogant oder unsicher. Aber diesmal war es anders. Luna hatte ihre Persönlichkeit eingefangen, so wie sie sich fühlte: ein zwölfjähriges Mädchen, das den verrückten Traum hatte, ein Star zu werden, aber gleichzeitig ahnte, dass sie noch meilenweit davon entfernt war.

Lunas Fotos dauerten am längsten. Das lag nicht an Luna, sondern an Vicky und Maxi, die beide keine Profi-Fotografinnen waren und sich beim Shooting abwechselten. Nach einer knappen Stunde waren alle drei endlich rundum zufrieden. Von einer Aufnahme war Vicky besonders beeindruckt: Luna blickte ernst in die Kamera. Ihr Gesicht, das von den langen roten Haaren eingerahmt wurde, schimmerte wie Elfenbein. Die grünen Augen blickten gleichzeitig zu einem unsichtbaren Punkt in weiter Ferne und nach innen. Sie erzählten eine Geschichte voller Hoffnung, Sehnsucht und Geheimnis.

»Eigentlich müssen wir jetzt gar nicht mehr zum Strand«, stellte Vicky fest.

Der Nachmittag war schon weit fortgeschritten. Die Sonne näherte sich bereits dem Wasserspiegel. Es würde nicht mehr lange dauern, bis sie im Meer versank.

Maxi gähnte verstohlen hinter vorgehaltener Hand. »Ja, das stimmt. War ganz schön anstrengend, aber es hat sich gelohnt.«

Sie wollten gerade wieder zum Haupthaus gehen, um sich vor dem Abendessen in ihre Zimmer zurückzuziehen, als sie plötzlich eilige Schritte hörten. Kristin und Michelle rannten die Steinstufen hinab. Ihr helles Lachen vermischte sich mit den Wortfetzen, die sie sich gegenseitig zuwarfen.

Wenn Vicky nicht genau gewusst hätte, dass es sich um dieselben Mädchen handelte, die sich in der Anfangszeit dauernd gestritten hatten, würde sie an eine Verwechslung glauben. Kristin und Michelle kannten sich aus ihrer alten Schule. Dort hatte die Feindschaft zwischen ihnen begonnen. Erst im Internat war herausgekommen, worum es bei dem Streit eigentlich ging: Michelle litt unter der Scheidung ihrer Eltern und beneidete Kristin um ihre heile Familie. Kristin wiederum war eifersüchtig auf die vielen Freiheiten, die Michelle hatte. Erst vor kurzem hatten sie sich versöhnt. Vicky hatte die Vermittlerin gespielt, und seither waren Kristin und Michelle Freundinnen.

»Sagt bloß, ihr habt es noch nicht gehört!«, rief Michelle ihnen entgegen.

Kristin wedelte aufgeregt mit den Händen. »Die ganze Schule spricht davon!«

Vicky, Luna und Maxi wechselten einen verständnislosen Blick.

»Wovon redet ihr?«, fragte Luna. »Haben wir irgendwas verpasst?«

»Allerdings!«, sagte Michelle. Es klang fast schon vorwurfsvoll. »Coco hat eine SMS von ihrem Bruder bekommen. Philipp Stein wird jeden Moment hier sein.«

Vickys Herz klopfte unwillkürlich schneller. Philipp Stein war ein bekannter Schauspieler und in diesem Schuljahr Gastdozent im Internat. Die Soap, in der er den Sohn eines reichen Hotelbesitzers spielte, fand sie zwar eher langweilig, aber Philipp Stein selbst war alles andere als langweilig. Vicky, Luna und Maxi hatten ihn gestern zufällig bei einem Strandspaziergang getroffen. Er war mit dem Kiteboard unterwegs gewesen und beim Surfen vom schlechten Wetter überrascht worden. Später waren sie zusammen in die Teestube gegangen, um sich aufzuwärmen, und hatten sich dort nett unterhalten.

»Aber das Beste kommt erst noch!«, verkündete Kristin. Sie machte eine effektvolle Pause, um die Spannung zu erhöhen. »Philipp wird nicht mehr in der Soap mitspielen. Das hab ich in einer Pressemeldung im Internet gelesen. Die letzten Szenen hat er schon abgedreht. Die werden natürlich noch ausgestrahlt, aber danach ist Schluss.«

»Weiß man, warum?«, hakte Vicky nach.

Michelle schüttelte den Kopf. »Nein. Darüber schweigen sich die Journalisten aus.«

Vicky spürte ein Kribbeln im Bauch. Wie merkwürdig! Jetzt war sie doppelt neugierig, Philipp Stein wiederzusehen.

2. Kapitel

Der schwarze Wagen hatte getönte Fensterscheiben und rollte langsam auf den Eingang des Haupthauses zu. »Rein zufällig« hatte sich dort die halbe Star-Schule versammelt. Die Newcomer waren sogar komplett vertreten. Die Schülerinnen kreischten nicht, sie hielten auch nicht ihre Smartphones in die Höhe oder winkten mit Autogrammzetteln. Trotzdem war die Stimmung ähnlich wie bei einer Film-Premiere.

