Die Taten, die dir folgen - Shortstory Woman - E-Book

Die Taten, die dir folgen E-Book

Shortstory Woman

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Beschreibung

Was, wenn du einen Stalker zurück verfolgst? Als ihre Freundin bedroht wird, wird Vicky selbst zur Stalkerin. Immer weiter verstrickt sich Vicky in ihren Plan, Rache an einem Stalker zu üben. Kann sie ihrer Freundin helfen, ohne von ihrer Vergangenheit eingeholt zu werden?

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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Shortstory Woman

Die Taten, die dir folgen

Inhaltsverzeichnis

Impressum

Die Taten,

die dir folgen

©

Shortstory Woman

Tag

1:

Nervös trommelte sie mit ihren Fingern auf das Fensterbrett.

Yvonne konnte nicht genau sagen, wann es begonnen hatte. Oder wann sie ihn zum Ersten Mal gesehen hatte. Und vielleicht beobachtete er sie schon länger als ihr bewusst war. Vielleicht war es ihm bisher nur gelungen, besser verborgen zu bleiben. Vielleicht war es nur Zufall gewesen, dass sie ihn bemerkt hatte. Oder aber er hatte geplant, aus der Deckung zu kommen, um zu sehen was sie tun würde. Inzwischen war er zu einem Problem für ihr Leben geworden. Sie hatte das Licht in ihrer Wohnung aus, in der Hoffnung er konnte sie so am Fenster nicht sehen und suchte die Straße vor dem Wohnblock nach ihm ab. Bestimmt war er dort irgendwo. Sie konnte nicht sagen wann und wo sie ihn zum Ersten Mal gesehen haben mochte, ob flüchtig oder bewusst.

Erstmals aufgefallen war er ihr, als die zufälligen Begegnungen auf ihren alltäglichen Wegen immer öfter geschahen. Als die Zeitabstände und Tage, die vergingen, bevor sie ihn wiedersah, immer kürzer wurden. Yvonne wusste nicht wie er sie gefunden hatte oder was es an ihr war, dass ihn so anzog.

Durch das Fenster sah Yvonne vorsichtig nach draußen auf die Straße.

Sie achtete darauf, sich nicht zu weit nach vorne zu lehnen, damit man sie nicht von der Straße aus am Fenster sehen konnte.

Die Regentopfen auf ihrer Scheibe ließen sie zwar die Umrisse vor ihr und die Straße nicht ganz klar wahrnehmen, aber die Hoffnung, dass ihn Wind und Regen davon abbringen würde, aufzutauchen, hatte sie längst aufgegeben. Es war ein naiver Gedanke gewesen.

Er war dort draußen, sie vermutete die Haltestelle gegenüber, von der man zu ihrem Fenster hinaufsehen konnte. Hinter der Plakatsäule wäre er nicht sofort zu sehen.

Dass sie sich irrte oder er nur zufällig in ihrer Straße auftauchte war längst ausgeschlossen. Zu Anfangs hatte sie geglaubt, er wäre vielleicht in einen der Wohnblöcke gezogen. Aber die Zufälle reihten sich immer öfter aneinander und die Tage, an denen sie aus dem Fenster ihrer Wohnung blickte und dieselbe Gestalt unten auf der Straße beobachtete, wie sie zu ihrem Fenster nach oben blickte wurden immer mehr. Sie glaubte ihn, verhüllt mit einer Kapuze bei ihrem Auto wahrgenommen zu haben.

Hatte beobachtete, wie er um ihren Wagen herumging und das Kennzeichen anstarrte. Dann spazierte er die Straße entlang bis zur nächsten Haltestelle oder setzte sich auf die Bank vor dem Wohnblock und blieb dort, manchmal bis zu zwei Stunden bevor er verschwand. Sie hatte ihn sogar dabei beobachtete, wie er auf der Bank sitzend aß und mit dem Handy zu ihrer Wohnung hinauf zoomte. Wenn sie aber die Polizei rief, war er beim kleinsten Anzeichen eines Wagens bereits verschwunden. Es waren keine Zufälle. Er wohnte nicht hier.

Sie irrte sich nicht.

Inzwischen wusste sie es einfach besser.

