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Der gutmütige Xaver Prechtl lebt unbekümmert im Kapuzinerkloster St. Konrad in Altötting. Aber das Leben wird durch den herrschsüchtigen Mönch Egidius gestört, der als Besucher im Kloster auftaucht. Für ihn muss Xaver weg, denn er könnte ihm und seinem Geheimnis gefährlich werden. Xaver fotografiert eines nachts eine Szene im Altöttinger Forst, als eine Leiche vergraben wird. Mit diesen Fotos erpresst er diese Leute und verlangt, dass sie Egidius ermorden. Dabei gerät Xaver mitten in die Ermittlungen der Mühldorfer Kriminalpolizei, die ungeklärte Todes- und Vermisstenfälle auf Bundesebene miteinander vergleicht – und genau auf diese gut organisierte Gruppe stößt, die offenbar Selbstjustiz an den schlimmsten Verbrechern im großen Stil ausübt…
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Impressum
Vorwort
Anmerkung
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Bisher im Verlagshaus Wanninger erschienen:
Über die Autorin Irene Dorfner:
Die
Totengräber
Von Altötting
Krimi
Irene Dorfner
Copyright © 2025
Verlagshaus Wanninger, Eichenweg 8a, 84556 Kastl
www.verlagshaus-wanninger.de
All rights reserved.
ISBN: 978-3-98738-212-3
Lektorat:
FTD-Script Altotting,
Earl und Maries Heidmann, Spalt
Sabine Thomas, Stralsund
Wir sind bei Fall 50 angekommen! Was für eine krasse Reise!
Leo Schwartz hat viele, viele Fälle gelöst, hat gelitten, war wütend, sauer, verzweifelt, aber auch witzig und glücklich. Trotz vieler Rückschläge, geänderter Lebensumstände und Erfahrungen ist er sich selbst immer treu geblieben.
Ohne euch hätte diese Reise nicht stattfinden können, deshalb gibt es hier für alle ein fettes DANKESCHÖN!!
In Fall 50 haben wieder reale Personen mitgespielt:
Judith und Thorsten Köllhofer
Ingrid Breu
Gesine Prott
Vielen Dank an euch, dass ihr euch getraut habt. Ganz am Ende des Falles werden einige Personen erwähnt, die ihr von früheren Fällen kennt – lasst euch überraschen!
Die Reise mit Leo Schwartz geht weiter. Und hier kann ich ankündigen, dass es eine weitere Serie geben wird, die von der Leo-Schwartz-Reihe abweicht. Dabei handelt es sich um eine Thriller-Serie, die in ganz Deutschland spielen wird, wobei immer unterschiedliche Ortschaften im Fokus stehen. Wenn ihr Fall 50 gelesen habt, werdet ihr verstehen, wohin die Reise gehen wird. Ich freue mich auf weitere Leo-Schwartz-Fälle und auf die neue Thriller-Serie!
Nochmals herzlichen Dank und liebe Grüße aus Altötting
Irene Dorfner
Die Personen und Namen in diesem Buch sind frei erfunden.
Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen
(Außer den im Vorwort genannten)
sind rein zufällig.
Auch der Inhalt des Buches ist reine Phantasie der Autorin.
Auch hier sind Ähnlichkeiten rein zufällig.
Die Örtlichkeiten wurden den Handlungen angepasst.
Und jetzt geht es auch schon los…
„Du Missgeburt, geh mir aus den Augen!“
Diese Worte war Xaver Prechtl inzwischen gewohnt, obwohl sie ihm sehr nahegingen und er sie regelrecht hasste. Aber noch mehr hasste er den Mann, der sie und andere widerliche Beleidigungen aussprach: Bruder Egidius. Seit dieser Mann im Kapuziner-Kloster in Altötting war, war Xavers Leben die Hölle. Es schien, als hätte es der Kapuziner Egidius nicht nur auf ihn persönlich abgesehen, sondern ließ seinen ganzen Frust, Hass und Böswilligkeiten an ihm aus. Xaver Prechtl lebte seit einigen Jahren im Kloster, auch wenn er nicht zu der Kapuziner-Gemeinschaft gehörte. Er war ein gläubiger Katholik, das stand außer Frage, aber sein Leben der Kirche oder dem Kloster komplett zu widmen ging ihm dann doch zu weit. Trotzdem lebte er hier im Kapuziner-Kloster inmitten der Gemeinschaft und gehörte inzwischen dazu. Er klopfte damals an die Tür des Klosters und bat um ein Essen, was ihm gewährt wurde. Man gab ihm aber nicht nur Essen, sondern auch eines der Zimmer, von denen jede Menge leer standen. Vor der Renovierung des Klosters vor einigen Jahren waren die Kapuziner ins nahegelegene Magdalenen-Kloster gezogen, das direkt am Kapellplatz lag und nur wenige Meter entfernt war. Nach der Renovierung blieben die Kapuziner noch einige Jahre im Magdalenen-Kloster, bis sie weiterzogen und für eine andere Bruderschaft, die für den Dienst an den Wallfahrern zuständig war, Platz machten. Einige ältere Kapuziner-Brüder verblieben aber im neu renovierten Kapuziner-Kloster und kümmerten sich um das Kloster, die Bruder-Konrad-Kirche und die angrenzende St.Anna-Basilika. Xaver gehörte bereits nach einigen Tagen wie selbstverständlich dazu und unterstützte die guten, barmherzigen Männer, wo er nur konnte. Er führte ein bescheidenes Leben und war zufrieden. Aber alles hatte ein Ende, auch sein Leben in dem wunderschönen Kloster und der Ersatzfamilie. Als sein Abschied bevorstand, kam Corona und man ließ ihn weiterhin im Kloster wohnen. Wo sollte er auch hin? Er hatte keine Heimat mehr und niemand würde ihn bei der bedrohlichen, unübersichtlichen Corona-Lage aufnehmen. Xaver nahm das unverhoffte Angebot der Kapuziner mit großer Freude an. Heimlich bedankte er sich beim Herrn bei jeder Gelegenheit für Corona, das für ihn ein wahrer Segen war. Xaver machte sich nützlich und übernahm auch ungeliebte Aufgaben, die ihm trotz der gesundheitlichen Einschränkungen, die durch eine Missbildung des rechten Beines und der daraus resultierenden Haltungsschäden, nichts ausmachten. Er wollte einfach nur hier in der Gemeinschaft bleiben, in Ruhe leben und überall und zu jeder Zeit seine Dankbarkeit zum Ausdruck bringen. Aber damit war es vorbei, als dieser Widerling Egidius plötzlich auftauchte. Dieser Mann mäkelte an allem und jedem herum, nichts schien ihm zugefallen. Dass er es besonders auf Xaver abgesehen hatte, entging den Mitbrüdern nicht. Sie ergriffen Partei für ihn, hatten aber keine Chance gegen den wortgewandten und dominanten Egidius. Die betagten Männer gaben klein bei, sprachen Xaver aber bei jeder Gelegenheit Mut zu. Man versicherte ihm, dass Egidius nicht lange bleiben würde, dass er nur zu Besuch sei. Aber dieser Besuch zog sich in die Länge. Egidius machte keine Anstalten, wieder gehen zu wollen. Ganz im Gegenteil. Er machte sich breit und riss Aufgaben an sich, die er nach kurzer Zeit nur noch delegierte. Je mehr Zeit verging, desto mehr fühlte er sich als Chef und alle hatten sich ihm unterzuordnen. Und Egidius ging sehr klug vor, was nur Xaver zu bemerken schien. Die Mitbrüder ahnten nicht, dass sich Egidius geschickt an die wichtigsten Personen der Stadt Altötting anschleimte, sie hofierte und sich bei jeder Gelegenheit mit ihnen ablichten ließ. Nicht mehr lange, und Egidius würde auch in der Öffentlichkeit als Chef des Klosters angesehen werden, womit er Pater Eduard verdrängte. Eduard bemerkte nichts, er sah immer nur das Gute in allen Menschen.
