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Planet Kenoris: Die feindlichen Stolten haben sich nach zehn Jahren wieder zusammengefunden und greifen den Planeten an, um ihn zu unterjochen. Heerführer von Kenoris, der junge Dorm, benötigt dringen die mystische Gabe seiner Jugendfreundin Edith - die er vor zehn Jahren selbst vertrieben hat. Als er sie findet, muss er feststellen, dass sie nicht nur ihn, sondern auch ihre Gabe vergessen hat. Und während sie versuchen, die Erinnerungen wiederzufinden, rücken die Stolten immer näher...und auch zwischen Dorm und Edith tobt ein Kampf der besonderen Art. Eine Geschichte von Krieg, von Liebe - und vom Erwachsenwerden. Erster Teil der Suche-Trilogie.
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Seitenzahl: 590
Veröffentlichungsjahr: 2024
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Die Suche
nach der Gabe
Shisu Schobranski
© 2024 Eigenverlag
Coverbild generiert mit ideogram.ai
Sonntag, 19. April 2015
Kenoris, vor den Toren der steinernen Stadt, die große Ebene; 05:25 Uhr
Ein milder Luftzug streifte über die felsige Landschaft des Landes und trieb einen unangenehmen Duft nach Eisen und Schweiß vor sich her. Der beißende Geruch wurde von einer warmen Böe aufgewirbelt und verteilte diesen in alle Himmelsrichtungen.
Am westlichen Horizont ging langsam die Sonne hinter den weit entfernten Wäldern und Äckern der Ländereien der steinernen Stadt auf und verdrängte peu à peu die zwei Monde des Planeten Kenoris am Himmel, bis sie nicht mehr zu sehen waren. Der Himmel über der großen Ebene begann, sich von schwarz zu pink zu verfärben. Die ersten Sonnenstrahlen fielen auf die Berge im Osten und brachten sie bezaubernd zum Leuchten, als stünden sie in Flammen. Zu einer anderen Zeit hätte dies Spektakel ein wunderschöner Moment sein können, doch so sollte es nicht sein.
Die Sonne kämpfte sich immer weiter nach oben und ihre Strahlen erstreckten sich nach und nach über das ganze Land. Das orange Licht legte sich wie ein Tuch über die karge Landschaft, welche übersäht war mit den Leichen beider kämpfenden Seiten. Hie und da zogen sich lange Schatten über die weite Ebene, verursacht durch große Felsen, die wie zufällig verstreut über das ganze flache Gebiet verteilt waren. Der Boden glänzte rot und schwarz vom vielen Blut, das in den letzten Stunden vergossen wurde.
In großem Abstand zueinander standen sich mitten auf dem Schlachtfeld die verbliebenen Krieger von Kenoris und die der Elfen gegenüber.
Die Elfen waren stolze Wesen vom Stamm der Stolten, die sich schon vor langer Zeit vom Rest der Naturelfen abgespalten und den anderen den Krieg erklärt hatten. Auf ihrem Heimatplaneten Omal hatten sie ihre finsteren Pläne geschmiedet, eine Welt nach der anderen für sich zu erobern und sich an deren Rohstoffen zu bereichern. Mit Hilfe der neueroberten Territorien und Ressourcen wollten sie ein neues Reich nach ihren Vorstellungen errichten.
Nun war der Planet namens Kenoris an der Reihe, mit dem Ziel, die steinerne Stadt und somit die Hauptstadt des Planeten einzunehmen. Doch die Kenorieden waren bekannt für ihr kämpferisches Geschick und ihren Mut und wollten sich den Elfen und ihren Vorstellungen von einer richtigen Welt nicht unterwerfen - bis zum letzten Mann.
Die Elfen rückten nun Stück für Stück nach und formierten sich im Süden der Ebene neu.
Die Rüstungen der Stolten waren schwarz und glänzten gefährlich im Licht der aufgehenden Sonne. Jede Platte ihrer sicheren Panzerung war mit einer klaren goldenen Linie umrandet, die sich deutlich vom Schwarz abhob. Die Elfen waren einige Zentimeter größer als der durchschnittliche Krieger von Kenoris und überragten diese während des Kampfes deutlich. Dabei erstreckten sich zwei lange, nach hinten gebogene, spitze Ohren links und rechts an ihrem Kopf entlang und schillerten in grün-bläulichen Farben. Es ließ sich nur erahnen, dass auch der Rest der dünnen durchtrainierten Körper diese irritierende Hautfarbe aufwies.
Auf einem kleinen Vorsprung standen die verbliebenden Krieger von Kenoris. Dorm, Modig, Myk, Katt, Edith und drei Dutzend weitere Wachen, die Dorm aus der steinernen Stadt zusammengestellt hatte. »Wo bleibt nur Vakt? Muss er die Krieger von Namaq erst backen oder warum dauert das so lange?«, hörten die anderen Modig angespannt fragen. Jener blickte sich nervös um, in der Hoffnung, Vakt plötzlich am Horizont auftauchen zu sehen. Ihn überkam ein mulmiges Gefühl, dass dies sonst seine letzte Schlacht werden würde.
»Sehe ich da Angst in deinen Augen?«, fragte Katt spöttisch und nutze die kurze Pause, um sich zu sammeln. Mit einer schnellen Bewegung ihres Kopfes nach links und rechts ließ sie ihre Wirbel im Nacken knacken und kreiste kurz ihre Schultern, dabei war ihr Blick fest auf die gegnerische Seite fixiert. Ihre Doppelaxt lag währenddessen locker in ihrer rechten Hand und wartete nur darauf geschwungen zu werden.
Modig rollte die Augen. Er konnte nicht verstehen, wie beherrscht Katt in dieser brenzligen Lage noch sein konnte und musste sich eingestehen, dass er sie dafür durchaus beneidete.
Dorm ging einen Schritt auf den kleinen Felsvorsprung vor ihnen zu und hatte wie Katt seine Augen auf die Elfen gerichtet. Mit fester Stimme begann er zu sprechen: »Keine Zeit für nebensächliche Gespräche. Wir müssen Zeit schinden bis Vakt kommt. Wenn wir es schaffen, die Stolten so lange in Schach zu halten, bis er da ist und sie dann sehen, was auf sie zurollen wird, können wir nur hoffen, dass sie IHN schicken werden.«
»Du meinst Sorg?«, wollte Myk mit ihrer zart melodisch klingenden Stimme wissen und stellte sich zu Dorm. Auf ihrem feenhaften Gesicht bildeten sich tiefe Sorgenfalten, welche umrandet wurden von einzelnen weißen Strähnen ihres Haares, die sich während der vorherigen Kampfhandlungen aus ihrem Zopf gelöst hatten.
»Genau. Wenn er da ist, müssen wir alles daransetzen, ihn zu Fall zu bringen. Wenn er fällt, wird die Schlacht zu unseren Gunsten stehen. Die Elfen sind ohne Anführer kopflos«, erklärte Dorm besonnen und mit Nachdruck. Ihm war wichtig, dass alle wussten, welch wichtige Rolle Sorg in der Konstellation des Elfenheers spielte.
Sorg, der Kriegsherr und Anführer der Stolten. Er war ein Tyrann und zeigt keine Gnade gegenüber seinen Gegnern und Gefangenen. Jeder wusste, wer überlebte, wurde als Sklave gehalten, ohne Rechte und mit vollkommender Unterwerfung.
Dorm verengte die Augen zu Schlitzen. Er tastete den Horizont sorgfältig mit seinen Augen ab und sprach weiter: »Modig, du gibst Edith Rückendeckung. Ihr werdet zusammen kämpfen. Wenn Sorg hervorkommt, versucht ihr euch so nah wie möglich an ihn ranzuschleichen.«
Sein ernster Blick wanderte zu Modig, der die Anweisung mit einem stummen Nicken bestätigte und kampfbereit einen Pfeil aus seinem Köcher am Rücken zog.
Mit ruhiger Stimme fuhr Dorm fort: »Wir werden die Elfen so gut es geht ablenken und hoffen, dass Edith unbemerkt durchkommt, um ihre Gabe wirken zu lassen. Wenn sie so weit ist und ich sehe, dass Edith in seinem Kopf arbeitet, greife ich Sorg an und mache ihm mit dem Morgenstern den Garaus. Verstanden?«
Dorm sah nun jeden nacheinander an und wartete auf ein stummes Zeichen.
Bei Orn blieb sein Blick stehen, da dieser seine Augen weiterhin auf den Horizont im Norden des Landes fixiert hatte.
»Orn?«, fragte Dorm mit nachdrücklicher Stimme.
»Ich sehe Vakt«, begann Orn mit tiefer, fast bärenhafter Stimme und ließ seinen Blick zu Dorm schweifen, bevor er weitersprach: »Sie kommen.« Orn nickte ihm zuversichtlich zu und schwang sein Schwert.
»Dann lasst uns endlich beginnen«, meldete sich die kräftige helle Stimme von Edith, die ganz im Kontrast zu ihrer kleinen zierlichen Gestalt stand. Ihr noch kindliches Gesicht zeigte deutlich, dass sie die jüngste Kämpferin unter der kameradschaftlichen Kriegergruppe war. Aber sie hatte in den letzten Jahren ein intensives Training absolviert und sich mit ihren vierzehn Jahren zu einer geschickten Kriegerin entwickelt.
Die langen glatten Haare waren von ihr zu einem französischen Zopf geflochten, der quer über ihren Hinterkopf verlief und dessen Ende auf ihrer Brust ruhte. Sie trug eine schwarze Lederausrüstung, die ihre Arme und Brust vor schweren Treffern beschützen sollte. Ihre schwarze Hose lag eng an den Beinen an und ermöglichte ihrer Bewegungsfreiheit eine maximale Mobilität.