Nachts läutete es unverhofft in ihrer Wohnung, wenn er an der Eingangstür zu ihrem Wohnblock plötzlich ihre Klingel drückte. Yvonne hatte daraufhin ihr Namensschild vom Briefkasten und von ihrer Klinge entfernt, aber ein paar Tage später war ein neuer Aufkleber mit ihrem Namen wie aus dem nichts wieder angebracht worden. Sie hatte sich bei ihrer Vermietern gemeldet, dass nicht mehr zu tun, nur um die verblüffte Antwort zu erhalten, dass sie ihr Namensschild nicht gewechselt hatte.

Wenn Yvonne nach draußen ging, fühlte sie kurze Zeit später das unbehagliche Gefühl, beobachtet zu werden. Und wenn sie sich umdrehte, war er mit einigem Abstand hinter ihr. Eine Kapuze verhüllte sein Gesicht, aber sie wusste, dass er es war. Einmal hatte sie versucht, ihn auf einem Foto festzuhalten, da hatte er plötzlich seine Schritte beschleunigt und war zielstrebig auf sie zugestürmt. Panisch war Yvonne geflohen und hatte sich in einer Gasse versteckt, in der sie Menschen hatte, reden hören. Sie bat die Umstehenden um Hilfe, aber sie hatten ihr nicht glauben wollen. Denn der scheinbar harmlose Passant am Ende der Gasse schlenderte ruhig und desinteressiert an der Gasse vorbei, ohne auf sie oder die Anderen zu achten. Und Yvonne fühlte sich als Närrin.

Sie sah durch das Fenster ihrer Wohnung nach unten, konnte ihn aber nicht sehen. Ein paar Menschen bewegten sich unten, parkten ihre Autos, kehrten heim oder fuhren weg.

Sie musterte misstrauisch jeden Regenschirm, den sie sah und glaubte, ihn zu sehen, als ein Mann mit einer Kapuze zwischen den Häuserreihen auftauchte. Die Figur hielt tatsächlich auf ihren Wohnblock zu, so dass ihr der Atem stockte.

Griffbereit, diesmal die Polizei zu rufen, zog sie ihr Handy hervor.

Noch ein paar Schritte, dann würde er die Straße kreuzen, die ihren Wohnblock vom nächsten trennte. Er kam tatsächlich näher, das Gesicht hinter einer Kapuze verborgen. Yvonne zog mit zittrigen Fingern ihr Handy hervor.

Diesmal würde sie die Polizei rufen. Sie starrte auf das Display, bereit die Nummer zu wählen, starrte durch das Fenster zu ihm hinunter. Die Statur, die Kleidung sogar die Art wie er ging kamen ihr vertraut vor. So oft hatte sie ihn inzwischen gesehen. Yvonne tippte die letzte Zahl in ihr Handy und ihr Daumen zitterte über der Wahltaste. Plötzlich bog der Mann mit der Kapuze in die Seitenstraße ein, die zum nächsten Wohnblock führte.

Yvonnes Nerven lagen blank. Inzwischen glaubte sie ihn in jeder Person und jeder verdächtigen Bewegung vor ihrem Fenster ihn zu sehen. Sie suchte die Umgebung nach ihm ab. Nur weil sie ihn nicht sehen konnte, konnte er immer noch dort sein.

Nur der Gedanke, ohne Gewissheit zu haben, dass eine der verschwommenen Figuren vor ihrem Fenster er sein konnte, versetzte sie bereits in Panik und sie fühlte einen schmerzhaften Stich in ihrer Lunge. Dabei konnte sie durch die Regentropfen auf ihrer Scheibe die Figuren draußen nicht einmal zuordnen. Yvonne war nicht hysterisch. Über diesen Punkt war sie längst hinaus. Es war richtig von ihr anzunehmen, dass er da war. Dort draußen sein musste.

Weil er immer bei ihr war.

Inzwischen waren es nicht mehr vage Vermutungen. Keine bloßen Ahnungen, sondern Gewissheit.

Sie hatte geglaubt, dass Stalker sich im Schatten aufhielten und verborgen blieben, gereizt von dem Wissen ihre Opfer, ihre Fixierungen und Objekte der kranken Begierde, ohne deren Wissen zu beobachten, jeden ihrer Schritt und Atemzüge zu verfolgen und ihren Kick daraus zu ziehen.

Im Verborgenen ein Teil eines anderen Lebens zu sein. Ein Teil einer Person, die nicht wusste, dass sie beobachtet wurde.

