Die Stimme des Mondes - Herakles Faust - E-Book

Die Stimme des Mondes E-Book

Herakles Faust

0,0

Beschreibung

Ein Drache, ein unbedachter Schritt und die Archäologin Livia befindet sich plötzlich nicht mehr im Beijing des 21. Jahrhunderts, sondern am Hofe des Kaisers der Anderswelt. Diese Welt ist ganz anders als die moderne Welt, sie scheint direkt aus einem historischen Kostümdrama entsprungen zu sein. Im Kaiserpalast findet Livia Unterschlupf und Freunde, die ihr helfen, dem Mysterium ihrer Reise auf die Spur zu kommen. Doch während ihrer Suche nach einem Weg zurück in ihre Welt kreuzt nicht nur der geheimnisvolle Krieger Wenliang ihren Weg, der Livias Gefühlswelt gehörig auf den Kopf stellt, sondern auch ein mächtiger weißer Drache braucht ihre Hilfe: Dunkle Wolken brauen sich über dem Kaiserpalast zusammen und erschüttern die Fundamente der Anderswelt. Wird es Livia gelingen, den Kaiserpalast zu retten und einen Weg nach Hause zu finden? Ein spannender Genre-Mix aus Romantasy und chinesischem Fantasy (Wuxia und Xianxia) mit einem fantastischen Setting im antiken China der Tang-Dynastie.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 149

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Buchbeschreibung:

Ein Drache, ein unbedachter Schritt und die Archäologin Livia befindet sich plötzlich nicht mehr im Beijing des 21. Jahrhunderts, sondern am Hofe des Kaisers der Anderswelt. Diese Welt ist ganz anders als die moderne Welt, sie scheint direkt aus einem historischen Kostümdrama entsprungen zu sein. Im Kaiserpalast findet Livia Unterschlupf und Freunde, die ihr helfen, dem Mysterium ihrer Reise auf die Spur zu kommen. Doch während ihrer Suche nach einem Weg zurück in ihre Welt kreuzt nicht nur ein geheimnisvoller Krieger ihren Weg, der Livias Gefühlswelt gehörig auf den Kopf stellt, sondern auch ein mächtiger weißer Drache braucht ihre Hilfe.

Über den Autor:

Herakles Faust macht zusammen mit ihrem wuscheligen Shetlandpony den Süden Deutschlands unsicher. Schon als kleines Kind begeisterte sie sich für die Geschichte ihrer Heimat und nutzte das Wissen um ihre eigenen Geschichten zu spinnen. Neben dem Schreiben verbringt sie ihre Freizeit mit zeichnen und malen. Handarbeiten und als personal assistant ihres Ponys. Mehr zu Herakles und ihren aktuellen Schreibprojekten findet ihr auf ihrem Instagram-Account @heras_schreibstube.

Für meine Familie, die mich bei allem unterstützt und für mein inneres Kind, das davon geträumt hat, Autorin zu werden.

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Glossar

Kapitel 1

Der große, zunehmende Mond erhellte das Ausgrabungsareal und verlieh der Landschaft einen sanften, silbernen Schimmer. Ich stand auf der nördlichen Grabungsfläche und blickte ratlos auf die runde Scheibe am Himmel. Wir gruben hier in der Nähe von Beijing schon seit mehreren Wochen, doch bis jetzt hatten wir den Haupthof des neu entdeckten Palastes aus der Tang-Dynastie noch nicht gefunden. Die Zeit war leider gegen uns, bald sollte hier eine mehrspurige Autobahn die Menschen schnell von diesem Vorort nach Beijing bringen. Außerdem hatte auch ich nur ein halbes Jahr für dieses Vorhaben, denn ich war nur für ein Forschungssemester nach China gekommen. Ich wollte meinen Ahnen näher kommen, einem Teil von ihnen zumindest, denn meine Mutter war Chinesin.

