Die Tochter der Goldzeit - Tom Jacuba - E-Book
SONDERANGEBOT

Die Tochter der Goldzeit E-Book

Tom Jacuba

0,0
6,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 6,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Seit dem Untergang der Goldzeit herrschen auf der Erde Barbarei und Anarchie. Doch es gibt Hoffnung in Form eines sagenhaften Schatzes, der "Das Erbe der Goldzeit" genannt wird. Dieser geheimnisvolle Gegenstand hat die Macht, über das Schicksal der Menschheit zu entscheiden. Die junge Seherin Katanja wird auserwählt, um den Schatz zu bergen, und begibt sich mit ihren Gefährten auf eine beschwerliche Reise. Doch es warten weit schlimmere Gefahren auf die Gemeinschaft, als sie bisher geahnt haben ...

Die Jagd nach dem sagenhaften Schatz der Goldzeit. Ein großes Fantasy-Epos aus einer Zeit nach dem Ende der modernen Zivilisation

eBooks von beBEYOND - fremde Welten und fantastische Reisen!

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 821

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

CoverÜber dieses BuchÜber den AutorTitelImpressumPrologI. Das Buch vom Anfang – 469–486 nach der Götternacht1234567891011121314151617181920II. Das Buch vom Aufbruch – 486–489 nach der Götternacht12345678910111213141516171819III. Das Buch von den sich kreuzenden Wegen – 489–490 nach der Götternacht12345678910111213141516171819IV. Das Buch von der Liebe und vom Tod – 491–493 nach der Götternacht1234567891011121314151617181920212223242526272829303132EpilogGlossar

Über dieses Buch

Seit dem Untergang der Goldzeit herrschen auf der Erde Barbarei und Anarchie. Doch es gibt Hoffnung in Form eines sagenhaften Schatzes, der »Das Erbe der Goldzeit« genannt wird. Dieser geheimnisvolle Gegenstand hat die Macht, über das Schicksal der Menschheit zu entscheiden. Die junge Seherin Katjana wird auserwählt, um den Schatz zu bergen, und begibt sich mit ihren Gefährten auf eine beschwerliche Reise. Doch es warten weit schlimmere Gefahren auf die Gemeinschaft, als sie bisher geahnt haben …

Über den Autor

Tom Jacuba ist ein Pseudonym des Autors Thomas Ziebula. Er war bis Mitte der 90er Jahre Diakon, Sozialpädagoge und Trauerredner und schrieb vorwiegend Satiren und Kurzgeschichten für die Yellow Press sowie Kinderbücher. Seither ist er freier Autor und schreibt unter dem Namen Jo Zybell, Tom Jacuba und Ruben Laurin Fantasy, historische Romane und Krimis, die als Hardcover, Taschenbücher und Romanhefte erscheinen. Ziebula erhielt 2001 den Deutschen Phantastik-Preis und 2020 den »Golden Homer« für »Das weiße Gold der Hanse«. Sein Krimi »Der Rote Judas« ist für den Crime Cologne Award 2020 nominiert worden.

TOM JACUBA SCHREIBT ALS

JO ZYBELL

Digitale Erstausgabe

»be« – Das eBook-Imprint der Bastei Lübbe AG

Für die Originalausgabe:

Copyright © 2010 by Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Covergestaltung: Guter Punkt, München unter Verwendung von Motiven von © GettyImages/Grandfailure; © GettyImages/GJohnson2; © GettyImages/Jagoush; © GettyImages/jankovoy; © shutterstock/Boris Ryaposov

eBook-Erstellung: hanseatenSatz-bremen, Bremen

ISBN 978-3-7517-0428-1

be-ebooks.de

lesejury.de

Prolog

»Halte durch«, hatte sie ihm gesagt, »du schaffst es! Gib nicht auf!« Doch jetzt hielt sie ihn nur noch in den Armen und wiegte ihn, wie man ein Kind im Arm hält und wiegt, wenn es weint und Trost braucht.

Er weinte aber nicht, brauchte auch keinen Trost mehr – er atmete nur keuchend, und manchmal, wenn er wieder Luft bekam, flüsterte er ihr ins Ohr, was er noch zu sagen hatte.

»Geh jetzt«, sagte er zum Schluss.

Katanja musste sich von ihm lösen, wenn sie leben wollte, musste ihn allein lassen, sie wusste es. Also umarmte sie ihn, legte ihn im gefrorenen Schnee ab und stand auf. Sie spähte den Schneehang hinunter zum Heerlager. Zwischen den brennenden Zelten und Wagen galoppierten Zugtiere und blökten in Todesangst. Niemand fing sie ein, niemand beruhigte sie. Kaum ein Mensch hielt sich noch dort unten auf. Am Rand des Lagers aber hatten sich Bewaffnete zusammengerottet, beinahe zwei Dutzend. Einige stapften bereits zu ihr den Hang herauf. Doch eine einzige Geste von ihr, und schon zauderten sie, blieben stehen und duckten sich wie Raubtiere, die sich ertappt fühlen und lauschen und spähen. Katanja machte sich nichts vor: Diese Männer wollten sich rächen und würden sie jagen, bis sie wieder in Fesseln lag.

Ein letztes Mal blickte sie auf den Sterbenden hinunter. Bei jedem Atemzug bäumte sein Brustkorb sich auf. Sein Hemd war ein feuchter roter Lappen, der Schnee um seinen Oberkörper mit Blut getränkt. Längst stand er auf der Schwelle zwischen dem Sein und dem Nichts. Katanja murmelte einen Dank, drehte sich um und lief auf der anderen Seite des Hügels den Schneehang hinunter.

Ihre geprügelten Glieder schmerzten bei jedem Schritt, ihre Wunden brannten. Die Nacht dämmerte schon herauf. Eine Rauchsäule stand am anderen Ende der verschneiten Ebene, vielleicht fünftausend Schritte entfernt und himmelhoch. Feuerschein flackerte dort auf einem Schneewall und erleuchtete die Rauchwolken. Katanja sah es und erschrak – was geschah dort? Fraßen die Flammen denn die Gefährten? Und das Erbe der Goldzeit – war es doch in die Hände des Eisernen gefallen? Hatten die Tyrannen der Neuen Goldzeit das Ziel vor den Gefährten erreicht?

Katanja vergaß ihre Schmerzen, lief schneller, lief zum nächsten Hügelkamm und auf der anderen Seite hinunter in die nächste Schneise. Sie flüsterte den Namen des Mannes, an dem ihr Herz hing. Der Weg zu ihm erschien ihr unendlich, hatte sie doch kaum noch Kraft. Wie sollte sie auch nur die andere Seite des Flusstals erreichen? Sie rief seinen Namen, sie keuchte ihn. Die Angst um ihn trieb sie voran.

Noch einmal sah sie zurück. Verfolger duckten sich in Eisspalten und hinter Schneeverwehungen. Deutlich sah sie noch immer die Umrisse des Sterbenden auf dem Hügelkamm, wo sie ihn zurückgelassen hatte. Er war nicht mehr allein – jemand beugte sich über ihn. Tränen rannen ihr über die eiskalten Wangen. Sie drehte sich um, rannte weiter.

Das greise Gesicht ihrer Meisterin stand ihr auf einmal vor dem inneren Auge, als sie die letzte Hügelkette vor dem Flusstal hinaufwankte. Sie glaubte sogar, ihre Stimme zu hören. Nurwenn wir bereit sind, uns zu vergessen und uns dem wilden Dahinströmen des Lebens hinzugeben, nur dann werden wir wirklich leben. Das waren Grittanas Worte gewesen. Sind wir nicht dazu bereit, dann sind wir schon tot. Ja, das hatte sie gesagt an jenem Tag, als Katanja sich entschied, den Auftrag der Sozietät anzunehmen. War das eine falsche Entscheidung gewesen? War sie nicht längst gescheitert? Die düsteren Gedanken lähmten ihren Schritt. Sie verscheuchte sie, versuchte den Schrecken zu vergessen, der hinter ihr lag, versuchte die Angst abzuschütteln, die sie befiel, wenn sie an das dachte, was vor ihr lag. Nicht allein wild erschien ihr der Strom des Lebens in diesen Stunden – unberechenbar und grausam kam er ihr vor. Es war schwer, sich ihm zu überlassen. Doch blieb ihr eine Wahl?

Katanja rannte den Hang hinunter, wankte atemlos in den winterlichen Flusswald hinein. Eisbedeckte Zweige peitschten ihr ins Gesicht, schützend hob sie die Arme vor den Kopf. In der Krone eines entwurzelten Baumes blieb sie hängen, befreite sich, stolperte weiter, lauschte erschrocken: Irgendwo hinter ihr knirschte Schnee unter Stiefelsohlen.

Weiter! Sie rannte tiefer in den Wald hinein. Eisiger Wind blies ihr ins zerkratzte Gesicht. Immer weiter! Die Hände vor sich ausgestreckt, brach sie durch Gestrüpp und Gebüsch, bis ein Wurzelstrunk sie zu Fall brachte. Schwer atmend blieb sie liegen, wollte ihren Körper der Kälte überlassen, wollte vergessen, dass sie gelebt hatte.

Weiter! War es die Stimme der Meisterin, die sie zu hören glaubte? Weiter, Tochter der Goldzeit, wenn du leben willst! Sie bezwang ihre Erschöpfung, ihren Schmerz, stemmte sich noch einmal aus Schnee und Unterholz hoch.