Yvonne aber hatte ihn bemerkt. Und sie glaubte, er hatte gezielt gewollt, dass sie ihn in ihrem Leben bemerkte.

Erst waren es zufällige Begegnungen gewesen.

Dasselbe Geschäft, dieselbe Bahnstrecke und derselbe Film im Kino, bei dem er in der Dunkelheit versucht hatte, einen Platz näher an sie heranzurücken.

Als sie unbewusst das Kino früher verließ, weil ihr der Film nicht zusagte, tat er es ihr gleich und sie sah ihn hinter, wie er ihr bei jedem Schritt folgte. Sie wollte noch ein paar Snacks aus den Automaten ziehen, da wartete er bereits hinter ihr mit einigem Abstand und folgte ihr nach draußen, als sie mit der Chipstüte davoneilte.

Yvonne hatte erst geglaubt, dass sie sich irrte.

Aber immer öfter war er in ihrem Umfeld erschienen und die Abstände zwischen ihr und ihm wurden immer kleiner.

Erst waren es nur ein paar zufällige Tage gewesen, dann zwei darauffolgende und schließlich reihte sich an das seltsame Muster seines unvorhersehbaren Erscheinens ganze Nächte. Nächte, in denen sie vor ihrem Wohnblock ein und denselben verhüllten Mann stehen sah. Immer und Immer wieder.

Aus dem unguten Gefühl, dass sie überkam, wenn sie sich zufällig begegneten, wurde immer mehr Gewissheit, dass es seine Absicht war. Sie bekam Angst.

Yvonne atmete tief durch, zwang sich von dem Fenster weg zu gehen und legte ihre Jacke an. Auch diesmal dachte sie daran, ihr Aussehen vielleicht zu verändern. Die Jacke war neu, aber sie fürchtete, dass er sie beim Kauf eben dieser beobachtete haben mochte.

Sie nahm ihre Tasche, steckte das Handy hinein und überlegte erneut die Polizei zu rufen. Dann hängte sie ihre Tasche über ihre Schulter und nahm den Schlüssel für Wohnung und den zu ihrem Wohnblock. Einmal noch suchte sie durch das Fenster die Straße nach ihm ab und stellte erleichtert fest, dass sie ihn nicht sehen konnte. Doch das konnte genauso gut bedeuten, dass er irgendwo im Verborgenen auf sie lauerte. Aber wenn entschieden hatte, sie diesmal wieder einmal versteckt zu beobachten, so dass sie zwar das Gefühl hatte seinen Blick in ihrem Nacken zu spüren, ihn aber nicht sehen konnte, dann würde er vielleicht nicht so schnell die Deckung aufgeben.

Eilig verließ sie die Wohnung, sah sich immer wieder panisch um, bis sie ihren Wagen erreichte und auch dort inspizierte sie vor dem Einsteigen ihr Auto, suchte nach einem Hinweis, ob er sich vielleicht daran zu schaffen gemacht hatte.

Schon öfter hatte sie größere Mengen an Zigaretten unter ihren Reifen gefunden oder ein Foto von ihr klemmte zwischen Tür und Scheibenwischer. Sie hatte bisher alles was sie von ihm fand weggeworfen. Diesmal war dort nichts, aber sie fühlte seinen Blick in ihrem Nacken. Das Gefühl, dass er einfach da sein musste, wollte sie nicht loslassen. Hastig stieg sie in ihren Wagen und nahm eine neue Strecke zum Einkaufszentrum. Oder rief sich ein Taxi. Immer wieder sah sie bei jeder Autofahrt in den Rückspiegel, ob ein Auto ihr folgte. Und tatsächlich schloss öfter ein grüner Wagen zu ihr auf und nahm dieselbe Strecke in das Einkaufszentrum.

Sie umkreiste dann den Parkplatz, fuhr erst in die Tiefgarage und dann schnell wieder hinaus, in der Hoffnung er würde dort parken. Sie fuhr am anderen Ende der Tiefgarage wieder hinaus, parkte ein Stück weiter weg vom Einkaufszentrum und wartete zehn Minuten in ihrem Wagen, bevor sie ausstieg, um ihre Einkäufe zu erledigen.

