Die überschwängliche Gnade an dem größten der Sünder - John Bunyan - E-Book

Die überschwängliche Gnade an dem größten der Sünder E-Book

Bunyan John

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Beschreibung

"Die überschwängliche Gnade an dem größten der Sünder" ist eine sprituelle Autobiographie des Puritaners John Bunyan. Er verfasste sie während einer zwölfjährigen Gefängnisstrafe im Gefängnis von Bedford, die er verbüßen musste, weil er ohne Lizenz gepredigt hatte. Das Werk wurde erstmals 1666 veröffentlicht. Der Titel enthält Anspielungen auf zwei biblische Passagen: "Die überschwängliche Gnade" versteht sich als Anspielung auf den Römerbrief 5:20, während sich der "Größte der Sünder" auf den Ersten Timotheusbrief 1:15 bezieht, wo Paulus sich selbst so bezeichnete.

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Seitenzahl: 202

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Die überschwängliche Gnade an dem größten der Sünder

 

Ein getreuer Bericht des Lebens des John Bunyan, von ihm selbst geschrieben

 

JOHN BUNYAN

 

 

 

 

 

 

 

Die überschwängliche Gnade an dem größten der Sünder, J. Bunyan

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

 

ISBN: 9783849662462

 

Der Originaltext dieses Werkes entstammt dem Online-Repositorium www.glaubensstimme.de, die diesen und weitere gemeinfreie Texte der Allgemeinheit zur Verfügung stellt. Wir danken den Machern für diese Arbeit und die Erlaubnis, diese Texte frei zu nutzen. Dieses Werk folgt der im Jahr 1864 erschienenen Ausgabe und wurde in der damals gültigen Rechtschreibung belassen.

 

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

 

 

INHALT:

Vorwort des Uebersetzers. 1

Vorrede des Verfassers2

I. Kapitel. Bunyan's Bekenntnisse seiner jugendlichen Gottentfremdung. 5

II. Kapitel. Seine verschiedenen Arten von Erfahrungen in der Selbstgerechtigkeit.8

III. Kapitel. Seine Bekehrung und die eigenthümlichen Versuchungen, die darauffolgten.13

IV. Kapitel. Wie er in Christo getröstet wird; die Prüfungen seines Glaubens und die Mittel, durch die ihm geholfen wird.26

V. Kapitel. - Die große Prüfung seiner Liebe zu Christo.36

VI. Kapitel. - Die Mittel zu seiner Erlösung und bleibenden Beruhigung.57

VII. Kapitel. Ueberblick über die Entstehung und den Ausgang der vorstehenden Prüfung.65

VIII. Kapitel. Versuchungen und Prüfungen nach seinem Eintritt in die Gemeine zu Bedford.69

IX. Kapitel. Sein Beruf zum christlichen Predigtamte.73

X. Kapitel. Seine segensreiche Erfahrung im Gefängnisse zu Bedford.84

XI. Kapitel. Schlußbetrachtungen.90

Anhang zu Bunyan's Leben,92

Vorwort des Uebersetzers

 

Dies Büchlein redet für sich selbst. Ich will darum nur Wenig sagen. Einige Bemerkungen über Grund und Veranlassung zu dieser Uebersetzung glaube ich indeß dem lieben Leser schuldig zu sein. Das Büchlein war mir, wie der Honig, den Jonathan einst fand, und von dessen Genuß seine Augen so helle wurden. 1. Sam. 14,27. Was Bunyan aus den Lesern der von ihm erlegten Versuchungslöwen genommen hat, ist alles solcher Honig, wie er sich auf Seite 6 ähnlich darüber ausspricht. Ich fand in der Erzählung seiner innern Lebensgeschichte so manche Züge, die mich an meine eignen Erfahrungen und Kämpfe erinnerten, und die mir Trost gewährten, weil sie meine Augen über manches Dunkle des innern Lebens aufthaten. So habe ich auch in meinem Wirken als Prediger und Seelsorger manche theure Seele gefunden, die mit denselben oder ähnlichen Anläufen vom Feinde geplagt wurde, wie der Verfasser dieses Werkchens. Um diesen „Traurigen zu Zion“ unter dem deutschen Volk den Honig auch zugänglich zu machen, habe ich mich an diese, allerdings schwierige, Arbeit gemacht.