»Nicht wahr, mein kleiner Villsvin?«, flüsterte das Mädchen Dorm zu und schubste ihn im Vorbeigehen mit ihrer Schulter an. Edith stand nun am Rand des Felsvorsprunges und sah kampfbereit auf die Landschaft hinab.
Edith benutzt »Villsvin« sehr gerne, um Dorm zu ärgern. Als er noch jünger war, hatte er einmal in seiner Wut den kompletten Essenstisch im großen Saal abgeräumt. Der Tisch wurde von ihm damals in blinder Raserei umgestoßen und sämtliches Geschirr und Essen war auf dem Boden verteilt gewesen. Es sah so aus, als wäre eine Horde Wildschweine durch den Saal gestürmt und hätte in wenigen Sekunden ein riesengroßes Chaos hinterlassen. Daraufhin hatte Edith ihn »Villsvin« getauft. Aber sie nannte ihn nur so, wenn sie beide allein waren, denn sie wusste, dass Dorm es eigentlich hasste, wenn er mit dieser Geschichte an sein zügelloses Temperament erinnert wurde. Sie neckte ihn aber einfach zu gerne damit.
Dorm blickte auf Edith, die sich zu ihm umgedreht hatte und ihn mit einem kecken Lächeln ansah. Neben seiner hochgewachsenen Statur wirkte Edith noch kleiner und jünger, als sie eigentlich war.
»Wenn wir hier wirklich lebend rauskommen, erinnere mich daran, dich reichlich zu belohnen«, sagte er und lächelte sie aufmunternd an, bevor er wieder auf die aufgereihten Stoltenkrieger blickte.
Edith spürte, wie ihr Herz beim Anblick seines Lächelns und seiner grünen Augen voller Glück schneller schlug. Sie wusste ganz genau, was ihr Körper da machte und was dieser ihr mit der körperlichen Reaktion sagen wollte.
Seit einiger Zeit suchte sie immer mehr Dorms Nähe auf und sie konnte nichts dagegen machen. Sie hatte das Gefühl, eine unsichtbare Kraft wäre zwischen ihnen entstanden. Wie ein Magnet, der sich wie magisch vom anderen Pol angezogen fühlte, weil die Physik es nicht anders zuließ. Bei den kleinsten Berührungen von ihm spürte sie ein kribbelndes Gefühl in ihrem Bauch und konnte wahrnehmen, wie Blut in ihre Wangen stieg. Jeden Abend war er ihr letzter Gedanke des Tages und sobald sie wach war, der erste. Sie hatten schon immer viel Zeit miteinander verbracht, aber nun hätte sie am liebsten jede Minute mit Dorm geteilt.
Edith sah ihn noch einmal intensiv an und versuchte, sich das Profil seines Gesichts genau einzuprägen.
»Darauf kannst du dich verlassen!«, erwiderte sie herausfordernd. Edith zog ihre Schwertdolche aus der Halterung, sprang von dem kleinen Absatz und begann, auf die Meute von Stolten loszurennen.
Dorm packte Modig plötzlich fest am Arm und sah ihn durchdringend an.
»Pass gut auf sie auf.«
»Natürlich«, erwiderte Modig bestimmt und stürmte Edith hinterher.
Nun stürzten alle Kämpfer mit einem lauten Kampfschrei aufeinander los und Edith wurde schon bald von den anderen eingeholt.
So begann von neuem ein unerbittlicher Kampf gegen die Stolten. Edith spürte und hörte, wie die Schwerter aneinanderschlugen und die Pfeile um sie herumflogen. Sie war nun mitten im Kampfgeschehen und jeder kämpfte ums nackte Überleben.
Dorms Morgenstern sauste gnadenlos von oben nach unten und von links nach rechts auf einen Elf nach dem anderen nieder. Seine langen hellblonden, fast weißlichen Haare waren in einem kriegerischen Zopf nach oben gebunden und offenbarten die abrasierten Seiten seines Kopfes. Seine noch sehr jugendliche Gestalt und sein glattes Gesicht zeigten deutlich, dass er erst vor kurzem in den Kreis der Erwachsenen aufgenommen wurde. Trotz dessen zeichneten sich unter der schützenden Lederrüstung erste kräftige Muskeln ab. Jahrelang wurde er darauf getrimmt, ein Krieger und Heeresführer zu werden und nun war dies für ihn und seine freundschaftlich verbundenen Kriegerkameraden die Feuerprobe, welche sie hoffentlich alle lebendig überstehen würden.
Orn wirbelte herum und kämpfte mit seinem Konda-Schwert geschickt gegen die hochgewachsenen Stoltenkrieger, mit stetem Blick auf seine geliebte Myk. Orns Augen waren die schnellsten und einzigartigsten der ganzen Gruppe. Keiner konnte so weit und detailliert sehen wie Orn. Er besaß eine sehr gute Beobachtungsgabe und Strategiefähigkeit. In Sekundenschnelle konnte er in seinem Kopf mehrere Szenarien durchspielen und war somit dem Gegner immer drei Schritte voraus. Einen weiteren kämpferischen Vorteil besaß Orn durch seine bärenhafte Gestalt. Auch wenn seine große kräftige Statur, mit seinen dunkelbraunen Augen und dem vollen Bart seinen Freunden keine Frucht einflößte, ließen sich einige Gegner davon einschüchtern. Für Myk war diese optische Eigenschaft ihres Partners während des Gefechts nur hilfreich, denn sie kämpfte stets und ständig an seiner Seite.
Myk konnte sich mit ihrer zarten, elfenhaften Gestalt gut im Schatten von Orns massigem Körper versteckten. Durch ihre schnellen und präzisen Bewegungen war sie für ihre Gegner so gut wie unsichtbar. Wie ein Schatten sprang sie aus der sicheren Deckung Orns hervor und stach mit ihren Hiebdolchen einen Gegner nach dem andern nieder. Dabei wirbelten ihre kurzen weißen Haare, welche in einem kleinen Hochzopf befestigt waren, immer wieder links und rechts an ihrem Kopf vorbei. Beide kämpften so symbiotisch zusammen, dass es einem Außenstehenden wie ein Tanz erschien.
Katt überragte mit ihrer Größe Myk und Edith um mehrere Zentimeter und war somit die größte der Kriegerinnen. Im Vergleich zu ihnen überblickte sie das Kampfgeschehen mit ihren braun-grünen Augen, welche eher an Katzenaugen erinnerten, viel besser. Dadurch war sie aber auch gleichzeitig ein gut sichtbares Ziel für ihre Gegner.
Allerdings hatte Katt schon frühzeitig von ihrem älteren Bruder Orn gelernt, sich bestmöglich zu verteidigen und wurde, seitdem sie auf der Welt war, zu einer Kriegerin erzogen. Die ledernde Rüstung schmiegte sich figurbetonend an ihren kurvenreichen Körper und ermöglichte ihr trotzdem, sich schnell und wendig zu bewegen. Mit einem festen Griff umschlossen Katts Finger den Stiel ihrer Doppelaxt und ließen sie diese sicher führen. Für eine Frau besaß sie kräftige Arme, mit denen sie die Axt grazil schwang und gegenüber ihren Gegnern kräftemäßig sehr gut austeilen konnte. Ihre langen Haare waren zu einem schwarzen Zopf geflochten und schwangen während des Gefechts wie eine Peitsche hin und her.
So tötete jeder einen Elf nach dem anderen und wendete seine eigene Technik und Geschick während des Kampfes an.
Plötzlich hörten Dorm und die anderen ein leises Raunen auf der Seite der Elfen aufsteigen, welches immer lauter wurde und sich scheinbar von hinten nach vorne zog, wie eine Welle, die langsam ans Ufer rollte. Irritiert und immer einen Blick auf ihren Gegner gerichtet, sahen sich die Krieger und Wächter der steinernen Stadt unsicher um. Für einen kurzen Augenblick hatten sie das Gefühl, die Zeit stünde still.
Alle Blicke gingen nach Norden, wo die Namaqs erschienen und sich nun gnadenlos mit ins Kampfgeschehen einbrachten. Wie eine geballte Welle rollten sie direkt auf die Elfen zu.
Ihre Kopfform war kantig und ähnelte eher einem Tiger als einem Menschen. Die Haut glitzerte türkis zwischen den schweren olivgrün-schwarzen Metallplatten ihrer Rüstung hervor. Die Platten waren so glatt, dass sich auf ihrer Oberfläche die aufgehende Sonne widerspiegelte.
»Schön, dass du uns noch mit deiner Anwesenheit beehrst«, sagte Katt außer Atem zu Vakt, der sich aus der Masse der Namaqskrieger herausgelöst hatte und nun an ihrer Seite stand. »Sag, hast du mich vermisst?«, konterte dieser frech und schoss mit Pfeil und Bogen die ersten Elfen ab.
Seine dunkelbraune lederne Rüstung lag eng an seinem jungen heranwachsenden Körper an und zeigte seine recht schmächtige Gestalt. Vakt trug eine weinrote Kapuze, die locker über seinem Kopf lag und seine schwarzen krausen Haare verdeckte. Seine blau-grauen Augen sahen zu Katt, die er mit einem verwegenen Lächeln angrinste. Bei dieser forschen Geste trat eine kleine Narbe an seinem rechten Auge deutlich hervor, die er sich bei einem anderen Kampf zugezogen hatte – so erzählte er es zumindest jedem, der ihn danach fragte.