Mit Gewissheit konnte sie nicht sagen, ob er fort war, aber sie wollte zumindest ihren panischen Gedanken kurz vergessen und die Einkäufe, die sie am dringendsten nötig hatte, schnell erledigen.

Beim Einkaufen nahm sie immer öfter nur mehr einen kleinen Korb anstatt eines Einkaufswagens. Etwas, dass sie begonnen hatte, seit er in ihr Leben gekommen war. Sie hatte erkannt, dass es für sie einfacher war, den Korb einfach fallen zu lassen, wenn sie schnell aus dem Geschäft fliehen musste. Sie packte nur das allernötigste in den Korb, mehr darauf bedacht die Reihen und Regale rund um sie im Auge zu behalten. Schon öfter war es vorgekommen, dass er beim Einkaufen plötzlich ein Regal weiter war und sie konnte sehen, wie er nach und nach zu ihr aufrückte. Sie hatte erlebt, dass wenn sie einen Einkaufswagen nahm und ihn nur kurz unbeobachtet ließ er plötzlich da war.

Er schob seinen Einkaufswagen neben den ihren und starrte ihre Artikel an. Wenn sie dann darum kämpfte Abstand zu ihm zu gewinnen und die Regalreihen wechselte, um abzuwarten bis er fort war, sah sie ihn bald darauf wieder hinter sich und beobachtete, wie er oft dieselben Dinge in seinen Einkaufswagen packte, die sie ausgewählt hatte. Es war alles gleich und wenn er nicht eine perverse Vorliebe teilte, war er wohl der einzige Mann, den sie je gesehen hatte, der in der Damenabteilung die Hygienepackungen inspizierte. Ihre Marke inspizierte.

Verlies sie das Geschäft, war er kurz darauf hinter ihr, manchmal sogar ohne die Artikel, die er zuvor eingesammelt hatte. Er hatte einfach alles stehen gelassen, um sie nicht aus den Augen zu verlieren.

Ein paar Mal hatte sie es ihm inzwischen gleichgetan und in Panik einfach ihre Einkäufe stehen gelassen, um zu flüchten. Sie fragte sich, ob er sich in einer Art perversen Notizbuch ihre Einkäufe notierte, um noch tiefer in ihr Leben einzudringen.

Wenn sie bei einem Einkauf doch mit ihren Einkäufen zu ihrem Auto ging, warf sie sie ungeordnet und hastig in den Kofferraum und vermied es dort dann, den Einkaufswagen zurück in die Sammelstelle zu schieben.

Kurze Zeit später war sie sicher, dass das Auto, dass sich bei der Ausfahrt des Parkplatzes hinter ihr einreihte, sein Wagen war.

Manchmal ein Wagen zwischen ihnen, meistens aber nicht. Sie fuhr Umwege nach Hause, versuchte andere Parkplätze als gewohnt bei ihrem Wohnblock zu verwenden, um ihn auf eine falsche Fährte zu locken. Manchmal gelang es ihr, ihn tatsächlich im Verkehr zu verlieren. Kehrte sie dann aber zu ihrem Alltag zurück und hoffte auf ein paar Minuten Privatsphäre, dann traf sie ihn erneut oft zufällig bei ihrem nächsten Halt an. Egal, ob es eine Apotheke, der Buchladen oder ein Café sein mochte.

Er folgte ihrem Tagesablauf. Ab und zu gelang es ihr zwischendurch ihn an einem Tag abzuschütteln, so dass sie das Gefühl hatte, ein paar Stunden für sich zu sein.

Aber wenn sie schließlich nach Hause kehrte und an der Tür ihres Wohnblocks stand, hatte sie das kalte Gefühl im Rücken, dass er sie bereits beobachtete. Und wenn sie den Schlüssel in die Tür des Haupteingangs zu ihrem Wohnblock steckte, war es nicht nur eine Ahnung, dass hinter ihr auf der anderen Straßenseite an der Haltestelle stand.

Er stand dort.

Triumphierte sie also darin, ihn ein paar Stunden abzuschütteln, kehrte er einfach zu ihrem Wohnblock zurück in dem sicheren Wissen, dass sie früher oder später dort auftauchen musste.