Den hohen Werth der Schriften Bunyan's haben seine Landsleute in den letzten Jahren erst wieder recht erkannt. Zwar sind dieselben von ihnen immer hochgeachtet worden (das vorliegende Werkchen erschien schon zu Bunyans Lebzeiten in sechs Auflagen), aber so allgemeine Verbreitung haben sie nie gefunden, wie in den letzten Jahren. Sowohl in England und Amerika als auch in Deutschland sind neue Auflagen seiner sämtlichen Werke erschienen, und finden gute Aufnahme. Die allbekannte „Pilgerreise“ wird seinen übrigen Werken noch in vielen Sprachen Bahn brechen. In der in diesem Werkchen beschriebenen Schule ist er zum Verfasser der Pilgerreise und seiner übrigen Werke herangebildet worden.

In dieser Uebersetzung habe ich mich hauptsächlich der Treue beflissen. Ich wollte den theuren Bunyan, soviel wie möglich mit allen seinen Eigenthümlichkeiten, selbst reden lassen. Möge Gott, der seine Worte so reichlich zur Erbauung seiner eigenen Landsleute gesegnet hat, sie auch unserm Volke segnen!

Der Uebersetzer.

 

Vorrede des Verfassers

 

An Die, welche Gott ihn würdig geachtet hat, zu zeugen im Glauben, durch sein Predigtamt im Worte.

Kinder, Gnade sei mit euch! Amen. Da ich von euch genommen und so eingeschlossen bin, daß ich meine von Gott mir auferlegte Pflicht gegen euch zu eurer weiteren Erbauung und Befestigung im Glauben und in der Heiligung nicht erfüllen kann; da aber dennoch meine Seele väterliche Sorge und Verlangen wegen eurer geistlichen und ewigen Wohlfahrt hat, so sehe ich, wie früher von der Höhe „Senir und Hermon,“ so nun aus „den Wohnungen der Löwen und von den Bergen der Leoparden“ noch einmal nach euch Allen, indem mich sehr verlanget, eurer Aller glückliche Ankunft in dem ersehnten Hafen zu sehen.

Ich danke Gott, so oft ich eurer gedenke, und freue mich, selbst während ich zwischen den Zähnen der Löwen in der Wüste stecke, über die Gnade, Barmherzigkeit und Erkenntniß Christi, unseres Heilandes, welche Gott über euch ausgegossen hat mit der Fülle des Glaubens und der Liebe. Euer Hungern und Dürsten nach weiterer Gemeinschaft mit dem Vater, im Sohne, eure zartfühlenden Herzen, euer Kummer über die Sünde, euer nüchterner und heiliger Wandel beides vor Gott und Menschen, sind eine große Erquickung für mich; denn „ihr seid ja unsre Ehre und Freude.“ 1. Thess. 2, 20.[1]

Ich sende euch hiermit einen Tropfen von dem Honig, den ich aus dem Aase eines Löwen genommen habe. Richt. 14, 5-8. Ich habe selbst davon gegessen und bin sehr dadurch erfrischt worden. Versuchungen sind, wenn sie uns entgegenkommen, zuerst wie der Löwe, der über Simson brüllte; aber wenn wir sie überwinden, so werden wir, wenn wir sie das nächste Mal sehen, ein Nest voll Honig darin finden. Die Philister verstehen mich nicht. Es ist eine Art Erzählung von dem Werke Gottes an meiner Seele, in welcher ihr sehen möget, wie ich darnieder geschlagen wurde und wieder aufstand; denn „Er zerschmeißet und Seine Hände heilen.“ Es stehet geschrieben in der Schrift: (Jes. 38,19.) „Der Vater wird den Kindern Deine Wahrheit kund thun.“ Ja, darum lag ich so lange am Sinai (2. Mose 19,18.) um das Feuer und die Wolke und die Dunkelheit zu sehen, damit ich den Herrn alle Tage meines Lebens auf der Erde fürchten, und meinen Kindern erzählen möchte die wunderbaren Werke des Herrn. Ps. 78,3-5.