Von Stamm zu Stamm wankte sie durch den Winterwald, immer weiter – bis etwas durch die Luft schwirrte. Sie blieb stehen, sah einen Schatten auf sich zuwirbeln, spürte, wie etwas ihr Haar berührte und auf ihre Schultern fiel – sie warf die Arme hoch und griff in die Maschen eines Jagdnetzes. Es straffte sich und riss sie zurück ins gefrorene Unterholz.

Ganz steif lag sie da und blickte in den Himmel. War es denn vorbei? Ihr Atem flog, sie lauschte: Schritte näherten sich, jemand keuchte, ein Mann.

Ja, es war vorbei.

Katanja schloss die Augen. Lichter, Umrisse und Farben glitten durch ihr Hirn, gewannen Gestalt. Sie sah sich selbst als junges Mädchen neben der Meisterin am Bug eines Schiffes stehen. Ich werde gehen, hörte sie sich sagen. Sie sah sich die breite Treppe zum Tor der Bergstadt hinaufsteigen, sah, wie sie die geliebten Menschen aus Altbergen umarmte, sah, wie sie zum Fluss hinunter ritt und nicht ein einziges Mal zurückblickte. Schneller stürmten die Bilder jetzt auf sie ein, rauschten an ihr vorbei, wie Treibgut auf einem reißenden Strom: Bilder von lichten Orten der Liebe und von düsteren Gemäuern der Gewalt; Bilder von vertrauten Gefährten und von gefürchteten Feinden; Bilder all jener, die zurückgeblieben und Bilder derer, die gestorben waren.

Und nun würde sie ihnen folgen, würde selbst über die Schwelle ins Nichts treten müssen.

Nun war es vorbei.

Katanja gab auf. Der Kampf war verloren, ihre lange Reise vergeblich gewesen. Sie öffnete die Augen. Über ihr funkelte der erste Stern im Abendhimmel. Vögel zogen vorüber – große weiße Vögel. Sie flogen dem letzten Abendrot entgegen. Ohne Eile bewegten sie die weiten Schwingen, und es schien, als würde weißes Sternenlicht von ihnen ausgehen.

Katanja achtete nicht mehr auf die nahen Schritte, nicht auf ihren wilden Herzschlag, nicht auf die fluchende Männerstimme, nicht einmal auf die Umrisse des Hünen zwischen den vereisten Stämmen – ein Zauber ging vom Anblick dieser Vögel aus, ein Trost wie aus einer anderen Welt.

Und hatte nicht so alles begonnen? Mit zwei großen weißen Vögeln? Bilder aus noch ferneren Tagen stiegen in ihr hoch. Hatte sie damals nicht den ersten Schritt getan auf dem langen Weg hierher zu den Hügeln vor dem Gebirge der Ostwildwelt? Die weißen Vögel stiegen in den Winterhimmel hinauf. Und Katanja von Altbergen erinnerte sich an jenen fernen Tag ihrer Kindheit, als alles begann.

 

I. Das Buch vom Anfang469–486 nach der Götternacht

 

Dies sind die Worte DASHIRINS, die er richtete an seinen Erzdiener Alphatar im 119. Winter nach der Götternacht.

»Höre, was ich dir sage, Alphatar«, sprach DASHIRIN, »du bist mein treuster Diener, mein ältestes Werkzeug, du bist mein Arm, mein Fuß und mein Mund. Höre meinen Spruch – bewahre ihn, präge ihn in harten Kristall, schreibe ihn auf und sieh zu, dass er zu den Ohren der Unmündigen gelangt!«

»Hier bin ich, HÖCHSTER«, sprach ich, Alphatar. »Rede, und ich höre. Befiehl, und ich gehorche.«

Und DASHIRIN sprach, und ich hörte.

»Götternacht nennen sie die Tage und Nächte, die ihre Welt endgültig und unwiderruflich verwüsteten«, sprach DASHIRIN. »Und wahrhaftig – die Unmündigen tun recht, jene Tage so zu nennen, denn seither ist keiner mehr da, der sich kümmert, der erschafft, der herrscht, der bestraft, zu dem man rufen könnte.

GÖTTERNACHT!

Wahrhaftig, es ist Nacht geworden! Wahrhaftig, sie sind verlassen und verloren! Und haben jene Tage und Nächte meine Welt nicht für alle Ewigkeit gezeichnet und entstellt? Götternacht! Schau doch, Alphatar, mein treuer Diener, schau doch auf meine Küsten und Städte und Länder – erkennst du sie denn wieder?«

Und DASHIRIN ließ mich schauen, und ich sah die überschwemmten Küsten, die zerstörten Städte und die entvölkerten Länder. Und ich sah und sprach: »Nein, HÖCHSTER, ich erkenne sie nicht wieder, deine Welt …«

Aus dem Buch Spruch Dashirins an Alphatar, Kapitel 7

 

1

Das Flötenspiel am Waldrand verstummte. Katanja kniete im Gras neben dem Lamm und hob den Blick, als sie es merkte. Der Lammbock saugte so gierig an der Milchflasche, dass Katanja sie mit beiden Händen festhalten musste. Durch die Strähnen ihrer schwarzen Locken hindurch sah sie ihre Mutter Mai vor der Brombeerhecke sitzen und mit der Flöte in den Himmel deuten. Neben ihr legte der Lehrer Weronius seinen Kopf in den Nacken und blickte ebenfalls hinauf: Zwei große weiße Vögel kreisten hoch über der Lichtung.

Ein Erwachsener nach dem anderen spähte nun in den wolkenlosen Himmel; einige stießen Rufe des Erstaunens aus, manche ruderten mit den Armen, um andere auf das Vogelpaar aufmerksam zu machen. Katanja erschienen die Vögel zwar größer und weißer als alle Vögel, die sie bisher über der Lichtung, im Torwald oder unten in den Volieren der Bergstadt gesehen hatte, doch die Aufregung der Erwachsenen verstand sie dennoch nicht: Zwei große weiße Vögel kreisten über der Lichtung – na und?

Sie drückte ihre Stirn gegen die des Lammbocks, murmelte ihm zärtliche Worte ins Ohr. Polder drängte sich neben sie und stieß dem schwarzen Tierchen die Schnauze in die Flanke. »Weg!« Sie trat nach dem jungen Hütedogger. »Das Lamm gehört mir!« Winselnd wich Polder zurück. »Mir ganz allein!«

Dann geschah etwas Seltsames: Ein fremder Gedanke kroch durch ihren Kopf. Das hatte Katanja noch nie erlebt. Ein fremder Gedanke? Sie schloss die Augen und hörte ihm zu. Er kreiste um etwas Wertvolles. Vielleicht um einen Schatz? Nicht, dass der Gedanke ihr Angst machte, doch er gehörte ihr nicht. Er gehörte überhaupt niemandem, den sie kannte.

Katanja öffnete die Augen, zog dem Lammbock die Milchflasche aus dem Maul und sprang aus dem Gras auf. Ein Gedanke, der niemandem gehörte, den sie kannte? Sie lauschte zum Waldrand hinüber. Dort starrten jetzt alle in den Himmel.

Der Lammbock wich vor dem kläffenden Hütedogger zurück. Ein paar Schritte unter Katanja balgten sich zwei Jungen am Wiesenhang. Andere Kinder feuerten sie an, die einen Janner, die anderen Friedjan. Beide dachten längst nicht mehr an das schwarze Lamm, um das sie in Streit geraten waren, dachten nur noch ans Siegen. Mit ihrer Milchflasche hatte Katanja das Lamm von ihnen weggelockt. Polder, der junge Hütedogger, trieb es nun immer weiter dem Waldrand entgegen; er kläffte.

Sie hörte es nicht, hörte kaum die Anfeuerungsrufe der anderen Kinder – sie lauschte in den Wald hinein. Aus ihm war der fremde Gedanke in ihren Kopf gekrochen. Woher sie das wusste? Sie wusste es einfach.

Auch dass der fremde Gedanke niemandem gehörte, den sie kannte, wusste sie einfach. Dann aber konnte er nur einem Fremden gehören, oder? Katanja wollte nichts bei sich haben, das ihr nicht gehörte, außerdem musste ihr Vater von dem Gedanken erfahren und von dem Fremden vor allem. Sie ließ das Lamm und den Hütedogger allein und lief los.

Sie rannte den Hang hinauf durch das hohe Gras der Lichtung. Das war ihre ganze Welt: die Lichtung zwischen den Waldrändern, der Wald zwischen der Lichtung und dem Haupttor von Altbergen, die Stadt im Berg selbst natürlich und vor allem die Menschen von Altbergen. Weiter reichte ihre Welt noch nicht.

Viele Menschen dieser kleinen Welt tummelten sich dort auf der Lichtung an jenem Tag, mehr als Katanja damals schon zählen konnte, viel mehr. Sie spielten, sie sangen, sie dösten im Gras, sie erzählten einander Geschichten, sie stillten ihre Säuglinge, sie hüteten ihre Kleinkinder und Tiere, sie ernteten Beeren und Kräuter, sie spähten hinauf zu den großen weißen Vögeln, und einige wachten über alle anderen.

Ihr Vater zum Beispiel und ihre Meisterin.

Ihr Vater Tondobar stand auf einem großen Stein, summte ein Lied und beobachtete abwechselnd das Vogelpaar und die Lichtung. Das musste er tun, beobachten, er war der Erste Wächter des Tores.