Xaver teilte seine Bedenken mit den Mitbrüdern, aber die winkten nur ab. In ihren Augen war Egidius nur ein Besucher, mehr nicht. Wie naiv das war, sah nur Xaver. Er tat alles, um den Männern die Augen zu öffnen, aber die wollten nichts davon hören.
Xaver und seine Wohnsituation im Kloster waren Egidius ein Dorn im Auge. Nur Mitbrüder hatten das Recht und das Privileg, hier in diesen heiligen Räumen leben zu dürfen. Für weltliche Ausgeburten, wie Xaver in seinen Augen eine war, war hier kein Platz. Egidius hasste die schiefe, kränkliche Haltung des Fremden, der nichts in dieser ehrwürdigen Gemeinschaft zu suchen hatte. Außerdem misstraute er ihm, denn er hielt ihn für einen verschlagenen und berechnenden Schmarotzer, der die Gutmütigkeit der Kapuziner aufs Schändlichste ausnutzte. Das allein schon war ein Grund, ihn loszuwerden. Und er spürte auch die Gefahr, die von diesem Mann ausging. Eine Gefahr, die er nicht dulden durfte, das würde sein eignes Leben und seine Existenz bedrohen.
Xaver waren die Gründe des offensichtlichen Hasses gleichgültig. Er war verzweifelt und haderte mit sich und seinem Leben. Er war endlich angekommen und wollte nicht gehen, er wollte bleiben. Er fiel niemandem zur Last, ganz im Gegenteil. Er half, wo er nur konnte, und gab mehr zurück, als er bekam. Die anderen Mitbrüder liebten ihn und er liebte sie. Jetzt sollte er einfach gehen, weil es Egidius nicht gefiel? Nein, so einfach durfte er es diesem Kotzbrocken nicht machen.
Um den Kopf freizubekommen, fuhr Xaver mit seinem alten Fahrrad bei jeder Gelegenheit in den Altöttinger Forst. Die Ruhe und die frische Luft taten ihm gut. Hier konnte er durchatmen und sich beruhigen. Mit dem Smartphone, das ihm die Brüder des Kapuziner-Klosters vor einem Jahr schenkten, machte er Fotos von Tieren und Pflanzen. Auch der Himmel war ein beliebtes Fotomotiv. Aber an diesem Hobby hatte er langsam die Lust verloren. Egidius vermieste ihm auch diese Freude, auf die er besonders stolz war. Während die anderen seine Fotos gerne ansahen, machte Egidius seine Späße darüber und hatte an jedem einzelnen Bild etwas auszusetzen.
Lustlos drehte Xaver die Runden im Wald. Er liebte die Einsamkeit, hier war er zumindest vor den fiesen Attacken des verhassten Mannes sicher. Xaver war langsam am Ende, er konnte nicht mehr. Das Leben im Kloster wurde für ihn immer unerträglicher. Er hatte die Unterstützung der Mitbrüder, aber die hatten gegen Egidius keine Chance. Er musste sich etwas einfallen lassen. Aber was sollte er tun?
Dann plötzlich bot sich eine Lösung, die ihm logisch erschien. Eine Begebenheit in der Nacht vom 20. auf den 21. März änderte alles.
22.30 Uhr am 20. März…
Judith Köllhofer ging routiniert vor. Die Leiche, die vor ihr lag, musste schnell und ohne Spuren zu hinterlassen beseitigt werden. Die Nachricht war knapp und wurde an die drei hinterlegten Handynummern versendet. Judith vernichtete ihre eigenen Spuren, was nicht lange dauerte. Die Plastikdose mit der mitgebrachten Suppe verschwand in einem Plastikbeutel, die wenigen Stellen, die sie angefasst hatte, waren bereits sauber. Sie wartete hinter der Haustür des Einfamilienhauses in der Konventstraße im oberbayerischen Altötting. Sie war nervös, diesmal mehr als sonst. Das lag nicht an der Leiche, sondern an der ungewöhnlichen Uhrzeit. Der Mann hätte erst gegen Mitternacht sterben sollen, halb elf war viel zu früh. Trotzdem war es jetzt nun mal so, wie es war, daran war nichts mehr zu ändern. Das gefakte Date verlief nicht wie geplant. Sie hatte den Mann in einer Bar angesprochen und sich mit ihm unterhalten. Dabei versprühte sie all ihren Charme, was der schwierigste Teil der Aufgabe war, denn sich mit einem solchen Ekel von Angesicht zu Angesicht zu unterhalten, kostete sie sehr viel Überwindung. Darüber, dass der Mann nicht an ihr interessiert sein könnte, machte sie sich keine Gedanken. Sie kannte seine Vorlieben sehr genau und wusste, wie sie sich geben musste. Er biss sofort an und war wie Wachs in ihren Händen. Geschickt lenkte sie das Gespräch in eine ganz bestimmte Richtung – und das Arschloch ging darauf ein. Wie einfach Männer zu manipulieren waren, wurde ihr auch jetzt wieder bewusst. Sie musste ihm nur schmeicheln, Interesse heucheln und sein Ego streicheln, mehr war nicht notwendig. Schließlich bekam sie, was sie wollte. Er lud sie zu einem Abendessen ein, da sie ja nur auf Besuch in Altötting war und hier niemanden kannte. Auch das nahm ihr der Trottel ab, ohne das irgendwie zu hinterfragen. Er sprach ohne Punkt und Komma. Sobald eine Pause entstand, stellte sie die richtigen Fragen, um ihn zum Reden zu bringen. Die Einladung zum Essen stand, mehr wollte sie nicht. Dass das in seinem Haus stattfinden musste, war eine Hürde, die auch hier sehr leicht zu nehmen war. Der Mann war sofort einverstanden. Judith wollte sich um die Vorspeise kümmern. Sie schwärmte geradezu von der Suppe eines örtlichen Italieners, die legendär und unübertroffen sei. Das Arschloch war auch damit einverstanden und schien sich sogar darüber zu freuen. Dass er mehr Interesse an ihr und nicht an ihrer Suppe hatte, war klar. Würde er aufdringlich werden, wusste sie sich zu wehren, das war kein Problem für sie. Trotzdem lief heute nicht alles wie geplant. Sie nahm die Plastikdose mit der Suppe aus der Tasche und stellte sie in die Küche. Noch bevor sie um einen Topf bitten konnte, naschte er von der kalten Suppe und schien begeistert, denn er aß drei Esslöffel. Eine tödliche Dosis, das war Judith sofort klar. Woher sie das wusste? Sie hatte die Suppe selbst zubereitet und mit nach Altötting gebracht. Und das alles wegen diesem ekelhaften Mann. Dass sich alles um ihn drehte, hätte ihm vermutlich gefallen, aber er ahnte nichts. Der Trottel hielt sich für unwiderstehlich und empfand es fast schon als selbstverständlich, dass Frauen sich um ihn bemühten. Sie wollte ihm den Grund für das alles im Todeskampf genüsslich unter die Nase reiben. Nach dem ersten Löffel wäre ihm schlecht geworden, der zweite war bereits tödlich gewesen. Das klappte immer, aber heute nicht. Er war zu gierig, wollte das Essen schnell hinter sich bringen. Pech. Als er sie anstarrte und nicht verstand, lächelte sie nur. Er kämpfte gegen das Unvermeidliche an und begriff nicht, was gerade geschah. Judith genoss diesen Moment mit jeder Phase ihres Körpers. Sie lachte, als er versuchte, irgendwie zu reagieren, aber er hatte nicht den Hauch einer Chance. Während er mit dem Tod rang, war der Moment der Wahrheit gekommen.
