Die Tore nach Thulien - Jörg Kohlmeyer - E-Book

Die Tore nach Thulien E-Book

Jörg Kohlmeyer

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Beschreibung

Liam kann seine Familie retten, ist aber gezwungen, sich fortan hinter den feindlichen Linien durchzuschlagen. Von den Entbehrungen der Flucht gezeichnet, zieht die kleine Schar hungrig und gehetzt durch das leergefegte Grenzland. Den Schrecken des Krieges hilflos ausgesetzt, verrohren sie zusehends, bis der Mangel an Menschlichkeit schließlich in einer grotesken Tragödie gipfelt, die Liam zu zerreißen droht. Erst das Treffen mit dem seltsamen Mauser birgt Hoffnung auf Besserung, doch auch hier wird schnell offenbar, dass Gutes immer auch seinen Preis hat. Grodwig indes erfährt durch die zahllosen Flüchtlinge von den schrecklichen Geschehnissen im Westen und beschließt zu handeln. Er befiehlt die stehenden Truppen zur Leue, zieht damit jedoch die Aufmerksamkeit der Krone auf sich. Der König hat andere Pläne und lässt ihn seinen Unmut deutlich und in aller Härte spüren. Weitere Morde erschüttern kurz darauf die Herzogstadt, und Taris und die anderen sehen sich urplötzlich einem Komplott gegenüber, das bis in die höchsten Kreise der Gesellschaft reicht. DER GEHEIME RAT ist die sechste Erzählung der "Tore nach Thulien", mit der wir euch in die phantastische, glaubwürdige und erwachsene Welt von Thulien entführen möchten. In den drei Buchreihen Wilderland, Leuenburg und Schlachtgesänge geben wir euch die Möglichkeit, aktiv an der Entstehung der Geschichten und dem Ausbau der Welt teilzuhaben. Wir schreiben Geschichten … und ihr könnt mitmachen! Wie genau das funktioniert, und noch weit mehr, erfahrt ihr auf der Website www.Tore-nach-Thulien.de. Null Papier Verlag

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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Jörg Kohlmeyer

Die Tore nach Thulien

6. Episode - Der geheime Rat

Jörg Kohlmeyer

Die Tore nach Thulien

6. Episode - Der geheime Rat

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2024Klosterstr. 34 · D-40211 Düsseldorf · [email protected] Coverhintergrund und Logogestaltung: Diana Rahfoth 3. Auflage, ISBN 978-3-954184-84-2

www.null-papier.de/tnt

null-papier.de/angebote

Inhaltsverzeichnis

Zum Buch

Beun­ru­hi­gen­de Nach­rich­ten

Auf Beu­te­zug

Ver­rat

Zwei Ge­schich­ten

Der Tod geht um

Auf Schleich­we­gen

Ver­ra­ten und Ver­kauft

Mild­reth von Hir­schin­gen

Das Pro­tek­to­ri­um

Ge­fähr­li­che Ge­heim­nis­se

Schick­sals­stun­den

Der lan­ge Arm der Kir­che

Aus­blick

Die Tore nach Thu­li­en

1. Epi­so­de – Dunkle Gas­sen

2. Epi­so­de – Däm­me­rung

3. Epi­so­de – Fer­ner Don­ner

4. Epi­so­de – Grüf­te und Ka­ta­kom­ben

5. Epi­so­de – Eine alte Macht

6. Epi­so­de - Der ge­hei­me Rat

7. Epi­so­de – Ver­ges­se­ne Wel­ten

8. Epi­so­de – Trä­nen der Her­rin

Hal­tet die Furt! – Ein Ro­man in der Welt von Thu­li­en

Zum Buch

Dan­ke, dass du mit dem Kauf die­ses ebooks das In­die-Li­te­ra­tur-Pro­jekt »Tore nach Thu­li­en« un­ter­stützt! Das ist aber erst der An­fang. Lass Dich von uns zu mehr ver­füh­ren...

Was sind die »Tore nach Thu­li­en«?

Die »Tore nach Thu­li­en« sind Dein Weg in die phan­tas­ti­sche, glaub­wür­di­ge und er­wach­se­ne Fan­ta­sy-Welt von Thu­li­en. Sie wer­den Dir die Mög­lich­keit ge­ben, mit uns ge­mein­sam an den großen Ge­schich­ten zu ar­bei­ten und der Welt mehr und mehr Le­ben ein­zu­hau­chen.

Un­ter www.Tore-nach-Thu­li­en.de kannst du uns be­su­chen und Nä­he­res er­fah­ren. Wir freu­en uns auf Dich!

Wie kannst du uns heu­te schon hel­fen?

Nimm ein­fach an den re­gel­mä­ßi­gen Ab­stim­mun­gen teil!

Per Mehr­heits­ent­scheid ma­chen wir am Ende der Ab­stim­mun­gen dann den nächs­ten Schritt auf un­se­rem ge­mein­sa­men Weg durch Thu­li­en. Wir wür­den uns freu­en, wenn du uns be­glei­test!

Au­tor

Jörg Kohl­mey­er, ge­bo­ren in Augs­burg, stu­dier­te Elek­tro­tech­nik und ar­bei­tet heu­te als Dipl.-Ing. in der Ener­gie­wirt­schaft. Schon als Kind hat­te er Spaß am Schrei­ben und sei­ne ers­te Aben­teu­er­ge­schich­te mit dem klang­vol­len Na­men »Die drei ma­gi­schen Stern­zei­chen« passt noch heu­te be­quem in eine Ho­sen­ta­sche.