Katt verdrehte nur genervt die Augen und rannte weiter nach vorne zu Dorm.
Die Elfen zogen sich angesichts der drastisch gestiegenen Zahl ihrer Gegner nun Stück für Stück zurück und ließen die Krieger von Kenoris neue Hoffnung schöpfen.
Modig und Edith suchten hingegen Schutz hinter einem größeren Felsen, welcher am Rande des Schlachtfeldes lag. Während Modig sich hinhockte, lehnte sich Edith atemlos mit ihren Schultern gegen das Gestein und glitt nach unten. Ihr Rücken war nass vom Schweiß und sie spürte, wie die Kühle des kalten Felsens sich angenehm durch ihren Kampfanzug drückte. Ihre Augen schlossen sich erschöpft und sie brachte ihren Puls durch gleichmäßiges Ein- und Ausatmen wieder in eine Normalfrequenz.
Ihr Blick wanderte wieder zu Modig. Sie konnte beobachten, dass auch sein Brustkorb sich unter der glänzenden Brustpanzerung schnell hob und senkte und kleine Schweißperlen zwischen seinen kurz rasierten Kopfhaaren glänzten. Die rote Tunika und der Lederschurz spannten sich straff über seine Beine, während er neben Edith hockte.
Plötzlich zuckten beide gleichzeitig zusammen, denn die Kampfgeräusche wurden durch einen lauten hellen Schrei durchbrochen, der jeden in Mark und Bein erschütterte.
»Was war das denn?«, flüsterte Edith erschrocken und sah ihren Kampfpartner ungläubig an.
Modig, der neben Edith aufgesprungen war, sah wachsam über den Felsen hinweg und versuchte, den Ursprung des Klanges herauszufinden.
»Da ist er«, sagte er beinah ehrfurchtsvoll und nickte in die Richtung eines Elfen, der aus der Menge der anderen Stoltenkämpfer herausragte.
Edith rappelte sich auf und sah seitlich am Felsen vorbei. Ihre Augen vergrößerten sich erstaunt über den Anblick, der sich ihr bot. Sie betrachtete die imponierende Rüstung des großen Elfen und konnte kaum ihren Blick davon lösen.
Der Stoltenanführer trug einen großen Helm, der mit einem riesigen Geweih geschmückt war. Die Krone war über und über mit kleinen Dornen bestückt, die in der Morgensonne glitzerten und jeden Gegner abschrecken sollten, der ihm zu nah kam. Der Anführer war mit mehreren großen dunkelgrauen Metallplatten geschützt, die über Brust, Arme und Beine gingen. Die Ränder der Platten waren mit einem goldenen Band umrandet und hoben sich prunkvoll vom grauen Untergrund ab. Auf seinem Helm funkelte ein rundes Symbol, welches zwischen den zwei herausstechenden Geweihstangen aufgebracht war. Dies war eine kleine kreisförmige Platte, in deren Mitte ein Kreuz zu sehen war, das einen weiteren kleinen Kreis zeigte, der die vertikalen und horizontalen Linien miteinander verband.
»Das ist Sorg?«, wollte Edith stirnrunzelnd wissen.
»Oh ja, das ist er«, bestätigte Modig und musterte Ediths Reaktion. »Beeindruckt?«
»Nur ein bisschen«, gab sie zu, zuckte mit den Schultern und tat so, als ob sie es nicht wäre. Modig ließ seinen Blick wieder zu Sorg gleiten.
»Wie nah müssen wir ran?«
»Sieben Mann lang«, antworte Edith und beobachtete das Kampfgeschehen weiter.
Ihr juckte es nun beim Anblick der bevorstehenden Herausforderung förmlich in den Fingern, erneut hervorzuspringen und ihre Dolche zu benutzen.
Dorm hatte ihr einmal während des Trainings davon erzählt. Es sei wie ein Rausch, hatte er erklärt, und sie musste dabei aufpassen, nicht die Konzentration zu verlieren. Ein Fehltritt, hatte er gemeint, und sie hätte den Dolch, das Schwert oder die Lanze im Rücken.
»Sieben?«, hörte sie Modig irritiert fragen und ihr Blick glitt für einen kurzen Moment genervt zu ihm, bevor sie sich wieder auf den Stoltenanführer konzentrierte.
»Sieh mich nicht so an. Wir haben uns Schritt für Schritt weggetestet. Das war nun mal die weiteste Entfernung.«
Sie hörte, wie Modig vernehmlich Luft einsog und sich scheinbar innerlich auf etwas vorbereite.
»Ich habe gehört, du kannst auch Gegenstände bewegen?«
Edith wendete sich vom Gefecht ab und hockte sich wieder hin. Sie lehnte ihren Körper resigniert an die felsige Wand und sah auf ihre hellbraunen Schnürlederstiefel, deren Schuhspitzen sich nun in die trockene Erde bohrten.
Ihre Gabe war der Grund, warum sie überhaupt hier in Kenoris und auf einem Schlachtfeld war. Ihre Eltern hatten gesagt, es wäre ein Geschenk und ein Segen, den ihr die Götter vermacht hatten. Die Krieger sagten, es wäre eine Waffe. Aber für sie war es ein fester Teil von ihr selbst, wie ihr rechter Arm oder ihr linkes Bein. Seitdem sie sich an ihre Kindheit zurückerinnern konnte, war ihre Gabe immer da gewesen. Hijelp – ihre große Schwester – hatte ihr erzählt, dass sie schon als Kleinkind Dinge von den Schränken bewegt hatte, so dass sie klirrend zu Boden fielen. Ihr Eltern nahmen zunächst an, sie hätten die Gegenstände zu nah an der Kante abgestellt und gaben sich gegenseitig die Schuld. Bis eines Tages Hijelp bemerkt hatte, dass ihre kleine Schwester die Hand nach einem Stein auf dem abgetretenen Weg, der zu ihrem Haus führte, ausgestreckt hatte und der kleine Kiesel zu ihr gerollt kam.
»Ja schon«, gab sie mit gedämpfter Stimme zu. »Aber nur mittelgroße Gegenstände und es ist wirklich sehr anstrengend für mich.«
Modig ließ sich neben ihr nieder und nahm ihre beiden Hände in seine.
»Stell dir vor, du könntest mit dieser Kraft den Helm abnehmen. Dann hätte Dorm innerhalb weniger Minuten die besten Chancen Sorg niederzuschlagen«, versuchte Modig zu erklären und seine Stimme wurde mit jedem weiteren Wort immer euphorischer.
»Großartige Idee«, erwiderte Edith sarkastisch. »Ich kann aber nur eines von beiden. Ihn visuell in eine andere Gegend bringen oder Gegenstände bewegen und ich bin einfach noch nicht so weit«, sagte Edith ernst und ihr Gesicht verfinsterte sich.
Modig seufzte leise und ließ seinen Blick prüfend um sie herum gleiten. Sie waren immer noch auf dem Schlachtfeld und um sie herum tobte der Kampf. Zu schnell konnte jemand sie entdecken und ihnen hinterrücks die Kehle aufschneiden. Er wendete sich wieder Edith zu.
»Ja, das kann schon sein, aber manchmal wachsen Menschen gerade in solchen Situationen über sich hinaus.« Er machte eine kurze Pause, sah ihr fest in die Augen und versuchte sie noch einmal zu bestärken. »Und ich sehe das Potential in dir.« Er erhob sich nun wieder und blickte auf Edith hinab.
»Wir sollten uns langsam an die Arbeit machen«, sagte er zu ihr und nickte Edith zu. Sie stand auf und zog ihre zwei Dolche erneut aus den Halterungen.
»Dann lass uns loslegen.«
Edith und Modig kämpften sich nach vorne. Modig schoss einen Pfeil nach dem anderen ab und zog schon abgeworfene Pfeile im Vorbeigehen wieder aus den leblosen Körpern der Stoltenkrieger heraus. Edith kämpfte im Nahkampf gegen die Elfen und fügte diesen mit ihren Dolchen tiefe Schnittverletzungen zu. Durch ihre sehr zarte, kleine, noch kindliche Gestalt und ihren besonderen Kampfanzug konnte sie sich schnell und lautlos fortbewegen. Die großgewachsenen Elfen hatte keine Chance gegen sie.
Die Angriffe und Bewegungen der Stolten erschienen, im Gegensatz zu Ediths gewandter Fortbewegung, viel zu schwerfällig und langsam, um ihr ein Haar zu krümmen. Ihre Schnelligkeit ließ die zierliche Gestalt Ediths für die Elfen vor deren Augen verschwimmen und war für diese nur noch schemenhaft zu erkennen. Eine Eigenschaft, die sie nun ausnutzte, um sich auf dem Schlachtfeld besser an Sorg heranzuschleichen.
So zumindest war es geplant.
Doch Edith war so konzentriert auf die Elfen in ihrer unmittelbaren Umgebung, dass sie gar nicht bemerkt hatte, wie Dorm schon vor Sorg stand und mit ihm kämpfte. Plötzlich drang ein lauter schmerzerfüllter Schrei an ihr Ohr. Sofort war ihr klar, dass es Dorm war, der verletzt wurde.
Sie gab dem Elfen, der ihr gegenüberstand, den letzten Hieb und blickte erschrocken in Dorms Richtung. Ihre Atmung und ihre Herzfrequenz erhöhten sich beim Anblick von Dorms am Boden liegendem Körper schlagartig und ihr Magen zog sich unangenehm zusammen. Wie versteinert sah sie dem Geschehen zu.
Sie war noch ungefähr fünfzehn Mannlängen von ihm und Sorg entfernt und konnte aus dieser Entfernung nichts ausrichten. Das war ihr schmerzlich bewusst.