Verzweifelt stieß ich einen lauten Seufzer aus. Vielleicht würde ein neuer Grabungsabschnitt weiter nördlich mehr Erfolg versprechen. Aber damit das überhaupt in Frage käme, müssten morgen erste Sondierungsgrabungen stattfinden. Für mich fühlte es sich an, als würde mir die Zeit durch die Finger rinnen.

Ich schloss meine Augen und atmete tief ein und langsam wieder aus. »Denk nach, Livia.«, flüsterte ich leise. Ich öffnete meine Augen und trat zu einem rechteckigen, etwa zwei Meter breiten und tiefen Grabungsschnitt. Er musste hier irgendwo sein. Ich schaute hoch in den Nachthimmel und verlor mich nachdenklich in der Schönheit des Mondes. Der Sage nach lebten auf dem Mond der Jadehase und die Mondgöttin Chang'e. Ich war in keiner Weise gläubig, aber heute hatte ich das Bedürfnis, für eine erfolgreiche Grabung zu beten. Und die Vorstellung einer Göttin, die mit einem Hasen auf dem Mond lebte, war ein schönes Bild. So beschloss ich, meinem Gefühl nachzugeben. Ich klatschte in die Hände und sagte leise: »Chang'e, falls du wirklich auf dem Mond lebst, bitte schenke uns ein wenig Glück und eine erfolgreiche Grabung.« Den Blick immer noch auf den Mond gerichtet, spürte ich plötzlich ein leichtes Kribbeln auf der Haut. Die Luft schien sich langsam elektrisch aufzuladen. Es fühlte sich an, wie kurz vor einem Gewitter. Doch am Himmel war keine Wolke zu sehen. Plötzlich erstrahlte der Mond in einem noch helleren und bläulicheren Licht und vor mir materialisierte sich ein unscharfer Umriss. Erst erkannte ich nur ein schlangenähnliches Wesen, doch dann sah ich, dass es sich um einen chinesischen Drachen handelte. Ich war gefangen von dem schönen Anblick, wie in Trance streckte ich eine Hand nach dem weißen Wesen aus. »Wunderschön.«, hauchte ich bei dem Anblick, doch so schnell der Drache auftauchte, genauso so schnell war das Bild, diese Halluzination, wieder verschwunden. Verwundert blickte ich in den Nachthimmel.

»Du brauchst mehr Schlaf, altes Mädchen...«, murmelte ich und rieb mir die Schläfen. Aber Ausruhen konnte ich mich, wenn ich wieder zurück in Deutschland und die Grabung erfolgreich abgeschlossen war. Ich drehte mich um, es war Zeit zu meiner Unterkunft zurückzugehen. Der Boden war feucht von der Nacht. Die Erde war an manchen Stellen sehr aufgeweicht und schlammig. Ich bahnte mir vorsichtig meinen Weg. Setzte behutsam einen Schritt vor den anderen. Nach wenigen Schritten aber rutschte mein rechter Fuß weg und ich kam ins Straucheln. Ich schaffte es nicht, mein Gleichgewicht zu halten und zu meinem Entsetzen fiel ich direkt in die Grube hinein. Ich versuchte mich zu drehen und erwartete einen schmerzhaften Aufprall, doch zu meiner Verwunderung, blieb dieser aus. Ich fiel weiter und es schien, als wäre die Grube bodenlos.