„Das ist für Elli – mit den besten Grüßen von Gerlinde“, sagte Judith ruhig.
Die Worte zeigten ihre Wirkung, denn auf einmal schien der Mann zu verstehen. Er starrte Judith nur an und ergab sich seinem Schicksal, er hatte auch keine andere Wahl. Dann sackte er in sich zusammen.
Hier stand Judith nun und wartete. Sie zitterte, denn auch dieser Tod ging nicht spurlos an ihr vorbei. Eine Tat, die ihr alles abverlangte. Der Mann hatte den Tod verdient, das stand außer Frage, trotzdem war das hier nicht einfach für sie. Sie fühlte sich euphorisch, dann schlecht. Das war immer so, solange sie allein war. Es würde nicht lange dauern, bis Hilfe nahte.
Die drei Personen kamen dunkel gekleidet, die Mützen waren tief ins Gesicht gezogen. Sie hatten Plastiksäcke, Klebeband, Putztücher und Desinfektionsmittel dabei, sowie eine Flasche Luminol. Wie immer.
„Die Ablenkung?“
„Steht. In zehn Minuten gehen die Raketen hoch.“
„Perfekt.“
Judith Köllhofer musste nicht viel sagen. Alles ging Hand in Hand. Die Leiche abzutransportieren war ein Risiko, aber mit einer Ablenkung in Form von Leuchtraketen wenige Häuser entfernt war auch das erledigt. Die vier Personen sahen und hörten das Feuerwerk, das pünktlich losging. Nachbarn und Passanten waren abgelenkt. Niemand achtete auf das, was hier vor sich ging.
Geschafft. Die Leiche war verladen, alle Spuren waren beseitigt. Sie fuhren gemeinsam – jeder in seinem eigenen Fahrzeug - in den Altöttinger Forst. Die Stelle, an der der Mann begraben werden musste, war allen bekannt. Ein geeigneter Platz. Hierher verirrte man sich nur zufällig, das wurde schon vor langer Zeit überprüft. Und wenn, dann wusste niemand, welches Geheimnis sich hier verbarg. Die Fahrzeuge wurden am leeren Parkplatz am Huber-Stadl abgestellt.
Eine der Personen fuhr die Leiche in einer Schubkarre zu der fraglichen Stelle, die anderen trugen Schaufeln und eine Lampe. Die Grube war vorbereitet. Alle packten mit an. Nachdem die Leiche in der Grube lag, schaufelten alle gemeinsam, wodurch das Problem endgültig verschwand. Man legte Äste und Laub darüber, die Witterung würde den Rest übernehmen. Judith drehte sich um. Nur sie und die anderen drei Personen der Gruppe wussten, dass hier weitere Leichen lagen. Ob sie ein schlechtes Gewissen hatte? Nein, denn jeder Einzelne von ihnen hatte den Tod verdient. Judith lächelte zufrieden.
Die Verabschiedung auf dem Parkplatz beim Huber-Stadl verlief lautlos und ruhig, niemand sagte ein Wort. Man kannte sich und teilte die Geheimnisse, die sie verbanden, mehr aber nicht. Außer diesen Jobs hatten sie nichts miteinander zu tun. Das war sehr wichtig, denn sie durften nicht die kleinste Spur hinterlassen und die gemeinsame Aufgabe gefährden. Jeder stieg in seinen Wagen. Von hier aus fuhren alle wieder nach Hause oder zu ihren Hotels. Judith übernachtete wie immer im Hotel Zur Post, das direkt an den berühmten Kapellplatz angrenzte. Hier war sie fast schon ein Stammgast, man grüßte sie beim Namen. Wo die anderen übernachteten? Es war ihr egal, sie wollte es nicht wissen. Wichtig war nur, dass sie nicht gemeinsam in einem Hotel waren. Judith zog sich um und nahm noch einen Cocktail im Zuccalli, der gemütlichen Bar des Hotels. Um diese Zeit war nicht mehr viel los. Dankbar nahm sie den Cocktail und trank das halbe Glas in einem Zug aus. Sie musste sich beruhigen. Auch wenn das heute nicht das erste Opfer war, war sie immer aufgewühlt. Ob es den anderen ebenso erging? Sie wusste es nicht. Und wenn, dann wäre auch das egal. Die Arbeit musste gemacht werden, die Polizei kümmerte sich nicht darum. Jedes einzelne Opfer hatte den Tod verdient, was immer sorgsam recherchiert wurde. Sie durften sich keine Fehler erlauben, das würden sie sich nie verzeihen. Judith bestellte einen weiteren Cocktail.
„Darf ich Sie einladen?“, lächelte sie ein netter Mann an. Der war nicht ihr Typ, obwohl er nicht übel aussah. Aber Judith war verheiratet, auf einen Mann hatte sie keine Lust, sie hatte auch so schon genug am Hals.
„Nein, vielen Dank“, lehnte sie ab und zeigte dem Mann ihren Ehering.
„Ich will Sie nicht anmachen, ich trinke nur nicht gern allein. Ich sprach Sie an, weil wir die einzigen Gäste sind.“
Judith sah sich um. Tatsächlich war sonst niemand mehr im Zuccalli.
„Entschuldigen Sie bitte, ich war unfreundlich, das war nicht meine Absicht. Bitte setzen Sie sich.“
„Ich kann Ihre Ablehnung gut verstehen, es laufen ja genug Spinner frei herum. Ich bin Charly.“
„Judith.“
Es folgte eine lockere Unterhaltung, nach der man sich respektvoll verabschiedete. Judith sah dem gutaussehenden, sportlichen Mann mit Pferdeschwanz hinterher. Sie war ihm dankbar, er hatte sie auf andere Gedanken gebracht. Aber sie hatte ihren Thorsten, den sie liebte und niemals hintergehen würde. Ob ihr Mann jemals hinter ihr Geheimnis kam? Wie würde er darauf reagieren? Mit einer Handbewegung wischte sie den Gedanken beiseite. Wie sollte Thorsten jemals darauf kommen? Sie führten ein beschauliches, normales, fast langweiliges Leben. Sie arbeitete als Physiotherapeutin, war Teil einer Yoga-Gruppe und fuhr gerne am Wochenende gemeinsam mit Thorsten mit dem Rad in die Natur. Außer ihren Büchern und ihren Lieblingssendungen im Fernsehen gab es keine weiteren Freizeitgestaltungen, nichts Aufregendes. Einfach ein ganz normales Leben wie es Millionen andere auch lebten. Alles war normal – bis auf diese Gruppe, von der niemand wusste und das hoffentlich auch so blieb. Die Mitglieder der Gruppe hatten privat nichts miteinander zu tun. Für die notwenigen Kontakte gab es eigens ein Smartphone, das nur für geplante Aktionen benutzt wurde. Die gelegentlichen Treffen fanden immer an unterschiedlichen Orten statt. Darüber hinaus gab es nichts, was sie verband. Niemand würde je dahinterkommen, das war unmöglich. Morgen fuhr sie wieder nach Hause und sie und auch ihre Kollegen gingen ihrem gewohnten Leben nach. Bis zum nächsten Einsatz. Wie lange der auf sich warten ließ? Sie wusste es nicht.
