Die Straßen, ihre Pflaster und deren Steine - Bert Kallenbach - E-Book

Die Straßen, ihre Pflaster und deren Steine E-Book

Bert Kallenbach

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Beschreibung

Aus der Perspektive von Pflastersteinen der Mark Brandenburg wird die Fahrt von Fleischermeister Wilhelm im September 1930 von Guben nach Beelitz erzählt. Er will dort seine Frau Marie besuchen, die sich wegen ihrer Tuberkulose-Erkrankung in der Lungenheilstätte befindet. Unterbrochen wird die dokumentarische Erzählung von Einwürfen der Pflastersteine. Sie erzählen von ihrem Zeitverständnis, ihren Gefühlen und ihrer Herkunft. Veranschaulicht wird die Erzählung durch elf Fotografien, darunter drei Fotografien von der Lungenheilstätte Beelitz.

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Seitenzahl: 37

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Inhalt

Vorwort des Verfassers

Vorwort der Pflastersteine

Das Raunen

Wilhelms Fahrt nach Beelitz

Die Innentasche der Jacke von Wilhelm

Erster Einwurf der Steine, die Zeit betreffend

Das Kindermädchen

Maries Poesiealbum (I)

Zweiter Einwurf der Steine, Gefühle betreffend

Das Töchterchen

Tuberkulose

Dritter Einwurf der Steine, die Herkunft betreffend

Maries Poesiealbum (II)

Als Marie starb

Nachwort der Pflastersteine

Ich werde immer glücklich sein, da ich geliebt worden bin.

(Christa Daniels in dem Hörspiel "Der Klassenaufsatz" von Erwin Wickert)

VORWORT DES VERFASSERS

Die folgenden Aufzeichnungen wurden zum überwiegenden Teil nach Aussagen von Steinen der Pflaster verschiedener Straßen in der Mark Brandenburg gemacht. Dabei könnte es sein, dass nicht alles vom Verfasser so korrekt wiedergegeben wird, wie es ihm zugeraunt wurde. Ursachen hierfür sind einmal seine berufs- und altersbedingte Schwerhörigkeit, die es unmöglich macht, alles aufzunehmen, was ihm zugeraunt wurde. Zum anderen betrifft es die Außergewöhnlichkeit der Kommunikationsebene, auf der sich Steine befinden. Sich dieser Ebene bewusst zu werden, in ihr sich aufzuhalten und zu bewegen, bedarf einer gewissen Fähigkeit, die sich der Verfasser auf Grund fehlender Übung nicht in dem Maße zusprechen kann, wie es vielleicht wünschenswert wäre. So bleibt vieles fragmentarisch, fragwürdig und entspricht nicht unbedingt tatsächlichem Geschehen. Aber – und das muss vor möglichen Schuldzuweisungen ausgesprochen werden – die Pflastersteine berichteten ohne Hinzufügung eigener Meinungen und Empfindungen in einer ausgeglichenen, interesselosen und – hätten sie Gefühle, könnte man fast behaupten – gelangweilten Art. Mit dieser objektiven Sicht der Dinge haben sie sich Anerkennung verdient. Allerdings machen sie sich daraus auch nichts.

Ähnlich verhält es sich mit Fotos, Briefen und Büchern, die von den Steinen wahrgenommen werden konnten. Ohne bestimmte Vorlieben, Zu- und Abneigungen wurden sie von ihnen so gleichgültig beschrieben, dass man von einer makellos vorurteilsfreien Darstellung sprechen kann. Diese war letztendlich Grundlage für entsprechende Kopien, die in der Vorstellungswelt des Verfassers entstanden.

VORWORT DER PFLASTERSTEINE

In vielen Reihen nebeneinander. Fast unendlich weit hintereinander. Und immer dichtgedrängt, als ob wir nicht voneinander lassen könnten. Trotzdem haben wir Zweifel daran, ob wir als eine verschworene Gemeinschaft bezeichnet werden können, denn letztendlich haben wir uns nicht freiwillig als Pflaster zusammengetan, sondern wurden durch mehrere Schläge eines Hammers dazu gebracht. Wir fügten uns. Und seitdem verharren wir gleichgültig in dieser Stellung – seit Jahrzehnten.

Selten – aber doch ab und zu – wurden wir durch das eisenbeschlagene Rad eines Wagens ein wenig verrückt, kamen durch den Ausrutscher eines Einzelnen von uns in Schieflage, lehnten uns unfreiwillig an unsere Nachbarn, die vor sich hindösten. Aber da war nicht allzu viel Platz, viel gaben die mit Sand gefüllten Fugen nicht her.

Der letzte Krieg brachte uns dann noch einmal in große Verwirrung. Schwere Ketten von Panzern drückten uns nicht nur tiefer in den Untergrund, sondern vermochten es auch, uns Schaden zuzufügen: Stücke platzten durch die erlittenen Schläge ab, spritzten zur Seite, gerieten in die engen Fugen, landeten im Gras des Straßenrandes, machten sich auf Nimmerwiedersehen davon.

Dann aber hatten wir für mehrere Jahrzehnte ein ruhiges Dasein. Ab und zu kam es zwar zu kleineren und größeren Konfusionen; dies führte jedoch auf Grund fehlenden Geldes nicht dazu, die Gelegenheit zu nutzen und uns alle herauszureißen. Man begnügte sich mit dem Kennzeichnen der entstandenen Wunden, indem man um sie herum gelbe Farbe auftrug.

Manches Mal – das hing von unterschiedlichen Launen der Arbeiter, die mit den Reparaturen beschäftigt waren, ab – wurden unsere Wunden aber auch ausgebessert: im besten Fall wieder mit unseresgleichen. Meistens jedoch benutzte man heißgekochten Asphalt, den man achtlos hineinschüttete. Oder noch nachlässiger: Man schüttete den massenhaft vorhandenen Sand hinein – dies verbunden mit der Hoffnung, dass sich ein anderer Arbeiter Tage oder Wochen später mit der Reparatur beschäftigen würde. Aus einer gleichen Laune heraus wie einer seiner Vorgänger handelte der dann aber genauso.

Größerer Aufruhr entstand dann erst wieder mit Beginn der neunziger Jahre. Die Wendezeit im Land führte zu zahlreichen Unfällen mit Verletzten und Toten, da der Zustand, in der sich die Straßen befanden, dem aufkommenden Verkehr nicht gerecht werden konnte: Immer mehr Autos fuhren immer schneller. Um dem Einhalt zu gebieten, kam man auf die Idee, das äußere Erscheinungsbild der Erdoberfläche – insbesondere das der Straßen zu verändern. Unter dem Decknamen Blühende Landschaften