Wenn sie vor ihrem Wohnblock ankam und an der Eingangstür stand, sah sie sich um und sah ihn an der Haltestelle. Jedes Mal. Als sie sah, dass er sich in Bewegung setzte, riss sie Tür panisch auf. Sie hastete durch die Eingangstür, schloss sie ab und vergewisserte sich, dass sie verschlossen war, um ihn daran zu hindern, noch näher aufzuschließen. Wenigstens darüber musste sie die Kontrolle behalten.

Yvonne nahm die erste Treppe und ging um die Ecke herum, dann wartete sie und blickte unheilvoll die Treppe nach unten. Ein dunkler Schatten legte sich über das Glas der Eingangstür zu ihrem Wohnblock. Sie konnte seine Schuhe und einen Teil seiner Beine sehen, wenn sie sich bückte, um am Treppengeländer nach unten zu sehen.

Er war es, ohne Zweifel.

Das Läuten an der Tür war für sie bestimmt, sie konnte das leise Surren der Klingel am Eingang wahrnehmen, auch wenn sie noch nicht bei ihrer Wohnung oben angekommen war.

Yvonne kehrte oft erschöpft in ihre Wohnung zurück, verschloss dort ihre Tür mit allen Schlössern, die sie hatte, spähte eine Minute lang, vielleicht auch zwei panisch durch ihren Türspion. Dann klebte sie ihn mit einem schwarzen Klebestreifen ab.

Etwas, dass sie begonnen hatte, seit sie ihn immer öfter sah und die Gewissheit hatte, dass er ihr gezielt folgte.

Er stand immer noch dort unten. Sie wandte ihren Blick von ihm ab und versuchte den Schauer zu ignorieren, der über ihren Rücken lief.

Sie trat von ihrem Fenster zurück und schloss die Vorhänge.

Am nächsten Morgen versuchte sie ihr Leben wieder aufzunehmen, auch wenn sie wusste, dass es ein Fehler war in ihrer Routine zu bleiben. Sie wollte in das Café, dass sie morgens so gerne besuchte.

Doch er saß dort.

Er hatte bereits ihren Zeitablauf studiert und wusste, dass sie in dem Café morgens manchmal frühstückte, wenn es Wochenende war, oder sie Zeit für sich hatte. Oder zumindest glaubte, Zeit für sich zu haben.

Zur selben Zeit wie sie oder er kam kurz nach ihrer Ankunft dort plötzlich durch die Tür. Wenn sie dabei war, zu bestellen, stand er wie aus dem Nichts hinter ihr an der Theke, vielleicht ein Gast noch zwischen ihnen, aber sie konnte fühlen, wie sein Blick auf ihr haftete und er ihrer Bestellung lauschte, während er jede ihrer Bewegungen beobachtete. Erst hatte sie sich mit der Bestellung hingesetzt wie gewohnt, aber er tat es ihr gleich und jedes Mal rückte er einen Tisch näher und näher an den ihren heran, Bis er zuletzt fast schon neben ihr saß. Da hatte sie alles liegen und stehen gelassen, Geld auf den Tisch geworfen und war panisch aus dem Café gerannt.

Immer öfter ließ sie sich den Kaffee und das Croissant einpacken, anstatt wie gewohnt zu einem Tisch zu sitzen, eine halbe Stunde in Ruhe zu frühstücken und eine Zeitung oder ein Buch zu lesen. Die halbe Stunde Zeit hatte sie seit er ihr Leben als das seine betrachtete, schon lange nicht mehr für sich.

Und kurz bevor sie das Geschäft verließ, in dem sie normalerweise sich so gerne Zeit nahm, um zu frühstücken, hörte sie seine Stimme an der Kasse.

Er bestellte ihr Frühstück und auch ihren Kaffee. Sogar dieselbe Zusammenstellung mit Milch und extra Sahne.

Sie konnte seine Worte hören.

Bei ihrem ersten Zusammentreffen im Café bildete sie sich ein, hatte er noch etwas anders als sie bestellt. Heute war es haargenau dieselbe Bestellung. Sie schauderte, wusste aber nicht was sie tun sollte. Sie wagte nicht, etwas zu sagen. Was, wenn er dann aggressiv werden würde? Yvonne wusste nicht wie weit er gehen würde und was er tun würde, wenn sie anders als sonst reagieren würde. Noch dazu würde ihr im Café hier Niemand glauben, dass er sie verfolgte. Weil er darauf achtete, dass es Niemand sah. Dass sein Leben, das ihre bis auf jeden Schritt zu gleichen schien, konnte sie nicht gegen ihn verwenden, wenn er sie nicht öffentlich angriff oder belästigte.