Judith war sich sicher, dass niemand auch nur die leiseste Ahnung davon hatte, was sie und ihre Gruppe machten. Das war ein gut gehütetes Geheimnis, das niemals an die Öffentlichkeit dringen durfte. Niemand ahnte etwas – aber darin irrte sie sich gewaltig.
Die Gruppe war nicht allein im Altöttinger Forst. Ein Mann hielt sich in der fraglichen Nacht in der Nähe auf, der wie so oft dort auch um diese unchristliche Zeit seine Runden drehte: Xaver Prechtl. Gespenstisch und unwirklich näherte sich die Gruppe. Und was tat Xaver? Er versteckte sich rasch hinter einem Baum und ging dort in die Knie, was mit seinen Schmerzen nicht leicht war. Er hätte umdrehen und einfach gehen können, aber das kam für ihn nicht infrage. Die Neugier lenkte ihn. Xaver war wie hypnotisiert und konnte seine Augen nicht von dem abwenden, was gerade geschah. Wie in einem schlechten Film kam die Gruppe von vier Personen mit Taschenlampen auf ihn zu, was ihn sofort alarmierte und in Angst versetzte, die mit seiner Neugier eine gefährliche Mischung abgab. Was hatten diese Leute vor? War das eine Schubkarre? Dann entdeckte er einen leblosen Körper auf der Schubkarre. Irrte er sich? Spielte ihm die Umgebung und seine blühende Fantasie einen Streich? Gebannt beobachtete Xaver, wie diese Menschen begannen, den Körper in ein vorbereitetes Loch zu legen und dann Erde und schließlich Laub und Äste darüber zu legen. Niemand sprach ein Wort, alle arbeiteten routiniert. Es hatte den Anschein, als würden diese Leute das nicht zum ersten Mal machen. Xaver hätte einfach weglaufen und sich verstecken sollen, aber stattdessen verspürte er den Drang, jede Sekunde festzuhalten. Durch die Kälte waren seine Glieder steif geworden, was das Fotografieren mit dem Smartphone erschwerte. Trotzdem machte er ein Bild nach dem anderen. Eine Person drehte sich zu ihm um und er erstarrte. War es möglich, dass man ihn entdeckt hatte? Er wagte es kaum zu atmen. Die Person – eindeutig eine Frau – drehte sich wieder um und half beim Aufräumen. Die Arbeit schien erledigt und die Personen machten sich auf den Weg.
Xaver war erleichtert, dass diese Leute gleich weg waren. Doch dann geschah etwas, das sein Leben in eine ganz andere Richtung lenkte. Die Frau blickte sich um und sah gezielt auf zwei Stellen. Nicht auf die, wo eben die Leiche verscharrt wurde, sondern auf zwei weitere. Ein Schauer lief über seinen Rücken. War es möglich? Konnte es sein?
Als die Gruppe endlich verschwunden war, machte sich Xaver daran, an den fraglichen Stellen zu graben. Erst zögerlich, dann immer hektischer. Die erst frisch vergrabene Leiche war schnell ausgegraben, hier war die Erde noch locker und vereinfachte die Arbeit. Er machte einige Fotos vom Gesicht, der Rest interessierte ihn nicht. Hektisch schob er mit den Händen das Loch wieder zu. Dann ging er zu der Stelle, zu der die Frau zuerst sah. Der Boden war hart, was ihm einiges abverlangte. Mit einer Schaufel oder ähnlichem wäre das sehr viel leichter gegangen, aber er musste mit bloßen Händen graben, was sehr lange dauerte. Er schwitze und war mit seinen Kräften am Ende. Inzwischen dämmerte es. Das war gut, da er mehr erkennen konnte, aber auch gefährlich. Es würde nicht mehr lange dauern, bis der erste Sportler, Spaziergänger oder Hundebesitzer auftauchte. Er musste sich beeilen, denn er hatte noch nichts gefunden. Er wollte aufgeben, aber dann stieß er endlich auf einen Körper. Hektisch grub er dort, wo er den Kopf vermutete. Immer wieder betete er darum, dass er nicht am falschen Ende grub. Er hatte Glück, er lag mit seiner Vermutung richtig. Hier lag der Kopf. Das Gesicht sah schrecklich aus, was ihn erschreckte. Vom Gesicht war nicht mehr viel zu erkennen, die Natur hatte ganze Arbeit geleistet. Hohle Löcher, wo früher Augen gewesen waren, schienen ihn anzustarren. Die Gesichtshaut war fast völlig aufgelöst, nur die Haare waren noch zu erkennen. Mit dreckverschmierten, zitternden Händen machte er einige Fotos. Wer war das? Das war eindeutig auch ein Mann. Oder doch nicht? Xaver hatte keine Ahnung, aber die kurzen Haare waren für ihn ein deutliches Zeichen eines Mannes. Wie lange die Leiche dort schon lag? Vermutlich Wochen, wenn nicht gar Monate. Wie lange es brauchte, bis eine Leiche dieses Stadium erreichte? Xaver hatte keine Ahnung. Unter größten Anstrengungen schob er auch das Grab wieder zu und auch hier legte er Laub und Äste darüber. Ob das vorher auch so lag? Er ärgerte sich über sich selbst. Er hätte vorher Fotos machen und sich daran orientieren sollen, damit niemand merkt, dass sich jemand daran zu schaffen gemacht hatte. Aber daran war jetzt nichts mehr zu ändern. Schwitzend und völlig erschöpft sah er sich um. Die andere Stelle schaffte er heute nicht mehr, das konnte er vergessen. Gleich in der nächsten Nacht musste er zurückkommen und sie sich vornehmen. Mit Ästen markierte er sie und sah zu, dass er nach Hause kam.
Zum Glück begegnete ihm niemand, denn auf dämliche Fragen und hämische Blicke hatte er keine Lust. Er sah schrecklich aus, war von oben bis unten völlig verdreckt. Aber das störte ihn nicht. Sein Fahrrad lag geschützt im Gebüsch am Huber-Stadl. Er radelte nach Hause, wo er sich wusch, umzog, Teewasser aufsetzte und dann mit einer heißen Tasse Tee in Ruhe am Tisch des Aufenthaltsraumes des Klosters nachdachte. Jede einzelne Sekunde des schrecklichen Erlebnisses ging er durch. Dann besah er sich mit zitternden Händen die Fotos. Er war kein geübter Fotograf, trotzdem waren einige Fotos sehr gut geworden. Die einzelnen Personen und auch die beiden Opfer konnte man sehr gut erkennen. Normalerweise wäre Xaver stolz auf seine Arbeit gewesen, aber nicht heute, dafür ging ihm zu viel durch den Kopf.