Sorg indes schlurfte langsam auf den schlaffen vor ihm liegenden Körper zu. Dabei zog er seine dunkelgrauen Schuppenhandschuhe aus und ließ sie, während er einen Schritt nach dem anderen auf Dorm zuging, auf den Boden fallen. Dieser schien noch vom Schlag benommen zu sein und versuchte, sich langsam wieder aufzurichten. Seine Hände stützen sich zitternd auf dem Boden ab und ließen seinen Oberkörper sich als erstes aufrichten. Vorsichtig setzte er einen Fuß auf, während das andere Bein noch auf dem Boden kniete.
Ediths Blick huschte nach Katt suchend über die Ebene. Sie war diejenige, die eigentlich an Dorms Seite kämpfen sollte. Geschockt musste sie feststellen, dass Katt überhaupt nicht in seiner Nähe war und selbst alle Hände voll mit zwei Elfenkriegern zu tun hatte.
»Modig, wir müssen einen Zahn zulegen!«, schrie Edith Modig über ihre Schulter zu und begann loszurennen. Während sie an den Stoltenkriegern vorbeijagte, wirbelte sie mit ihren Dolchen geschickt umher und stach einen Elf nach dem anderen ab, der ihr in den Weg kam.
Sorg packte Dorm jetzt mit seiner bloßen riesigen Hand am Hals und hob ihn hoch. Dorm kämpfte und zappelte wie ein Wurm an der Angel.
Edith legte noch mal an Tempo zu und flog förmlich über die getrocknete staubige Erde der kargen Landschaft. Die Entfernung zu Sorg und Dorm verkürzte sich immer mehr.
Zehn Mannlängen.
Neun.
Edith sah, wie ihr geliebter Mensch krampfhaft versuchte Luft zu holen und Angst kroch in jede Zelle ihres Körpers.
Acht Mannlängen.
Im Augenwinkel sah sie Pfeile von Modig an sich vorbeisausen, der weiterhin versuchte, ihr Deckung zu geben.
Ich muss irgendwas machen, dachte Edith verzweifelt. Sie positionierte sich, stellte beide Beine hüftbreit auseinander, nahm ihren Dolch in die linke Hand, benutze die Rechte zum Anvisieren und warf. Ihr Dolch zischte durch die Luft und flog mit einer unglaublichen Präzision Richtung Sorg. Die Klinge traf den Stoltenhäuptling genau in den ungeschützten Handrücken und bohrte sich mit seiner scharfen Klinge tief in diesen hinein. Ein lauter Schmerzensschrei, fast schon ein Brüllen, durchzog die Atmosphäre und Sorg öffnete unter äußersten Qualen wieder seine Hand und ließ sein Opfer und den Dolch fallen.
Dorm sackte zu Boden und keuchte.
Er atmete.
Er lebte.
Eine Woge der Erleichterung durchströmte Ediths Körper, doch das hielt nicht lange an. Glücklich sah sie für einen Moment zu Dorm, dessen Brustkorb sich mit hoher Frequenz hob und senkte.
Sorg hingegen war sehr wütend und drehte seinen Kopf ruckartig hin und her, auf der Suche nach dem Besitzer des Dolches.
Edith spürte in ihrem Rücken Modig stehen, der scheinbar keine Pfeile mehr besaß und sein Kurzschwert gezogen hatte, um sich zu verteidigen. Sie hörte, wie sein Schwert Schläge eines anderen Schwertes parierte und hatte vollstes Vertrauen in seine beschützenden Fähigkeiten ihr gegenüber. Nur zu gut kannte sie ihre große Schwester, die ihn einen Kopf kürzer machen würde, wenn ihr etwas geschah.
Edith sah sich suchend auf dem Boden um und erblickte schräg vor sich einen Gesteinsbrocken. Sie fixierte ihn und formte ihre Hände zu einer Schale. Der Stein begann langsam, aber stetig in die Luft zu steigen. In der geformten Schale begann ein helles Licht zu leuchten, als ob sich eine Kerze im Inneren ihrer Hände befand.
Sorg hatte scheinbar erkannt, aus welcher Richtung der Dolch gekommen war und seinen Blick fest auf sie gerichtet. Edith spürte, wie ihre Knie unangenehm unter dem Gewicht ihres Körpers zitterten. War es wegen Sorgs hasserfülltem Blick, den er ihr zuwarf, oder des Umstands wegen, dass sie gerade ihre Gabe benutzte? Sie wusste es nicht und versuchte sich weiter auf ihr Vorhaben zu konzentrieren.
»DU!«, hörte sie nun plötzlich die wütende Stimme Sorgs schreien und zuckte unmerklich zusammen. Ein kalter Schauer lief ihr den Rücken hinunter und sie merkte, wie die Angst in jede Zelle ihres Körpers kroch.
Sie blickte voller Aufmerksamkeit zu dem Elfenanführer, hob ihre Hände und schob die Handinnenflächen mit einer schnellen Bewegung von ihrem Körper weg.
Der Stein, der gerade noch ruhig in der Luft stand, wurde jetzt mit einer enormen Geschwindigkeit nach vorne katapultiert und knallte mit einem ohrenbetäubenden Krachen an Sorgs Helm. Der Gesteinsbrocken traf den Helm in solch einem Winkel, dass dieser von Sorgs Kopf abgerissen wurde und klirrend zu Boden fiel. Der Stein zerplatzte beim Aufprall förmlich in tausend kleinere Steine, die nun wie leichter Regen auf den Boden niederrieselten.
Edith stockte der Atem und Übelkeit stieg in ihr auf. Sie hatte zuvor nur seine bösartigen Augen gesehen, doch jetzt erkannte sie, was sich die ganze Zeit unter dem Helm befand.
Ein mit Narben überzogener Elfenkopf war zu sehen. Dieser Kopf schüttelte sich kurz und Sorg kam auf Edith zu gerannt.
Edith Puls schoss nach oben, sie schluckte schwer und fühlte sich wie paralysiert. Die Furcht vor diesem Riesenelf und deren Zorn hatte sie bewegungsunfähig gemacht.
Modig holte sie aus ihrer Schockstarre heraus und rief ihr nervös zu:
»Edith! Sind das nicht langsam sieben?!«
Natürlich waren das schon die besagten sieben Mannlängen und mit jedem Schritt kam er ihnen immer näher. Sie musste jetzt schnell handeln, bevor es zu spät war.
Edith stellte ihre Füße dicht aneinander und presste ihre Handinnenflächen vor der Brust zusammen. Dann hob sie ihre Arme senkrecht nach oben und bewegte ihre linke Hand in einem Halbkreis nach unten. Während dieser Bewegung, die nur wenige Sekunden dauerte, visierte sie Sorg fest mit ihren Augen an, bis sie den erhofften Blitz vor ihrem inneren Auge aufleuchten sah.
Sie war nun mit Sorgs visuellem Verarbeitungsbereich im Gehirn verbunden und konnte ihm für einen kurzen Moment zeigen, was sie sich vorstellte.
Edith entführte ihn in ihre Heimat. Er sah die Waldlichtung in der Edith und ihre Schwester früher immer gespielt hatten. Das Gras lag in einem saftigen Grün vor seinen Füßen und die Sonne schien hell auf die umliegenden Bäume. Ein leichter Windzug strich an ihm vorbei und er sah, wie die Baumkronen sich unter der angenehmen Brise hin und her bewegten. Hier war sie immer gerne gewesen und hatte die Tiere beobachtet, bevor sie….
Das Bild verschwand vor ihren Augen, als ob jemand das Licht in ihrem Kopf ausgemacht hätte und eine tiefe Dunkelheit umhüllte sie.
»Edith!«, schrie Dorm angsterfüllt und rannte zu ihr. Er spürte, wie sich Beklemmung in seiner Brust ausbreitete, aus Furcht, Edith könnte nicht mehr leben.
Sein ganzer Körper schmerzte von eingesteckten Treffern und aus kleinen Wunden, die er im Gesicht und an den Händen hatte, drangen zarte Rinnsale von Blut hervor, aber für Ediths Wohl hätte er noch Berge versetzt.
Das kleine zarte Mädchen war während der gedanklichen Übernahme Sorgs zusammengesackt und reglos liegen geblieben, als Dorm ihm den tödlichen Schlag versetzt hatte.
Nun kniete er besorgt an ihrer Seite und sah in ihr erstarrtes Gesicht. Ihre Augenlider waren geschlossen und ihre Lippen waren leicht geöffnet.
Sorgs toter Körper lag in einiger Entfernung am Boden und sein zerstörter Schädel verteilte sich auf dem staubigen Untergrund wie eine heruntergefallene große Porzellanschüssel, die bis zum Rand mit Fleisch gefüllt gewesen war.
Die Elfen, die noch auf ihren eigenen Beinen stehen konnten, waren sofort geflüchtet, und die anderen versuchten, sich auch langsam zurückzuziehen und ließen die Schwerverletzten auf dem Schlachtfeld zurück.
Modig, der die ganze Zeit während des Kampfes neben Edith stand, überprüfte mit ernstem Blick ihren Puls am Handgelenk. Dorm sah ihn erwartungsvoll an und spürte, wie seine Nerven zum Zerreißen gespannt waren.
»Ich kann ihren Puls spüren, sie hat sich wahrscheinlich übernommen. Sie sollte auf die Krankenstation«, sagte Modig und seine Stimme klang matt. Er sah Dorm niedergeschlagen ins Gesicht, der sofort seine Arme unter Ediths Rücken und Beine geschoben hatte und aufgestanden war.
