Die Toten Vom Regenwald - Pamela Fagan Hutchins - E-Book

Die Toten Vom Regenwald E-Book

Pamela Fagan Hutchins

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  • Herausgeber: Tektime
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2022
Beschreibung

Eine Leiche vor dem Tor. Ein verschollener Ehemann. Katie braucht eine Menge Voodoo, um ein tropisches Verbrechen aufzuklären.
„Katie ist die erste Figur seit Stephanie Plum, in die ich mich Hals über Kopf verliebt habe!“ Stephanie Swindell, Buchladen-Besitzerin.
Katie Connell ist glücklich verheiratet und lebt auf der Insel St. Marcos. Gerade als sie meint, endlich ein schönes Leben mit ihrem Traummann und ihren Kindern gefunden zu haben, kommt vor dem Tor ihres Jumbie-Hauses ein Unbekannter ums Leben. Der Chef des Ermordeten hat viele gute Beziehungen und beauftragt Katie und Nick, den Fall zu untersuchen. Sie entdecken, dass ihr Zuhause ein furchtbares Geheimnis verbirgt. Noch bevor Katie diese Neuigkeit verdaut hat, kommt ihr Mann eines Abends nicht nach Hause. Zu allem Überfluss verweigert der Polizeichef die Zusammenarbeit, als Katie um Hilfe bittet und droht, das Haus kurzerhand beschlagnahmen zu lassen. Kann Katie ihren Mann im Alleingang aufspüren, bevor die Spur kalt wird oder werden einflussreiche Kräfte für Katies frühzeitiges Ende sorgen?
Die Katie-Bücher haben über 4.000 Rezensionen und eine Durchschnittsbewertung von 4,6 Sternen. Die Originalausgabe „Finding Harmony“ ist in digitaler, gedruckter Form und als Hörbuch erhältlich. Es ist das dritte eigenständige Buch der Katie-Trilogie und das dritte Buch der tempogeladenen Romantic-Mystery-Serie What doesn’t kill you („Was dich nicht umbringt“) „Once Upon A Romance“ nennt Hutchins eine vor Dynamik strotzende Nachwuchsautorin. Wer Sandra Brown oder Janet Evanovich mag, dem wird auch die Bestseller-Autorin von USA Today, Pamela Fagan Hutchins, gefallen. Pamela ist ehemalige Rechtsanwältin, gebürtige Texanerin und hat fast zehn Jahre auf den US-Jungferninseln gelebt. Sie bestreitet, dass sie sich in dieser Zeit Notizen zu der Serie gemacht hat.
Hier einige Kommentare von Amazon-Lesern über die „Was dich nicht umbringt“-Krimis:
„Kann man nicht mehr aus der Hand legen.“ „Angemessene Warnung: Vor Lesebeginn alle Termine absagen, weil man es nicht mehr weglegen kann.“ „Hutchins ist eine Meisterin der Spannung.“ „Fesselnder Krimi … mitreißende Romanze.“ „Alles ist Klasse: der Plot, die Figuren und der Stil. Die Leser dürfen sich auf ein wirkliches Vergnügen freuen.“
„Ich war sofort gefesselt.“
„Faszinierend.“
„Ein temporeicher Krimi.“
„Man kann es nicht mehr aus der Hand legen.“
„Unterhaltsam, komplex, regt zum Nachdenken an.“
„Mord war noch nie so unterhaltsam!“
„Sie werden diesen Trip garantiert genießen.“

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DIE TOTEN VOM REGENWALD

EIN KARIBISCHER ABENTEUERROMAN MIT KATIE CONNELL

PAMELA FAGAN HUTCHINS

Übersetzt vonULRIKE JENISCH

TEKTIME

INHALT

Gratis PFH E-Books

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Vorwort

Danksagungen

Über die Autorin

Bücher der Autorin

In englischer Sprache

Lob für Pamela Fagan Hutchins

Andere Bücher von SkipJack Publishing

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ZWEI

Gut Annalise, St. Marcos, US-Jungferninseln

30. August 2014

Nick und ich wechselten einen ungläubigen Blick. Ich drückte Liv fest an mich und presste meine Lippen auf ihre feinen roten Härchen. Plötzlich ertönte ein donnernder Knall, unsere Köpfe fuhren herum. Nick und ich rannten auf die Einfahrt, das war eindeutig ein Schuss gewesen. Meine Füße machten klatschende Geräusche auf der harten Erde, Liv hüpfte auf meiner Hüfte auf und ab. Mit einer Hand hielt ich ihren Nacken fest, mit dem anderen Arm umklammerte ich ihren Körper. Ich rannte ohne etwas zu sehen, das kohlschwarze Dunkel verwandelte sich zu Pechschwarz. Die Geräusche der Nacht wurden lauter, die klebrige Süße der Nachtluft machte das Atmen schwer.

Nick überholte mich, er legte die Strecke im Eiltempo zurück. Über die Schulter rief er mir zu: „Du und Mama bleibt mit den Kindern im Haus. Schick Paps her. Und sperr die Türen ab.“

Ich hörte das Pochen meines Herzschlags, es hallte in meinen heißen Ohren wider. Ich hielt an, um Atem zu schöpfen. Mir lag schon eine scharfe Antwort auf der Zunge, aber ich verschluckte sie. Was für eine hirnlose Idiotin rannte denn auf ein Geräusch zu, das wie ein Schuss klang und hielt dabei noch ihr Baby im Arm? Zwei Herzschläge später wirbelte ich herum. Ich sprintete zurück zum Haus, auf dem Weg stieß ich auf Kurt.

„Hat sich wie ein Schuss angehört“, sagte er.