War es so, dass diese Leute Menschen töteten und sie dann im Wald beerdigten? War das möglich? Die Tatsache an sich erschütterte ihn nicht, dafür hatte er schon zu viel gesehen. Xaver war erschrocken, fasziniert und neugierig zugleich. Immer wieder besah er sich ein Foto nach dem anderen. Auf einmal fiel der Groschen, und er dachte ganz anders über die Geschehnisse der letzten Nacht und über seine eigene Situation. Das war die Lösung seines Problems! Auf diese Weise konnte er den ekelhaften Widerling Egidius loswerden. Nicht er selbst musste töten, das konnte er diesen Leuten überlassen. Das waren Profis, während er selbst ein ängstlicher Stümper war. Wie er diese Leute dazu bringen konnte? Geld hatte er keins, er kam gerade so über die Runden. Nein, das konnte er vergessen. Erpressung war die Lösung! Er musste diese Leute mit den Fotos nur unter Druck setzen, bis sie das umsetzten, was er von ihnen verlangte. Und er selbst hätte ein reines Gewissen und musste sich nicht die Hände schmutzig machen. Genau das war es, das war der sauberste, einfachste und effektivste Weg für ihn und sein Problem. Aber wie sollte er diese Leute finden?
„Was sitzt du denn schon wieder so faul herum, Xaver? Hast du nichts zu tun, du Nichtsnutz?“
„Ich bitte um Entschuldigung.“ Xaver steckte sein Smartphone rasch in die Hosentasche, stand auf und verbeugte sich vor dem Kapuziner Egidius, vor dem alle Angst hatten.
„Geh mir aus den Augen, du Missgeburt!“, herrschte ihn Egidius an.
„Sehr wohl, Pater Egidius.“ Xaver drehte sich um und lächelte. Dass er Egidius Pater nannte, schmeichelte dem arroganten Gockel, schon allein deshalb wiederholte er das bei jeder Gelegenheit. Dass er hier im Kloster niemals Pater werden würde, wusste der Widerling nicht. Sollte er doch daran glauben, solange er noch am Leben war. Nicht mehr lange und Egidius war Geschichte. Dann war endlich wieder Ruhe im Kapuziner-Kloster und alle konnten aufatmen. Xaver musste dafür sorgen, dass dieser Mann endlich wieder verschwand, und zwar für immer. Das war er den Mitbrüdern, die immer gut zu ihm waren, schuldig. Endlich konnte er etwas von dem zurückgeben, was ihm diese Männer seit vielen Jahren gaben. Aber davon durfte niemals etwas bekannt werden, denn das würden die Brüder nicht gutheißen und nicht verstehen. Dass das ein Grund war, ihn aus der Gemeinschaft zu werfen, war Xaver klar. Also musste er dafür sorgen, dass alles geheim blieb.
Dass diese Entscheidung sein eigenes Leben gefährdete, wusste Xaver nicht.
Einen Tag später in der Polizeiinspektion Mühldorf am Inn…
„Die offenen Fälle liegen mir im Magen, besonders die Vermisstenfälle häufen sich in den letzten Jahren. Da kein aktueller Mordfall vorliegt, möchte ich Sie bitten…“ Der Mühldorfer Polizeichef Rudolf Krohmer wurde unterbrochen, worüber er nicht erfreut war. Der dreiundsechzigjährige verschränkte die Arme vor der Brust und war verärgert.
„Nicht schon wieder!“, maulte der sechzigjährige Leo Schwartz, der auch heute wieder eines dieser schrecklichen T-Shirts trug, für die er berühmt und berüchtigt war. Heute zierte ein riesiger Marilyn-Monroe-Kopf mit Glitzerhaaren die Brust. War darauf auch noch eine Aufschrift? Krohmer konnte sie nicht lesen, da sie durch die Lederjacke verdeckt war. Dann bewegte sich Leo Schwartz sehr geschickt und die Schrift wurde komplett sichtbar: Wir sind alle Stars und verdienen es zu funkeln. Obwohl Krohmer bereits mehrfach um adäquate Kleidung bat, hielt sich der Leiter der Mordkommission einfach nicht daran. Heute hatte Leo Schwartz erkennbar schlechte Laune.
„Erinnern Sie sich an den Fall mit dem vermissten Banker, Chef? Der, der von seiner Frau verbrannt wurde?“
Da die neuen Kollegen Charly Dallmeyer, Nicole Bruckner und Max Saxeder keine Ahnung hatten, wovon Leo sprach, stellten sie viele Fragen, auf die Leo und auch der zweiundsechzigjährige Hans Hiebler bereitwillig Auskunft gaben. Sie schmückten jede Information aus und freuten sich auch heute noch über den damaligen Erfolg, der jetzt ein gutes Jahr zurücklag.
„Was ist aus Karin Scharl geworden?“
„Die sitzt immer noch ihre Strafe ab. Davon gehe ich zumindest aus.“
„Die hat echt ihren Mann verbrannt? Wahnsinn!“
Leo erzählte nochmals haarklein jedes Detail, aber er kam diesmal nicht weit.
„Ich darf doch bitten!“, unterbrach Krohmer den regen Austausch der Kollegen der Mordkommission. „Mir ist der Fall bekannt, aber er ist abgehakt und vergessen, ganz im Gegensatz zu den vielen offen Fällen und den Vermissten. Konzentration, Kollegen! Kommen wir zurück auf diese Fälle, die nochmal überarbeitet werden müssen. Meine Anweisung lautet unmissverständlich: Unterstützen Sie die Kollegen – und darüber möchte ich nicht diskutieren!“
Leo und Hans gingen zu den Kollegen und bekamen einen dicken Packen ausgehändigt, mit dem sie zurück ins Büro gingen. Da sie jetzt fünf Personen waren, war das Büro zwar sehr eng, aber man arrangierte sich. Zum Gedenken an die verstorbene Diana Nußbaumer hing ein Foto von ihr direkt über der Kaffeemaschine, wofür Leo persönlich gesorgt hatte. Niemand störte sich daran, zumal die von allen geschätzte Kollegin eine Schönheit gewesen war.
Leo verteilte die Fälle. Die folgenden Stunden verbrachten alle mit den Akten, die keine neuen Ermittlungsansätze an den Tag brachten.
„Das ist eine beschissene Arbeit!“, rief Leo verärgert, der so etwas überhaupt nicht mochte. „Jeder Fall wurde bereits bearbeitet, ich finde bisher nicht einen einzigen neuen Anhaltspunkt. Und wenn ich einen finden sollte, dann tritt man den Kollegen mächtig auf die Füße. Das ist echt eine beschissene Arbeit“, wiederholte Leo.
„Ich finde auch nichts“, maulte Hans, dem die trockene Büroarbeit auch nicht lag. Er war lieber draußen und sprach mit Leuten, die mittelbar oder unmittelbar mit dem jeweiligen Fall zu tun hatten. Das war sein Ding, die Vermisstenfälle aber nicht. Außerdem schlugen ihm die Fotos auf den Magen, die bei einigen Fällen angefügt waren.