Dorm wusste nicht, warum Modig ihn so quälend ansah, aber seine innere Unruhe über Ediths Zustand veranlasste ihn, sofort mit ihr loszugehen. Er nahm sich fest vor, später nach Modig zu sehen. Doch zuerst musste er Edith in Sicherheit wissen.
Edith lag schlaff in seinen Armen, während er den Weg zum Eingangstor der großen steinernen Stadt entlanglief, der sich in gewaltigen Steinplatten vor ihm erstreckte.
Die Stadt sah von weitem wie ein Hügel aus, doch anstatt einer grünen ansteigenden Ebene, war diese mit vielen kleine Häuser übersät. Jedes Haus besaß eine andere Farbgebung, welche von einem zarten Orange bis zu einem dunklen Braun reichte. Die Häuser waren aus dem Stein des anliegenden Gebirges gebaut wurden, das sich im Osten des Landes erhob. Auf der Spitze des Hügels thronte ein zierliches Schloss, ausgestattet mit vielen Räumen, Korridoren und Säulen. Im Inneren befand sich ein grüner Kreuzgang und bildete das Herzstück des Schlosses. Am Fuße des Berges umsäumte eine hohe, dicke Mauer die ersten umliegenden Häuser und schützte diese vor Gefahren. Hinter dem beeindruckenden Wall aus Steinen lag ein Netz aus kleinen und größeren Straßen, die alle Häuser miteinander verbanden und sich bis nach oben zum Schloss schlängelten. Dorm kannte sich nur zu gut in den Straßen dieser Stadt und den Räumen des Schlosses aus, denn hinter diesen Mauern war er aufgewachsen.
Er presste Ediths Körper fest an sich und ließ immer wieder seine Augen besorgt über ihren zarten Körper schweifen.
Das Tor der Stadt öffnete sich und eine Frau kam auf Dorm zu gerannt. Mit ihren dünnen Fingern hatte sie den Saum ihres langen dunkelroten Baumwollkleides zusammengerafft, um während des Rennens nicht darüber zu stolpern. Auf ihrem Gesicht lagen schon die ersten Falten des Alters, verstärkt noch durch ihren angsterfüllten Blick. Ihre hellblonden Haare waren zu einem straffen Knoten nach hinten gebunden und lagen glatt an ihrem Kopf an.
Als sie erkannte, dass Dorm, außer ein paar kleiner Wunden, wohlauf war, rief sie voller Erleichterung seinen Namen. Dorm erkannte, wie sehr seine Mutter mit ihren Tränen kämpfte, als sie bei den beiden angelangt war.
Ihre Hände zogen seinen Kopf zu ihr runter und sie küsste ihn auf seine Wange. Tränen der Erlösung rannen ihr über die Wangen.
»Mutter«, flüsterte Dorm leise, legte seine Stirn an ihre und beide schlossen ihre Augen für einen kurzen Moment voller Glück.
Langsam öffnete Dorms Mutter ihre Augen wieder und sah besorgt zu Edith, die sie zuvor in den Armen ihres geliebten Sohnes nicht wahrgenommen hatte.
»Was ist mit ihr?«, wollte sie wissen und konnte ihren mütterlichen Ton nicht ablegen. Edith war zwar nicht ihr leibliches Kind, aber in den letzten Jahren, die sie nun hier war, war ihr das Mädchen sehr ans Herz gewachsen.
Sie legte ihre Hand behutsam auf Ediths Wange und betrachtete deren zerkratztes Gesicht ganz genau.
»Sie scheint vor Erschöpfung zusammengebrochen zu sein. Sie muss so schnell wie möglich auf die Krankenstation«, erwiderte Dorm und sah besorgt in die Augen seiner Mutter. Diese drehte sich entschlossen zum Tor um. Dort hatten sich zwei Wachen postiert, seitdem Dorms Mutter die sicheren Mauern der Stadt verlassen hatte.
Mit ihren roten Rüstungen, welche mit silbern geschwungenen Linien verziert waren und einem gleichfarbig verzierten Schild in der einen und einer Hasta in der anderen Hand standen sie da und warteten auf Anweisungen.
»Wachen! Holt eine Trage und bringt das Mädchen so schnell wie möglich zu Hijelp!«, ertönte die laute Stimme von Dorms Mutter und durchbrach die Stille des Sieges, die sich ausgebreitet hatte. Die zwei Wachen am Tor schlugen mit der Hasta auf ihr Schild und bestätigten somit, dass sie den Befehl gehört hatten und ihm Folge leisten würden. Mit einer fließenden Bewegung drehten sich die Wachen um und machten sich auf den Weg in die Stadt Richtung Schloss.
»Dein Vater und ich hatten Sorge, dich nie wieder zu sehen«, sagte Dorms Mutter mit leiser Stimme und strich ihrem Sohn über die Wange. Ihre liebevollen Augen füllten sich erneut mit Tränen der Erleichterung. Sie konnte es nicht so recht glauben, ihn lebendig vor sich stehen zu haben.
»Mutter«, begann Dorm kopfschüttelnd und ging langsam Richtung Stadt, »mein Leben lang wurde ich dafür ausgebildet. Ich hatte doch den besten Lehrer.«
Seine Mutter ging neben ihm her und sah ihn vorwurfsvoll an. Er hatte noch keine Kinder und konnte sich nur schwer vorstellen, was seine Mutter die letzten Stunden durchgemacht hatte. Dorms Mund entwich ein lautes Seufzen.
»Du machst dir einfach zu viele Sorgen. Vakt und die Namaqskrieger kamen genau zur rechten Zeit, so wie es der Plan gewesen war«, sagte er in mildem Tonfall und schenkte ihr einen aufmunternden Blick.
Sie wollte ihm gerade etwas entgegnen, als die beiden Wachen, die sie zuvor losgeschickt hatte, mit einer einfachen Trage wieder zu ihnen kamen.
Die Trage bestand aus zwei langen Stangen, zwischen denen ein Tuch gespannt war. Jede Wache hielt ein Ende der Stange in der Hand und stellten sich neben Dorm. Dieser legte Edith auf den gespannten Stoff und die Wachen machten sich auf den Weg zur Krankenstation.
Dorm sah den Dreien mit einem ernsten Blick noch einen kurzen Moment hinterher, bevor er sich wieder an seine Mutter wandte.
»Mutter, ich brauche so viele Männer wie du entbehren kannst«, sagte er in eindringlichem Ton. »Wir müssen die Gräber ausheben und die Leichen der Elfen bestatten. Auch auf unserer Seite haben wir große Verluste und sollten ihre Seelen so schnell wie möglich in die Unendlichkeit entlassen. Ich brauche starke Männer, die die ersten Bäume fällen und aushöhlen.«
Die Mutter nickte und machte sich auf den Weg Richtung Schloss, um die restlichen Wachen von ihren Posten abzuziehen.
Dorm ging zurück zu seinen Mitkämpfern, die sich um die Verletzten kümmerten und Erste Hilfe leisteten. Als Modig Dorm bemerkte, kam er mit einem besorgten Gesichtsausdruck auf ihn zu.
»Wie geht es Edith? Hat sie ihre Augen wieder geöffnet?«
»Nein leider nicht, ich habe sie an die Wachen weitergegeben. Sie bringen Edith erst einmal auf die Krankenstation«, erwiderte Dorm. Er wusste, wie Modig sich fühlte, doch sie konnten beide nichts an dieser Situation ändern und nur hoffen, dass es dem kleinen Mädchen bald wieder besser ginge.
Dorm wendete sich von Modig ab und ließ seine Augen über das Schlachtfeld wandern, auf dem tote Körper, Blut, Waffen und Verletzte verstreut waren. Er atmete tief durch und ließ die angestaute Luft geräuschvoll aus seinen Lungen entweichen. Sie hatten viel vor sich.
Kenoris, steinernen Stadt, Schloss, Krankenstation; 06:42 Uhr
Hijelp zupfte nervös an der Decke des Krankenbetts, welches sie für Edith vorbereitet hatte. Es sollte perfekt sein.
Das Bett war nur eines von vielen Betten, die mit weißer Bettwäsche bezogen waren und in diesem Raum standen, der in seiner Größe eher einem Saal glich.
Zwei Dutzend Betten reihten sich parallel links und rechts an den steinernen Wänden entlang und bildeten einen breiten Gang in der Mitte. Auf der linken Seite waren große Fenster eingelassen, die den Blick auf den Kreuzgang freigaben und tagsüber der Sonne ermöglichten, den Raum mit Sonnenlicht zu fluten. Dem Gegenüber war eine hohe Steinwand, an der viele kleine Wandleuchter befestigt waren, in denen dicke weiße Kerzen steckten. Die steinernen Wände zogen sich mehrere Meter in die Höhe, bis sie in einem Kappengewölbe zusammenliefen.
Die Mauern zeigten viele große graue Steine, mit denen das Schloss vor tausenden von Jahren hochgezogen wurde. Die Oberfläche des Gesteins war leicht uneben und wies viele kleine Löcher und Vertiefungen auf, welche dem Raum einen besonderen alten Charme verliehen. Hijelp hatte sich schon oft gefragt, welche Geschichten diese Steine preisgeben würden, wenn sie nur die Möglichkeit hätten zu sprechen.
Am Ende des Raums schließlich befanden sich die Küche und die Apotheke der Station, in der sie vor einigen Minuten noch die Heilsalbe für Edith hergestellt hatte und wo ein Stärkungstee für diese bereitstand.