„Ja! Nick hat gesagt, du sollst bitte kommen – und zwar schnell“, sagte ich.

Kurt hielt sich nicht mit einer Antwort auf. Er rannte hinter Nick her in die Nacht.

Julie stand herum wie erstarrt und hielt Jess fest. Ich tätschelte Taylors Schulter und führte ihn zum Sofa im großen Wohnzimmer.

„Taylor, willst du Disney Channel gucken?“ Ich schaltete ihn ein und wusste gleichzeitig, dass es ein Wunder wäre, wenn das reichte, um dieses umtriebige Kind ruhigzustellen. Ich sah mich nach meiner Schwiegermutter um, die sich immer noch nicht rührte. Ich brauchte ihre Hilfe, also stupste ich sie sanft. „Julie, ich kümmere mich um die Türen und Fenster. Suchst du bitte einen Platz für die Mädels?“ Julie zögerte, ihre Augen waren geweitet, dann nickte sie und legte eine Decke für die Babys auf den Teppich im Wohnzimmer. Sie redete beruhigend auf sie ein und nach kurzer Zeit spielte sie mit den Kindern.

Ich raste von der Tür zum Fenster und wieder zurück zur nächsten Tür, ich schloss Fenster und sperrte Türen ab. Außer bei schlechtem Wetter stand gewöhnlich alles offen, damit die Passatwinde durchwehen und das Haus kühlen konnten. Heute hatten wir sie so weit wie es nur ging geöffnet. Ich verfluchte Annalises Bauweise: 7 Türen und 37 Fenster. Hier handelte es sich mitnichten um ein Unterfangen, bei dem man einfach mal zur Haustür ging und den Riegel vorschob.

„Annalise, ich wäre dir echt dankbar, wenn du lernen würdest, das selber zu machen“, murmelte ich. Keine Antwort, ich hatte auch keine erwartet. Ihr Schweigen war ermutigend. Wenn sie eine Bedrohung spürte, übermittelte sie normalerweise ihre Erregung durch vibrierende Tassen und Untersetzer sowie Knacklaute in den Stromleitungen.

Gerade war ich mit dem Absperren fertig geworden, da hörte ich jemanden dreimal an die Küchentür klopfen.

„Wer ist da?“

„Wir sind’s, Katie“, antwortete Nick.

Ich sperrte wieder auf und öffnete weit die Türe für Nick und meinen Schwiegervater. Kurt war aschfahl. Das war ein ganz schlechtes Zeichen.

„Wir müssen die Polizei anrufen“, sagte Nick.

Ich starrte meinen Mann an. Nick ist von Beruf Privatdetektiv, aber meiner Meinung nach ist er eine Art einsamer Cowboy, immer hart an der Grenze, Gesetze zu übertreten. Das traf zu, als er noch in den Staaten tätig war. Hier auf St. Marcos rief niemand die Polizei, wenn es irgendwie vermeidbar war. Polizisten und Verbrecher waren fast nicht zu unterscheiden. Auf der Titelseite der St. Marcos Daily News standen mehrmals im Monat Berichte über kriminelle Bullen, wobei sich die Verbrechen von Drogenhandel über Entführung bis hin zu Mord erstreckten.

Dazu kam noch, dass unsere einheimischen Freunde uns als Nicht-Einheimischen geraten hatten, einen Eindringling niemals zu verletzen. Wenn die Polizei eingeschaltet wurde, stellten sie sich unweigerlich auf die Seite des Einheimischen, selbst wenn er bewaffnet war. Einige Freunde hatten sogar noch drastischere Ratschläge auf Lager: Nicht nur solle man dem potentiellen Eindringling/Vergewaltiger/Mörder/Entführer nichts zuleide tun, man solle ihn vielmehr umbringen und die Leiche hinter dem Damm vor der Küste ins Meer schmeißen, wo der Meeresboden in eine Tiefe von etwa 2000 Meter abfällt, circa 1,5 Kilometer vor dem nördlichen Inselrand. Nick und ich waren übereingekommen, dass wir im Fall eines Eindringlings unseren Freund Rashidi zu Hilfe rufen würden und nicht die Polizei. Unser Schutz setzte sich aus fünf Hunden, einem Aluminium-Baseballschläger, einer Leuchtpistole und einem Jumbie-Haus zusammen und seit wir vor einem Jahr wieder nach St. Marcos gezogen waren, hatte es noch keinen einzigen Zwischenfall gegeben. Bis heute.

„Was ist los?“, fragte ich.

„Auf der Straße bei unserem Tor parkt ein Auto“, sagte Nick. „Mit einem sehr toten Typen drin. Noch ganz frisch.“

Meine Selbstbeherrschung kämpfte mit Millionen von Fragen, aber ich behielt sie für mich und gab Nick das Telefon. Er erklärte dem Beamten am anderen Ende mehrfach die Lage.

„Wir wohnen abseits der Panoramastraße an der Nordseite des Regenwalds. Wir haben einen Schuss gleich beim Haus gehört.“

„Nein, ich war mir nicht sicher, dass es ein Schuss war, aber es klang so. Ich bin rausgegangen, um nachzusehen. Vor unserem Tor parkt ein Auto.“

„Okay, also, in dem Auto ist eine Leiche.“

„Nein, ich weiß nicht, wer das ist. Nein, ich weiß nicht hundertprozentig, ob es ein „Er“ ist, aber die Leiche ist sehr groß. Ich schätze mal über 1,80 und mehr als 90 Kilo und sie sieht nicht aus wie der Körper einer Frau.“

Und so ging es endlos weiter. Während er dem Beamten antwortete, wurden meine Fragen auch gleich beantwortet. Ich drehte an meinem goldenen Ehering herum, der meiner Mutter und zuvor meiner Großmutter gehört hatte.