Der fas­zi­nie­ren­de Ge­dan­ke mit Bü­cher in­ter­a­gie­ren zu kön­nen ließ ihn seit sei­nem ers­ten Kon­takt mit den Aben­teu­er Spiel­bü­chern nicht mehr los und gip­fel­te im De­zem­ber 2012 in sei­nem ers­ten Li­te­ra­tur-In­die-Pro­jekt »Die Tore nach Thu­li­en«. Im­mer dann wenn ne­ben der Fa­mi­lie noch et­was Zeit bleibt und er nicht ge­ra­de da­mit be­schäf­tigt ist, sei­nen äl­tes­ten Sohn in pha­na­ta­sie­vol­le Wel­ten zu ent­füh­ren ar­bei­tet er be­stän­dig am Aus­bau der Welt »Thu­li­en«.

www.Tore-nach-Thu­li­en.de

*

Beunruhigende Nachrichten

Lang wa­ren die Schat­ten ge­wor­den. Viel­glie­drig und ver­zerrt fin­ger­ten sie an den mit Efeu über­wu­cher­ten Wän­den ent­lang, wölb­ten sich über die we­ni­gen fla­ckern­den Lich­ter im Hof und kro­chen an trüb ver­schmutz­ten Fens­ter­schei­ben em­por. Mit je­dem Lid­schlag rag­ten sie ein Stück­chen wei­ter über die Mau­ern und Tür­me der Her­zog­burg, wohl wis­send, dass ih­nen die Nacht auf dem Fuße folg­te. Hier und da tanz­te ih­nen trot­zig und wild der Schein von Fa­ckel und Ker­ze ent­ge­gen, und man­cher­orts leis­te­ten kräf­ti­ge Flam­men ver­ein­zel­ter La­ger­feu­er tap­fer Wi­der­stand. Am Ende aber war es nur ein Spiel auf Zeit, und kaum mehr als der kläg­li­che Ver­such, die Welt nicht ein­fach so der Dun­kel­heit zu über­las­sen.

Zu die­ser Stun­de wa­ren im obe­ren Bur­g­hof nur noch we­ni­ge Men­schen un­ter­wegs. Der Stall­bur­sche schlepp­te has­tig den letz­ten Bal­len Stroh für die­sen Tag zu den Pfer­den, und ir­gend­wo im Halb­dun­kel da­hin­ter hall­te das raue La­chen der be­gin­nen­den Nacht­wa­che von den Wän­den. Eine Kat­ze schlich am Mau­er­rand ent­lang, sprang auf ein paar Fäs­ser und ba­lan­cier­te schließ­lich be­hän­de über das alte Was­ser­rohr rauf zum Dach der klei­nen Back­stu­be. Un­heim­lich schim­mernd fin­gen ihre fa­cet­ten­rei­chen Au­gen das letz­te Biss­chen Ta­ges­licht ein und mach­ten das aus ihr, was man am hel­len Tag ger­ne mal über­sah: einen ele­gan­ten und prä­zi­sen Jä­ger. Rasch über­quer­te sie in zwei lan­gen Sät­zen den First, kratz­te über lo­cke­re Schin­deln und ver­schwand schließ­lich ir­gend­wo im Halb­dun­kel des Wehr­gangs.

Die Nacht be­gann in al­ler Ruhe, und wä­ren die Ge­scheh­nis­se der letz­ten Wo­chen nicht ge­we­sen, man hät­te in ihr einen schö­nen, mil­den Früh­lings­abend se­hen kön­nen. So aber ließ sich Grod­wig nicht von der ver­füh­re­ri­schen Ruhe täu­schen, auch wenn er sich ihr, von der Rei­se über­mü­det und durch die Ver­let­zung ge­schwächt, am liebs­ten hin­ge­ge­ben hät­te. Sie war trü­ge­risch und ver­schlei­er­te auf be­son­ders ge­schick­te Art, was sich wirk­lich un­ter ih­rem sanf­ten Kleid ver­barg.

Die Angst hat­te Leu­en­burg ge­packt. Sie hielt die Stadt fest im Griff und drück­te je­den Tag ein biss­chen fes­ter zu. Mit den Sa­bo­ta­ge­ak­ten der Skor­pio­ne und ver­ein­zel­ten Gerüch­ten über Wi­der­gän­ger hat­te es be­gon­nen, und jetzt, nur we­ni­ge Wo­chen spä­ter, sorg­ten die un­zäh­li­gen Schau­er­ge­schich­ten der Flücht­lin­ge vor den To­ren der Stadt da­für, dass die Din­ge Ge­fahr lie­fen, au­ßer Kon­trol­le zu ge­ra­ten.