Jetzt kam der Wagen zum Stehen. Der Fahrer stieg aus, eilte auf die Beifahrerseite und öffnete die Tür.

Das Erste, was Vicky erkennen konnte, waren ein Paar lange Beine in dunklen Jeans. Dann tauchte der dazugehörige Oberkörper auf. Philipp Stein trug ein weißes Hemd mit lässig hochgekrempelten Ärmeln und eine auffällige Männeruhr. Er nickte den Mädchen freundlich zu, ließ sich aber nicht im Geringsten aus der Ruhe bringen. Völlig selbstverständlich machte er ein paar Schritte auf den Eingang zu. Es sah aus, als würde er über einen unsichtbaren roten Teppich schweben.

Die Rektorin kam ihm lächelnd entgegen. »Herzlich willkommen, Herr Stein! Wir freuen uns sehr, dass Sie unserer Einladung gefolgt sind.« Julia Böhme hatte leise gesprochen. Trotzdem verstand man jedes einzelne Wort.

Vicky blickte bewundernd zu ihr auf. Sie musste an die Rede denken, mit der die Rektorin die Newcomer begrüßt hatte. Diese Rede hatte sie sehr berührt und angespornt, ihren eigenen Weg als Künstlerin zu gehen.

»Ich freu …«, begann Philipp Stein.

Der zweite Teil seines Satzes ging unter, weil Coco sich aus der Menge gelöst hatte und auf ihren großen Bruder zulief: »Hi Philipp, du hast mir so gefehlt!« Coco schlang ihre Arme um seinen Hals und gab ihm zwei Küsschen. Dabei hinterließ sie rosa Lippenstiftspuren auf seinen Wangen, die sie sofort mit einem Papiertaschentuch wieder entfernte, wobei sie sich mehrmals entschuldigte und eine Spur zu laut lachte.

Wie immer war Coco von Kopf bis Fuß top gestylt. Heute trug sie zur Feier des Tages einen pinkfarbenen weit schwingenden Rock, silberne Lack-Ballerinas und eine ärmellose Seidenbluse.

»Na, Schwesterchen, alles klar bei dir?« Philipp Stein wartete die Antwort gar nicht erst ab. Sein Blick wanderte über die Köpfe der Mädchen. Bei Vicky, Maxi und Luna blieb er kurz hängen.

»Hallo Herr Stein!«, sagte Maxi unbefangen. »Wie geht es Ihnen?«

Der Schauspieler antwortete nicht. Er konnte die Frage nicht überhört haben, aber er reagierte nicht darauf. Es war, als hätte er Vicky, Luna und Maxi noch nie zuvor getroffen.

Coco machte sich nicht die Mühe, ihre Schadenfreude zu verbergen. Es gefiel ihr ziemlich gut, dass ihr Bruder Maxi nicht beachtete.

Philipp Stein wandte sich wieder an die Rektorin. »Wo werde ich denn wohnen?«

Julia Böhme machte eine einladende Handbewegung. »Wir haben Sie hier im Haupthaus untergebracht. Ein schönes großes Zimmer mit Meerblick.«

»Klingt phantastisch.« Der Schauspieler gab seinem Fahrer ein Zeichen. Der öffnete den Kofferraum und lud das Gepäck aus. Philipp Stein folgte der Rektorin ins Haus.

Langsam löste sich die Anspannung unter den Schülerinnen, und alle tauschten aufgeregt ihre Eindrücke aus.

»War das cool!« – »Er sieht wirklich noch besser aus als im Fernsehen!« – »Ich bin schon so gespannt auf seinen Unterricht.« – »Warum spielt er in der Soap nicht mehr mit? Coco, weißt du was darüber?«

Coco zog ihre linke Augenbraue hoch. »Nein, ich weiß nichts, und selbst wenn ich etwas wüsste, würde ich es euch nicht erzählen. Schon mal was von Privatsphäre eines Stars gehört?«

Jil, die grundsätzlich die Meinung ihrer Freundin Coco teilte, nickte eifrig. »Ja, genau. Philipp Stein hat ein Recht auf seine Privatsphäre. Und wir auch.«

Die unzertrennlichen Freundinnen kehrten der Klasse den Rücken zu und verschwanden im Haupthaus.

Vicky grübelte. Sie begriff immer noch nicht, warum Stein auf Maxis Frage nicht geantwortet hatte.

Luna war genauso ratlos. »Meinst du, er hat uns nicht wiedererkannt?«

»Doch, ganz bestimmt«, meinte Maxi.

Den Eindruck hatte Vicky auch gehabt. Es musste einen anderen Grund für sein Verhalten geben. Vielleicht verbarg sich hinter seiner coolen Fassade in Wirklichkeit ein schüchterner Mensch? Das hatte sie schon öfter von Schauspielern gehört. Vor der Kamera drehten sie auf, aber bei Interviews wussten sie vor lauter Verlegenheit nicht, was sie sagen sollten.