Nick sah völlig erschlagen aus, als er auflegte. „Du lieber Gott, wie ich Jacoby vermisse“, sagte er und nahm damit Bezug auf einen befreundeten Polizeibeamten, der im Dienst ermordet worden war. „Aber sie sind auf dem Weg. Ich dusche mal, bevor sie kommen – es könnte Minuten oder auch Stunden dauern.“

Ich folgte ihm ins Bad.

Er drehte das heiße Wasser ganz auf und stieg in die Dusche. Die Trockensaison fing gerade erst an und eine Duschorgie bei vollem Wasserdruck, wenn man von einer Zisterne abhängig ist, zeugt entweder davon, dass man ein Idiot oder sehr aufgeregt ist. Nick war kein Idiot. Das Bad füllte sich mit Dampfschwaden und ich schrieb „Ich liebe dich“ auf den Spiegel, während er sich einseifte.

Er sagte: „Ich bin kaputt von der Jagd auf dieses verdammte Schwein und jetzt müssen wir uns auch noch damit herumschlagen. Du weißt doch, wie das mit den Bullen laufen wird.“

„Ich weiß“, sagte ich. „Du lieber Himmel, ich habe Wilbur auf dem Tisch vergessen.“

„Kannst du ihn auf Eis legen? Tut mir leid, dass ich dir nicht groß helfen kann, aber ich habe auf dem Heimweg ein paar Packungen Eis gekauft.“

„Eis. Daran hab ich nicht mal gedacht. Wilbur zersetzt sich auf meinem brandneuen Wohnzimmertisch.“ Meine Schultern und meine Stimme wurden angespannt.

„Katie . . . “

„Auf dem Tisch liegt ein totes Schwein, in der Einfahrt eine Leiche und eine Legion von Toten wird bestimmt gleich durch unsere Zisternen ins Haus geschwemmt. Scheiße, hier geht’s zu wie bei Zombie 2.“

„Er liegt nicht wirklich in der Einfahrt“, sagte Nick und stellte die Dusche ab. „Und du weißt genau, dass unter dem Haus keine Toten liegen. Dieser Typ war nur auf schnelle Kohle aus.“ Er wickelte sich in ein Handtuch und schlang die Arme um mich. „Und morgen schmeißen wir eine ganz tolle Party für unsere zwei perfekten Töchter.“

Mit der Rückseite meines Handgelenks verbarg ich ein Lächeln. „Wie ich es hasse, wenn du mir einen schönen Wutanfall kaputtmachst. Ich bin grade in Schwung gekommen.“

Er küsste mich auf die Lippen. „Machst du mir jetzt das eklige Zeug drauf oder nicht?“

Ich setzte eine ernste Miene auf und holte die teure Feuchtigkeitscreme heraus, auf die Nick insgeheim ganz scharf war. Ich vollführte mein Ritual der Gesichtspflege, wobei mein eigenes nur Zentimeter von seinem entfernt war und summte dabei You’re so vain. (Hit von 1972 von Curly Simon, Anm. d. Übers.)

Nick verdrehte die Augen. „Schon besser. Ich habe förmlich gespürt, wie sich tiefe Falten eingraben, wie norwegische Fjorde.“

„Alles klar, Methusalem.“ Als ich fertig war tätschelte ich ihm energisch die Wange. „Ich kümmere mich jetzt um Wilbur, und du schlägst dich mit den Freunden und Helfern von St. Marcos herum.“

„Klingt gut.“

Nick sah nicht aus wie Methusalem. Er sah ausgesprochen gut aus. Ich blickte nach unten auf mein Strickkleid von Sloop Jones, mein Standardaufzug. Ich liebte einfach die aufgemalten Farben und den Blusenschnitt des ärmellosen Minikleids. Ich hatte sieben Exemplare mit unterschiedlichen Mustern, für jeden Wochentag eines. Konnte ich mit meinem gutaussehenden Mann mithalten? Ich machte mir Gedanken. Nick wurde mit jedem Jahr noch attraktiver und er hatte nicht vor drei Monaten Zwillinge geboren. Manchmal vergaß ich unter den formlosen Kleidern meine schlaffe Figur, aber ich wusste, dass ich nicht mehr so aussah wie die Frau, in die er sich verliebt hatte. Das war eine Anwältin gewesen, die zur Arbeit Klamotten von Donna Karan und St. Johns und Slingback-Pumps mit 7-Zentimeter-Absätzen trug, ein String-Bikini-Star an den Stränden von St. Marcos, mit so vielen sonnenbraunen Sommersprossen, dass es fast als richtige Bräune durchging.

Ich musste unbedingt an etwas anderes denken.

Ich ging hinaus und stieß auf Julie und Kurt, die die drei jüngsten Kovacs fütterten: einen aus einer Schachtel Cheerios und zwei mit der Flasche. Nein. Ich stillte nicht. Ich wäre bei der La Leche Liga (Gemeinnützige Organisation zur Unterstützung des Stillens, Anm. d. Übers.) eine Riesenversagerin.

„Danke, dass ihr euch vorhin um die Kids gekümmert habt“, sagte ich zu meiner Schwiegermutter.

„Tut mir leid, dass ich in Panik geraten bin, Katie“, sagte sie. „Jetzt geht’s mir besser. Obwohl mich der Tote schon schwer beunruhigt.“

„Mich auch.“ Mehr als ich mich traute zu zeigen oder zuzugeben. Ich überlegte, ob sich der Mörder aus dem Staub gemacht hatte oder sich immer noch im Wald versteckte. Oder hatte sich der Tote umgebracht? Wie auch immer, eine Leiche in der Einfahrt war einfach extrem schlechtes Karma.