Während dem Fallen bemerkte ich, wie mir das Bewusstsein schwand und ich alles durch einen weißen Schleier wahrnahm. Als wäre ich sediert worden, zogen allerlei Farben vor meinen Augen vorbei. Der Aufprall kam so plötzlich wie der Fall, doch landete ich sanfter als es nach so einem langen Sturz möglich gewesen wäre. Um mich herum war Dunkelheit. Ängstlich tastete ich den Boden um mich herum ab. Er fühlte sich kalt an und glatt. Spiegelglatt. »Wo bin ich?«, flüsterte ich verwirrt und ängstlich. Plötzlich tauchte in weiter Ferne eine kleines, rundes gelbes Licht auf. Es war zu schwach, um durch die durchdringende Dunkelheit zu scheinen. Das Licht hüpfte rhythmisch auf und ab und es bewegte sich auf mich zu. Als das Licht näher kam, sah ich, dass es eine Lampe war, die von einer geisterhaften Hand gehalten wurde. Erst als es nur noch ein paar Meter von mir entfernt war, erkannte ich eine Frau, die ganz in weiß gekleidet war. Das lange fließende Gewand war auf der Brust mit einer breiten silbernen Borte geschnürt, es wirkte wie aus der Zeit gefallen und verlieh der Frau eine mystische Erscheinung. Beim näheren Hinsehen bemerkte ich, dass es sich bei der Robe um das traditionelle Gewand der Tang-Dynastie aus dem 7. Jahrhundert nach Christus handelte. In der rechten Hand hielt sie eine Laterne, die an einem kurzen Stab befestigt war. Ihre Augen waren mit einem weißen Tuch verbunden. Verwundert starrte ich auf die seltsame Gestalt, in der altertümlichen Kleidung. Ihre langen, schwarzen Haare waren zu einem losen Zopf zusammen gebunden und wehten leicht im Wind. Es ging eine ganze leichte Brise, meine Haut prickelte, als der Hauch zart über meinen Körper streifte. Ich spürte wieder dieselbe Elektrizität wie vor dem Fall. Die Frau schritt anmutig auf mich zu. »Komm.«, sagte sie in einem altertümlichen Akzent, der vollkommen zu ihrer Erscheinung passte und reichte mir eine grazile weiße Hand. Sie half mir auf und deutete in eine Richtung. »Komm.«, wiederholte sie noch einmal. Es war ein Befehl. Ich konnte gar nicht anders, als diesem Befehl zu folgen. So folgte ich der Frau, die uns mit ihrem Licht durch die Dunkelheit führte. Plötzlich blieb sie stehen und verbeugte sich elegant zur Dunkelheit. »Was macht ihr hier, ehrenwerter Hei?«

»Die Zeit ist noch nicht reif, Bái.«, antwortete eine sanfte männliche Stimme. Ich schaute an der weißen Frau mit der Lampe vorbei und erblickte einen schwarz gekleideten Mann. Ebenfalls in der traditionellen Hanfu-Kleidung der Tang-Dynastie. Er trug ein schwarzes langes Gewand, seine Augen waren mit einem schwarzen Tuch verbunden. Verdutzt heftete ich meinen Blick auf diese seltsamen Gestalten. Was war hier los? Ich konnte nicht anders, außer die beiden mit leicht offenen Mund anzustarren. Ich konnte mir diese Szene nicht mehr erklären, aber bevor ich einen klaren Gedanken fassen konnte, begann der seltsame Mann in einem ebenso altertümlichen Dialekt zu sprechen.

»Aber sie ist vorgemerkt.«, erwiderte Bái. Der Mann namens Hei schüttelte nur den Kopf. Mit dem Finger zeichnete er ein Rechteck in die Luft, die Linien begannen blau zu glühen und auf einmal erschien eine Tür. »Es ist noch nicht Zeit, Bái. Folge mir, Menschenkind Livia Hansen.« Als der seltsame Mann namens Bái meinen Namen sagte, bekam ich eine Gänsehaut. Woher wusste er, wie ich hieß? Und wieso war seine Stimme so bestimmend, denn wie bei der Frau, war auch das keine Bitte, sondern ein Befehl. Eine starke Kraft zog mich zur Tür. Ich konnte mich nicht wehren, mein Verstand wollte sich gar nicht wehren. Es war als gehorchte mein Körper blind den Befehlen dieser seltsamen Gestalten. Die Tür öffnete sich knarzend und der Mann namens Hei bedeutete mir, hindurch zu gehen. Ich tat wie mir geheißen und plötzlich wurde mir schwarz vor Augen.