Grod­wig kann­te sie alle. Je­den Bitt­stel­ler hat­te er ge­dul­dig an­ge­hört und ih­nen ge­stat­tet, ihre ganz per­sön­li­chen Ge­schich­ten zu er­zäh­len. Vie­len tat es da­bei ein­fach nur gut, bei der Ob­rig­keit Ge­hör zu fin­den, und nicht We­ni­ge stan­den zum ers­ten Mal in ih­rem Le­ben der herr­schen­den Klas­se ge­gen­über. Sie re­de­ten sich das Leid von der See­le, neig­ten de­mü­tig den Kopf und über­schüt­te­ten ihn an­schlie­ßend mit Dank­sa­gun­gen und Lob­prei­sun­gen. Ei­ni­ge aber nutz­ten selbst die­sen schwe­ren Schlag des Schick­sals aus. Sie brach­ten in­ne­re Qu­e­re­len vor, schwärz­ten un­lieb­sa­me Lei­dens­ge­nos­sen an oder poch­ten engstir­nig auf die­ser oder je­ner Ver­ein­ba­rung. Am Ende je­doch war Al­len die Rede von Mord und Tot­schlag ge­mein, und je­der sprach mit Grau­en von den un­be­kann­ten Ge­stal­ten, die in voll­kom­me­ner Stil­le ihr grau­sa­mes Werk ver­rich­te­ten.

Das Un­be­kann­te mach­te den Men­schen seit je­her Angst. Grod­wig konn­te, und woll­te, es ih­nen nicht ver­den­ken. Es wa­ren ein­fa­che Bau­ern, die kaum mehr als das ei­ge­ne Dorf ge­se­hen hat­ten und mit My­then und Am­men­mär­chen groß ge­wor­den wa­ren. Selbst ihm, der um die ge­heim­nis­vol­le Iden­ti­tät die­ser hel­len Ge­stal­ten wuss­te, mach­te de­ren An­we­sen­heit zu schaf­fen. Ei­gent­lich hat­te er ge­dacht, deut­lich ge­fas­s­ter zu sein.

Nach­denk­lich wand­te er sich vom Fens­ter ab. Lan­ge Zeit schon hat­te er ge­ahnt, dass es mit dem selt­sa­men Teil­frie­den der letz­ten Jah­re bald zu Ende sein wür­de. Die Vor­zei­chen wa­ren nicht zu über­se­hen. Dass der Krieg aber mit ei­ner der­ar­ti­gen Ge­schwin­dig­keit her­auf­zog, über­rasch­te ihn dann doch. Die­se ra­sche Ent­wick­lung hat­te er sich in sei­nen schlimms­ten Träu­men nicht vor­ge­stellt. Bei der Her­rin, wie sehr hat­te er sich ge­irrt!

Jetzt war er froh, den Reichs­tag frü­her als ge­plant ver­las­sen zu ha­ben. Und trotz al­len Ge­gen­winds war er fest ent­schlos­sen. Ab­ge­wo­gen und das Für und Wi­der be­trach­tet hat­te er zu Ge­nü­ge. Jetzt woll­te er nicht mehr län­ger auf Nach­richt vom Kö­nig war­ten. Die ers­te Ent­schei­dung war ge­fal­len.

Er sah zu Rit­ter To­li­dan. »Mor­gen früh öff­nen wir die Tore und las­sen die Flücht­lin­ge in die Stadt. Ihr wer­det da­für sor­gen, dass alle an­stän­dig ver­sorgt und un­ter­ge­bracht sind.«

To­li­dan nick­te, und ob­wohl die Ges­te ei­gent­lich kei­ne Fra­gen of­fen ließ, sprach sein Blick eine ganz an­de­re Spra­che. Gro­ße Zwei­fel la­gen in den wa­chen Au­gen von Grod­wigs engs­tem Be­ra­ter. »Seid Ihr Euch si­cher, mein Herr? Wir wis­sen nicht, ob sich In­cu­bi un­ter den Men­schen be­fin­den. Und bit­te ver­ge­sst nicht, dass wir den Kut­scher die­ses ver­wahr­los­ten Wa­gens bis heu­te nicht ge­fun­den ha­ben.«

»Das Ri­si­ko gehe ich ein! Wir sind nun ge­warnt, und die Ge­fahr ei­ner um­fas­sen­den Wie­der­kehr ist ge­ring. Lie­ber schla­ge ich mich mit zwei oder drei ver­fluch­ten Wi­der­gän­gern in Leu­en­burg her­um, als die bei­den größ­ten Gei­ßel der Mensch­heit, Zwie­tracht und Ver­rat, ent­fes­selt in den ei­ge­nen Rei­hen zu se­hen. Wenn wir den Men­schen dort drau­ßen nicht hel­fen...«, er deu­te­te mit dem Arm zum Fens­ter, »... wird das für Un­frie­den sor­gen. Un­frie­den, der uns am Ende un­se­re Ei­nig­keit kos­ten könn­te. Und wenn wir uns et­was nicht leis­ten kön­nen, dann sind es Zwie­tracht und Ver­rat!«

»Ih­nen jetzt auf die Bei­ne zu hel­fen, ist kein Pro­blem. Wie aber sol­len wir die zu­sätz­li­chen Mäu­ler auf Dau­er stop­fen. Es ist Früh­ling und die Stadt platzt jetzt schon aus den Näh­ten!«

Grod­wig griff nach sei­nem Schwert­gurt und schnall­te ihn um die Hüf­te. »Wie Ihr schon sag­tet: Es ist Früh­ling! Die La­ger­häu­ser im Trei­del­ha­fen sind prall ge­füllt. Die nächs­ten Wo­chen wer­den wir also kei­ne Pro­ble­me ha­ben.«

To­li­dan ver­zog ver­ständ­nis­los das Ge­sicht. »Ihr wollt die Be­stän­de der Kauf­leu­te re­qui­rie­ren? Das wird für Un­ru­he sor­gen und die Leu­te auf die Bar­ri­ka­den brin­gen.«