Während Nick und Kurt zu der Leiche hinausgingen, um mit der Polizei zu reden, machte ich mich auf den Weg ins Wohnzimmer, um das Wilbur-Projekt in Augenschein zu nehmen. Plüsch-Kuscheltierchen waren rund um „Wilburn“ gestopft, Taylor war fleißig gewesen. Mein lieber Bub hatte ein Plüschschwein direkt neben den Kopf des toten Schweins platziert. Die

Tierchen würden zu einem antibakteriellen Waschgang in der Maschine versenkt werden, jetzt gleich.

Meine Tischplatte war aus Glas. Ich war nah dran gewesen, einen Tisch mit Mahagoniplatte zu kaufen, aber jetzt wäre Mahagoni eine Katastrophe. Ich stopfte eine wasserundurchlässige Tischdecke unter Wilburs plastikumwickelten Körper und stopfte zusammengerollte Handtücher um ihn herum. Dann bedeckte ich ihn mit zwei Beuteln Eis und wickelte noch mehr Plastik um das Ganze, damit es auch hielt. Ich flitzte in die Küche, machte eine Notiz, mehr Plastikfolie zu kaufen und ging zurück ins Wohnzimmer, um mein Werk zu begutachten.

„Sieh einer an, du hast ja ungeahnte Fähigkeiten, Katie Kovacs, wirklich toll“, lobte ich mich selber, dann ging ich in die Küche, um unser sehr spätes Abendessen zuzubereiten.

Als sich Nick endlich zwei Stunden später ins Haus zurückschleppte, sah er aus, als bräuchte er noch eine Dusche bei vollem Wasserdruck. Er kam zu mir in die Küche und ich machte ihm einen Teller mit dem restlichen Essen.

„Wie ist es gelaufen?“, fragte ich.

„Der Bulle, der für die Untersuchung zuständig ist, George Tutein? Ein krasser Typ“, antwortete Nick.

„Krasser Typ?” Ich lachte. „Du klingst wie ein Teenage-Surfer aus Port Aransas, Texas. Und mit den Haaren“, ich zerzauste ihm die braunen Wellen, die auf sehr perfekte Art immer etwas zu lang aussahen, „siehst du auch wie einer aus.“

Er tat so, als würde er das übergehen, aber ich merkte, dass er es genoss.

Ich redete weiter. „Ich habe ihn noch nicht kennengelernt, aber von ihm gehört. Er ist der Beamte, der die Unterlagen zum Tod meiner Eltern unterschrieben hat. Dann hat er dafür gesorgt, dass mich Jacoby zu ihrem Mörder schickt, diesem Privatdetektiv, der meinen Fall bearbeiten sollte. Außerdem stand neulich was in der Zeitung über ihn. Er hat die St. Marcos-Auszeichnung zum Polizeibeamten des Jahres bekommen. Es war ein Foto von ihm drin mit Frau und Kindern. Es heißt, dass sie Kinderärztin ist.“

„Wirklich? Na, vielleicht ist er heute mit dem falschen Fuß aufgestanden. Hat dir Kurt erzählt, dass sie die Leiche identifiziert haben?“

„Nein. Wer ist es denn?“, fragte ich. Ich stellte seinen Teller in die Mikrowelle unter der Anrichte.

„Der Mann war Angestellter bei Petro-Mex und heißt Eddy Monroe.“

Die Petro-Mex-Raffinerie war gleich hinter der Regierung der zweitgrößte Arbeitgeber von St. Marcos. Petro-Mex, ein multinationales Öl- und Gasunternehmen, das wiederum 100 Prozent der Raffinerie besaß, gehörte dem mexikanischen Staat.

„Willst du damit sagen, dass einer der Angestellten aus dem Gelände entkommen ist?“ Ich bereute den doofen Witz sofort. „Sorry, das war nicht nett, der Mann ja tot.“ Ich setzte Nicks Teller vor ihn hin und gab ihm das Besteck, dann beschloss ich, dem Ganzen die Krönung aufzusetzen und holte ihm noch ein O’Doul’s (antialk. Biermarke, Anm. des Übers.) aus dem Kühlschrank.

„Danke, Schatz“, sagte er. „Aber es stimmt. Das ist die am besten abgeschottete Belegschaft, die ich je gesehen habe. Fast wie ein Kult.“

Die Raffinerie besaß ein Gelände mit 750 Wohnungen. Fast 3.000 Menschen lebten hinter mit Stacheldraht gekrönten Umzäunungen. Sie hatten eigene Restaurants, Schwimmbad, Kirche, Freizeitzentrum, Lebensmittelladen und Tankstelle. Die Bewohner boten von ihren Wohnungen aus Dienstleistungen an wie Kitas und Friseurdienste, die Kinder gingen sogar innerhalb des Geländes zur Schule. Aber vielleicht konnte ich das nicht objektiv beurteilen. Ich jedenfalls würde mich wie Rip Van Winkle (Erzählung d. amerik. Schriftstellers Washington Irving, Anm. d. Übers.) fühlen, wenn ich hinter einem Stacheldrahtzaun eingesperrt wäre und das auch noch direkt neben einer dröhnenden Industrieanlage.

Nick redete weiter. „Ich habe alles getan, damit Tutein nicht bei Annalise reinmarschiert und euch alle befragt. Vielleicht tut er das ja noch.“

Ich wischte die Arbeitsflächen gründlich sauber und warf einen prüfenden Blick auf die glatten, grünbraunen Granitplatten, die Schränkchen aus Mahagoni, die Geräte aus Edelstahl und die gestreiften Porzellanfliesen. Diese Anordnung dieser „Farb“-Palette hatte normalerweise eine beruhigende Wirkung auf mich. Heute Abend nicht.