Die Nachricht, dass ihre kleine Schwester das Bewusstsein verloren hatte, verbreitete sich wie ein Lauffeuer im ganzen Schloss. Sie löste sich vom Bett und ging zum Türbogen der Krankenstation und wartete auf Edith. Der Eingangsbogen hob sich durch seine kleineren hellen Steine deutlich von den großen Wandsteinen ab und stach durch einen Scheitelstein hervor, auf dessen Fläche zwei offene Hände zu sehen waren, die ein herzförmiges Symbol trugen.
Ihre Nervosität zeigte sich nur durch das Spielen mit der Kordel, welche an ihrem Priestergewand befestigt war. Immer wieder wickelte sie den dünnen Strick um ihren Zeigefinger und zog ihn wieder ab. Sonst war sie still und atmete gleichmäßig ein und aus. Ihre karamellbraunen Augen waren dabei fest auf den langen Korridor, der sich vor ihr erstreckte, gerichtet und ihre langen welligen roten Haare fielen locker über Rücken und Schulter nach unten.
Die hellen großen Bodenplatten glänzten im Sonnenlicht, welches langsam von orange zu gelb wechselte. Durch die Fenster drangen immer mehr Sonnenstrahlen in das Gemäuer und ließen die noch brennenden Kerzen des Korridors überflüssig werden.
Plötzlich hörte sie leise schnelle Schritte von den steinernen Wänden widerhallen, die immer lauter wurden.
Die beiden Wachen bogen, mit der noch bewusstlosen Edith auf der Trage, in den langen Flur ein und kamen auf sie zu.
Voller Entsetzen über das hilflose Bild, welches sich von ihrer kleinen Schwester bot, entwich Hijelps Mund ein kurzes Keuchen. Schnell drückte sie ihre rechte Hand über den offenen Mund und spürte, wie sich ihr Magen unangenehm zusammenzog.
Sie war erschrocken, Edith so daliegen zu sehen. Als Hijelp sich endlich wieder gefangen und den ersten Schock verarbeitet hatte, rief sie den Wachen zu: »Hier entlang, meine Herren!«
Kurz wartete sie noch, bis die zwei Männer nur noch wenige Schritte von ihr entfernt waren und ging dann voraus, um ihnen den Weg zum Krankenbett zu zeigen.
Die Wachen legten Edith samt Trage auf dem Bett ab und entfernten dann die Stangen aus den Schlaufen des Tuches. Hijelp strich mit ihren Fingern vorsichtig über das Gesicht ihrer Schwester. Liebevoll und mit Tränen in den Augen begutachtete sie die Kratzer und Schürfwunden an Gesicht und Händen. Auch wenn Edith eine der Kriegerinnen war, war sie immer noch ihr kleines Schwesterherz. Natürlich war sie in den letzten Jahren, seitdem sie hier waren, viel größer geworden, aber irgendwie konnte Hijelp sich nicht daran gewöhnen, dass Edith eine Heranwachsende war, die in den nächsten vier Jahren zum Kreis der Erwachsenen zählte.
Ein unerwartetes lautes Dröhnen ließ Hijelp kurz aufzucken.
»Das Rufhorn«, flüsterte Hijelp leise und sah zu den Wachen. Diese drehten sich auf der Stelle um und waren sofort weg.
Kaum dass die beiden Wachen sich aus dem Krankensaal entfernt hatten, kam ein zweiter Priester hinzu und bot ihr seine Hilfe an. Vorsichtig zogen sie gemeinsam das Tuch unter Ediths Körper weg und Hijelp entfernte Ediths Kampfanzug Schritt für Schritt.
Sie nahm Ediths Kopf und legte ihn noch ein Stück in die Mitte des Kissens, dann deckte sie ihre kleine Schwester zu. Der zweite Priester hatte wie Hijelp eine dunkelgrüne Robe an, was zeigte, dass er im letzten Jahr seiner Ausbildung war. Er reichte Hijelp die kleine Schale mit der Wundcreme, die sie dankend entgegennahm.
Vorsichtig tauchte Hijelp die Fingerspitze ihres Zeigefingers in die weiße Paste und strich diese dünn auf die Verletzungen.
»Elio, kannst du mir bitte noch die Flüssigkeit gegen Prellungen und blaue Flecke holen und dazu noch ein paar frische Wattebäusche?«, bat sie ihren Priesterkollegen.
»Natürlich«, erwiderte dieser knapp und ließ sie wieder allein.
Plötzlich hörte sie erneut schnelle, aber, im Vergleich zu den Wachen, zarte Schritte näherkommen, die sie aufhorchen ließen. Sie sah neugierig auf und erkannte, dass Dorms Mutter die Krankenstation betrat. Mit ihrem dunkelroten Kleid schwebte sie förmlich über die großen steinernen Platten des Bodes zu ihr, wobei der Saum des Kleides vorsichtig über die rauen Steine kratzte.
Hijelp verbeugte sich sofort ehrfurchtsvoll vor der Primera Dama der steinernen Stadt.
»Guten Morgen, Primera Dama.«
»Hijelp, lass das!«, begann sie empört und winkte unwirsch mit der Hand ab. »Seit fünf Jahren bist du mit deiner Schwester bei uns. Ich habe euch wie meine eigenen Kinder in dieser Zeit aufgezogen. Nenne mich bitte endlich Freya und lass das mit dem Verbeugen.«
Hijelp richtete sich wieder auf und errötete leicht.
Vielleicht hatte Freya recht, aber sie hatten ihr viel zu verdanken und sie standen tief in ihrer Schuld. Nicht nur, dass sie hier ein warmes Dach über den Kopf hatten und regelmäßig Mahlzeiten erhielten, sie durften hier auch ihre Ausbildungen absolvieren.
Hijelp hatte sich, seitdem sie ein kleines Kind war, immer schon gewünscht, wie ihre Mutter es auch tat, anderen Menschen zu helfen. Ihre Mutter hantierte viel mit Kräutern und wurde stets von Leuten aufgesucht, die ihren medizinischen Rat suchten. Das Wissen um die Wirksamkeit der Kräuter wurde ihr damals von ihrer Mutter weitergegeben. Doch als Freyas Mann, der Jefe de Tribu, ihre Eltern, sie und Edith damals gefunden hatte, in dem Waldhaus am Rande einer Lichtung, bot er ihnen eine Ausbildung an, ohne jegliches Geld von ihren Eltern zu verlangen.
»Ja, Freya, und darüber sind Edith und ich auch sehr dankbar«, entgegnete Hijelp freundlich und begann nach einer kurzen Pause zögerlich weiterzusprechen, »mich beschäftigt noch eine Frage.« Ihre Finger spielten erneut mit der Kordel an ihrer Robe.
»Sprich, mein Kind«, ermutigte Freya Hijelp.
»Sag mir bitte, ist jemand von ihnen gestorben?«, fragte Hijelp zögerlich.
Die Primera Dama wusste sofort, wen sie mit »ihnen« meinte. Der Kriegerverbund, der aus Edith, Dorm, Myk, Orn, Vakt und Katt bestand. Ein leichtes Lächeln umspielte ihre Lippen.
Freya machte einen Schritt auf die verunsicherte Priesterschülerin zu, legte sanft eine Hand auf ihre Schulter und sah ihr tief in die Augen.
Eine Antwort wäre nicht nötig gewesen – Hijelp konnte die erfreuliche Nachricht schon aus Freyas Blick ablesen.
»Nein Hjelp, sie sind alle wohlauf.« Hjelp atmete erleichtert aus und Tränen der Freude und des Glücks schossen ihr in die Augen. Ein großer Stein löste sich in ihrer Brust und sie hatte das Gefühl, wieder besser atmen zu können. Schnell strich sie sich die heißen Tränen, welche nun doch ihren Weg über ihre Wangen gefunden hatten, mit dem Ärmel ihrer Robe ab.
»Entschuldigung, Freya, ich bin nur so erleichtert.«
»Ich auch, aber nun kümmere dich um deine Schwester. Ich wollte nur sehen, ob sie wohlbehalten bei dir angekommen ist«, sagte Freya, »ich schicke noch die Priester des ersten Jahres auf die Station. Die Krankenbetten werden sich gewiss noch etwas füllen mit verletzen Kriegern der Namaq und ihr werdet jede helfende Hand benötigen.«
Hijelp nickte ihr nur stumm zu als Zeichen der Dankbarkeit und wurde dann wieder mit Edith allein gelassen.
Kenoris, vor den Mauern der steinernen Stadt, Furt des Flusses Svart; 21:55 Uhr
Der Tag verging rasend schnell.
Dorm, Modig und die anderen hatten alle Hände voll zu tun. Die überlebenden Elfen, die nicht mehr in der Lage waren zu flüchten, wurden als Gefangene in die Kerker gebracht und für die Toten der Elfen wurden Massengräber ausgehoben.
Für die Verstorbenen der steinernen Stadt und der Namaqen wurden Bäume aus dem großen Park hinter der versteinerten Stadt gefällt und Einbäume daraus geschnitzt.
In die ausgehobenen Vertiefungen der Bäume wurde jeweils ein Verstorbener gebettet und ihm drei Geschenke für die drei Wächter des Todes mitgegeben, bevor sie in den Fluss gelassen wurden. Die drei Gestalten bewachten das Portal zwischen lebender Welt und der Ewigkeit. Der Fluss Svart, der sich am angrenzenden Park, der steinernen Stadt und am Gebirge entlang schlängelte, führte angeblich auf die andere Seite – in das Jenseits.