Charly Dallmeyer ging es ähnlich wie Leo. Der Siebenunddreißigjährige war seit über einem halben Jahr bei der Mordkommission Mühldorf und hatte sich gut eingelebt. Anfang Dezember fand er endlich eine passende Wohnung in Altötting, die chic war und die er sich leisten konnte. Seit fast vier Monaten lebte er jetzt in den eigenen vier Wänden, die kein Vergleich zu der Pension mit den neugierigen Wirtsleuten in Mühldorf war. Die Wohnung in der Neuöttinger Straße in Altötting lag zentral, was ihn schlussendlich überzeugt hatte. Zu Fuß war es zum berühmten Kapellplatz ein Katzensprung. Gleich nach seinem Einzug freundete er sich mit dem Personal des Cafés Zuccalli an, das zum Hotel Zur Post gehörte – beide waren noch näher an seiner Wohnung und in nur wenigen Minuten zu erreichen. Dort frühstückte er so oft wie möglich, was vor allem am Wochenende der Fall war. Auch die eine oder andere After-Work-Party im Zuccalli war genau sein Ding. Dort fand er schnell Anschluss, was ihm den neuen Wohnort Altötting zusätzlich schmackhaft machte. Hier war er richtig, hier fühlte er sich wohl. Und damit war er nicht allein. Als ihn seine Eltern zu Weihnachten besuchten, übernachteten sie in dem noblen Hotel Zur Post und waren begeistert. Nicht nur vom Hotel selbst, sondern als praktizierende Katholiken auch vom einmaligen Kapellplatz. Sie beglückwünschten ihren Sprössling zum neuen Job, wobei Mühldorf und die Polizei keinen großen Ausschlag dafür gaben. Sie waren einfach nur froh, dass ihr Junge sein Auskommen hatte und in einer vernünftigen Umgebung lebte.
Die einunddreißigjährige Nicole Bruckner und ihr zwei Jahre jüngerer Kollege Max Saxeder hatten mit einer Wohnung weniger Glück. Sie gaben alles, um etwas Akzeptables und Bezahlbares zu finden, aber das gelang beiden nicht. Auch nicht, als sich Krohmer und der Staatsanwalt Eberwein persönlich einschalteten, da war nichts zu machen. Bezahlbarer Wohnraum war inzwischen auch in Mühldorf Mangelware. Schließlich kam Nicole Bruckner auf die Idee, sich mit dem Kollegen zusammenzutun und gemeinsam eine große Wohnung zu nehmen, worauf Max Saxeder sofort einging. Er hatte genug von dem versifften Zimmer in der Absteige, in der er einquartiert war. Als Sauberkeitsfanatiker musste er raus, und das so schnell wie möglich. Die Mühldorfer Wohnung in der Herzog-Friedrich-Straße war groß, hell und modern. Ein Pluspunkt war auch die Nähe zur Polizeiinspektion Mühldorf. Allerdings gestaltete sich das Zusammenleben der beiden unterschiedlichen Charaktere sehr schwierig. Während Max Saxeder großen Wert auf Sauberkeit und Ordnung legte, war das Nicole Bruckner völlig egal. Dass es da die eine oder andere Auseinandersetzung gab, lag auf der Hand. Auch wenn sich die beiden oft in die Haare bekamen, war die Wohnung doch sehr viel besser als ihre Pensionszimmer, zumindest darin waren sie sich einig.
So weit die beiden im Charakter entfernt waren, so ähnlich waren sie sich in der Arbeit. Beide liebten Akten, Recherchen und die Suche nach jedem noch so kleinen Detail. Während Nicole und Max über den Akten saßen, langweilten sich Leo, Charly und Hans.
„Lasst uns Mittag machen, ich habe Kohldampf“, sagte Hans leise zu Leo und Charly und zeigte dabei auf die Kollegen, die eifrig arbeiteten. „Stören wir die jungen Kollegen nicht.“
Leo war sofort einverstanden. Eine Pause von dieser trockenen Arbeit konnte er gut gebrauchen.
„Ich bin auch dabei.“ Charly sprang sofort auf, auf so eine Gelegenheit hatte er nur gewartet, auch wenn es ihn schmerzte, dass er mit seinen siebenunddreißig Jahren offenbar nicht mehr zu den jüngeren Kollegen zählte.
Beim Mittagessen kam Leo auf eine für ihn hervorragende Idee.
„Wisst ihr was? Ich nehme mir ein paar Tage frei. Ich schiebe familiäre Gründe vor.“
„Du willst dich doch nur vor dieser Arbeit drücken!“
„Richtig, aber das muss der Chef ja nicht wissen. Du weißt, wie sehr ich diese langweilige Arbeit hasse. Kollegen, die die Fälle bearbeitet haben, sind beleidigt, außerdem findet man da sowieso kaum etwas Brauchbares. Das ist eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, mehr nicht. Ich gehe gleich zum Chef, meine Bitte wird er nicht ablehnen, weil ich noch jede Menge Resturlaub habe.“ Leo ließ sich die Lasagne schmecken. „Und von euch beiden will ich kein Wort über den wahren Grund hören, verstanden?“
„Du sprichst, als wäre bereits alles beschlossen. Bist du dir sicher, dass Krohmer das genehmigen wird?“
„Warum sollte er nicht?“
„Das wäre nicht fair!“, sagte Charly verstimmt. „Ich würde auch gerne ein paar Tage frei haben, bekomme aber keinen Urlaub.“
„Weil du zwei Wochen im Dezember hattest. Pech für dich.“
Hans sagte nichts dazu, obwohl er neidisch war. Erst vor drei Wochen kam er aus dem Karibik-Urlaub zurück, einen weiteren Urlaub konnte er daher vergessen.
Fröhlich pfeifend kam Leo aus Krohmers Büro und verabschiedete sich von seinen Kollegen. Urlaub bis Ende nächster Woche, das war genial. Was er mit der freien Zeit anfangen wollte? Er wusste es noch nicht, dazu würde ihm noch rechtzeitig etwas einfallen. Wichtig war nur, dieser ungeliebten, verstaubten Arbeit zu entkommen.
Dass ihm dieser Urlaub nicht vergönnt war, ahnte er noch nicht.
Am nächsten Tag…
Die Stimmung in der Mühldorfer Mordkommission war im Keller. Charly Dallmeyer und Hans Hiebler arbeiteten lustlos, Hans untermalte seine miese Laune mit hörbarem Stöhnen. Max Saxeder und Nicole Bruckner ließen sich davon nicht ablenken und arbeiteten akribisch an jedem einzelnen Fall.
„Ich habe hier einen Mordfall in München, der Ähnlichkeiten mit einem der Vermisstenfälle aufzeigt“, sagte Max Saxeder in die Stille. Nicole Bruckner war sofort interessiert, die beiden anderen Kollegen weniger. „Das Münchner Opfer wurde wegen häuslicher Gewalt angezeigt, der Vermisste Robert Gratzl auch.“
„Das ist alles?“ Nicole war enttäuscht. „Du sprachst von Ähnlichkeiten, also plural. Das hier ist nur ein Punkt, den die beiden gemeinsam haben. Nur diese ähnlichen Anzeigen reichen nicht, das kannst du vergessen.“
Hans und Charly sahen sich an, standen auf und sahen dem Kollegen Saxeder über die Schulter.