„Ich werde schon mit ihm fertig“, sagte ich.

Manchmal fragte ich mich, ob mein Mann vergessen hatte, dass ich nicht nur Prozessanwältin war, sondern auch einen schwarzen Karategürtel hatte, dank eines Vaters, der von Selbstverteidigung besessen gewesen war. Ich ging zum Becken und fing an Geschirr zu spülen. Ich besaß eine Spülmaschine, aber Spülen per Hand verbrauchte weniger Wasser.

„Im Ernst, Katie, ich wünschte, du wärst ihm nie über den Weg gelaufen.“

Nick zeigte nur äußerst selten so instinktiv negative Reaktionen auf Menschen. Ich machte eine geistige Notiz, mich von Tutein fernzuhalten.

Und natürlich kam Tutein in genau diesem Moment herein. Oder zumindest versuchte er es.

Ich hörte, wie jemand die Tür öffnen wollte und wirklich sein ganzes Gewicht dagegen warf, aber sie blieb zu, als ob sie versperrt wäre. Was sie nicht war, was wiederum hieß, dass es jemand war, den Annalise nicht leiden konnte.

„Wer ist da?“, fragte ich.

„Kriminalpolizei, George Tutein. Machen Sie bitte auf.“

Wäre nett gewesen, wenn er geklopft hätte. Ich öffnete die Tür und trat beiseite. Er hatte sein Zivilfahrzeug bis ganz vor unsere Haustür gefahren und auf dem Gras geparkt. Vom Vordersitz aus starrte mich jemand an, nur das Weiße der runden Augen war im Dunkeln deutlich sichtbar.

„Ich habe keinen Handyempfang. Geben Sie mir bitte Ihr Telefon”, sagte Tutein grußlos, er fragte auch nicht nach meinem Namen. Er streckte die Hand aus.

„Wir haben hier oben kein Festnetz, aber versuchen Sie es ruhig mit meinem Handy“, sagte ich. Ich nahm mein ramponiertes altes iPhone heraus und bot es ihm an.

Er starrte darauf. „Schon gut, vergessen Sie’s.“

Er drehte sich um und verließ das Haus, die Tür knallte von selbst hinter ihm zu. Es war einfach, Annalise gernzuhaben. Sie war unser überdimensionaler Schutzengel.

Ich wandte mich um und sah, dass Nick mich beobachtete.

„Du hast recht”, sagte ich. „Er ist ein Arschloch und benimmt sich sehr seltsam. Warum wollte er mein Handy nicht?“

Nick klopfte mit dem Zeigefinger an die Lippen, dann meint er: „Vielleicht wollte er nicht, dass sein Anruf in deinem Anrufprotokoll auftaucht. He, wenn wir schon von Arschlöchern reden, rate mal, wer hier aufgetaucht ist und was von Leichen gefaselt hat?“

„Unser Irrer von neulich?“

„Genau. Ist mit seiner Story direkt zu Tutein marschiert. Tutein hat mich gefragt, was das soll. Ich habe ihm erzählt, dass der Typ spinnt und es keine Skelette gibt, aber Tutein hat ihn hinten in sein Auto gestopft und gesagt, dass er ihn in die Stadt mitnimmt.“

So viel zu „Bloß nicht die Behörden informieren“. Die weißen Augen, die mich aus Tuteins Auto angestarrt hatten, mussten seine gewesen sein. Wenigstens hatte Nick die Gelegenheit gehabt, Tutein unsere Seite der Story zu erzählen. Ich sah auf und starrte Nick an, der mit dem Essen fertig war und jemandem textete.

„Wem schreibst du denn?“

Nick sah mich mit leerer Miene an. „Was?“

„Wem textest du?”

„Oh. Dem Sicherheitschef von Petro-Mex. Du weißt doch, dass ich seit einem Jahr für sie arbeiten will. Also habe ich ihn angerufen, sobald ich den Toten in der Petro-Mex-Uniform gesehen habe. Er hat mich beauftragt, bei der Klärung der Todesursache zu helfen. Sie trauen der Polizei nicht. Tutein hat sie schon informiert, dass es ein klarer Fall von Selbstmord ist. Aber Petro-Mex meint, das könnte nicht sein.“

Das war eine Menge zu verdauen. In meinem Kopf schrillten Alarmglocken, zwar noch weit weg, aber sie kamen näher. „Warum?“

„Er hat gerade geheiratet. Niemand glaubt, dass er ein Selbstmordkandidat war, besonders jetzt nicht. Angeblich sagen seine Kollegen, dass er geradezu blödsinnig glücklich war.“

„Warum kümmert sich Petro-Mex überhaupt drum? Ist das nicht eine Familienangelegenheit?“ Ich hatte gerade mit dem Abtrocknen und Geschirreinräumen angefangen und merkte jetzt, dass ich in meiner Verwirrung schon dreimal denselben Teller abgetrocknet hatte.

„Die machen zwischen Familie und Unternehmen nicht unbedingt einen Unterschied.“

Ach ja, richtig. Der Kult. Ich streckte die Hand nach Nicks Geschirr aus, aber er stand auf und brachte es selber zum Spülbecken. Und spülte es ab. Wie nett von ihm, dass er mir half, endlich. Als er fertig war, zog er an der Kette, die an seinem Hosengürtel befestigt war und holte die goldene Taschenuhr heraus, die wir in Annalises Wand versteckt gefunden hatten. Ich hatte sie für ihn reparieren lassen, und als Geschenk „Glückwünsche, Papa“ eingravieren lassen, als ich erfuhr, dass ich mit den Zwillingen schwanger war. Auf der Vorderseite stand immer noch „Meine Schätze“, so, wie wir die Uhr gefunden hatten, aber jetzt waren Fotos von drei Kindern und mir drin, anstatt der Familie des Vorbesitzers.