Neben ihm auf dem Stein saß eine zierliche Frau, die ein weites weißes Gewand trug und ihr schlohweißes Haar mit einem roten Lederband aus der Stirn gebunden hatte. Ihre bleiche, durchscheinende Haut war wie ein von tausend feinen Linien zerfurchtes Pergament. Grittana, die Meisterin.

Kaum sechs Winter hatte Katanja gesehen, und sie glaubte noch, Grittana wäre schon immer da gewesen – das glaubte sie auch von der Bergstadt, vom Wiesenhang und vom Wald –, und sie würde für immer da bleiben. Katanja liebte Grittana sehr.

Beim großen Stein angekommen, legte sie ihren schwarzen Lockenkopf in den Nacken und blinzelte zu ihrem Vater hinauf. Immer wenn er unruhig war oder sehr aufmerksam, summte er eine Melodie. »Da sucht jemand einen Schatz!« Ihr Mund war verschmiert von Milch, Blütenblättern und Erde, mit der halbleeren Milchflasche deutete sie dorthin, wo der fremde Gedanke hergekommen war, in den Wald.

Ihr Vater und die Meisterin blickten zu ihr herunter. Beide machten verwunderte Gesichter, als hätten sie nicht verstanden.

»Ja, einen Schatz!«, krähte sie, und der Blick ihrer großen, damals schon grauen Augen wanderte fragend zwischen den beiden Erwachsenen hin und her. Wenn die nicht wussten, wem der fremde Gedanke in ihrem Kopf gehörte, wer dann?

Und wirklich, sie wussten es nicht, schienen nicht einmal zu wissen, dass es überhaupt einen fremden Gedanken gab.

Grittana neigte nur den Kopf auf die Schulter und musterte sie nachdenklich. »Was hast du, Katanja?«

Ihr Vater Tondobar machte eine wegwerfende Handbewegung. »Ist gut, Kleines!« Er war ungeduldig, beachtete sie kaum – etwas Dringenderes als fremde Gedanken im Kopf seiner kleinen Tochter fesselte wohl seine Aufmerksamkeit. Vielleicht die Hütedogger und Jagdcaniden, die jetzt überall wie erstarrt am Hang standen und mit aufgestellten Ohren den Waldrand belauerten; vielleicht auch die beiden Vögel, die immer tiefer sanken und bereits dicht über den Wipfeln des südlichen Waldrandes kreisten. Unglaublich große und weiße Vögel waren das!

»Lauf!« Katanjas Vater deutete zu den Frauen und Kindern am oberen Waldrand. »Schnell, zu den Müttern! Lauf endlich!«

Na gut, wenn es Dringenderes gab als fremde Gedanken in ihrem Kopf, dann lief sie eben. Sie mussten es ja wissen, die Erwachsenen. Das Mädchen drehte sich also um und lief. Rannte an den Kindern vorbei, die nicht mehr balgten und anfeuerten, die nur noch in den Himmel staunten, rannte zurück zum schwarzen Lamm und zu Polder, dem jungen Hütedogger.

Niemand achtete darauf, dass sie nicht zurück zu den Müttern lief, weder ihr Vater noch die Meisterin, noch sonst jemand – das merkte Katanja, als sie sich noch einmal nach den beiden Vögeln umdrehte. Die fesselten inzwischen die Aufmerksamkeit sämtlicher Erwachsenen und der meisten Kinder. Und kein Wunder, so ungeheuer groß und weiß, wie die waren.

Der Lammbock sprang durchs hohe Gras am unteren Waldrand, Polder umkreiste ihn kläffend. Ein Vogel oben in der Luft pfiff plötzlich wie in Todesnot: ein Greif. Das Mädchen blickte auf – einer der ungeheuer großen und weißen Vögel stieß auf einen kleineren dunklen herab, auf einen Habicht. Hatte er das Vogelpaar angegriffen? Ein Hieb mit dem langen roten Schnabel, ein letzter, schon ersterbender Schrei, und dann trudelte der dunkle Greif inmitten einer Wolke aus Rücken- und Flaumfedern der Lichtung entgegen. Katanja konnte hören, wie er im Gras aufschlug.

Pfiffe und das Echo von Pfiffen gellten auf einmal von Waldrand zu Waldrand. Der Erste Wächter des Tores hatte gepfiffen, Tondobar, drei Mal. Augenblicklich verstummten Gelächter, Gesang, Stimmengewirr und Musik endgültig. Sämtliche Caniden schlugen nun an. Katanja hörte die Stimme ihres Vaters Befehle rufen, und eine einzige Bewegung ging durch Menschen und Tiere am Wiesenhang: Kinder, Ziegen, Schafe, Frauen, Greise, halbwüchsige Mädchen und Jungen und zuletzt ein halbes Dutzend bellender Caniden – sie alle eilten dem oberen Waldrand entgegen. Hinter Tondobar, keine zweihundert Schritte tief im Wald, lag das große Felstor zur Bergstadt. Wildes Gewimmel erfüllte plötzlich die Lichtung, und als ein Greis stürzte und ein Mammutwidder zwei Frauen umriss, die sich nach dem Alten bückten, brach ein Tumult los.

Jetzt hatte keiner mehr Augen für sie, und Katanja rannte zum Waldrand, denn dort zwischen den jungen Buchen und Eichbüschen waren Polder und das Lamm verschwunden. Sie sah noch vier schwarze Kolks aus den Eichenwipfeln des unteren Waldrands den Wiesenhang hinaufflattern – Boten mit Nachrichten von den Außenposten unten am Fluss –, dann umfingen sie das Halbdunkel und die feuchte Kühle des Waldes.

Sie hörte Zweige brechen, sie hörte den Lammbock meckern und den Hütedogger hecheln. »Polder!« Sie vergaß die Aufregung auf der Lichtung, vergaß ihre Furcht. Schneller sprang sie ins Unterholz, folgte einfach den Geräuschen der Tiere. »Warte auf mich, Polder!« Einmal sah sie den Canide und das Lamm, dann wieder hörte sie die Tiere nur, dann wieder stand Polder irgendwo zwischen Bäumen, spähte zu ihr zurück und kläffte, als wollte er sie auffordern, sich zu beeilen. Und sie lief noch schneller, lief einen Hang hinunter, balancierte auf Steinen über einen Bach, stieg einen Hang hinauf, lief immer weiter.

So betrat Katanja von Altbergen zum ersten Mal unbekanntes Land. Zum ersten Mal in ihrem noch jungen Leben versuchte sie damals, für sich zu gewinnen, was ein Stärkerer besitzen wollte. Sie brach zum ersten Mal auf an jenem Tag, und sie ging zum ersten Mal verloren.

 

2

Ein Truthahn schrie. Schrie und schrie, bis die Traumbilder zerstieben. Bosco fuhr hoch, sein Magen knurrte, vor dem Fenster dämmerte der neue Tag. Und wieder der kollernde Lärm. Er lauschte. Kein Truthahn – auf der Mauer bliesen sie das Kriegshorn! Schritte eilten draußen vorbei, Männer fluchten, Frauen riefen. Sammelten etwa die Tiefländer sich zum nächsten Sturmangriff?

Er schob das Mädchen von seinem Arm, stand auf, schlüpfte in seine Kleider, warf seinen Dachsfellmantel über die Schulter. Und wieder schallte das heisere Kriegshorn über die Dächer. Sie benutzten Wildsauhauer als Fanfaren. Es ging einem durch und durch, dieses barbarische Getröte!

Das Mädchen riss die Augen auf. »Haben sie die Mauer überrannt?« Plötzlich saß es kerzengerade in den Fellen. »Ich hab Angst, Bosco.«

Er hängte sich das Binocular um, griff nach seiner Armbrust und lief zum Hütteneingang.

»Wohin gehst du? Lass mich doch nicht allein!«

»Ich schau nur kurz nach, was da los ist.« Er riss den Riegel aus dem Wandbügel. »Wenn es ernst wird, hauen wir ab. Ich nehm dich mit, versprochen!«

Das meinte er so, wie er es sagte, und das Mädchen wusste es. Es machte ein ängstliches Gesicht, zog die Beine an, kauerte sich in die Felle.

Bosco riss die Tür auf, rannte los.

Eigentlich segelte er nur wegen des Mädchens so oft auf die Insel herüber, in letzter Zeit immer öfter. Sie war die Tochter des Cabullos, ein kluges Barbarenmädchen. Brüste wie Kürbisblüten, ein Mund wie eine Paradiespforte und Augen wie die Seen in den Hügeln von Tikanum, wenn die Sonne sich in ihren Wassern spiegelte.

Himmel, wie sein Magen knurrte!

Ein paar Jäger stürzten aus ihren Häusern, schulterten ihre Bogen und Lanzen, rannten hinter ihm her. Auf der Veranda der Gemeinschaftshütte stolperte der Cabullo die Stiegen hinunter, halbnackt und fluchend.

Endlich die Mauer, endlich das Hafentor! Bosco kletterte zum Wehrgang hinauf, geschmeidig und flink wie eine Katze. Er wunderte sich, weil er das nervenzehrende Kriegsgeschrei der Tiefländer noch immer nicht hörte.

Der Hunger machte ihn ganz schwindlig.