Kapitel 2

Verwundert kam ich wieder zu mir. Ich spürte nun feuchte Erde unter mir und nicht mehr den spiegelglatten Boden von eben. Irritiert rieb ich mir die Augen. Ich fühlte eine bleierne Müdigkeit, als hätte ich eine Weltreise hinter mir. Um mich herum war es dunkel. Es dauerte ein paar Sekunden bis ich mich an die Dunkelheit gewöhnt hatte. Ich setzte mich auf und sah, dass ich in einem wunderschönen Bambuswald gelandet war. Ich lag auf einer kleinen Lichtung in einem Bambuswald. Umzingelt von den langen, dünnen und kerzengeraden Bambusstämmen. Das Holz schimmerte in verschiedensten grün- und Brauntönen. Der Boden war mit Moos überzogen, so dass ich weich gelandet war. »Wie zur Hölle...«, flüsterte ich. Was war gerade passiert? Wo war ich? Der Wald war gespenstisch still und eine unheimliche Aura lag darüber. Nur ein leichter Wind ging, der jedes Geräusch zu verschlucken schien. Ich stand auf und schaute mich um. Doch dann wurde die unheimliche Stille von einem markerschütternden Schrei unterbrochen, gefolgt von einem irren Lachen. Instinktiv zog ich mich zwischen die Bambusstämme zurück, gerade rechtzeitig, denn schon krachte es Laut und ich sah einen Körper an mir vorbeifliegen. Er prallte mit einem Aufschrei gegen die Stämme. Zu meiner Verwunderung stand er mit wackeligen Beinen wieder auf. Er war verletzt, spuckte Blut, doch er stand noch. Mein Hirn konnte nicht verarbeiten, was ich gerade gesehen hatte, ich fühlte mich, als wäre ich in einem Actionfilm gelandet. Langsam drehte ich meinen Kopf und suchte die Kameras und das Kamerateam, aber ich konnte niemanden sehen. Nur die Person, die soeben mit einer schier unmenschlichen Wucht an mir vorbeigeflogen war.

»Die Zeit des Herrschers dieser Gefilde ist vorbei!«, lachte eine dunkle Stimme. »Und mit dir fange ich an, Prinz Ming Tian.«

Der Besitzer der Stimme kam langsam aus dem Schatten hervor. Er war schwarz gekleidet und trug eine schlichte Maske. Er hielt ein blutgetränktes Schwert in den Händen. Ich konnte erkennen, dass es sich um das klassische chinesische Schwert Jiàn handelte. Eine zweischneidige, lange Klinge, die im antiken China nur von Helden getragen wurde. Er wirkte, als wäre dieser Bösewicht direkt aus meinen liebsten chinesischen Heldengeschichten, dem Wuxia, entsprungen. Er fügte sich komplett in das Bild eines historischen Kostümdramas.

»Du wirst damit nicht durchkommen.«, zischte der Verletzte nur als Antwort. Mein Herz klopfte so laut, dass ich dachte, die beiden müssten mich hören. Ich hatte Angst, so unglaubliche Angst. Alles war so schnell passiert: Der Sturz, die Frau, der Mann, die Tür ... und jetzt war ich hier und wusste nicht, wo ich war.