Grod­wig prüf­te den Sitz sei­nes Schwerts und hob die Stim­me. »Die Be­stän­de aus den La­ger­häu­sern zu re­qui­rie­ren ist rech­tens. Und die paar auf­ge­reg­ten Kauf­leu­te kann ich ver­win­den. Au­ßer­dem zap­fen wir die Häu­ser erst an, wenn die an­de­ren Vor­rä­te zur Nei­ge ge­hen. Noch be­steht also kein Grund zur Pa­nik.«

To­li­dan er­starr­te. »Rech­tens sagt Ihr?« Sein Blick fiel auf die Be­waff­nung des Her­zogs und er run­zel­te die Stirn. Of­fen­bar wur­de er sich erst jetzt der Zu­sam­men­hän­ge be­wusst. Im­mer­hin trug der Her­zog sein Schwert in­ner­halb der Burg nur in Kriegs­zei­ten. »Ihr wollt das Kriegs­recht aus­ru­fen!«, schluss­fol­ger­te er und such­te ver­stört den Blick sei­nes Her­zogs.

Grod­wig nick­te. »Das wird not­wen­dig sein. Ihr er­fahrt mehr, wenn die Mit­glie­der des ge­hei­men Ra­tes ein­ge­trof­fen sind.«

»Ge­hei­mer Rat?« Jetzt sah der Rit­ter voll­kom­men ver­wirrt und auch et­was hilf­los drein.

Grod­wig hob be­schwich­ti­gend eine Hand. »Habt noch einen Mo­ment Ge­duld. Adun muss je­den Au­gen­blick...«, er brach ab, als er sah, wie die Tür zum Ge­mach ge­öff­net wur­de. Er wuss­te, dass es Adun war. Nur sei­nem per­sön­li­chen Leib­wäch­ter war es ge­stat­tet, die Tür un­auf­ge­for­dert und ohne vor­he­ri­ges An­klop­fen zu öff­nen.

Äch­zend knarr­te das Holz und schwer­fäl­lig schwang es nach in­nen auf. Der groß ge­wach­se­ne Leib­wäch­ter des Her­zogs trat stumm durch den stei­ner­nen Rah­men, schloss die Tür hin­ter sich und ging auf sei­nen Her­zog zu. Er trug noch im­mer die ver­dreck­te Uni­form der Rei­se. Le­dig­lich sein Ge­sicht hat­te er von den gröbs­ten Schlamm­res­ten be­freit. Mit ei­ner leich­ten Ver­beu­gung blieb er vor Grod­wig ste­hen.

»Au­ßer Euch und Rit­ter To­li­dan sind alle Mit­glie­der des ge­hei­men Rats ver­sam­melt, mein Herr. Sie war­ten im Kar­ten­raum. Das hier kam eben aus Kö­nigs­brück.« Er neig­te kurz den Kopf, reich­te Grod­wig ein klei­nes Per­ga­ment und trat zur Sei­te. To­li­dan be­grüß­te er mit ei­nem stum­men Ni­cken.

Der Her­zog warf einen flüch­ti­gen Blick auf die in win­zi­gen Buch­sta­ben ge­schrie­be­ne Bot­schaft, und schob sie an­schlie­ßend un­ter den Wap­pen­rock. Sei­ne Mie­ne war wie ver­stei­nert. »Die Din­ge im Reich ver­schlech­tern sich und neh­men im­mer schnel­ler ih­ren Lauf. Die Zeit drängt! Folgt mir, To­li­dan!«

Ohne ein wei­te­res Wort ver­ließ der Her­zog, ge­folgt von sei­nen Rit­tern, das Ge­mach. Adun be­nö­tig­te in sei­ner Funk­ti­on als Leib­wäch­ter kei­ne Ein­la­dung. So­lan­ge Grod­wig nichts an­de­res be­fahl, wich ihm der kamp­fer­prob­te Rit­ter nicht von der Sei­te. Wie ein Schat­ten folg­te er sei­nem Herrn und ver­stand es, da­bei we­der auf­dring­lich noch ner­vig zu wir­ken. Er hielt sich stets im Hin­ter­grund und be­ob­ach­te­te.

Rasch und mit weit aus­ho­len­den Schrit­ten führ­te Grod­wig die bei­den Rit­ter über die ab­ge­tre­te­nen Stu­fen nach un­ten. Der Kar­ten­raum be­fand sich im süd­li­chen An­bau des Berg­frieds und wur­de in Kri­sen­zei­ten oft als Be­ra­tungs­zim­mer ge­nutzt. Im Frie­den fand er hin­ge­gen nur sel­ten Be­ach­tung. Er ver­staub­te zu­se­hends und diente der Die­ner­schaft als Ab­stell­kam­mer. Heu­te aber hat­te das Ge­sin­de den Kar­ten­raum in al­ler Eile her­ge­rich­tet. Stüh­le wa­ren ge­rei­nigt, das schwe­re But­zen­glas ge­säu­bert, und der große Holz­tisch auf Vor­der­mann ge­bracht wor­den.