Außer dem Turmwächter und der Wachschicht hatten sich auch ein paar nackte Kinder und alte Weiber auf dem Wehrgang versammelt, die ihre Nächte hier oben verbrachten, wenn sie nicht schlafen konnten. Die Greisinnen lehnten zwischen den Zinnen und äugten nach Süden. Bereitwillig machten sie Bosco Platz. Sie sahen ihn gern, den hübschen Fremden mit der braunen Haut, den dunkelblauen Augen und dem schwarzen Langhaar, das ihm störrisch und kraus vom Schädel abstand; die meisten Frauen sahen Bosco gern.

Morgendunst lag über Küste und Meer. Zuerst erkannte Bosco nur das Kriegslager der Tiefländer vor den Dünen, dann ein paar Möwen, dann auf den Dünen die Wachen der Tiefländer, die brüllten und gestikulierten. Andere liefen unten im Lager von Zelt zu Zelt, schlugen auf die Planen, schrien ebenfalls. Schon krochen die ersten Krieger schlaftrunken heraus.

Von einem Sturmangriff keine Spur.

»Was ist da los?« Bosco knurrte unwillig. »Wozu der Lärm?«

Bevor einer der Mauerwächter antworten konnte, entdeckte er die Rauchsäule über den Umrissen eines großen Schiffes zwischen den Felsrücken der natürlichen Hafeneinfahrt. Gleich dahinter schälten sich die Konturen eines zweiten, dritten und vierten Schiffes aus dem Dunst, ebenfalls Viermaster. Bosco hielt den Atem an: Alle vier Schiffe waren viel länger und breiter als der Dreimastsegler der Tiefländer, der weiter östlich nahe der Klippen vor Anker lag; und über den Mittelschiffen aller vier Großkähne standen Rauchsäulen wie krumme, verkohlte Kiefernstämme.

»Sie brennen«, krähte eines der alten Weiber. »Die verfluchten Schiffe brennen!«

Alle glotzten und nickten.

»Die verfluchten Schiffe brennen keineswegs.« Bosco wusste es besser. »Leider nicht.« Inzwischen sprach er den Dialekt der Insulaner fehlerfrei.

Immer mehr Bewohner der Küstensiedlung sammelten sich auf dem Wehrgang, vor allem bewaffnete Wildsaujäger und Fischer. Alle starrten und staunten mit offenen Mündern. Keiner hier hatte je solche Schiffe gesehen. Schiffe, von denen Rauch aufstieg, ohne dass sie brannten? So etwas gab es nicht, hatte es nie gegeben!

»Dämonen!«, flüsterte die Alte. »Dann sind es Dämonen!«

»Beruhige dich, Großmütterchen, es sind auch keine Dämonen.« Wieder wusste Bosco es besser. Nicht, weil er solche Schiffe kannte, sondern weil er die meisten Bände der Chronik von Tikanum gelesen hatte. Und das, obwohl er noch nicht einmal fünfundzwanzig Sommer zählte. Die Alten hatten solche Schiffe gebaut; Schiffe, die rauchten, ohne zu brennen. Früher, in den Zeiten, die all die Barbaren hier Goldzeit nannten, vor den Katastrophen, die bei ihnen nur Götternacht hießen. Lang her, ewig lang her.

Im Kriegslager der Tiefländer unterhalb der Dünen schlief jetzt keiner mehr. Einer ihrer Capotane – so nannten die Meeresnomaden ihre Anführer – scheuchte die Männer die Dünen hinauf, der andere stand schon oben mit seinen Kämpfern. Struppig sahen sie aus, die wilden Kerle, schmutzig und gelbschwarz.

Das Stimmengewirr auf dem Wehrgang senkte sich zu verhaltenem Gemurmel. Zwei junge Wildsaujäger zogen den Cabullo von der letzten Leitersprosse auf die Mauer herauf.

»Was ist hier los?« Ächzend schaukelte er zu den Zinnen. Er war nicht mehr der Jüngste, der Dorfhäuptling, der Vater von Boscos Mädchen, und einen fetten Wanst schob er auch vor sich her. »Ich dachte, sie greifen schon wieder an, die dreckigen Caniden!« Er spuckte aus, spähte zum Strand, und gleich zog ihm die Verblüffung die Kinnlade herunter. »Weg mit euch!« Der Cabullo begann zu fuchteln. »Weiber, Kinder, alle runter von der Mauer!« Er kam zu Bosco. »Wer beim heiligen Regenwurm fährt mit rauchenden Schiffen durch die Welt? Kennst du die, Bosco?«

»Glaub nicht.« Bosco holte sein Doppelglas aus der Tasche, sein Binocular. Bei den Barbaren hatte er den Ruf, weit herum gekommen zu sein und so ziemlich alles schon gesehen zu haben, was es zwischen Himmel und Erde gab. Einer der Vorteile, wenn man sich als halbwegs belesener Mensch unter wildes Volk mischte. Er beugte sich zwischen die Zinnen und setzte das Glas an die Augen. Die Leute hier glaubten, er hätte es im Schutt der großen Ruinenstadt an der Westküste Apenyas ausgegraben. Keiner wusste, wer er wirklich war.

Bosco stutzte: Drei weitere Rauchsäulen tauchten aus dem Dunst auf. Er richtete das Glas auf die Dünen und das Kriegslager der Tiefländer. Die Seeräuber rannten zwischen den Zelten und vor allem auf dem Dünenkamm hin und her, vielleicht waren es hundertzwanzig, vielleicht mehr. Sie palaverten und wussten wohl selbst nicht recht, was sie von den Fremden halten sollten. Zwei Sippen von zwei wendigen Dreimastseglern waren es, Tiefländer vom Stamm der Poruzzen. Die Sippen hießen Rosch und Wenz, und wie die meisten Poruzzen trugen sie Gelbschwarz: Harnisch, Mäntel, Jacken, Bärte, Haare, sogar die Visagen und Glatzen – alles gelbschwarz. Seit sieben Tagen rannten sie gegen die Mauer an. Vergeblich zum Glück, doch es gab nichts mehr zu essen in Chiklyo; so hieß die Siedlung, genau wie die Insel. Heute jedenfalls würden sie keinen neuen Sturmangriff versuchen, die Poruzzen, da legte Bosco sich schon einmal fest. Den Fremden und ihren riesigen Schiffen galt nun ihre Aufmerksamkeit. Sehr gut!

Er richtete das Glas auf das erste Schiff. Die Dunstschwaden lagen inzwischen hinter dem Großkahn, und deutlich erkannte Bosco jetzt das schwarze Rohr zwischen den beiden mittleren Masten. Aus ihm stieg der Rauch. Sogar den Namenszug am Bug konnte er entziffern: Etlantyca. Die Flagge am Hauptmast kannte er nicht – ein Greif über einem Schild und flankiert von anderem Viehzeug, wie Flaggen eben aussahen. Die Gestalten, die sich über die Reling beugten, trugen schwarze oder rote Kappen, lächerlich enge Ganzkörperanzüge und lange Mäntel, ebenfalls schwarz oder rot. Ihre Gesichter waren glattrasiert.

Barbaren rasierten sich nicht, und Bosco bekam es mit der Angst.

Einen sah er an der Bugreling stehen, der jagte ihm sogar einen Schrecken ein, denn der Kerl war groß – riesengroß! –, und er trug eine schwarze Rüstung mit geschlossenem Helmvisier. Neben ihm entdeckte Bosco einen mit Augengläsern, der kaum über die Reling schauen konnte. Ein Verdacht beschlich ihn, ein schlimmer Verdacht.

»Kenn ich nicht.« Sein Herz klopfte. Irgendetwas hatte er gelesen, in der Chronik von Tikanum, irgendetwas über einen großen schwarzen Kerl. Himmel, warum fiel ihm nicht ein, was genau?

»Und die Flagge?« Der Cabullo zog den Rotz hoch und spuckte über die Zinnen.

»Kenn ich auch nicht. Ein Großgreif und darunter ein Schild zwischen zwei Vierbeinern, hab ich noch nie gesehen.«

Das stimmte nicht – Bosco kannte die Tiere von Bildern. Und die Bilder kannte er aus einem frühen Band der Chronik von Tikanum. Lauter vergilbte und verblichene Bilder enthielt der, Bilder von Dingen, die heute kein Mensch mehr für möglich hielt, von Dingen, die es nicht mehr gab oder die zumindest Bosco noch nie gesehen hatte. Diesen Bildband hatte Bosco am häufigsten herausgeholt, noch in den Tagen, bevor er zum letzten Mal aus der Erdstadt nach oben in die Wälder gezogen war. Wie hatten sie dieses Tier gleich genannt damals, in den goldenen Zeiten lange vor der Götternacht?

Sämtliche Wildsaujäger und Fischer drängten sich inzwischen auf dem Wehrgang des Hafentors, dazu eine Menge Halbwüchsiger, die schon mit Waffen umgehen konnten oder wenigstens meinten, mit Waffen umgehen zu können; nicht ganz sechzig Mann, schätzte Bosco. Die Tiefländer hatten doppelt so viele Kämpfer, mindestens. Und die Fremden?

Der erste Viermaster ging bereits im natürlichen Hafen von Chiklyo vor Anker, nur einen Steinwurf weit entfernt vom Segler der Poruzzen. Die anderen sechs folgten nacheinander. In drei großen Ruderbooten setzten etwa fünfzig Mann der Fremden kurz darauf an Land über.

Daraufhin taten die Poruzzen, was sie am besten konnten: Sie griffen an. Das Geschwätz auf dem Wehrgang verstummte schlagartig, als die mit der Flut einsetzende Morgenbrise ihr Kampfgeschrei herüber auf die Siedlungsmauer wehte.