„Zehn Uhr“, meinte er.

Ich war geschafft. „Können wir im Bett weiterreden?“

„Machen wir.“ Er folgte mir ins Schlafzimmer und sagte: „Ich glaube, das wird ein großer Fall für uns. Es wäre schön, mehr Klienten auf der Insel zu haben.“

Nick arbeitete fast ausschließlich für Kunden in den Staaten. Aber er machte auch vorrangig computerbasierte, kriminaltechnische Ermittlungsarbeit. Keine potentiellen Mordfälle.

„Ich weiß nicht so recht, Nick. Irgendwie habe ich bei der Sache ein ungutes Gefühl. Du bist der einzige Nick, den ich habe. Ich möchte, dass du gesund und munter bleibst.“

„Unke.“

Aber das war ja das Komische – das war ich eigentlich nicht. Ich machte mir selten Sorgen um Nick. Aber jetzt fühlte ich mich unwohl. So, als würde es bei dieser Ermittlung täglich eine Leiche geben, bis die Sache vorbei war. Wir wohnten hier draußen sehr isoliert. Wir verließen uns aufeinander. Ich konnte Nick einfach nicht verlieren, ich hasste diese Vorahnung.

Die Worte platzten aus mir heraus. „Nick, nimm diesen Job nicht an. Bitte. Mein sechster Sinn sagt das.“ Ich streckte die Hand aus, er ergriff sie. „Ich kann es nicht erklären, aber ich habe Angst.“

Er stieß einen tiefen Seufzer aus. „Tut mir leid, aber ich muss den Job annehmen. Ich möchte, dass du mich dabei unterstützt. Wenn irgendwas schiefgeht, höre ich auf. Okay?“

Ich starrte ins Weite und kämpfte gegen ein Gefühl der Bedrohung an. Es schien, als hätte ich keine Wahl. Aber ich wusste es. Ich wusste einfach, dass bei dieser Ermittlung etwas nicht stimmte. Tat ich das wirklich? Ich könnte mir ja auch etwas einbilden. Mein sechster Sinn hatte nicht immer recht. Aber warum das Risiko eingehen? Ich wollte nicht noch einen toten Mann vor dem Haus. Besonders nicht diesen Mann.

Mir fiel ein, was ich zu tun hatte. Ich musste für seine Sicherheit sorgen, das war alles, und ich wusste auch, wie ich das bewerkstelligen konnte.

„Wann fangen wir an?“, fragte ich.

Früher hatten Nick und ich in Dallas, Texas, in der Kanzlei Hailey & Hart zusammengearbeitet. Später und bis zur Geburt der Zwillinge waren wir Partner in seiner Privatdetektei Stingray (Stachelrochen, auch verwendet für „verdeckte Ermittlung“, Anm. d. Übers.) gewesen, wenn ich nicht gerade zusammen mit Ava, meiner exotischen Partnerin, für ein Taschengeld der texasstämmig-näselnde Teil eines Gesangsduos war. Es wäre vernünftig, mich für diesen Fall freiwillig zu melden.

„Stopp, Cowgirl. Hier gibt’s kein „wir“. Das ist ein Fall mit Leiche – viel zu gefährlich. Und du hast jede Menge zu tun hier oben mit den Babys und allem anderen. Ich hol mir Rashidi zur Unterstützung, wenn ich welche brauche.“

Ich hatte meinen Freund Rashidi etwa zur gleichen Zeit wie Ava kennengelernt, als ich zum ersten Mal nach St. Marcos gezogen war. Er war derjenige, der mir Annalise vorgestellt hatte. Seitdem hatte ihn aber Nick für sich vereinnahmt. Ich spürte, wie mir Hitze von meinem Schlüsselbein den Nacken hinauf über die Ohren in den Kopf stieg, bis meine Kopfhaut brannte. Ich wusste, dass ich mir, rein technisch gesehen, bei den Wehen mit den Zwillingen zwar nicht wirklich das Gehirn herausgepresst hatte, aber es gab Tage, da überfiel mich mit Nick ein ähnliches Gefühl.

Nick pfiff tonlos vor sich hin und setzte sich an den kleinen Schreibtisch in unserem Schlafzimmer.

„Nick …“, fing ich an.

Bei meinem Tonfall drehte er den Kopf schnell in meine Richtung, aber da läutete mein Handy.

Ava. Wenn ich mit ihr redete, gäbe mir das vielleicht Zeit, kurz Luft zu holen. Weil ich gerade dabei war, mich kopfüber in den Abgrund einer Diskussion mit meinem Mann zu stürzen.

„Später“, sagte ich zu Nick. Hörte ich da etwa, wie er verstohlen die Luft ausstieß?

„Hallo, Ava“, antwortete ich und ging ins Bad, um mit ihr zu reden.

„Hallo, Katie. Ich hab einen Anruf für einem Gig bekommen. Wann fängst du wieder an, mit mir zu singen?“

Avas Anfrage kam unverhofft, obwohl ich erwartet hatte, dass sie mich irgendwann kontaktieren würde. Als ich nichts sagte, redete sie einfach weiter. „Es könnte schon klappen, trotz der Kids … wir könnten zum Beispiel nur Tages-Gigs annehmen, wenn du willst. Mich rufen immer noch Geschäftsleute an, die den Touris Nachmittagsunterhaltung am Strand bieten wollen.“ Avas Tochter war nur einen Monat jünger als meine Zwillinge.