Moses (4. Mose 33, 1,2.) beschrieb die Reise der Kinder Israel von Egypten bis nach Canaan und befahl auch, daß sie sich an ihre vierzigjährige Reise erinnern sollten. „Und gedenkest alles des Weges, durch den dich der Herr, dein Gott geleitet hat, diese vierzig Jahre in der Wüste, auf das Er dich demüthigte und versuchte, daß kund würde, was in deinem Herzen wäre, ob du Seine Gebote halten würdest oder nicht.“ 5. Mose 8,2. Darum habe auch ich dieses zu thun mich bestrebt; und nicht nur das, sondern es auch drucken zu lassen, auf daß, so Gott will, auch Andre durch diese Beschreibung Seines Werkes an mir erinnert werden mögen, was Er an ihren Seelen gethan hat.

Es ist nützlich für Christen, sich oft selbst an die allerersten Anfänge der Gnade in ihren Seelen zu erinnern. Es ist eine Nacht, die dem Herrn sehr gefeiert werden soll, in der Er sie aus Egypten geführt hat. „Darum ist dies die Nacht der Feier vor dem Herrn, daß Er sie aus Egyptenland geführet hat; dieselbige Nacht ist vor dem Herrn eine Feier, bei allen Kindern Israel, auf ihre Nachkommen.“ 2. Mose 12,42. „Mein Gott,“ sagt David, „betrübt ist meine Seele in mir, darum, daß ich an Dich gedenke aus dem Lande am Jordan und Hermonim, von dem kleinen Berge.“ Psalm 42,7. Er erinnerte sich auch des Löwen und des Bären, als er ging, um zu streiten mit dem Riesen zu Gath. 1. Sam. 17,36-37.

Es war Pauli Gewohnheit (Ap. Gesch. 22.) und das sogar, als es sich vor Gericht um sein Leben handelte, selbst seinen Richtern die Weise seiner Bekehrung darzulegen. (Ap. Gesch. 24.) Er gedachte des Tages und der Stunde, da ihm die Gnade zuerst begegnete, denn er fühlte, daß ihn diese Erinnerung stärkte.

Als Gott die Kinder Israel durch das rothe Meer gebracht und schon weit in die Wüste geführt hatte, mußten sie doch wieder dahin zurückkehren, um da an den Untergang ihrer Feinde erinnert zu werden; (4. Mose, 14,25.) denn obwohl sie ihrem Gott anfangs lobsangen, so vergaßen sie doch Seine Werke. Psalm 106,11-13.

In dieser meiner Abhandlung könnet ihr Vieles sehen; - Vieles sage ich, von der Gnade des Herrn gegen mich. Ich danke Gott, daß ich es Viel heißen kann, weil es meine Sünden und auch Satans Versuchungen übersteigt. All meine Befürchtungen, an meine Zweifel, und an meine traurigen Monate kann ich mich zu meinem Troste erinnern, denn sie sind, wie das Haupt Goliath's in meiner Hand. Es ging dem David nichts über Goliath's Schwert, das Schwert, das einst in seine Eingeweide hatte gestoßen werden sollen, denn selbst der Anblick und die Erinnerung daran predigte ihm die von Gott erfahrne Errettung. O, die Erinnerung an meine großen Sünden, meine schweren Versuchungen, an meine große Furcht, für immer zu verderben! Sie führt mir meine große Hülfe, meine großen Stärkungen vom Himmel, und die große Gnade lebendig zu Gemüthe, die Gott an einem solchen Elenden, wie ich bin, bewiesen hat!