»Sie machen einen Fehler.« Bosco dachte laut, während er durch sein Binocular die Seeräuber auf der Düne beobachtete. Sie gebärdeten sich wie Tobsüchtige, brüllten, schüttelten ihre Mähnen und Fäuste, sprangen auf und ab wie Jagdcaniden, die es kaum erwarten konnten, von der Kette gelassen zu werden. Schon stürmten die ersten zum Strand hinunter. »Sie machen einen großen Fehler, das schwör ich dir, Cabullo! Die Fremden sehen nämlich nicht aus, als suchten sie Streit.«

Diesen Eindruck machten die Männer tatsächlich nicht. Einige waren bereits an Land gegangen, standen jetzt aber still und blickten den Angreifern entgegen. Verblüfft wahrscheinlich, aber zugleich auch irgendwie gelassen. Fürchteten sie sich denn überhaupt nicht?

»Freuen wir uns über jeden Fehler, den die wilden Kerle machen!« Der Cabullo schlug Bosco auf die Schulter. Er wirkte deutlich entspannter jetzt, wo der Dünenkamm sich leerte, weil die Poruzzen den Strand stürmten und aus dem Blickfeld der Männer auf der Mauer gerieten. »So ein Fehler, Bosco, weißt du? So ein Fehler, der beschert uns vielleicht ein paar tote Belagerer, der beschert den Tiefländern vielleicht so viele blutige Nasen, dass sie endlich abziehen, weißt du?« Der Cabullo hörte nicht auf, seine Schulter zu tätscheln. Er betrachtete Bosco längst als Schwiegersohn.

Das war ein Problem. Bosco dachte nicht daran, sich in diesem Kaff niederzulassen, nicht einmal auf der Insel wollte er dauerhaft leben. Er brauchte die Wälder, die Hügel, die Süßwasserseen, die Welse, die Karpfen, das Wild und die Vögel; und hin und wieder musste er zur Sozietät in die Erdstadt hinuntersteigen, und sei es nur, um sich mit seinem Vater und seiner Schwester zu streiten, unter dem prüfenden Blick der Meisterin Gewissensbisse zu empfinden und ein wenig in der Chronik zu schmökern. Er brauchte das einfach, na und? Aber mit einer Barbarin als Frau? Unmöglich, sie mit nach Tikanum zu nehmen! Andererseits …

Andererseits konnte er von dem Mädchen nicht lassen. Es war ein Problem, wirklich wahr.

In dem ersten Ruderboot erhob sich jetzt einer der Fremden. Der Riese? Das Glas gegen die Augen gepresst, beugte Bosco sich zwischen die Zinnen. Ja, der Riese, der Schwarze, der Eiserne! Der drehte sich um und winkte den Leuten auf seinem Viermaster zu.

»Gib her!« Der Cabullo entriss Bosco das Binocular. »Will auch gucken!«

Genau in diesem Moment warfen die Fremden, die schon an Land waren, sich in den Sand, und die noch in den Booten hockten, beugten ihre Oberkörper über die Schenkel und verschränkten die Arme über den Köpfen. Ein Blitz zuckte, ein Donner krachte, eine Fontäne aus weißem Sand, Schwertern, Äxten, Stiefeln, Jacken und rötlichen Gliedmaßen stieg hinter den Dünen auf, öffnete sich weit, stand einen Wimpernschlag lang still und fiel dann in sich zusammen. Eine Orkanböe fegte über die Mauerkrone.

Bosco kniff geblendet die Lider zusammen, ließ sich auf den Wehrgang fallen, presste die Faust vor die Lippen. Seine Augen schmerzten, sein Hirn war leer. Niemand stand mehr, alle kauerten jetzt unter den Zinnen auf den Holzbohlen des Wehrgangs. Neben ihm fluchte der Cabullo – vielleicht betete er auch –, neben diesem stammelte einer den Namen irgendeines Gottes, ein anderer zischte einen Zauberspruch gegen Dämonen, und zwei Halbwüchsige riefen nach ihrer Mutter.

Noch einmal zuckte ein Blitz durch den Morgenhimmel, und gleich darauf wieder dieses ohrenbetäubende Krachen. In Boscos Hirn drehte sich ein Karussell aus Bildern, Fragen und Empfindungen. Er dachte an Berichte von Kriegen lange vor der Götternacht, vergilbte Bilder von toten Städten standen ihm vor Augen, und er versuchte sich an das zu erinnern, was die Meisterin ihn über verbotene Waffen gelehrt hatte. Wieder fegte ein Windstoß über die Zinnen.

Danach blieb es erst einmal ruhig. Nur das Getrommel seines Herzens hörte Bosco noch, die keuchenden Atemzüge der Männer neben ihm und das fluchende Geflüster des Cabullos. Irgendwann dann Stimmen von den Dünen her, aufgeregte Stimmen, die sich näherten. Bosco wagte es als Erster, schob sich behutsam am Steinwall hoch, lugte vorsichtig zwischen den Zinnen hindurch.

Die Poruzzen. Sie rannten wie die Langohren. Sechzig oder siebzig Männer, an der Spitze der Sohn eines Capotans. Nach einem Sturmangriff sah das nicht aus.

»Suchen also keinen Streit …«, zischte der Cabullo unter ihm. »Was du nicht sagst!«

Bosco drückte das Glas an die Augen – der junge Rosch ruderte mit den Armen, winkte seine Leute hinter sich her. Er hieß Cahn, Cahn Rosch, genau. Bosco wusste es, weil das Großmaul sich dreimal am Tag vor dem Tor aufgeblasen und die Übergabe der Siedlung gefordert hatte. Der junge, kahlköpfige Hüne trug einen Mantel aus schwarzen und gelben Flicken und hatte seine Glatze mit schwarzen und gelben Streifen bemalt.

Seinen Vater, den Capotan, entdeckte Bosco in den hinteren Reihen der Flüchtenden. Neben ihm stolperte der Anführer der Wenz-Sippe. Bosco kannte die Häuptlinge der Meeresnomaden inzwischen, hatte sich ja Tag für Tag ihr Geprahle anhören müssen.

Nacheinander tauchte ein Dutzend der Fremden vom Viermaster auf dem Dünenkamm auf. Auch der Winzling mit den Augengläsern und der schwarze Riese. An Ketten zerrte der zwei mächtige Caniden zu sich, ging auf die Knie, klemmte die Nacken der Caniden unter seine eisernen Arme, hielt sie fest.

»Was macht der da?« Neben Bosco hatte sich nun auch der Cabullo aus der Deckung gewagt. Er riss dem Jüngeren wieder das Binocular aus den Händen und drückte es selbst an die Augen. »Beschwört der die Geister? Betet der?«

»Mit seinen Kötern?« Bosco wusste nicht, was er davon halten sollte: Immer mehr Fremde erschienen auf dem Dünenkamm und keiner nahm die Verfolgung der Seeräuber auf; alle standen nur reglos da und blickten der flüchtenden Horde nach. Ganz unrecht hatte der Cabullo nicht: Tatsächlich glich der Riese einem in Andacht Versunkenen, wie er da vierhundert Schritte entfernt zwischen seinen Caniden kniete und sie umarmte.

Es geschah so unverhofft, dass Bosco und der Cabullo den Atem anhielten: Die Zelte der Poruzzen brachen zusammen, und die hinteren Reihen der Flüchtenden stürzten in den Sand. Es war, als hätte die unsichtbare Hand eines Titanen Zelte und Seeräuber mit einem einzigen Hieb zu Boden geschlagen, als hätte eine Orkanböe sie umgerissen.

Gab es eine Erklärung dafür? Bosco hatte keine. Er fror plötzlich, und er sah, wie dem Cabullo neben ihm die Unterlippe zitterte.

Die gestürzten Poruzzen stemmten sich wieder hoch, taumelten hinter ihren Gefährten her. Ein grauer Ritter mit rotem Mantel tauchte plötzlich zwischen dem Zwerg und dem schwarzen Riesen auf. Er sprang die Düne herunter, jagte mit wehendem Mantel den Flüchtenden nach, erwischte die beiden letzten und hielt sie fest – Cahn und Wenz, die alten Capotane. Ihre Männer rannten weiter, rannten rechts und links an Chiklyo vorbei Richtung Nordküste, wo das zweite Schiff der Seeräuber ankerte. Die Mauern der Siedlung beachteten sie nicht, ihr zerstörtes Lager ließen sie zurück.

Die Flucht der Poruzzen erschütterte Bosco fast noch mehr als die Feuerblitze und der unerklärliche Zusammenbruch der Zelte und der Flüchtenden – Tiefländer rannten normalerweise nicht weg, vor niemandem. Und schon gar nicht ließen sie ihre Capotane im Stich.

»Was war das, Bosco?«, flüsterte der Cabullo. »Sag mir, was das war …«

Bosco antwortete nicht. Er nahm das Binocular entgegen, das der Ältere ihm reichte. Es war feucht vom Schweiß seiner Hände. Vor den Dünen stieß der graue Ritter seine Gefangenen zu Boden, riss ein Schwert aus der Rückenscheide und schlug beiden Capotanen die Schädel ab, erst dem alten Rosch, dann dem alten Wenz. Bosco traute seinen Augen nicht, so blitzschnell ging das. Auf dem Wehrgang brach Jubelgeschrei aus.