Die Menschen des Planeten Kenoris glaubten, dass die Wächter halbtote Priester waren und die gefangene Seele aus ihrem irdischen Körper befreiten. Somit konnte die Seele in die Unendlichkeit übergehen. Die Geschenke sollten die Wächter milde stimmen und der jeweiligen Seele einen guten Platz in der Ewigkeit sichern.
Durch eine respektvolle Zeremonie wurden nun die Einbäume mit den Toten darin gesegnet und die letzten Wünsche ausgesprochen.
Die Sonne ging über den Ländereien der steinernen Stadt unter und ein Boot nach dem anderen wurde an der flachen Uferböschung in den Fluss Svart niedergelassen und trieb in die Ewigkeit flussabwärts.
Dorm, Katt und Modig standen oben am Rande des grasbedeckten Hanges zusammen und sahen, wie das letzte Boot flussabwärts Richtung Sonnenuntergang dahinschwamm. Die vielen Boote trieben dicht neben und hintereinander auf dem breiten Fluss dahin, wie braune abgefallene Blätter eines Baumes.
Der Anblick dieses Bildes ließ sich die Krieger auf eine unangenehme Weise wieder ihrer Sterblichkeit bewusst werden. Auch wenn sie viele Verluste erlitten hatten, war Dorm doch dankbar, dass es niemanden aus seiner Reihe getroffen hatte. Seine Gedanken glitten wieder wehmütig zu Edith, die immer noch auf der Krankenstation lag. Ein unangenehmes Gefühl kroch in seine Knochen bei dem Gedanken, was das kleine Mädchen für ihn alles riskiert hatte.
»Es war meine Schuld«, begann Modig aus dem Nichts.
»Was meinst du?«, fragte Dorm stirnrunzelnd und zwischen seinen Augen hatte sich eine Falte gebildet, während sein Blick auf Modig ruhte.
»Ich habe Edith gesagt, sie soll über ihre Grenze hinweggehen«, sagte Modig, »und jetzt liegt sie nur wegen mir auf der Krankenstation.«
»Oh bitte Modig, mach dich deswegen nicht fertig. Sie ist nicht tot, sondern nur ohnmächtig geworden«, meldete sich Katt jetzt bissig zu Wort, drehte sich zu ihm um und verdrehte die Augen. Ihr langer schwarzer Zopf schwang durch die schnelle Bewegung noch ein wenig nach, bevor er wieder wie ein dickes Seil von ihrem Kopf herunterhing.
Mit sardonisch hochgezogener Augenbraue beobachtete Katt Modigs klägliches Erscheinungsbild. Solch eine Gefühlsduselei konnte sie nicht ertragen, vor allem nicht, wenn es um Edith ging. Bevor Modig sich weiter in Selbstmitleid wälzen konnte, wollte sie lieber schnell das Weite suchen. Ohne ein weiteres Wort wand sie sich von den Zweien ab und schlug den Weg Richtung steinerne Stadt ein.
»Oha, als die Götter das Mitgefühl verteilten, hatte sie sich wahrscheinlich gekonnt weggeduckt«, lachte Vakt, der zuvor in einiger Entfernung am Fluss gehockt hatte, und trat nun zu den beiden heran. Seine Kapuze hatte er nach hinten gestreift, sodass sie ihm jetzt als faltiger Stoff im Nacken lag und seine schwarzen schulterlangen krausen Haare zum Vorschein brachte. Von allen war er der Optimistischste in der Runde der jungen Krieger. Seine verschmitzte Art und seine schelmischen Augen ließen erahnen, welch Streiche er schon in den siebzehn Jahren seines Daseins vollbracht hatte.
Er klopfte Modig freundschaftlich auf die Schulter.
»Morgen Abend werden wir in den großen Hallen das Leben feiern. Glaube mir, bis dahin wird sie wieder auf den Beinen sein und mit uns feiern.«
»Hoffen wir«, antworte Dorm und sah Vakt kritisch an.
Normalerweise mochte Dorm Vakts positive Art zu denken, aber da Ediths Zustand sich bis jetzt immer noch nicht sichtlich verändert hatte, konnte er sich auch nichts von ihm schönreden lassen. Vakt sah in Dorms angespanntes Gesicht und sein freudiger Ausdruck verwandelte sich in ein verzeihendes Grinsen. Schulterzuckend, als ob er sich für sein zuversichtliches Gemüt entschuldigen wollte, drehte er sich von den beiden weg und stapfte nun auch zur Stadt.
Modig sah ihm noch kurz hinterher, bevor sein Blick wieder auf dem Fluss ruhte. Am Horizont konnte er die Boote noch erkennen, doch sie erschienen nur noch wie kleine schwimmende Punkte auf dem ruhig dahinziehenden Svart. Im Hintergrund leuchtete der Himmel wieder pink auf und wurde vom Wasser zurückgespiegelt, der nun auch zartrosa erschien. Modig ließ seine bedrückten Augen zu Dorm wandern und musterte ihn mit einem Seitenblick.
Neben ihm stand sein hochgewachsener Freund nur stumm da und ließ ihn erahnen, was in ihm vorging. Mit ernster Miene hatte Dorm seine Augen auf den Horizont gerichtet und zeigte keine weitere Regung.
Modig erwartete nichts mehr und hatte eigentlich auch genug gehört. Er atmete noch einmal schwer aus, bevor er sich von Dorm abkehrte und geradewegs Richtung Stadt ging. Mit schnellen Schritten trugen ihn seine Füße davon, denn sein Ziel war die Krankenstation.
Kenoris, steinernen Stadt, Schloss, Krankenstation; 22:16 Uhr
Nach und nach füllte sich die Krankenstation und die Hauptpriester und Priesterinnen hatten viel Mühe, alle Verletzten auf der Station unterzubekommen. Einige hatten nur einfachere Verletzungen und wurden hauptsächlich von den Priesterschülern behandelt, aber es gab auch schwerere Wunden von Kriegern, die ein Bett zur Behandlung benötigten. Für diese Fälle war dann eine Hauptpriesterin oder Priester zuständig, die zur Erkennung eine dunkelblaue Robe trugen, welche mit einer goldenen Kordel am Bauch zusammengehalten wurde.
Immer wieder, wenn Hijelp zwischendurch Zeit fand, ging sie zu Edith und streichelte ihre Hand oder strich ihr über das glatte Haar. Gerade als sie wieder zu einem verletzten Namaq Krieger wollte, sah sie Modig am Eingangsbogen stehen.
Mit seiner glänzenden Schulterrüstung lehnte er leicht an den Steinen des Bogens und hatte sein Gewicht auf sein linkes Bein verlagert.
Seine braungrünen Augen hatten nur sie fixiert und ihr Herz machte vor Freude über seinen Anblick einen kleinen Hüpfer.
Sie sah sich noch einmal zu dem verletzten Krieger um und entschied, dass dieser noch zwei Minuten warten könnte. Mit zügigen Schritten und klopfendem Herzen ging sie auf Modig zu und spürte, wie sie leicht errötete.
»Hijelp«, sagte er mit leiser Stimme, als sie vor ihm stand und sie konnte hören, wie erschöpft er war.
Ein langer Kampf lag hinter ihm, der stark an seinen Kräften gezehrt hatte, und trotzdem war er jetzt bei ihr, was ihr Herz noch schneller schlagen ließ. Er sah ihr tief in die Augen und begann zu lächeln. Hijelp wusste nicht, wie viel er für sie empfand, aber sie war sich sicher, dass auch er die Zeit mit ihr genoss, auch wenn es für ihn wahrscheinlich nur eine gute Freundschaft war, hatte er doch noch nie mit irgendeiner Tat gezeigt, dass er etwas Ernsteres erwartete.
Während der ersten Begegnungen hatten sie nur über belanglose Dinge geredet, bis Modig vor Kurzem anfing, Hijelp ein paar Tricks in Selbstverteidigung zu zeigen. Er bestand darauf, wahrscheinlich, weil er die Gefahr kannte, die kurz bevorstand und Hijelp auf alles Mögliche vorbereiten wollte. Doch jetzt war – zur Erleichterung aller – diese angespannte und ungewisse Zeit vorbei.
»Es ist schön, dich so unversehrt zu sehen, Modig«, erwiderte Hijelp, schob ihre langen rötlichen Haare hinter ihr Ohr und erwiderte zaghaft sein Lächeln.
Für einen kurzen Augenblick schien die Zeit zwischen ihnen still zu stehen und beide schwiegen sich glücklich an, bis Modig einfiel, weswegen er denn eigentlich den Weg zur Krankenstation gesucht hatte.
»Wie geht es deiner Schwester?«, fragte er mit ernstem Tonfall, löste seine lockere Haltung und stand wieder mit beiden Beinen fest auf den Steinplatten.
»Besser«, sagte Hijelp und sah kurz zu Ediths Bett. »Sie war schon einmal kurz wach und ich konnte ihr einen Stärkungstee verabreichen. Dieser muss erst einmal von ihrem Körper aufgenommen werden und dann wirken.« Sie sah ihm aufmunternd in die traurigen Augen und fügte mit einem Lächeln hinzu: »Sie wird schon bald wieder froh und munter sein und uns alle wieder ärgern können.«
Hijelp konnte erkennen, wie sich seine Sorge verflüchtigte. Seine Schultern, die zuvor noch etwas hingen, waren wieder so gestrafft, wie sie es sonst von ihm gewohnt war, und das traurige Gesicht hellte sich etwas auf.
Er öffnete kurz seinen Mund und Hijelp glaubte, dass er noch etwas zu ihr sagen wollte, doch er entschied sich dagegen und schloss ihn schnell wieder. Modig nickte Hijelp nur stumm als Verabschiedung zu und ließ sie am Eingangsbogen allein zurück.