Meine lieben Kinder, gedenket der vorigen Tage und der Jahre vor Alters. Gedenket auch eurer Gesänge in der Nacht und redet mit eurem Herzen. Psalm 77,5-12. Sa suchet fleißig nach dem verborgenen Schatz, und lasset keinen Winkel undurchsucht, nach dem Schatz eurer ersten und andern Erfahrung der Gnade Gottes gegen euch. Gedenket, sage ich, des Wortes, das euch zuerst ergriff, gedenket eurer Schrecken im Gewissen, eurer Furcht vor Tod und Hölle; gedenket auch eurer Gebete und Thränen zu Gott; ja, wie ihr seufztet unter jeder Hecke um Gnade! Habt ihr keines „kleinen Berges“ zu gedenken? Habt ihr vergessen den Winkel, das Milchhaus, den Stall, die Scheuer und dergleichen, wo Gott eure Seelen besucht hat? Gedenket auch des Wortes, ja, ich sage des Wortes, auf welches hin euch Gott hat hoffen lassen. Wenn ihr gegen das Licht gesündigt habt, wenn ihr versucht seid zu lästern, wenn ihr in Verzweiflung versinkt, wenn ihr denkt, Gott streitet gegen euch, wenn der Himmel vor euren Augen verborgen ist: - so gedenket, es war eben also mit eurem Vater; aber „aus dem allen hat der Herr mich errettet.“

Ich hätte noch viel mehr sagen können von meinen Versuchungen und Beschwerden der Sünde, sowie auch von der liebreichen Güte und dem Wirken Gottes an meiner Seele; ich hätte auch in einem viel höhern Stil reden und alles mehr ausschmücken können, als ich es hier thue: aber ich darf nicht. Gott scherzte nicht mit mir, als Er mich versuchte; noch scherzte ich, als ich sank, wie in einen bodenlosen Pfuhl, als mich die Aengsten der Hölle umfingen. Darum mag ich nicht scherzen beim Erzählen, sondern bin deutlich und einfach, und lege die Sache dar, wie sie war. Wem es gefällt, der nehme sie auf; wem es nicht gefällt, der mache es besser.

Lebet wohl! meine lieben Kinder, die Milch und der Honig sind jenseits dieser Wüste. Gott sei euch gnädig, und gebe, daß ihr nicht träge sein möget hinzugehen und das Land einzunehmen.

John Bunyan.

 

I. Kapitel. Bunyan's Bekenntnisse seiner jugendlichen Gottentfremdung

 

1628-1646.

 

In dieser meiner Erzählung, von dem gnädigen Wirken Gottes an meiner Seele, wird es wohl nicht verfehlt sein, wenn ich zuerst in wenigen Worten einige Andeutungen von meiner Abstammung und Erziehung gebe, damit dadurch die Güte und der Reichthum Gottes gegen mich destomehr hervorgehoben und verherrlicht werden möge unter den Söhnen der Menschen.

Meine Abstammung war, wie Viele wohl wissen, von einem geringen und unangesehenen Geschlecht, indem meines Vaters Haus von dem Stande war, der am geringsten und verachtetsten von allen Familien des ganzen Landes ist. Darum kann ich hier nicht, wie Andre, großsprechen von edlem Blut und von irgend einem hochgebornen Stande nach dem Fleische; obgleich ich dennoch die himmlische Majestät preise, daß Sie mich durch diese Thür in die Welt gebracht hat, um durch das Evangelium Theil zu nehmen an der Gnade und dem Leben, das in Christo ist.