Als Grod­wig den klei­nen Saal be­trat, stieg ihm so­fort der tro­ckene und leicht sti­cki­ge Ge­ruch von al­tem Per­ga­ment in die Nase. Im Ka­min an der lan­gen Sei­te brann­te ein Feu­er und zwei schmie­de­ei­ser­ne Ker­zen­stän­der er­leuch­te­ten den Tisch. Die kah­len Wän­de hat­te man not­dürf­tig mit al­ten Wand­tep­pi­chen de­ko­riert, doch selbst de­ren ge­stick­te Mo­ti­ve konn­ten, trotz der he­ro­i­schen und kraft­vol­len Art, nicht über ih­ren schlech­ten Zu­stand hin­weg­täu­schen. Aus­ge­franst und zer­schlis­sen hin­gen sie ge­lang­weilt bis zum Bo­den her­ab und mach­ten klar, dass die­ser Raum eher kurz­fris­tig und über­has­tet her­ge­rich­tet wor­den war.

Die un­frei­wil­li­gen Rats­mit­glie­der stell­ten ab­rupt ihre Un­ter­hal­tun­gen ein und ver­beug­ten sich. Fast al­len sah Grod­wig die Ver­wun­de­rung über die­se nächt­li­che Zu­sam­men­kunft an. Ohne ein Gruß­wort trat er ans hin­te­re Ti­schen­de und be­deu­te­te ih­nen, sich zu set­zen. Rit­ter To­li­dan be­stell­te er an sei­ne rech­te, Uri­el, den Er­lö­ser Leu­en­burgs, an sei­ne lin­ke Sei­te. Der Rest durf­te sich nach ei­ge­nem Da­für­hal­ten am Tisch ver­tei­len.

Als alle sa­ßen und ihre Bli­cke al­lein auf ihm la­gen, nahm auch er Platz. Aus­gie­big mus­ter­te er je­den der An­we­sen­den. Sie alle kann­ten nur Bruch­stücke der gan­zen Wahr­heit und wuss­ten nicht, was er wuss­te. Der Zeit­punkt, das zu än­dern, war ge­kom­men. Vor­her aber muss­te er un­be­dingt noch wis­sen, wor­an er an ih­nen war. Sein Vor­ha­ben muss­te nicht je­dem ge­fal­len.

Die sich rasch über den Raum le­gen­de Stil­le wog schwer und kurz be­vor sie be­gann un­er­träg­lich zu wer­den, er­griff Ei­rik plötz­lich das Wort. Der Me­di­kus rutsch­te, selbst für sein Al­ter, viel zu un­ge­lenk auf sei­nem Stuhl her­um, stöhn­te auf und räus­per­te sich. »Ver­zeiht ei­nem al­ten Mann sei­ne neu­gie­ri­gen Fra­gen, mein Herr.« Die Stim­me war tro­cken und rau. Sie pass­te her­vor­ra­gend in den al­ten Kar­ten­raum. »Wa­rum habt Ihr uns, noch dazu in die­ser un­ge­wöhn­li­chen Kon­stel­la­ti­on, hier­her be­stellt?« Er lä­chel­te mehr ge­quält denn ent­schul­di­gend. »Es ist spät und mei­ne mü­den Kno­chen ru­fen nach Dau­nen­fe­der und Bett­pfan­ne.«

Grod­wig igno­rier­te ihn zu­nächst. Er hol­te tief Luft und setz­te eine erns­te Mie­ne auf. »In die­ser Run­de brau­che ich nicht zu sa­gen, dass Leu­en­burg und das Her­zog­tum in Ge­fahr sind, wohl aber, dass un­se­re Hei­mat al­lein steht und Hil­fe braucht.« Kurz ließ er die Wor­te wir­ken, ehe er mit ei­nem Blick in die Ge­sich­ter der An­we­sen­den fort­fuhr. »Je­der, der an die­sem Tisch sitzt, hat sich um das Her­zog­tum ver­dient ge­macht. Je­der auf sei­ne ei­ge­ne Art und den ei­ge­nen Be­weg­grün­den fol­gend. Egal ob Hei­ler, Pries­ter, Gar­dist, oder Hand­wer­ker, ihr alle seid Teil die­ser Stadt, und nicht zu­letzt des­halb ab heu­te Mit­glied im ge­hei­men Rat von Leu­en­burg. Un­ter mei­ner Füh­rung ta­gen wir von nun an im Ver­bor­ge­nen und neh­men uns künf­tig ge­mein­sam der Sor­gen und Nöte un­se­rer Hei­mat an.«

Erst nach ei­ner kur­z­en Pau­se ging er auf Ei­riks Fra­ge ein. »Krieg zieht auf, Ei­rik, und er un­ter­schei­det nicht nach Ge­burt oder Hand­werk. Müde Kno­chen und ho­hes Al­ter fal­len ihm meist als Ers­te zum Op­fer. Ei­gent­lich soll­tet Ihr das wis­sen, im­mer­hin habt Ihr vie­le mit­ge­macht.« Grod­wig moch­te Ei­rik und schätz­te die nüch­ter­ne Art, wie er Pro­ble­me an­ging. Er kann­te ihn aber auch gut ge­nug, um zu wis­sen, dass der alte Zau­sel sein Al­ter ger­ne als Schild vor­ne­weg trug und oft nur so tat, als kön­ne er kein Wäs­ser­chen trü­ben. »Ver­ge­sst Dau­nen­fe­der und Bett­pfan­ne, und macht Euch lie­ber wie­der mit Schwert und Schild ver­traut!«

»Sehr wohl mein Herr! Ich wer­de mein Mög­lichs­tes tun.« Ei­rik lehn­te sich zu­rück und schmun­zel­te. »Er­war­tet in der Hin­sicht aber bit­te kei­ne Wun­der. Ich hei­le Wun­den und schla­ge sie nicht.« Er senk­te den Kopf und fal­te­te un­schul­dig die Hän­de.