„Ich frag mal Nick“, hielt ich sie hin.

„Dann sag ihm, dass ein Nein nicht gilt. Montagabend sind wir eingeladen, bei einer Jacht-Club-Party aufzutreten. Du musst dich aber aufbrezeln – keins von deinen Sackkleidern – und mach was mit deinen Haaren. Ich schau Montagnachmittag vorbei zum Proben.“

Ich gab vor, ganz lässig zu bleiben, aber mich durchzuckte ein Schauder der Erregung. Ich würde morgen Abend singen! Das schlug um Längen alle Grübelei wegen Leichen oder wie ich meinen Mann davor bewahren könnte, selber eine zu werden.

Ich legte auf und ging zurück ins Schlafzimmer, wo Nick immer noch mit dem Stift zugange war. Ich beschloss, die Neuigkeiten mit dem Jachtclub noch für mich zu behalten bis nach der Tauffeier. Ich zog mir meine Schlafklamotten an. Ich schlug die Decken zurück. Ich räusperte mich vernehmlich.

Als er mich endlich ansah, fragte er: „Was ist los?“

Ich füllte den inneren Platz, wo sich meine Worte versteckten, mit Sauerstoff und beim Ausatmen stieß ich sie hervor: „Ich verstehe nicht, was mit mir los ist. Zumindest nicht ganz. Aber es gibt eine Sache, die mir sehr, sehr wichtig ist. Und ich will, dass du zustimmst.“

„Aha, und was ist es?“, fragt er.

„Ich will mit dir zusammen den Eddy-Monroe-Fall für Petro-Mex bearbeiten.“

Er sah nicht gerade glücklich aus. Er schubste das Bettgestell zurück in die vorherige Position und spielte auf Zeit. Ich setzte eine neutrale Miene auf, während er innerlich einen Kampf mit sich ausfocht.

Als er antwortete, sprach er langsam. „Ja, unter einer Bedingung.“

„Was für eine?“

„Dass wir zuerst eine Krisensitzung einberufen für das Stingray-Personal, das an dem Fall „Leiche vor der Einfahrt“ mitarbeitet.“

Ich dachte über den Vorschlag nach und fand ihn annehmbar. „Eröffnen wir also die Sitzung“, sagte ich und winkte mit einem Finger. Er machte einen Hechtsprung ins Bett.

Was als nächstes stattfand könnte in einigen Firmen rein technisch als sexuelle Belästigung gelten, aber es war die effektivste Teamsitzung meiner Karriere. Als der Deckenventilator ganz von selber zu rotieren begann, trafen sich unsere Blicke und wir lachten.

„Danke, Annalise. Ich glaube, das brauchen wir“, sagte Nick.

„Sie kümmert sich gut um uns. Aber ich darf dir versichern, dass sie sich wie ein Wildschwein auf dich stürzt, wenn du mich schlecht behandeln solltest.“ Ich weiß, dass das seltsam klingt, aber mein Jumbie-Haus war meine beste Freundin. Wir hielten uns gegenseitig den Rücken frei.

Er biss mich in den Nacken und ich stöhnte – auf wohlige Art.

„Wildschwein? Dir spukt Wilbur im Kopf herum und deine Texaswurzeln zeigst du auch grade.“ Er knabberte weiter. „Ich werde dich niemals schlecht behandeln, aber nicht, weil ich vor einem großen, neugierigen Jumbie-Haus Angst habe, das man auf einen Friedhof gebaut hat.“

Ein Foto von Nick auf meinem Nachtkästchen fiel mit einem Knall um. Alle Fotos von Nick in unserem Schlafzimmer fielen um, eins nach dem anderen.

„Das hat irgendwie schon abfällig geklungen, Schatz. Und wir wissen ja nicht wirklich, ob sie auf einem Friedhof steht oder nicht. Aber ich glaube, das mit den Fotos nennen die Typen von der Marine Warnschuss vor den Bug. Eine Entschuldigung wäre jetzt angebracht, bevor sie eine richtige Kanone abfeuert.“

„Ich betrachte mich als gewarnt. Ich entschuldige mich ganz aufrichtig, Annalise. Auch wenn du ein großer Jumbie und eine Spannerin bist, meine ich das auf eine höchst respektvolle und nette Art. Den Teil mit dem Friedhof kann ich nicht beurteilen.“

Mein Haus verstummte. Nick widmete seine ganze Aufmerksamkeit meinem Nacken und die knisternde Hitze zwischen uns verwandelte sich in ein Freudenfeuer.

Ich lächelte wieder und ließ mich gehen.

DREI

Gut Annalise, St. Marcos, US-Jungferninseln

1. September 2014

„Katie, ich nehme mir heute Vormittag frei“, sagte Nick, als ich am Morgen nach unserer Tauffeier aufwachte.

Eine prima Idee. Das Fest am Abend war zwar wunderschön gewesen, aber wir waren so mit den Gästen und den Babys beschäftigt gewesen, dass wir die ganze Zeit kaum miteinander geredet hatten. Ich stieß die leichte Satin-Bettdecke zur Seite, rollte mich auf meinen Ehemann und überlegte, wie ich ihn für diese Idee belohnen könnte.

„Also hab ich mir gedacht, dass ich zum Flughafen fahre, ein paar Stunden fliege und dann brav drei Stunden arbeite, bevor ich mich mit Rashidi am North Shore zum Surfen treffe. Danach können wir am Abend mit den Kids zusammen essen, vor deinem Gig mit Ava“, meinte er.