Der Cabullo jubelte nicht und Bosco schon gar nicht. Ihm war übel, und nicht nur vor Hunger. Er richtete das Binocular auf den grauen Ritter. Der wischte sein Langschwert an einem der Toten ab. Hinter den Sichtschlitzen seines Visiers glitzerte etwas, als würden seine Augen brennen. Er drehte sich um und stapfte zurück zu dem Winzling auf der Düne. Wer um alles in der Welt war dieser Kerl?

Und dieser eiserne Riese vor allem – wer war der? Er sprach mit dem Zwerg, rief einen Befehl und stieg dann an der Spitze einer Kolonne aus knapp siebzig Fremden die Dünen herunter, durchquerte das verwüstete Heerlager der Seeräuber und marschierte zum Tor der Siedlung. Keiner auf dem Wehrgang sprach noch ein Wort. Die meisten der fremden Krieger trugen dunkle Helme und mit schwarzem Leder bespannte Rüstungen. Einige waren in schwarze Mäntel gehüllt, manche auch in rote. An den grazileren Bewegungen und zierlicheren Gestalten glaubte Bosco auch etliche Frauen unter ihnen zu erkennen. Vor dem Tor machten die Fremden halt.

Der Riese ragte aus ihrer ersten Reihe auf. An zwei Ketten, die er sich um den linken Unterarm gewickelt hatte, führte er die beiden Caniden – Rüden, wie es aussah. Schwarz-weiß gescheckte Giganten waren das, größer als der größte Wildeber, den Bosco bislang zu Gesicht bekommen hatte; säbelförmige Reißzähne ragten ihnen aus den lappenartigen, schwarzen Lefzen. Die Rüstung ihres Herrn war aus schmutzigem, schwarzem Eisen, sein Visier geschlossen, und in der Rechten hielt er einen Speer, lang wie eine junge Kiefer. Dessen Schaft stieß er ein paar Mal gegen das Tor.

Ob er wollte oder nicht – der Cabullo war der Cabullo und verdammt dazu, eine gute Figur zu machen, also trat er an die Zinnen und beugte sich über die Mauerkrone. Vermutlich wollte er irgendetwas sagen, doch mehr als ein Räuspern kam nicht über seine Lippen; der Anblick des schwarzen Eisenmannes verschlug ihm wohl die Sprache.

»Bist du der Prim hier?«, fragte der Eiserne. Sein Bass dröhnte, und er dröhnte noch lauter, als der Cabullo nicht reagierte: »Bist du der Erste in diesem Dorf? Sprich!« Hinter den Augenschlitzen seines Visiers leuchtete es grellblau und weiß und violett.

Jetzt nickte der Cabullo von Chiklyo.

»Mach dir keine Sorgen«, dröhnte es dumpf hinter dem Visier des schwarzen Hünen. »Alles wird gut – wir müssen nicht jedes Mal gleich Blitz und Donner entfesseln, nicht wahr?«

Der Cabullo nickte stumm.

»Schon gar nicht mit unsichtbaren Fäusten zuschlagen, oder?«

Und wieder nickte der Cabullo.

»Also, was ist?«, fragte der schwarze Hüne. »Wollt ihr nicht endlich das Tor aufmachen?«

Bosco musste immer auf das blaue Licht starren, das aus den Augenschlitzen des Eisernen strahlte. Es machte ihm Angst, und die Angst war auch in den anderen Gesichtern auf dem Wehrgang zu beobachten, einschließlich der Miene des Cabullos. Der hing zwischen den Zinnen wie eingeklemmt. Was würde er tun?

Bosco sah das unheimliche Licht, dachte an die Dampfschiffe, an die fremde Flagge, die grellen Blitze und die scheinbar grundlos stürzenden Zelte und Seeräuber – und inbrünstig hoffte er, der Cabullo würde sich weigern, das Tor zu öffnen. Zugleich aber knurrte sein Magen und ihm war schwindlig vor Hunger. Noch inbrünstiger hoffte er also, der Cabullo würde es endlich öffnen.

»Also gut«, sagte der Cabullo, »dann lass ich halt aufmachen.« Mit stummen Gesten gab er den Befehl, und bald darauf zog der schwarze Riese mit seinen Mammutcaniden an der Spitze seiner Leute durch das Tor und nahm die Siedlung ein. Der Zwerg und sein grauer Ritter beobachteten den Einzug des Eisernen vom Dünenkamm aus.

Versteckt in der Menge und unter der Kapuze seines Dachsfellmantels richtete Bosco seinen verborgenen Sinn auf den Eisenkrieger, als der vorüberging. Nichts spürte er, gar nichts. Er versuchte es mit einem der Rüden, konzentrierte seine Gedanken auf das große Tier, ahmte murmelnd ein Winseln nach. Prompt wandte der Mammutcanide den Schädel. Zwei Atemzüge lang gelang es Bosco, den Blick des knurrenden Tieres festzuhalten, bevor der schwarze Riese es an der Kette mit sich zerrte.

Keiner in der Siedlung, der nach der langen Belagerung nicht nach frischem Fleisch hungerte. Also forderte der Cabullo Bosco auf, sich den Jägern anzuschließen, die schon kurz nach der Einnahme unter der Führung einiger Fremder aus dem Waldtor zogen. Keiner nämlich ahmte den Brunftruf der Wildsau so perfekt nach wie der kleine, drahtige Vagabund vom Festland; niemand lockte in kürzerer Zeit mehr Beute an als er. Und Bosco wäre gern mit den Jägern gegangen – das Mädchen mitnehmen, sich während der Jagd absetzen und zurück ans Festland rudern, das war es, was Bosco am vernünftigsten erschien. Unter einem Vorwand lehnte er dennoch ab.

Bosco war an einen Eid gebunden: Ihn, den Rebellen und Außenseiter, unterstützten die Ältesten der Erdstadt nur, weil er geschworen hatte, als Späher unter den Barbaren Augen und Ohren offen zu halten. Und hier in Chiklyo – soviel war ihm längst klar –, hier würde es demnächst Dinge zu hören und zu sehen geben, die zu erfahren für die Sozietät überlebenswichtig sein konnte.

Er ahnte ja nicht, wie recht er behalten sollte!

»Das ist erst der Anfang«, verkündete einer der Offiziere des Eisenmannes später von der Veranda der Gemeinschaftshütte herab. Die Bewohner der Siedlung hatten sich davor auf dem Dorfplatz versammelt, zweihundert Männer, Frauen und Kinder und ihre Caniden. »Wir werden auch die anderen Inseln befrieden, danach die Küste, einen Stamm nach dem anderen. Und ihr werdet uns helfen, nicht wahr? Danach suchen wir die Feinde der Neuen Goldzeit.«

Der Offizier war klein und schmächtig – das waren sie übrigens fast alle, die Fremden, bis auf den Eisernen – und trug einen schwarzen Ganzkörperanzug. Dazu diese lächerliche Kappe, die sogar den Hals bedeckte und von seinem Gesicht nur die Öffnungen freiließ. Sein Mantel war rot und reichte ihm bis an die Knöchel. Er benutzte die Sprache der Südländer und sprach sie mit weichem, gedehntem Akzent. Als Bosco seine verborgenen Sinne auf ihn richtete, spürte er eine Mischung aus Gleichmut, Genugtuung und dem Gefühl grenzenloser Überlegenheit.

Jetzt hob der Rotmantel die Stimme und rief: »Ich sagte ›Feinde der Goldzeit‹, und ich spreche von Leuten, die unter der Erde leben! ›Maulwürfe‹ nennt ihr dieses lichtscheue Pack, nicht wahr? Wer von euch ist solchen Leuten schon begegnet?«

Bosco starrte auf den Hinterkopf seines Schwiegervaters. Ganz ruhig, nur nicht auffallen! Jemand schien Eis in sein Blut gespült zu haben. Die Erdstadt suchten sie? Aber warum nur?

Bosco begann zu ahnen, dass die Sozietät in Gefahr war. So schnell wie möglich musste er die Meisterin und die Ältesten von Tikanum warnen!

 

3

Manchmal und an manchen Stellen trennt nur ein Schritt diese und die Andere Welt. »Gleich wird sie kommen«, tönt dort eine helle Stimme; eine Stimme, die mehr singt, als dass sie spricht.

»Glaub ich erst, wenn sie vor mir steht«, erwidert eine andere, eine krächzende Stimme.