„Das nehmt ihr doch nicht etwa ernst, oder?“ Nicole war außer sich. „Nur, weil die beiden wegen häuslicher Gewalt angezeigt wurden, haben die doch nichts gemeinsam. München und Altötting sind zu weit auseinander, das ist schon mal Punkt eins. Außerdem ist der Mann in München vierundfünfzig Jahre alt, Gratzl erst vierzig – Punkt zwei. Und der dritte Punkt ist, dass die beiden völlig andere Berufe haben, die nichts miteinander zu tun haben. Der Mann aus München arbeitete bei einem Stromversorger, Gratzl bei einer Entsorgungsfirma. Und dann gibt es noch einen wichtigen Punkt, den wir nicht vergessen sollten: Der Mann in München ist tot, Gratzl wird lediglich vermisst. Vielleicht nimmt er sich einfach nur eine Auszeit und taucht morgen schon wieder putzmunter auf. Nein, die beiden haben nichts gemeinsam. Die Anzeigen sind reiner Zufall.“
„Ich glaube nicht an Zufälle“, sagte Hans und las die Angaben des Münchner Opfers Karl Sendlinger nochmals genauer durch. „Der Mord in München befand sich auch unter unseren ungeklärten Fällen?“
„Nicht direkt.“
„Was soll das heißen?“
„Ich habe die Überprüfung ähnlich gelagerter Fälle auf andere Dezernate ausgeweitet.“
Hans sah Max Saxeder an.
„Wer hat das genehmigt?“
„Niemand.“
„Das gibt Ärger, mein junger Freund. Trotzdem finde ich die Gemeinsamkeit sehr interessant. Ruf in München an und sprich mit dem zuständigen Kollegen. Wir brauchen alles, was die haben und hier nicht in der Akte steht.“
Max Saxeder griff sofort zum Hörer und drückte auf den Lautsprecher, damit auch die Kollegen mithören konnten. Max wurde mit dem Kollegen Kauffinger verbunden.
„Kauffinger“, meldete sich der Mann, der über die Störung nicht erfreut schien.
„Saxeder, Kripo Mühldorf. Ich habe Fragen zum Mordfall Sendlinger.“
„Sendlinger“, wiederholte Kauffinger. Man hörte das Tippen der Computertastatur. „Sendlinger, Karl. Was habt ihr in Mühldorf mit dem Opfer zu tun? Das war unser Fall.“
„Es gibt Überschneidungen zu einem Vermisstenfall in unserem Zuständigkeitsbereich.“
„Ich lasse euch die Ermittlungsakte zukommen.“
„Die haben wir bereits vorliegen. Uns interessieren die Informationen, die nicht darin stehen.“
„Ihr habt die Akte?“ Wieder das Tippen der Tastatur. „Hier steht nichts darüber, dass sie angefordert und freigegeben wurde.“
„Trotzdem haben wir sie hier. Wenn Sie uns bitte…“
„Das geht so nicht! Ihr könnt euch nicht einfach illegal eine Akte besorgen! Wo kommen wir denn hin, wenn jeder x-beliebige Dorfpolizist an jede Akte rankommt! Das ist illegal! Nein, das geht so nicht!“ Kauffinger war außer sich.
Da Max Saxeder überfordert schien, übernahm Hans.
„Hiebler hier. Wir bitten um Amtshilfe in einem Vermisstenfall. Was eiern Sie so rum? Wir wollen Ihnen nicht ans Bein pinkeln oder Probleme machen, sondern nur Informationen. Das ist doch nicht zu viel verlangt. Soll ich einen Umweg übers Innenministerium machen? Oder unseren Chef Krohmer bemühen? Wir könnten natürlich auch den Staatsanwalt bemühen. Sie kennen Doktor Eberwein?“
„Ist ja gut“, gab Kauffinger klein bei. Ihm waren die beiden letztgenannten Namen geläufig, außerdem hatte er keine Lust auf Probleme mit dem Innenministerium.
„Was wollt ihr genau wissen?“
„Wer oder was stand im Fokus eurer Ermittlungen?“
„Das ist es ja, es gab keinen Ansatz in irgendeine Richtung. Die Leiche wurde aus der Isar gefischt, ein Spaziergänger hat sie gefunden. Ihr habt ja die Fotos gesehen. Dass die Leiche in Folie eingewickelt war und dass daran keine Fingerspuren oder jegliche DNA gefunden wurde, wisst ihr auch. Dass die Leiche sorgfältig gereinigt wurde, steht ausführlich im Autopsiebericht.“
„Das Opfer wurde vergiftet, aber womit? Wir lesen Amatoxin. Was soll das sein?“
„Habt ihr keinen Internet-Anschluss in der Provinz? Gebt den Begriff ein und ihr habt eure Informationen.“
„Ich bitte Sie, Kollege Kauffinger.“ Hans versuchte es auf die nette Tour, auch wenn er jetzt schon wusste, dass er Kauffinger nicht mochte.
„Na gut, wie ihr wollt. Amatoxin. Ursächlich ist ein Pilz dafür verantwortlich, das ist zumindest die Annahme des Pathologen. Er meinte, es könnte der Gift-Häubling sein, der auch als Nadelholz-Häubling bekannt ist. Diese Pilze sind in Nadelholz-Wäldern, aber auch im Laubholz besiedelt. Der Pathologe konnte nicht ausschließen, dass es sich um einen Unfall handeln könnte, da dieser Gift-Häubling mit dem gemeinen Stockschwämmchen verwechselt werden kann.“
„Er hat Pilze gegessen?“
„Gut kombiniert“, sagte Kauffinger sarkastisch und schüttelte den Kopf. Was waren das nur für Stümper.
„Also ein Unfall? Das kann ich mir nicht vorstellen. Wenn dem so wäre, hätte man den Notarzt gerufen und das Opfer nicht eingewickelt in die Isar geworfen.“
„Natürlich gehen wir auch von Mord aus, wir sind ja nicht blöd“, sagte Kauffinger. „Trotzdem gab es Anweisung von oben, den Fall abzuschließen, womit ich – das möchte ich ausdrücklich betonen – nicht einverstanden war.“
„Das Opfer Karl Sendlinger wurde wegen häuslicher Gewalt und Körperverletzung angezeigt. Von wem?“
„Von seiner damaligen Lebenspartnerin Pia Hausleitner. Warum fragen Sie?“
„Gibt es eine Adresse?“
„Selbstverständlich, aber die kann ich nicht so ohne Weiteres rausgeben. Auch für uns gilt der Datenschutz, das wissen Sie genau.“ Kauffinger hatte jetzt keine Lust mehr, noch weiter mit den Mühldorfer Dorfpolizisten zu sprechen, er hatte schon viel zu viel gesagt.
„Noch irgendetwas, das für uns wichtig sein könnte?“
„Hören Sie, Kollege. Sie zeigen viel zu viel Interesse an einem Fall, der von uns bearbeitet und längst abgeschlossen wurde. Die genaueren Umstände gehen Sie nichts an, Sie haben das zu akzeptieren. Lassen Sie die Finger davon! Und wagen Sie es ja nicht, in unserem Zuständigkeitsbereich Ermittlungen anzustellen, das würde Ihnen nicht gut bekommen. Sie lassen Frau Hausleitner in Ruhe und stellen auch sonst niemandem Fragen, die mit diesem oder einem ähnlichen Fall innerhalb unserer Zuständigkeit in Zusammenhang stehen. Alle Anfragen laufen über mich, und zwar ausschließlich. Wissen Sie was? Ich werde weiterleiten, dass Sie sich Zugang zu Ermittlungsakten besorgt haben. Ja, das werde ich tun. Wo kommen wir denn hin, wenn…“
Hans unterbrach das Telefonat, er hatte keine Lust mehr auf weitere Drohungen.