War ich mitten in einen Filmdreh geraten? Aber was hatte es dann mit dieser merkwürdigen, schwarzen glatten Höhle auf sich gehabt, in die ich gefallen war? Und wie war ich von dort hier hergekommen? Wo war ich!? Ich biss mir auf die Lippe, um keinen Laut von mir zu geben. War das nur ein superrealistischer Traum? Die Lippe schmerzte, aber ich wachte nicht auf. Meine Gedanken rasten und ich kauerte mich enger hinter dem Busch, damit mich die beiden Männer nicht bemerkten. Ich sah zum Mond hinauf und mir fiel das Bild des Drachens wieder ein. Irgendwie beruhigte mich der Gedanke. Drachen waren Glücksbringer in der chinesischen Kultur. Ich drückte meine Hände ganz fest gegen meine Brust, während ich versuchte, mich zu beruhigen. Neben mir lag ein großer Stein, zumindest war ich damit nicht ganz waffenlos diesem unheimlichen Typen ausgeliefert. Auch wenn meine Chancen mit dem Stein nur ein kleines bisschen stiegen. Die beiden Männer waren offensichtlich Feinde und ich war mir sicher, dass ein blutiger Kampf bevorstand. Ich war viel zu nah dran und wurde ungewollt Zeuge dieses Kampfes. Ich war also ziemlich sicher in Gefahr. Der Maskierte redete auf den Prinzen ein und beachtete seine Umgebung scheinbar gar nicht. Er schritt fast schon genießerisch auf sein Opfer zu, das sich kaum noch auf den Beinen halten konnte und schwer atmend gegen einen Bambusstamm lehnte. »Tstststs.«, machte der unheimliche Mann hämisch. »Dein Qi ist schon aufgebraucht wie es scheint? Du bist halt ein verzogenes Prinzensöhnchen, das nichts von den Mächten außerhalb seines Reiches weiß!« Der Kerl echauffierte sich noch ein wenig über das Reich und genoss es vor seinem Opfer zu prahlen. Ich hörte erstaunt zu und wunderte mich, welches Reich er meinte. Der Kleidung nach zu Urteilen müsste es die Tang-Dynastie aus dem 6. Jahrhundert nach Christus sein, aber der Name des Prinzen sagte mir so auf Anhieb nichts. Ich weiß nicht, was mich dazu geritten hatte, aber wie in Trance nahm ich den Stein in die Hand. Der Maskierte war so sehr auf den Prinzen fokussiert, dass er mich nicht bemerkte. Beinahe lautlos stand ich auf. Die Männer bemerkten mich nicht, war doch der eine zu siegessicher und der Andere versuchte standhaft sein Bewusstsein nicht zu verlieren. Ich fühlte mich für den verletzten Prinzen verantwortlich, schließlich brauchte er offensichtlich Hilfe. Als mich der vermummte Mann bemerkte, war es zu spät. Der Stein krachte gegen seinen Schädel. Ich hörte den dumpfen Schlag und der Mann knickte vor mir ein und sackte zusammen. Als mir bewusst wurde, was ich da getan hatte, ließ ich den Stein fallen und stolperte entsetzt mit einem »Oh Gott, was hab ich getan!?«, zurück. Dann sah ich, wie der Mann leblos liegenblieb, ich schlug die Hände vor dem Mund und murmelte: »Oh gott oh gott, ich habe einen Menschen umgebracht.« Ich taumelte kraftlos und plumpste dann zu Boden. Überrascht starrte mich dieser Prinz Ming Tian an. Musterte meine Kleidung, die aus einer dunkelgrünen kurzen Hose und einem lilanen Top bestand. Doch dann riss er seinen Blick los und schnippte dem bewusstlosen maskierten Mann gegen die Stirn. »Er ist nicht tot.«, sagte er in ebenso altertümlichen Chinesisch und starrte mich an. In jenem Moment war ich meiner Mutter dankbar, dass sie mir chinesisch beigebracht hat. So konnte ich den Prinzen verstehen, auch wenn ich genau hinhören musste. Auch wenn sich die Schriftzeichen nicht so sehr geändert hatten, die Sprache klang doch ein wenig anders.

Erleichtert stieß ich einen Seufzer aus. Das war alles nur ein Traum, alles nur ein böser wilder Traum. Solche verrückten Träume kennt doch jeder, das konnte also gar nicht in der Realität passiert sein.