»Zu viele Jahrtausende haben deinen Geist hart gemacht«, erwidert die erste Stimme. »Du kannst nicht mehr vertrauen, scheint mir, Sakrydor. Hättest mehr schlafen und weniger herumstreunen sollen all die Zeit!«

»Nicht die Zeit hat das gemacht, Sentuya«, krächzt die andere Stimme. »Der Lauf der Welt war’s. Was ich gesehen, was ich gehört hab, hat’s gemacht: Das Geprahle der Flüchtigen, das Kommen und Gehen ihrer Geschlechter, das Geplapper und Geschrei, das sie verbreiten über Meere und Kontinente, der Lärm ihrer Waffen, der Untergang ihrer Städte und Reiche und die große Stille nach den Katastrophen, die sie heute ›Götternacht‹ nennen. Und auch nicht hart, sondern scharfsichtig hat’s mich gemacht. Ja, Sentuya – scharfsichtig und klug.«

»Jetzt rühmt er sich wieder selbst, der eitle Sakrydor, hört nur!« Die helle Stimme kichert. »›Scharfsichtig‹, so nennt man das jetzt, hört ihr? ›Klug‹. Ich nenne es misstrauisch und hart!«

»Nenn’s, wie du willst. Ist mir gleichgültig.« Ein, zwei Augenblicke lang bleibt es still im Gemäuer und im Geäst. Dann fügt die krächzende Stimme hinzu: »Und weißt du was? Vielleicht ist’s mir sogar gleichgültig, ob sie kommen wird oder nicht! Ja, im Grunde ist’s mir ganz egal!«

»Sage ich nicht, du hättest besser zehntausend Sonnenkreise geschlafen, statt zehntausend Sonnenkreise herumzustreunen und immer nur zu schauen und zu hören und zu schauen und zu hören? Sie wird kommen, vertrau mir!«

»Werden’s ja sehen.«

Noch kommt niemand, jedenfalls ist niemand zu sehen. Nur zu hören gibt es etwas, das schon: ein Rascheln, brechende Zweige, ein flehendes Maunzen und Quäken. Und hechelt da nicht auch ein Canide? Bald hören sie es ganz in der Nähe rascheln und maunzen und splittern und kläffen. Der Farn am niedrigeren Ende des Gemäuers bewegt sich, und dann springt ein schwarzes Lamm aus dem Farnfeld, ein junges Böckchen. Als spüre es die Gegenwart der Anderen, äugt es hinauf in die Kronen der Birken, ins Eibengeäst und zur Mauerkrone des zerfallenen Halbrunds, wo Efeu wuchert und Moos die Steine bedeckt.

Das Lamm will zurück in den Farn weichen, doch etwas hält es fest. Das Böckchen öffnet das Maul, um zu mähen, doch kein Mucks dringt mehr aus seiner Kehle. Wie festgewachsen verharrt es vor dem Farnfeld neben dem alten Gemäuer.

Das Hecheln eines Caniden und das Flüstern eines Kindes rücken näher, wieder bewegt sich der Farn, und jetzt sehen sie das Mädchen. An manchen Stellen reichen die Farnwedel ihm über den Kopf, an anderen nur bis zur Schulter, sodass man einen schwarzen Lockenschopf erkennen kann.

»Siehst du, Sakrydor?«, triumphiert die helle, singende Stimme. »Da kommt sie. Was hab ich gesagt?«

»Und wenn sie es nun gar nicht ist?«, krächzt die andere Stimme. »Was dann? Sag’s mir, Sentuya!«

»Sie ist es. Ich gehe zu ihr, ich beweise es dir!«

»Ich gehe! Ich! Will ihr selber auf den Zahn fühlen …«

»Bei allen guten Geistern des Waldes – niemals! Dein bloßer Anblick würde sie ja zu Tode erschrecken! Nein, nein – ich gehe!«

Die beiden Stimmen streiten noch eine Zeitlang jenseits der Schwelle zwischen beiden Welten, während das Mädchen durch das Farnfeld läuft.

Von jeher trennt ein kaum auszulotender Abgrund die Welt der Menschen von der Anderen Welt. Erst seit der Zeitenwende, seit ungefähr fünfhundert Wintern, hat sich das geändert, wenn auch nur sehr langsam und an wenigen Stellen. Und zu der Zeit, als Tondobars Tochter dem Lamm in den Bergwald gefolgt und durch das Farnfeld gestreift ist, gibt es sie längst wieder, jene geheimen Orte, wo nur ein einziger Schritt diese Welt von der Anderen Welt trennt.

Bei den Stämmen und Horden an den Flüssen und in den Wäldern heißen diese Orte Kraftorte. Die Chroniken der Sozietäten nennen sie Zeitfugen.

Will man der Chronik von Altbergen glauben, liegt eine solche Zeitfuge kaum mehr als fünftausend Schritte vom Felstor der Bergstadt entfernt. Es gibt ein zerklüftetes Gemäuer dort zwischen den Buchen, Birken und Eiben, halbrund, nach einer Seite hin offen und an der höchsten Stelle gut fünfzehn Meter hoch. Das verwitterte Halbrund durchmisst so viele Schritte, dass drei Birken, eine große Brombeerhecke und eine hohe, viele hundert Winter alte Eibe darin Platz haben.

»Na gut, dann geh halt du, Sentuya«, sagt die krächzende Stimme aus der dichten Höhe der Eibenkrone.

Und die mit der hellen, singenden Stimme tut schweigend den einen Schritt.

 

4

Plärrend sprang das Lamm durch das Unterholz. Polder, der junge Hütedogger, schnitt ihm wieder und wieder den Weg ab, wollte es zurück zur Lichtung zu treiben. Doch das verstörte den Lammbock nur noch mehr. Katanja versuchte unentwegt, das Tier selbst zu greifen – und trug so ihren Teil dazu bei, es immer tiefer in den Wald zu scheuchen.

Je länger das Mädchen durch das Unterholz streifte, desto heftiger musste es gegen seine Furcht ankämpfen. Seine nackten Füße taten ihm weh. Wie weit mochte es sich schon von der Lichtung und dem Tor entfernt haben? Auf einmal war das Lamm verschwunden.

»Still, Polder, her zu mir!« Katanja griff ins Halsfell des Caniden und hielt ihn fest. »Willst du wohl stehen bleiben, dummer Dogger, du?« Sie kämpfte ihren Drang nieder, laut zu sprechen. Das hätte zwar ihre Furcht ein wenig gemildert, zugleich aber womöglich das Lamm noch weiter von ihr fortgetrieben.

»Hier bei mir bleibst du, böser Dogger!« Das Mädchen riss an Polders Halsfell. Eine Zornesfalte stand zwischen Katanjas schwarzen Brauen. Halb wütend, halb ängstlich sah sie sich um: Nur Gestrüpp, nur Geäst, nur Laub, Bruchholz und Baumstämme – keine Spur mehr vom schwarzen Böckchen. »Da siehst du, was du angestellt hast!«, zischte das Mädchen dem Caniden ins Ohr. »Vertrieben hast du mein Lamm, dummer Dogger, du!«

Der Hütedogger hatte schon gelernt zu gehorchen – er stand still, hechelte und witterte nach allen Seiten. Sein graupelziger Schädel und der Lockenkopf des Mädchens waren etwa auf Augenhöhe. Beide spähten zum halbrunden Gemäuer einer Ruine. Aus einem Farnfeld stieg es bis zur Höhe der Buchenkronen, die es umgaben. Als der Hütedogger die Witterung des Lamms wieder aufgenommen hatte, lief er los und zerrte das Kind mit sich zum Farnfeld.

»Warte, Polder, warte doch!« Katanja versuchte vergeblich, den Dogger festzuhalten – der schleifte sie einfach immer weiter in den Farn hinein. Sie schimpfte und schlug nach ihm, bis es ihr endlich gelang, sich vor den kräftigen Caniden zu schieben. »Sitz! Böser Polder! Sitz!« Der Canide gehorchte. »Ich gehe voran, hörst du? Ich! Du vertreibst mir mein Lamm doch nur wieder!«

Sie drohte mit dem Zeigefinger, drehte sich um und drang tiefer in das Farnfeld ein. Die Spuren des Lammes waren deutlich zu erkennen – es hatte eine Furche sich langsam wieder aufrichtender Halme hinterlassen.

Am Ende der schmalen Gasse im Frühlingsgrün stand jemand.

Katanja erstarrte, ihre Beine gehorchten nicht mehr. Ihr Herz pochte und dröhnte, als wollte es ihren kleinen Brustkorb zersprengen. Polder drängte sich neben sie, senkte den Schädel, fletschte die Zähne und knurrte.

»Wie heißt du?«, fragte eine Stimme.

Katanja, wollte das Mädchen sagen, doch die Angst schnürte ihm die Kehle zu, und kein einziges Wort kam über die Lippen.

»Komm her zu mir!« Die Stimme hinter den letzten Farnwedeln lockte. »Ich will deinen Namen hören!«

Es war eine helle Frauenstimme. Sie klang schön. Katanja wagte wieder zu atmen. Weil die Stimme schön klang, wagte sie auch die drei letzten Schritte bis zum Rand des Farnfelds. Dort bog es die Halme auseinander.

Die Frau war sehr jung, fast selbst noch ein Mädchen. In ihren Armen hing stumm und steif der schwarze Lammbock. »Nun? Willst du mir nicht endlich verraten, wie du heißt?« Sie trug ein moosgrünes Gewand, hatte rotes Haar, grüne Augen und samtene, hellbraune Haut. Sie sah fremdartig aus, doch sie lächelte, und sie lächelte so freundlich, dass der Schrecken des Kindes endgültig verflog. Die Angst wich der Neugier.

»Katanja.«

»Katanja. Dann bist du es also.«

»Und wie heißt du?«

»Sentuya«, sagte die Frau und trat einen Schritt näher.

Polder knurrte und kläffte zunächst, doch als die Frau unbeirrt bis dicht vor ihn und Katanja trat, zog er sich winselnd ins Farnfeld zurück. Das Mädchen drehte sich verwundert nach ihm um. Der Canide hatte die Ohren angelegt, und sein Rückenfell war seltsam gesträubt – so kannte es den jungen Hütedogger nicht.

»Was machst du denn ganz allein im Wald?«, wollte die Frau wissen.

Katanja fuhr wieder herum. »Ich bin nicht allein.« Sie deutete über die Schulter zu Polder. »Wir sind zu zweit, und ich suche mein Lamm.« Sie streckte die Arme aus. »Gib es mir!«

Die Frau wich zurück. »Wäre es wirklich dein Lamm, würde es doch nicht vor dir davonlaufen.« Der Klang ihrer schönen Stimme hallte durch die Ruine.