Hijelp sah ihm noch kurz grübelnd hinterher, als sie auch schon eine andere Priesterin hörte: »Hijelp! Ich brauche hier deine Hilfe, kommst du bitte?«
Die Priesterin versuchte gerade, einen Namaqkrieger umzubetten, um eine Wunde an dessen Rücken zu versorgen und benötigte zwei weitere Hände.
»Gewiss«, erwiderte Hijelp schnell und machte sich wieder an ihre Arbeit.
Montag, 20. April 2015
Kenoris, steinernen Stadt, Schloss, großer Saal; 18:52 Uhr
Der Tag kam und verflog so schnell wie eine Sternschuppe über den dunklen Himmel einer klaren Nacht.
Die Bewohner der steinernen Stadt pflegten ihre Tradition, die Krieger einer Schlacht besonders zu ehren, sehr intensiv.
Die Straßen wurden von den Einwohnern mit langen grünen Blättergirlanden geschmückt, die von Haus zu Haus gespannt waren. Auf den großen Stangen, die in regelmäßigen Abständen über den Straßen an den Mauern der Häuser befestigt waren, hingen abwechselnd die Fahnen der steinernen Stadt und der Namaqs.
Eine weitere Tradition war es, dass jede Familie ein spezielles Gericht für das große Festmahl am Abend kochte, zu Ehren der mutigen Krieger.
In den Straßen und Gassen der steinernen Stadt spürte man in jedem Winkel große Vorfreude und der angenehme Duft von salzigem Essen und süßem Gebäck lag in der Luft.
Auch der große Saal des Schlosses war von den Bediensteten in den letzten Stunden festlich geschmückt worden. Breite Stoffbänder in Rot und Gold hingen abwechselnd um den zentralen Kronleuchter des Raumes herab und waren an den umliegenden Wänden befestigt.
Auf der Seite im Südosten erstreckten sich große Fenster, die in einem Bogen knapp unter der Decke endeten und bei Tageslicht den Blick auf eine große Terrasse freigaben. Die Nacht war nun eingebrochen und man konnte durch die Fenster und die eingelassene Glastür nur vereinzelte Fackeln erkennen, die Inseln des Lichts in der Dunkelheit bildeten.
Vor die großen Fenster waren mehrere Bodenvasen gestellt und mit Blumen in Rosa und Weiß aus dem Park bestückt worden, welche einen herrlich intensiven, frischen Duft im Saal verströmten.
In der Mitte des Saales befand sich eine riesige Tafel in U-Form, die mit großen roten Tischdecken bedeckt war, auf denen goldene Tischläufer mittig entlang verliefen. Kleine Blumengestecke, ebenfalls in rosa und weiß gehalten, schmückten den Tisch festlich und verbreiteten auch dort einen angenehmen Duft.
Die lange schillernde Tafel war mit silbernem Besteck und Tellern eingedeckt, so glatt und poliert, dass sich die Lichter des Kronleuchters darin spiegelten. Prächtige Kelche und Kannen, die bis zum Rand mit Wein und Met gefüllt waren, standen auf der Tafel bereit und luden zum Trinken ein.
Der Saal begann sich allmählich immer mehr mit Namaqskriegern, Kämpfern der steinernen Stadt und Priestern zu füllen. Dabei konnte man beobachten, wie jede Gruppe sich in kleinere Runden zusammengesetzt hatte oder zusammenstand. Manche hatten schon große Krüge in ihren Händen und gossen den ersten Met in ihre trockenen Kehlen, andere standen nur im Raum verteilt und unterhielten sich angeregt mit anderen. Die Stimmung war heiter und ausgelassen.
Die Primera Dama und ihr Mann, der Jefe de Tribu, betraten den Saal. Das pompöse güldene Kleid der Primera Dama umhüllte deren schlanken Körper geschmeidig und glänzte anmutig im Licht des Kornleuchters. Der Jefe de Tribu trug ein schlichtes weißes Hemd und eine dunkelblaue Hose mit einem dunkelblauen, enganliegenden silberverzierten Jackett. Beide gingen mit langsamen Schritten durch den Raum und zogen alle Blicke auf sich.
Die Gespräche, die zuvor den Raum in ein angenehmes Stimmengewirr gehüllt hatten, verstummten nun und im Saal breitete sich eine tiefe und gespannte Stille aus.
Beide traten in die Mitte der langen U-Tafel und die Primera Dama begann mit ihrer Rede:
»Tapfere Kriegerinnen und Krieger, alle Bewohner der steinernen Stadt können nun endlich wieder aufatmen. Ihre Dankbarkeit möchten sie euch heute mit diesem großen Festmahl zeigen.«
Sie klatschte laut in die Hände und drei Dutzend Bedienstete kamen mit gefüllten Schüsseln, Platten und Terrinen, die mit dampfendem Fleisch, Gemüse, Klößen und Obst gefüllt waren, hinein. Einer der Bediensteten stellte sich neben die Primera Dama und den Jefe de Tribu und balancierte ein Tablet mit zwei gefüllten Kelchen auf seinen Fingerspitzen.
»Wir möchten unserem weit entfernten Klan, den Namaqen, danken für ihre Hilfe. Gekämpft haben sie mit unseren Kriegern Seite an Seite. Ohne euch wäre dieser Kampf nicht so ausgegangen und wir würden nicht gemeinsam zusammensitzen und das Leben feiern. Ein Toast auf euch!«
Die Prima Dama nahm den Kelch, den ihr Mann ihr reichte, und hob ihn in die Höhe. Die Namaqen trommelten mit ihren Fäusten auf die Tafel, um das Lob dankend anzuerkennen. Nachdem es wieder still wurde sprach sie weiter.
»Ich, Freya von Berg, gewählt von den Einwohnern der steinernen Stadt, erwähne auch mit vollem Stolz lobend meinen Sohn Dorm und seine Mitstreiter. Gekämpft haben sie bis zum bitteren Ende und nie die Hoffnung aufgegeben. Ein Hoch auf euch und euren siegessicheren Kampfgeist!«
Der Saal wurde von tobendem Applaus gefüllt, in dem zwischendurch noch anerkennende Kampfschreie zu hören waren. Als sich der tosende Beifall beruhigt hatte, erhob die Primera Dama stolz den Kelch und lächelte.
»Nun lasst uns feiern und die Kelche heben, auf eine gemeinsame und friedliche Zukunft. Mögen der Verstand und die innere Zufriedenheit stets die Oberhand haben und die Gier nie siegen!«
Alle hoben ihre Trinkgefäße und prosteten sich gegenseitig zu. Die Musik spielte auf und die ersten hungrigen Krieger stürzten sich schon auf die gefüllten Schüsseln und Schalen.
Kenoris, steinerne Stadt, Schloss, Ediths Zimmer; 19:27 Uhr
Edith stand an ihrem Zimmerfenster und blickte mit einem Lächeln auf die karge Berglandschaft, welche sich im hinteren Teil des Landes erstreckte. Die vielen unebenen Felsvorsprünge und steilen Bergabhänge wurden durch die zwei Monde beschienen und wirkten noch tiefer und kantiger, als sie eigentlich waren. Vor den Füßen der Berge sah sie den zarten Fluss Svart fließen, der sich zunächst zwischen kleinen Sandbänken entlangschlängelte und dann in den Anfängen des Parks verschwand. Der Fluss leuchtete silbern im Mondschein und erschien eher wie eine Kette, die auf einem flachen Untergrund abgelegt wurde, als ein fließendes Gewässer.
Edith wandte sich von diesem wunderschönen Anblick ab und zog ihre Kampfsachen an.
Sorgfältig hatte ihre Schwester die Sachen gesäubert und zusammengelegt. Edith war sich sicher, Hijelp hoffte, dass sie diese Sachen nicht mehr so schnell anziehen würde, aber sie hatte ihre eigenen Pläne. Voller Vorfreude band sie abschließend ihren Dolchgürtel um ihre schmale Hüfte, bevor sie ihre geliebten Waffen verstauen wollte. Ihr ganzer Körper kribbelte voller Aufregung vor der bevorstehenden Situation, die sie heute Abend noch provozieren wollte.
Beim Einstecken ihres Dolches fiel ihr auf, dass einer fehlte. Wahrscheinlich ist es der, den ich nach Sorg geworfen habe, dachte sie stirnrunzelnd und stellte sich vor den Spiegel, welcher an einer Tür ihres Kleiderschrankes befestigt war. Kritisch beäugte sie ihr eigenes Spiegelbild und drehte sich prüfend nach links und rechts. Ihre Brust war im letzten Jahr zwar gewachsen, aber noch lange nicht so groß wie die von Katt oder Myk. Da auch ihre Hüften noch nicht sehr ausgeprägt waren, musste sich Edith etwas deprimiert eingestehen, dass sie immer noch mehr wie ein Mädchen denn wie eine richtige Frau aussah.
Ihr Blick fiel auf den leeren Schaft ihres Dolches, der sie sogleich zaghaft lächeln ließ.
»Ich habe Dorm gerettet«, sagte sie laut zu sich selbst.
Ihr Grinsen wurde immer breiter und sie spürte, wie ein kribbeliges Gefühl ihre Magengegend erfüllte.
Jetzt muss er mich als ebenbürtig anerkennen und vielleicht -, dachte sie und konnte ihre Überlegung nicht zu Ende führen, da es plötzlich an ihrer Tür klopfte.
»Herein«, sagte Edith und schob ihre Gedanken erst einmal beiseite. Edith sah zu ihrer Tür, die sich nun vorsichtig nach innen öffnete.