Plötzlich war der Wald voller Geräusche. Mehrere Menschen rannten durch das Gehölz und riefen nach dem Prinzen. Alle waren seltsam gekleidet, als wären sie ebenfalls ein Cast aus einem historischen Kostümdrama. Sie alle trugen die traditionelle chinesische Kleidung namens Hanfu. Sie erinnerten mich an die kleinen Terrakottafiguren, die wir bei der Ausgrabung gefunden hatten. Die Menschen, die uns nun umringten, waren in brauntönen gekleidet. Bis auf Ming Tian, er trug einen prächtigen goldenen Hanfu aus Seide, der nach dem Kampf zwar blutbefleckt war, aber trotzdem seinen Status als Prinz kennzeichnete. Sein langes schwarzes Haar umrahmte sein schmales Gesicht. Seine braunen Augen ruhten nun auf mir. Die anderen Menschen schienen seine Diener zu sein, denn sie kamen besorgt zu ihm und halfen ihm auf. Doch anstatt mir aufzuhelfen, umringten mich plötzlich ein dutzend Männer und hatten ihre Säbelspitzen auf mich gerichtet. Verängstigt starrte ich die Männer an und schluckte schwer. Ich spürte wie mir der Schweiß über den Rücken lief. War das jetzt meine letzte Stunde? Ich schaute mich um und bemerkte, dass ich auffiel wie ein bunter Hund. Ich hatte zwar das Gesicht meiner Mutter geerbt, aber die grünen Augen und die hellbraunen Haare meines Vaters. Dazu war ich noch 'leicht' bekleidet, wenn man mich mit dieser antiken Kleidung verglich. »Was macht eine Sterbliche hier?«, rief ein alter Mann und trat aus dem Schatten heraus. »Und eine seltsame Sterbliche noch dazu.«

»Sterbliche?«, murmelte ich verwirrt. Was meinte der alte Mann damit? Waren die Menschen hier etwa nicht sterblich!?

»Lasst sie in Ruhe.«, sagte Prinz Ming Tian und unterbrach meinen Gedankenstrom. Er drückte sich durch die Männer hindurch, humpelte zu mir und half mir auf. »Sie hat mich gerettet. Alle anderen Fragen klären wir im Palast.« Sein Blick blieb an meinen nackten Beinen hängen. »Gebt ihr einen Umhang!«, befahl er und eine leichte Röte überzog sein Gesicht.

Der alte Mann verbeugte sich und legte mir seinen Mantel um. Dann bedeutete er, dass ich ihm folgen sollte. Ich hatte keine andere Wahl, als den Männern zu folgen. Es waren ungefähr zwanzig Wachen, alle bewaffnet. Ich hatte Angst und ich wäre am liebsten abgehauen, aber das hier war schließlich nur ein Traum und wohin sollte ich sonst gehen?

Ich folgte also den Männern verängstigt und mit klopfenden Herzen. Es dauerte nicht lange, bis wir das Ziel der Gruppe erreichten und zu meiner Erleichterung, passierte bis dahin nichts spektakuläres. Nur spürte ich, wie mich die Wachen aus den Augenwinkeln verstohlen musterten. Zu meiner Überraschung war das Ziel wirklich ein großer Palast. Das Eingangstor war mächtig und prunkvoll verziert. Dort wurden wir schon von einer Gruppe Menschen erwartet. Eine Frau mittleren Alters, die in einem prächtig bestickten goldenen Hanfu gekleidet war, stürmte auf den Prinzen zu. Erleichtert rief sie aus: »Ming Tian, den Göttern sei Dank. Du bist in Sicherheit.« Ihr Blick fiel auf mich. Natürlich blieb meine Anwesenheit nicht unbemerkt und die Menschen begannen zu tuscheln. Doch die Frau hatte ihre Verwunderung schnell im Griff und lächelte mir freundlich zu. »Und wen hast du da mitgebracht?«

»Sie hat mich gerettet, Mutter, ich weiß zwar nicht, wie sie hier hergekommen ist, aber das werden wir noch untersuchen.« Er drehte sich zu einem Mann in schlichter Kleidung: »Fürs Erste gebt ihr eine Unterkunft.«