Als das er­le­digt war, rich­te­te Grod­wig das Wort an Ta­ris, den Haupt­mann der Stadt­wa­che. »Er­zählt mir von den Flücht­lin­gen, Ta­ris! Wie vie­le Men­schen la­gern in­zwi­schen drau­ßen vor den To­ren? Sind sie wohl­auf?«

Der Haupt­mann war sicht­lich über­rascht, als Ers­ter spre­chen zu dür­fen. Es dau­er­te einen Au­gen­blick, bis er sich fing. »An die zwan­zig Fa­mi­li­en har­ren au­ßer­halb der Mau­er aus, mein Herr. Von Stun­de zu Stun­de wer­den es mehr, und alle ha­ben Hun­ger. Ei­ni­ge sind ver­wun­det, man­che krank. Vie­le ha­ben kei­ne Kraft mehr zu lau­fen und der Schre­cken des Er­leb­ten sitzt ih­nen im Na­cken.«

Grod­wig nick­te. »Ja, da­von habe ich ge­hört. Rit­ter To­li­dan hat den Be­fehl er­hal­ten, mor­gen früh die Tore zu öff­nen und die Flücht­lin­ge in die Stadt zu las­sen. Sie be­kom­men zu Es­sen, eine Un­ter­kunft und me­di­zi­ni­sche Ver­sor­gung.« Kurz ging sein Blick zu Ei­rik. »Ihr wer­det Euch dar­um küm­mern. Stimmt Euch mit To­li­dan ab!«

Der Me­di­kus von Leu­en­burg nick­te er­ge­ben und mur­mel­te sei­ne Zu­stim­mung.

Grod­wig saß ker­zen­ge­ra­de im Stuhl. Noch ver­trau­te er nicht vollends al­len Rats­mit­glie­dern, al­len vor­an Uri­el und Bru­der Mala­chi­as. Sie wa­ren Män­ner der Kir­che und nur dem Erz­de­le­ga­ten zur Treue ver­pflich­tet. Die bei­den vor die Wahl zu stel­len, und sie zwi­schen dem Erz­de­le­ga­ten und dem Her­zog­tum ent­schei­den zu las­sen, war hei­kel. Was, wenn sie sich auf die Sei­te des Obers­ten der Kir­che stell­ten? In je­dem Fall woll­te er ihre Mei­nung zu den Din­gen hö­ren. Ob und in­wie­fern sie am Ende wirk­lich aus­schlag­ge­bend für ihr wei­te­res Schick­sal war, wür­de sich zei­gen. Er muss­te vor­sich­tig sein und be­hut­sam vor­ge­hen.

Wie­der schick­te er sei­nen Blick mit un­be­weg­ter Mie­ne in die Run­de. Alle au­ßer Uri­el hiel­ten ihm nur we­ni­ge Se­kun­den stand. Schließ­lich rieb er sich nach­denk­lich das Kinn. »Was meint ihr, ist der Grund für die Flucht und das Elend die­ser Leu­te?« Dies­mal hat­te er die Fra­ge ein­fach in den Raum ge­wor­fen und je­der durf­te sich an­ge­spro­chen füh­len.

Als kei­ner et­was sag­te, er­griff Rit­ter To­li­dan das Wort. »Nun, wenn man den Ge­schich­ten glau­ben darf, ist ein un­be­kann­ter Feind im Wes­ten des Reichs ein­ge­fal­len. Er brand­schatzt, mor­det, und treibt die Men­schen vor sich her.«

Zu­stim­men­des Ge­mur­mel und ni­cken­de Köp­fe wa­ren die Fol­ge.

»Man sagt, un­zäh­li­ge Wi­der­gän­ger su­chen die freie Küs­te und die Grenz­lan­de heim«, warf Bru­der Mala­chi­as mit ei­nem Sei­ten­blick auf Uri­el ein.

»Das ist nicht be­wie­sen!«, schnarr­te Ei­rik un­ge­hal­ten und hob be­leh­rend einen Fin­ger. »Was dort wirk­lich vor­ge­fal­len ist, kön­nen wir nicht mit Be­stimmt­heit sa­gen.«

»Ihr müsst aber zu­ge­ben, dass die­ser Feind, den Be­schrei­bun­gen der Flücht­lin­ge nach zu ur­tei­len, den Wi­der­gän­gern hier in Leu­en­burg ver­dammt ähn­lich sieht.« Es war Uri­el, der Ei­riks kri­ti­sche Aus­sa­ge in al­ler Ruhe kon­ter­te.

Eine neu­er­li­che Er­wi­de­rung blieb ihm der Me­di­kus schul­dig. Er ver­schränk­te nur die Arme vor der Brust und zog die Mund­win­kel fast bis zum Kinn­an­satz nach un­ten.

»Spielt es denn eine Rol­le, wer Häu­ser ver­brannt und Kin­der um ihre El­tern ge­bracht hat? Reicht es nicht, zu wis­sen, dass es pas­siert ist?« Der Ein­wurf kam von Ta­ris.

Grod­wig fi­xier­te den Haupt­mann ein­ge­hend. Prin­zi­pi­ell hat­te er ja Recht, doch lei­der war sei­ne Be­trach­tung zu kurz­sich­tig. Er mach­te es sich da­mit, wenn auch un­be­wusst, zu ein­fach.