Mehr als immer und überall in ihrem Umfeld zu sein, auf öffentlichen Plätzen war bisher nicht geschehen.

Dafür konnte sie ihn nicht anzeigen. Sie spürte die Panik in ihr aufsteigen, als sie die Worte „Zum Mitnehmen.“ vernahm. Sie atmete hysterisch schnell, riss die Tür des Cafés schnell auf, so dass die Glocke über der Tür ihr Entsetzen nur noch passend untermalte.

Als sie die Klingel über der Tür erneut vernahm, ergriff sie die Panik.

Aber die Abläufe im Kaffee konnten sich nicht ändern.

Er konnte noch nicht fertig sein, es sei denn, er hätte alles stehen und liegen gelassen, um ihr zu folgen. Ihre Beine zitterten und die kalte Luft schmerzte in ihren Lungen, dennoch versuchte sie so schnell sie konnte zu gehen, ohne zu rennen. Sie wollte nicht noch mehr Aufmerksamkeit auf sich ziehen.

Aber Yvonne wusste, dass sie jetzt auf keinen Fall stehen bleiben durfte. Sie musste versuchen, die Distanz zu ihnen so schnell wie möglich zu vergrößern.

Vielleicht gelang es ihr, dass er sie aus den Augen verlor.

Wenigstens für ein paar Minuten, damit sie sich beruhigen und Luft holen konnte. Damit sie das Gefühl hatte, ein paar Augenblicke für sich zu sein. Ohne dass er sie beobachtete und belauschte.

Damit sie tun konnte, was sie vielleicht schon viel früher hätte machen sollen.

Nicht, die Polizei zu verständigen, denn sie konnte ihm wohl schlecht anklagen, dass er dasselbe Croissant wie sie aß. Sie hatte nichts gegen ihn in der Hand.

Auch bei ihrer Arbeitsstelle lauerte er vor dem Gebäude. Und langsam litten ihre Leistungen darunter. Sie wagte es nicht, zu sagen was in ihrem Leben vor ging. Niemand würde ihr glauben.

Es gab jemanden, dem sie sich anvertrauen konnte.

Noch aber hatte sie die Hoffnung, selbst eine Lösung zu finden.

Aber immer wieder ihr Aussehen, ihre gewohnten Orte und ihre Routinen zu wechseln machte sie langsam selbst wahnsinnig.

Und er durchschaute ihre Tarnungen schneller als sie dachte und passte sich ihrem Lebensstil oder aber den Veränderungen darin, schneller und schneller an. Immer mehr drang er in ihr Privatleben ein und ließ Tag und Nacht nicht mehr ab von ihr.

Sie fand Fotos von sich morgens in ihrem Briefkasten, sie glaubte, dass er kleine Steine an ihr Fenster warf und sie sah ihn in der Dunkelheit, jede Nacht, wenn sie von ihrem Fenster nach unten blickte. Auf der Straße vor dem Café sah sie sich um. Sie wusste nicht, ob sie gefahrlos zu ihrem Wagen zurückkehren konnte und so hielt sie Ausschau nach einem Taxi.

Yvonne rang mit sich, nicht in Tränen auszubrechen während sie von dem Café fort hetzte und versuchte so viel Abstand wie möglich zu ihm zu gewinnen.

Sie kramte während ihre Schritte immer größer und schneller wurden, in ihrer Tasche. Ihr Auto entschied sie stehen lassen. Sie hatte zu viel Angst, dass er sie dort angreifen könnte. Ihre Finger fuhren in ihrer Tasche hin und her.

Sie konnte ihr Handy darin nicht ertasten, nicht jetzt wo sie es tatsächlich benötigen würde.

Immer war es griffbereit für Fotos, Posts und ihre Social-Media Profile, von denen ihre Freundin behauptete, sie besitze zu viele, jetzt aber wo sie es endlich ehrlich gebrauchen konnte, fand sie es nicht. Sie konnte nicht sagen, ob er sie auf einem ihrer Fotos zuerst gesehen hatte. Möglich wäre es.