Ich rollte mich wieder von ihm herunter. Zum Glück waren meine Überlegungen in punkto Belohnung noch nicht weiter gediehen. Mal im Ernst: Seit er und sein Vater diesen Flieger, eine Piper Malibu, gekauft hatten, war er geradezu besessen davon. Er hatte eine Tendenz dazu: Flugzeuge, Surfbretter, Bassgitarren und Ermittlungen, an welchem Fall er auch immer gerade arbeitete – Nick widmete sich seiner jeweiligen Betätigung mit großer Hingabe. Ganz offensichtlich stand ich heute Vormittag nicht auf seiner Liste.

Ich biss mir auf die Lippen und dachte: Man sollte nie im Ärger voreilig den Mund aufmachen. Stattdessen sollte man planen und strategisch vorgehen. Als erstes musste man der Zielperson ein falsches Gefühl der Sicherheit einflößen.

„Okay, wenn du das willst, Schatz, von mir aus. Ich bleibe dann einfach da mit deinen Eltern und den Kids. Soll ich irgendwas für dich erledigen, während du nicht da bist, Liebling?“

War das letzte „Liebling“ zu viel gewesen? Hatte ich mich verraten?

„Bist du sicher?“, fragte er. „Wenn ja, wäre es toll, wenn du für mich Surfbrett-Wachs kaufst und es mir mit meinem Brett an den Strand bringst. Das spart mir einen Haufen Zeit. Du weißt ja, ich kann mein Brett nicht im heißen Auto lassen, sonst schmilzt mir das ganze Wachs weg.“ Er liebkoste meinen Nacken. „Was habe ich bloß getan, dass ich dich verdiene? Keine Ahnung.“

Nein, ich hatte offenbar meine Karten nicht aufgedeckt. Also, weiter zu Schritt zwei: nach sanfter Annäherung der Zielperson an die Gurgel springen.

„Nur damit ich das richtig verstehe: Anstatt Zeit mit den Kids und mir zu verbringen, gehst du lieber den halben Tag fliegen und surfen, und danach blödelst du im Internet und auf Twitter rum?“

Der Ausdruck in Nicks dunklen Augen sagte: „Ach, du Scheiße“, aber sein Mund formte keine Worte.

„Und außer auf deine Kinder aufzupassen soll ich auch noch Besorgungen für dich erledigen, damit du deine lustige Freizeit ohne uns optimieren kannst?“

Meiner Erfahrung nach führt die Zielperson mindestens einen Verteidigungsversuch durch.

„Ich habe den Vorschlag gemacht, dass wir uns alle zum Abendessen treffen“, sagte er.

„Nun, ich schätze mal, dass ich dir hiermit zustimmen muss.“

„Wie meinst du das?“ Nicks Pupillen erweiterten sich zur Maximalgröße.

„Was hast du bloß gemacht, dass du mich verdienst?“

Meine Arbeit war beinahe vollendet: Ich würde der Zielperson nun gestatten, sich zu erholen damit sie selber dafür sorgen konnte, bei mir wieder gut angeschrieben zu sein.

Nick studierte meinen Gesichtsausdruck. „Katie, ich wollte dich nicht kränken.“

„Ich weiß.“ Tiefer Seufzer. „Ich weiß, dass du das nicht gewollt hast.“

Ich überließ es dem entstehenden Schweigen, seine Magie zu entfalten.

„Was hältst du davon, wenn wir mit den Kindern in die Ike’s Bay fahren zum Picknicken, nur wir fünf? Wir können die Mädels in die Babytragen legen und Taylor setze ich in den Rucksack.“

Ich leistete Widerstand, aber nicht zu heftig. „Nein, nein, ist schon okay, geh fliegen und surfen.“

„Ich will doch was mit euch machen. Wir könnten meinen Eltern einen Erholungstag gönnen. Wahrscheinlich wissen sie gar nicht mehr, was sie allein mit sich anfangen sollen.“

„Wirklich?“

„Wirklich.“

„Das wäre toll, Nick.“

Es war verblüffend, wie einfach es mir gelang, jedes Familienmitglied glücklich zu machen. Wirklich, ein echtes Talent von mir.

Natürlich war der tatsächliche Trip dann nicht der idyllische Familienausflug, der mir vorgeschwebt hatte. Alle drei Kinder brüllten, als ob wir sie in Säure anstatt ins Meer tunkten. Aber eines Tages würden das amüsante Erinnerungen sein.

Um sieben Uhr abends stand ich neben Ava auf der Bühne, einem Ort, der mir einst so vertraut und jetzt so beunruhigend fremd war. Meine Nerven flatterten im Takt zum Klirren von Avas Armreifen. Ava und ich gaben vor, uns nicht finster anzustarren, aber hinter unserem Lächeln redeten wir durch zusammengebissene Zähne miteinander.

„Wo warst du?“, fragte Ava.

„Wie, wo war ich? Ich bin genau da, wo du gesagt hast, dass ich sein soll. Eigentlich bin ich sogar zu früh dran“, gab ich zurück.

„Ich hab dir eine Voicemail hinterlassen! Sie haben den Anfang vorverlegt. Ich hab dir die neue Zeit und die Songliste draufgesprochen.“

Meine Schuld. Ich hatte vergessen, meine Nachrichten abzuhören. Aber Ava war schon oft nicht zum Üben erschienen, deswegen war ich früher gekommen: damit ich mit ihr kurz die Songs durchgehen konnte, die sie für uns ausgesucht hatte.

„Wenn du heute zum Proben gekommen wärst, hätten wir kein Problem“, sagte ich.

„Es ist was dazwischengekommen, ich hab’s nicht geschafft.“