„Wie bist du an die Akte gekommen?“, fragte er Max Saxeder.
„Das war nicht ganz legal, aber der Zugang zum Archiv der Münchner Polizei ist geradezu eine Einladung, sich dort umzusehen. Jeder, der einen Hauch Ahnung von Computern hat, kann sich dort einloggen. Die Sicherheitsmaßnahmen sind ein Witz.“
„Das wird uns noch um die Ohren fliegen, trotzdem bin ich froh, dass wir die Akte haben. Sehr gut gemacht, Max. Was ist mit der Akte Pia Hausleitner?“
„Ist unter Verschluss, an die komme ich nicht ran.“
„Seltsam. Der Mordfall ist frei zugänglich, die Akte wegen häuslicher Gewalt aber nicht? Das interessiert mich, da stimmt etwas nicht. Hast du die Adresse von Pia Hausleitner?“
Max Saxeder brauchte nicht lange, bis er die Adresse in der Münchner Südstadt hatte. Er reichte Hans einen Zettel.
„Das ist die richtige Adresse?“
Saxeder nickte und war beleidigt. Traute ihm der Kollege zu, dass er ihm die falsche Adresse gab?
„Gut. Wer will mich begleiten?“
„Ich bin dabei“, meldete sich Charly Dallmeyer zuerst zu Wort. Er nahm seine Jacke und war froh, endlich nach draußen zu kommen.
„Ihr beide sucht weiter nach Informationen rund um den Fall Sendlinger. Vielleicht haben die Münchner Kollegen etwas übersehen. Und sieh zu, dass du an die Akte Hausleitner kommst. Wenn die unter Verschluss ist, ist sie sicher besonders interessant.“
„Denkst du nicht, dass die Münchner beleidigt sind, dass wir in einem alten, abgeschlossenen Mordfall herumstochern und uns dann noch für eine Akte interessieren, die unter Verschluss ist?“
„Möglich, aber so etwas hat mich noch nie interessiert. Wir haben eine Spur und die wird verfolgt, darüber diskutiere ich nicht. Sollte es doch Probleme geben, kümmere ich mich darum, wenn es so weit ist, aber jetzt gehe ich meinem Job nach.“
Nach einer guten Stunde kamen Hans und Charly in München an, wobei das Blaulicht an Engstellen eine echte Hilfe war. Charly wollte protestieren, da das illegal war, schließlich war das eine reine Recherchefahrt und kein Notfall, aber er sagte kein Wort dazu. Hans Hiebler war ein alter Hase und wusste, was er tat. Dass Hans kurz vor der Pensionierung stand und ihm diese Kleinigkeiten egal waren, er sie regelrecht auskostete, behielt der lieber für sich. Leo wusste davon und amüsierte sich darüber, aber Charly musste das nicht wissen.
Hans stellte den Wagen vor der Polizei München in der Tegernseer Landstraße ab.
„Was wollen wir hier? Wollten wir nicht direkt zum Haus der Frau?“
„Nur ein kurzer Abstecher zum Kollegen Kauffinger. Vielleicht ist er gesprächiger, wenn wir uns direkt gegenüberstehen.“
Hans und Charly wurden zu Kauffingers Büro geschickt, aber der Kollege war nicht begeistert, die beiden zu sehen.
„Wir haben doch bereits alles geklärt! Was wollen Sie noch?“
Hans sah Kauffinger in die Augen und spürte die Abneigung. Trotzdem wollte er sich nicht einfach so abwimmeln lassen.
„Ist Ihnen noch irgendetwas eingefallen, was uns helfen könnte?“
„Nein! Ich habe Ihnen alles gesagt!“ Kauffinger war wütend. Was fiel diesen Leuten ein, hier einfach bei ihm zu erscheinen? Eine Dreistigkeit, die er einfach nur beschissen fand. „Gehen Sie und lassen Sie es gut sein. Obwohl ich es verwerflich finde, dass Sie eine Dienstfahrt unternehmen und damit Steuergelder verschwenden, habe ich keine neuen Informationen für Sie. Fahren Sie nach Hause und lassen Sie die Sache ruhen. Wir haben den Fall abgeschlossen und das ist er für Sie auch. Und falls Sie auf die wahnsinnige Idee kommen, hier in meinem Zuständigkeitsbereich zu ermitteln, lernen Sie mich von einer ganz anderen Seite kennen.“ Kauffinger widmete sich wieder seiner Arbeit. Aus dem Augenwinkel sah er, dass die beiden wieder gingen.
„Was für ein aufgeblasenes Arschloch“, schimpfte Hans.
„Wenn du ehrlich bist, hat er ja Recht mit seiner Aussage. Wir sind hier nicht zuständig und dürfen nicht ermitteln.“
„Das weiß ich, aber das interessiert mich nicht. Fahren wir.“
„Nach Hause?“
„Natürlich nicht. Wir haben die Adresse der Frau und genau dort fahren wir jetzt hin.“
„Du willst trotz Kauffingers Ansage mit ihr sprechen?“
„Und ob ich das will.“
„Und was ist mit Kauffinger?“
„Was soll mit ihm sein? Was er nicht weiß, macht ihn nicht heiß.“
„Das finde ich nicht lustig, Hans.“
„Vorschlag: Wir sprechen mit der Frau in aller Ruhe. Wenn wir zufrieden sind, fahren wir nach Hause und alles ist gut. Sind wir aber nicht zufrieden, graben wir tiefer. Und dann ist es mir auch egal, was Kauffinger dazu sagt. Einverstanden?“
„Alles klar, fahren wir.“
„Das ist das Haus, hier sind wir richtig“, sagte Hans. Beide stiegen aus und suchten das richtige Klingelschild. „Hier ist es, Pia Hausleitner“, sagte Hans und drückte auf die Klingel.
„Direkt daneben gibt es Ingrids Reiseservice. Ich war schon lange nicht mehr im Urlaub, und du?“
„Ich komme aus dem Urlaub, schon vergessen? Meine Frau plant bereits die nächste Reise, sie will nach Kuba“, verdrehte Hans die Augen.
„Was ist daran so schlecht? Kuba ist doch super.“ Charly drückte erneut auf die Klingel.
„Kuba? Nein danke, das ist kein Reiseziel für mich. Aber meine Frau will da hin, deshalb wird mir nichts anderes übrigbleiben, als klein beizugeben.“
„Wir leben in einem wunderschönen Eck in Bayern, wer braucht da schon Urlaub“, lachte Charly und versuchte es erneut mit der Türklingel.
Dann ging die Tür auf und eine hübsche Frau in Hans‘ Alter öffnete. Sie lächelte und wollte an den beiden Männern vorbei.
„Sind Sie Pia Hausleitner?“
„Nein, die bin ich nicht. Pia ist meine Nachbarin, sie ist nicht da. Ich kann Ihnen versichern, dass sie nichts kaufen wird, keine Versicherung benötigt und auch nicht bekehrt werden will.“
„Deswegen sind wir nicht hier. Kriminalpolizei Mühldorf. Mein Name ist Hiebler, das ist der Kollege Dallmeyer.“ Hans und Charly zeigten ihre Ausweise.
Sofort veränderte sich der Gesichtsausdruck der Frau.
„Wenn Sie uns bitte Ihren Namen verraten?“
„Ingrid Breu“, sagte sie und man spürte, dass sie nur noch weg wollte.