Yvonne hörte Schritte hinter sich und zuckte zusammen. schlang die Tasche über ihre Schultern, dann entdeckte sie ein Taxi, nicht weit von ihr und hastete darauf zu, ohne sich umzudrehen. Sie musste sich nicht vergewissern, ob er ihr bereits folgte. Sie wusste, dass er es tat.

Drei große Schritte brachten sie vor das schwarze Auto, in dem eine Frau saß und ein Buch las. Yvonne riss die Tür so hektisch auf, dass die Fahrerin zusammenzuckte und sie anherrschte, dass dies nicht ihr Wagen sei.

„Ich brauche sie.“ sagte sie und schlug die Tür hinter sich zu.

Sie hörte die Schritte auf dem ungepflegten Gehweg draußen, gleich würde er bei ihr sein.

„Sagen Sie mir einfach, wohin Sie möchten.“ sagte sie. Ihr Ton war immer noch genervt.

Sie sah seinen dunklen Schatten durch das Fenster. Inzwischen hatte es zu regnen begonnen, und die Sicht durch die Scheibe war nur verschwommen.

„Das Einkaufszentrum.“ sagte sie, da es ihr dort vielleicht gelingen würde, ein wenig unterzutauchen. In der Menge würde er ihr nicht so leicht folgen können. Sie wollte nicht nach Hause. Nein, sie konnte es nicht. Dort würde er sie zu schnell und zu einfach finden.

Und dann würde sie sich an ihre Freundin wenden, so wie sie es schon vor ein paar Tagen vorgeschlagen hatte.

Es klopfte gegen die Scheibe.

Yvonne schrie in Panik auf und die Fahrerin sah sie misstrauisch an, ließ aber beiläufig die Scheibe hinunter.

„Nicht!“ sagte Yvonne und versuchte die Scheibe wieder zu schließen, doch der Hebel schien auf ihrer Seite nicht zu funktionieren.

Die Kindersicherung ließ sie nicht durch.

Yvonne spürte, wie die Panik sie schwindlig werden ließ.

„Das Taxi ist besetzt!“ rief die Fahrerin durch die Scheibe nach draußen, die vor Yvonnes Augen Zentimeter für Zentimeter weiter nach unten sank.

Ihre Brust hob und senkte sich im Rhythmus ihrer panischen Atemzüge, als sie seine Hand am Rahmen des Wagens sah, und er sich lässig auf das Dach stütze, bevor er sich nach vorne lehnte, um sie durch das immer weiter offenstehende Fenster anzugrinsen.

„Fassen Sie meinen Wagen nicht an!“ fuhr ihn die Taxi Frau an und riss drohend ihre Tür auf. Er taumelte tatsächlich überrascht einen Schritt zurück und nahm die Arme vom Dach und der Tür des Autos. „Das Taxi ist bereits besetzt! Nehmen Sie das meines Kollegen!“ herrschte die Taxifahrerin ihn an und schloss das Fenster halb, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen.

Yvonnes Beine zitterten und sie klammertes sich an den Griff ihrer Tür, als ob sie befürchtete er könne plötzlich um das Taxi herum hechten und sie aus dem Wagen zerren. Yvonne wollte hoffen, dass es nur ein Hirngespinst ihrer Angst war. Die Auswüchse ihrer aufsteigenden Panik. Vielleicht aber auch nicht.

„Können wir bitte fahren? Ich habe es eilig.“ drängte sie die Fahrerin und während die Scheibe nur langsam wieder nach oben fuhr, hörte sie wie er von draußen eine halbherzige Entschuldigung murmelte, und er einen Schritt von den Wagen zurücktrat.

Die Tür wurde verriegelt, dafür sorgte die Taxi-Lenkerin bevor sie ihren halbherzigen Versuch, auszusteigen aufgab, ihren Türgriff losließ und sich stattdessen anschnallte, das Taxi startete. Yvonne hörte, wie sie den Tarif neu einstellte. Als das Piepen des Zählers aufhörte, atmete Yvonne tief durch. Sie zählte die Sekunden, bis der Wagen sich in Bewegung setzte.

Sie sah misstrauisch aus dem Fenster. Vielleicht würde er den Griff nicht loslassen oder hatte vielleicht doch noch irgendwie mitbekommen, wohin sie wollte.