»Ja, das tut es!« Grod­wig ließ sei­ne Ba­ri­ton­stim­me be­son­ders kräf­tig durch den Kar­ten­raum hal­len. »Auf einen un­be­kann­ten Feind, der noch dazu den See­weg nutzt, kann man sich nicht vor­be­rei­ten. Er taucht über­ra­schend auf und schlägt hart zu.« Es klatsch­te laut, als er sich mit der Faust kräf­tig in die of­fe­ne Hand­flä­che schlug.

»Doch wehe dem...«, er hob mah­nend einen Fin­ger und ließ es so aus­se­hen, als strei­fe sein Blick rein zu­fäl­lig Uri­els Ge­stalt. »Wehe dem, der alte Ge­schich­ten stolz und über­heb­lich igno­riert, War­nun­gen in den Wind schlägt und sich in die ei­ge­ne Ta­sche lügt! Mit ihm wird es ein bö­ses Ende neh­men.« Es ge­lang ihm nur mit Mühe, den auf­ge­stau­ten Frust der letz­ten Jah­re aus der Stim­me zu ver­ban­nen. Ger­ne hät­te er sich Luft ver­schafft, doch jetzt war nicht die Zeit da­für. Er woll­te die Re­ak­ti­on des Er­lö­sers nicht ver­pas­sen und muss­te sei­ne Ge­füh­le im Zaum hal­ten. Au­ßer­dem brauch­ten sie nicht wis­sen, wie lan­ge er schon ge­gen die sub­stanz­lo­sen Geis­ter der Ein­fäl­tig­keit focht.

»Aber mit ge­nau die­sem un­be­kann­ten Feind wer­den wir doch ge­ra­de kon­fron­tiert, Her­zog Grod­wig.« Uri­el beug­te sich nach vor­ne und blick­te in die Ge­sich­ter der an­de­ren.

Grod­wig wand­te sich ihm zu. Of­fen­bar ver­stand der Er­lö­ser sehr wohl, wem sei­ne pro­phe­ti­schen Wor­te ge­gol­ten hat­ten. Zu­min­dest fühl­te er sich an­ge­spro­chen.

Uri­el er­wi­der­te sei­nen Blick un­ge­rührt. »Es ist rich­tig, dass die In­cu­bi in den Schrif­ten der Alt­vor­de­ren Er­wäh­nung fin­den. Auch be­le­gen Auf­zeich­nun­gen, dass Wi­der­gän­ger seit je­her im Reich in Er­schei­nung ge­tre­ten sind. Ve­rein­zelt, iso­liert, und von den Pro­tek­to­ren der Kir­che gna­den­los ver­flogt. Aus die­ser War­te her­aus be­trach­tet, sind sie für die Kir­che wirk­lich kei­ne Un­be­kann­ten mehr. Aber...«, er hob be­leh­rend einen Fin­ger. »und ich spre­che jetzt nur für mich selbst.« Sei­ne Auf­merk­sam­keit galt nun Ei­rik. »Ich muss zu­ge­ben, dass Mei­nes­glei­chen nicht wirk­lich viel über sie weiß. Zu sel­ten ge­sch­ah es bis­her, und zu schnell wur­den sie von den Glau­bens­brü­dern des Pro­tek­to­ri­ums dem rei­ni­gen­den Feu­er der Er­lö­sung über­ge­ben. Sich da­bei nur auf alte Bü­cher und Fo­li­an­ten zu ver­las­sen, reicht nicht aus.«

Er mach­te eine kur­ze Pau­se, stand auf und sah ein­dring­lich zu Grod­wig. »Eine der­ar­ti­ge Wie­der­kehr hat es seit den Ta­gen der großen Ei­ni­gungs­krie­ge nicht mehr ge­ge­ben. Und das, was sich die Flücht­lin­ge vor den To­ren er­zäh­len, stellt al­les bis­her Da­ge­we­se­ne in den Schat­ten. Wer im Reich hät­te da­mit rech­nen sol­len?« Als er wie­der Platz nahm, such­te er vor al­lem den Blick sei­ner Mit­strei­ter der letz­ten Tage.

Grod­wig fiel auf, dass alle, so­gar Ei­rik, ihm be­stä­ti­gend zu­nick­ten. »Ist das so, Er­lö­ser? Weiß die Kir­che wirk­lich so we­nig über sie?« For­schend such­te er in Uri­els Au­gen nach der Wahr­heit.

Der Er­lö­ser blieb trotz des boh­ren­den Blickes ru­hig. »Mein Wis­sen ist das der al­ten Schrif­ten. Ich bin in der Lage, Wi­der­gän­ger zu er­ken­nen und weiß, wie man sie be­kämpft. Die Kir­che ver­mag noch weitaus mehr aus­zu­rich­ten. Der Her­rin sei Dank bin ich aber nicht die Kir­che. Die Kir­che ist das, was wir aus ihr ma­chen.«

»Amen!«, schloss plötz­lich Asen­fried, sehr zur Über­ra­schung der an­de­ren, die Rede des Er­lö­sers. Ge­lang­weilt fuhr sich der Schmied vom al­ten Markt mit ei­ner schwie­li­gen Hand durch den Bart und fi­xier­te den wuch­ti­gen Holz­tisch. Er selbst dach­te sich of­fen­bar nichts da­bei, doch ern­te­te er so­fort einen miss­bil­li­gen­den Blick von Bru­der Mala­chi­as. Ei­rik hin­ge­gen schmun­zel­te.