Katanja neigte den Kopf und lauschte. Als wollte sie singen, so klang es, wenn die Frau redete. Katanja wünschte sich, sie würde nicht aufhören zu sprechen, würde tatsächlich beginnen, ihr ein Lied vorzusingen, doch die Fremde spitzte die Lippen, betrachtete das Lamm in ihren Armen und sagte: »Das arme Tierchen muss sich wohl im Wald verlaufen haben. Ich habe es gefunden und werde es vor dem Verhungern retten.«

»Das brauchst du gar nicht!« Die Arme noch immer ausgestreckt, machte Katanja zwei Schritte auf die Frau zu. »Ich werde ihm zu essen geben.« Sie klopfte auf die Milchflasche in der Tasche ihres Kleides. »Und dann bringe ich es zurück zu seiner Mutter.« Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, ihre Finger berührten das schwarze Fell.

Die Frau wich noch einmal zurück. »Ich habe es gefunden, also gehört es mir!«

»Es ist meins!« Katanja packte die Frau am Kleid und zerrte daran. »Gib es mir! Los!«

»Warum sollte ich? Es ist mir zugelaufen!« Die Frau ergriff das Lamm am Nackenfell, hielt es am ausgestreckten Arm fest und fasste unter ihr grünes Gewand. »Und weißt du was?« Als sie die Hand wieder herauszog, blitzte eine lange Messerklinge in ihrer Faust. »Ich werde es schlachten und braten!« Das Lamm wehrte sich nicht, bewegte sich nicht, machte keinen Mucks.

Der Schrecken fuhr dem Mädchen in die Glieder. »Nein, nein!« Tränen stiegen ihm in die Augen. »Tu ihm nichts!«

»Gebratenes Lammfleisch …« Die seltsame Frau dehnte die Worte und machte eine gierige Miene. »… Ich liebe es!«

Katanja blickte sich nach Polder um, doch der Hütedogger machte keine Anstalten, ihr beizustehen, lag nur winselnd im Farn. Irgendetwas schien ihm mächtig Angst einzujagen. Allmählich wurde auch dem Mädchen unheimlich zumute. »Du kannst es behalten …« Es ließ das Kleid der Fremden los und faltete die kleinen Hände vor der Brust. »Du kannst es behalten, wenn du ihm nicht wehtust.«

Die Frau nahm das Messer von der Kehle des Lamms. »Du gibst also zu, dass es mir gehört?« Sie legte die hohe Stirn in Falten. Das verlieh ihr einen Ausdruck des Erstaunens, ja des Unglaubens.

»Ja, ja!« Wie flehend rang Katanja die Hände. »Ja, wenn du es am Leben lässt, gebe ich zu, dass es deines ist! Wenn du ihm nichts tust, soll es dir gehören!«

Die Frau steckte das Messer weg. »Na gut.« Sie zuckte gleichgültig mit den Schultern. »Ich könnte zwar mit ihm tun, was ich will, denn es gehört ja nun mir. Doch ich kann kleine Mädchen nicht weinen sehen …« Sie drückte das Lamm an ihre Brust und streichelte es. »Und jetzt verschwinde, bevor ich es mir anders überlege!« Mit einer strengen Geste deutete sie auf das Farnfeld.

Schluchzend trottete Katanja dorthin zurück, wo sie hergekommen war. Als die Farnwedel sie wieder ganz umgaben, ließ sie ihren Tränen freien Lauf. Der Hütedogger schlich mit angelegten Ohren und eingezogenem Schwanz hinter ihr her.

Als Farn und Gemäuer hinter ihnen lagen, ging sie mitten im Farnfeld neben dem Caniden in die Hocke. »Du hättest sie packen müssen!«, zischte sie. Ihre Trauer verwandelte sich in Wut auf Polder. »Seit wann fürchtest du dich vor fremden Frauen? Du hättest sie beißen müssen, bis sie das Lamm loslässt!« Mit beiden Fäusten stieß sie ihn in die Flanke und vor die Schnauze. Der große Canide kroch winselnd unter einen Busch.

Katanja schluchzte, wischte sich die Tränen aus den Augen und stapfte ins Gestrüpp zwischen den Bäumen. Unter den Buchen sah sie sich um. Ein Astprügel, halb so groß wie sie selbst, lag dort. Sie packte ihn und schlich ins Unterholz. So lautlos sie konnte, pirschte sie um das halbrunde Ruinengemäuer herum und drang auf der dem Farnfeld gegenüberliegenden Seite ins Buschwerk ein. Irgendwo zwischen den Bäumen sprach die rothaarige Frau mit jemandem.

Katanja verharrte und lauschte: Eine alte, krächzende Stimme antwortete der Frau. Katanja schlich bis zum Stamm der Eibe, der so stark war wie die Säulen in der Vorhalle von Altbergen. Wieder lauschte sie.

Die singende Stimme der Frau klang enttäuscht, die krächzende Stimme schien sie zu verspotten. Den Ast hinter sich herziehend, kroch Katanja auf den Knien und Ellbogen vorbei am Eibenstamm und unter dem tiefhängenden, dicht verflochtenen Geäst des Nadelbaums hindurch und so weit in das Halbrund der Ruine hinein, bis sie die rothaarige Frau sehen konnte.

Die hielt das Lamm auf dem Arm und hatte den Kopf in den Nacken gelegt. Der, mit dem sie sprach, musste irgendwo oben im alten Gemäuer oder in der dichten Krone der Eibe stecken. Die Frau nannte den Unsichtbaren Sakrydor.

Katanja verstand den Namen genau; und sie sollte ihn nie wieder vergessen.

Die Frau in Grün beklagte sich über irgendein Mädchen, von dem sie enttäuscht war, und die krächzende Stimme aus dem Baum behauptete, schon vorher gewusst zu haben, dass besagtes Mädchen nicht das sei, was sie suchten, und wieder spottete sie über die Frau. Katanja begriff nicht, worum es ging – offenbar hatte das Mädchen, von dem die Rede war, in irgendeiner Sache zu früh aufgegeben. Doch sie hörte nicht mehr richtig zu, und es war ihr auch gleichgültig, worüber die beiden rätselhaften Erwachsenen da stritten. Sie wollte ihr Lamm zurück und sonst gar nichts.

Irgendwann bückte sich die Rothaarige und warf das Lamm achtlos ins Unterholz. Katanja sah es mit heißer Wut. Sie packte den Astprügel, sprang aus ihrem Versteck unter dem Eibengeäst und schleuderte den Ast gegen die Frau. Sie achtete nicht weiter darauf, ob und wo sie die Fremde traf und wie diese reagierte, sondern warf sich auf das verstörte Lamm, ergriff es mit beiden Armen und rannte mit ihm zum Farnfeld.

So ein Lamm war jedoch erheblich schwerer, als das Mädchen vermutet hatte, außerdem zappelte es und wollte sich aus seiner Umklammerung winden. Im Versuch, es daran zu hindern, stolperte Katanja. Es gelang ihr zwar, das Böckchen festzuhalten, doch als sie sich auf den Knien aufrichtete, sah sie plötzlich in abgeschabtes Leder gehüllte Beine aus dem Farn ragen. Männerbeine.

Erschrocken hob sie den Blick – das stoppelbärtige, sonnenverbrannte Gesicht eines Fremden schwebte über ihr. In der Rechten hielt der Mann eine breite Klinge, in der Linken ein Netz. Er brummte etwas, das Katanja nicht verstand, rief fremdartig klingende Worte über die Schulter zurück in den Wald und wollte das Netz über ihr ausbreiten. Knurrend schoss ein Schatten unter einem Busch heraus, stürzte sich auf den Mann und riss ihn rücklings in den Farn.

Eine Hand packte Katanja von hinten, zog sie samt dem Lamm zurück bis unter die Eibe und hielt sie dort fest. Es war die Frau in Grün. »Ruhig, Kindchen«, flüsterte sie. »Ganz ruhig.«

Während Polder im Farn mit dem Fremden kämpfte, kniete die Frau die ganze Zeit hinter ihr, umschlang sie und das Lamm mit beiden Armen und hauchte ihr Worte ins Ohr, die wie ein Lied klangen – feierlich und unerhört schön –, und Katanjas wild in ihrer kleinen Brust umhergaloppierendes Herz wurde ganz friedlich, ganz still, und ihr Atem strömte bald gleichmäßig und ohne jede Hast dahin.

Irgendwann jaulte Polder laut auf, und kurz darauf hörte der wilde Kampf im Farn auf. Es raschelte, jemand stöhnte. Dann wankte der Fremde aus dem Farnfeld und sah sich um. Er blutete aus vielen Wunden am Hals, auf den Wangen und an den Händen: Biss- und Kratzwunden. Seine Arme schienen aus Stein zu sein, so schwerfällig wischte er die breite, blutige Klinge an seinem ledernen Hosenbein ab. Er hatte sechs Finger an jeder Hand.

Polder ist tot, dachte Katanja. Seinen Namen wollte sie schreien, Tränen wollten ihr aus der Kehle in die Augen steigen, sich aus den starken Armen losreißen und zu ihm rennen wollte sie – doch der leise Gesang der Frau tröstete sie. Es muss so sein, raunte es aus den unbegreiflichen Worten ihres Liedes, es ist gut so, wie es ist …