Er trat noch nicht einmal von dem Taxi zurück. Das Auto rollte zwar ein paar Zentimeter aus der Parklücke, doch Yvonne ging alles zu langsam. Und als der Wagen tatsächlich noch einmal stehen blieb, richtete sie sich panisch auf. „Ich habe es eilig.“ sagte sie und spürte wie sie jedes Wort aus ihrer trockenen Kehle zwingen musste.

„Er gehört doch nicht zu ihnen, oder habe ich mich geirrt?“ fragte die Fahrerin und zögerte den Wagen weiter zu fahren.

Gott, nein, dachte Yvonne, die den Tränen nahe war. „Ich kenne ihn nicht.“ sagte sie nachdrücklich.

Dann endlich als sie den Wagen startete und den Tarif für die Fahrt wählte, trat er einen zweiten Schritt von dem Taxi zurück. Sie wagte einen flüchtigen Blick nach draußen und sah ihn vor dem Taxi, die Hand zwar nicht mehr am Türgriff, aber er winkte ihr spottend durch das Fenster zu. Sie wandte den Blick von ihm ab und drängte das Taxi erneut, dass sie es eilig hätte.

Yvonne atmete ruhig ein und aus und versuchte, ihren verkrampften Magen damit zu beruhigen. Sie wiederholte, dass sie es eilig hätte und das Taxi fädelte sich in den Verkehr ein und brachte endlich für Sekunden Gewissheit, dass die Distanz zwischen ihnen größer wurde.

Erleichtert seufzte sie und sank zurück in den Sitz.

Ein paar Minuten während der Fahrt hatte sie Gewissheit, dass er sie nicht sehen und beobachten konnte.

Sie hatte sich Strategien überlegt, um ihm aus dem Weg zu gehen.

Ein paar Tage später gelang es ihr, ihren Wagen zurück zu holen, von wo sie ihn hatte stehen lassen.

Das Gefühl, dass er sie beobachtete, während sie zu Fuß zurück zu ihrem Auto hastet, ließ sie dennoch nicht los. Sie nahm immer neue Strecken mit dem Wagen oder setzte auf ein Taxi. Andere Verkehrsmittel mied sie ansonsten so gut es ging.

Es war zu einfach dort an sie heran zu rücken. Yvonne hatte ihn zu oft hinter sich in Bussen und U-Bahnen gesehen.

Wenn sie morgens aufstand, spähte sie als erstes aus dem Fenster ihrer Wohnung und konnte ihn über die Straße an einer Haltestelle sehen, das Gesicht von einer Kapuze verdeckt, aber den Kopf in ihre Richtung gedreht, so dass sein Blick auf ihr Wohnungsfenster fallen musste.

Wenn sie versuchte, aus dem Wohnblock zu gehen, konnte sie ihn manchmal vor der Eingangstür des Wohnhauses sehen, wo er rauchte und seine Zigarettenstummel liegen ließ.

Zwei, drei Zigaretten waren es jedes Mal. Yvonne war sich sicher, dass er damit die Minuten oder auch Stunden zählte, die er sie verfolgte und sie ihr als Botschaft vor der Tür liegen ließ.

Manchmal war ihr Postfach voller Fotos von ihr oder Nachrichten, in denen er ihren genauen Tag beschrieb, den er verfolgt hatte. Wie ein Tagebuch, dass sie nicht selbst verfasste.

Sie hatte die Botschaften weggeworfen, dann später hatte sie begonnen sie gar nicht mehr aus dem Briefkasten zu nehmen, bis die Hausverwaltung sich schließlich bei ihr meldete.

Yvonne ließ die Vorhänge ihrer Wohnung zu. Tag und Nacht.

Musste sie zur Arbeit, fuhr sie früher oder manchmal bewusst ein paar Minuten zu spät von zu Hause fort und versuchte, ihre Routine so gut sie konnte zu unterbrechen, um ihn auf eine falsche Fährte zu führen, doch immer fand er sie. Nahm sie den Bus oder die Bahn, stieg sie bewusst eine Haltestelle zu früh oder zu spät aus, wenn sie das Gefühl hatte, dass er in ihrer Nähe war.

Einmal dachte sie, hatte er sie während sie in einem Einkaufszentrum war, bewusst im Vorbeigehen angerempelt. Sie war sich nicht sicher, aber die Ähnlichkeit war groß gewesen.

---ENDE DER LESEPROBE---