Grod­wig ging gar nicht dar­auf ein. »Ver­ab­schie­det Euch von die­ser Vor­stel­lung, Uri­el! We­der Ihr, noch ich, noch sonst wer, au­ßer dem Erz­de­le­ga­ten, ma­chen die Kir­che. Der Erz­de­le­gat IST die Kir­che. Was er sagt, pas­siert, und sein Ein­fluss bei der Kro­ne ist enorm. Voll­kom­men Un­recht habt Ihr aber trotz­dem nicht, Ihr müsst es nur an­ders for­mu­lie­ren: Nicht wir ma­chen die Kir­che, son­dern wir ha­ben die Kir­che ma­chen las­sen!«

Ei­si­ge Stil­le brei­te­te sich au­gen­blick­lich im Saal aus. Grod­wig war sich der Be­deu­tung sei­ner Wor­te durch­aus be­wusst, doch woll­te er da­mit nicht mehr hin­ter dem Berg hal­ten. Viel zu lan­ge schon wur­de es im Reich so ge­hand­habt.

Bru­der Mala­chi­as sog bei sei­ner Be­mer­kung scharf die Luft ein. Er schick­te einen vor­sich­ti­gen Blick in Rich­tung Uri­el.

Der Er­lö­ser blieb, trotz der un­ver­hoh­le­nen Schuld­zu­wei­sung, ru­hig sit­zen. Er ant­wor­te nicht gleich, son­dern schi­en sich sei­ne Wor­te gut zu über­le­gen. Die oh­ne­hin schon ge­la­de­ne Stim­mung im Raum trieb er da­mit auf die Spit­ze.

»Ent­we­der ist Euer Ver­trau­en in Bru­der Mala­chi­as und mich gren­zen­los, oder aber Ihr wer­det auf an­de­re Art da­für sor­gen, dass die­se Ket­ze­rei nie­mals of­fen­bar wird.«

Jetzt war es Grod­wigs Ge­sicht, in dem alle nach ei­ner Ant­wort forsch­ten. Auch er ließ auf sie war­ten und sag­te im ers­ten Mo­ment gar nichts. Er saß nur da und sah Uri­el in die Au­gen. Die an­de­ren wag­ten nicht, sich zu rüh­ren oder gar das Wort zu er­grei­fen. Ir­gend­wann aber lä­chel­te er und die An­span­nung ver­schwand.

»Wür­de ich Euch und Bru­der Mala­chi­as nicht ver­trau­en, wä­ret ihr gar nicht erst hier.« Das er ih­nen ver­trau­te war na­tür­lich glatt ge­lo­gen, doch wie sonst soll­te er sich ih­rer Loya­li­tät ver­si­chern?

Uri­el er­wi­der­te das Lä­cheln und neig­te re­spekt­voll den Kopf. »Dann wer­den wir blei­ben und nicht mehr über Ket­ze­rei spre­chen.« Jetzt ent­spann­te sich die Lage end­gül­tig und das Ei­si­ge ver­schwand aus der Luft.

Grod­wig nick­te zu­frie­den und er­hob sich. Ob­wohl Uri­el den ers­ten Test be­stan­den hat­te, konn­te von ech­tem Ver­trau­en noch kei­ne Rede sein. Die Her­rin moch­te ihm die klei­ne Lüge von eben ver­zei­hen.

»Und den­noch wird euch, und da­mit mei­ne ich alle hier im Raum, nicht ge­fal­len, was ich zu sa­gen habe.« Er schob sei­nen Stuhl nach hin­ten und um­run­de­te lang­sam den Tisch. »Hö­ren wir auf, uns et­was vorzu­ma­chen. Ihr kennt die Ge­schich­ten der Flücht­lin­ge. Ihr wisst, was man sich auf den Stra­ßen er­zählt und ei­ni­ge von euch sa­hen be­reits Din­ge, die man nur aus al­ten Le­gen­den und Am­men­mär­chen kennt.«

Am an­de­ren Ende des lan­gen Kar­ten­tischs an­ge­langt, blieb er ste­hen und mach­te eine kur­ze Pau­se. Sein Blick ging in wei­te Fer­ne und die Stim­me wur­de farb­los. »Ver­ge­sst, was man euch in Kin­der­ta­gen er­zählt hat! Die Am­men­mär­chen und al­ten Le­gen­den sind mehr als nur gute Un­ter­hal­tung. Sie sind wahr! Wir wur­den alle be­lo­gen!«

Au­ßer, dass sich die Rats­mit­glie­der ge­gen­sei­tig un­gläu­bi­ge Bli­cke zu­war­fen, ge­sch­ah im ers­ten Mo­ment gar nichts. Dann aber fin­gen alle gleich­zei­tig an zu spre­chen, und ein wil­des Durchein­an­der setz­te ein. To­li­dan und Ta­ris steck­ten be­sorgt die Köp­fe zu­sam­men, und Ei­rik lie­fer­te sich mit Uri­el ein wil­des Wort­ge­fecht quer über den Tisch. Bru­der Mala­chi­as ver­such­te, sei­nen Er­lö­ser nach bes­ten Kräf­ten zu un­ter­stüt­zen, doch Ei­rik ließ sich den Schneid dies­mal nicht ab­kau­fen. Der alte Me­di­kus hielt mit ei­ner Ve­he­menz da­ge­gen, die ihm Grod­wig gar nicht mehr zu­ge­traut hat­te.