Aber es gefiel Gott, trotz der Niedrigkeit und Unansehnlichkeit meiner Eltern, es ihnen in's Herz zu geben, mich zur Schule zu senden und Lesen und Schreiben lernen zu lassen, welches ich auch so lernte, wie es anderer armen Leute Kinder lernen; obgleich ich zu meiner Schande bekenne, daß ich bald fast gänzlich vergaß, was ich gelernt hatte, und das lange vor der Zeit, da der Herr Sein gnädiges Werk der Bekehrung an meiner Seele wirkte.

Was mein natürliches Leben angeht, so war es, in der Zeit, da ich ohne Gott in der Welt lebte, in der That „nach dem Laufe dieser Welt und nach dem Geiste, der zu dieser Zeit sein Werk hat in den Kindern des Unglaubens.“ Eph. 2,2-3. Es war meine Freude „vom Teufel gefangen zu sein, zu seinem Willen.“ 2. Tim. 2,26. Ich war „voll aller Ungerechtigkeit,“ welche auch so kräftig wirkte beides in meinem Herzen und Leben, daß ich von Kind auf nur wenige meines Gleichen im Fluchen, Schwören, Lügen und Lästern des heiligen Namens Gottes hatte.

Ja, so fest und gewurzelt war ich in diesen Dingen daß sie mir zur zweiten Natur wurden, welches, wie ich seitdem in Nüchternheit betrachtet habe, den Herrn so beleidigte, daß Er mich, selbst in meiner Kindheit mit schrecklichen Träumen und Gesichten scheuchte und erschreckte. Denn oft, wenn ich den einen und andern Tag in Sünden zugebracht hatte, wurde ich, während ich im Bette im Schlafe lag, sehr geängstigt von der Furcht vor Teufeln und bösen Geistern, welche, wie ich damals meinte, mich mitzunehmen trachteten, und von diesem konnte ich niemals loskommen, Ebenso wurde ich in diesen Jahren auch sehr geängstet von Gedanken an die fürchterlichen Qualen des höllischen Feuers; und ich fürchtete, daß mein Los noch unter jenen Teufeln sein werde, „welche da gebunden sind mit den Ketten und Banden der Finsterniß, bis auf das Gericht am großen Tage.“

Diese Dinge, sage ich, drückten meine Seele, als ich noch ein Kind von 9 oder 10 Jahren war, mitten in meinen Spielen und kindischen Eitelkeiten und mitten unter meinen eitlen Kameraden so darnieder, daß ich oft sehr niedergeschlagen und betrübt in meinem Gemüthe war; dennoch konnte ich nicht von meinen Sünden lassen. Ja, ich verzweifelte damals so an Leben und Himmel, daß ich oft wünschte, es möchte entweder keine Hölle geben, oder ich möchte ein Teufel sein, indem ich vermuthete, diese wären nur Quäler und wenn ich dann doch nothwendig in die Hölle müßte, so wollte ich lieber ein Quäler sein, als selbst gequält werden.

Nach einiger Zeit verließen mich jedoch diese schrecklichen Träume und ich vergaß sie auch bald, denn meine Vergnügungen schnitten die Erinnerung daran schnell ab, als ob sie nie dagewesen wären. Darum. ließ ich in voller Kraft mit noch mehr Gier meiner natürlichen Lust den Zügel schießen, und erfreute mich in allen Uebertretungen gegen das Gesetz Gottes, so daß ich, ehe ich in den Ehestand trat, der wahre Rädelsführer in allen Arten von Laster und Gottlosigkeit war.

Ja solche Uebermacht hatten die Lüste des Fleisches über meine arme Seele, daß, wenn es nicht ein Wunder der köstlichen Gnade verhindert hätte, ich nicht nur durch die Wucht der ewigen Gerechtigkeit untergegangen wäre, sondern mich auch der Strafe der Gesetze ausgesetzt hätte, welche Schande und Schmach auch vor den Augen der Welt bringen.

In diesen Tagen waren mir die Gedanken an geistliche Dinge sehr verdrießlich. Ich konnte sie selbst nicht leiden, noch ertragen, daß Andre sie hegten. Sah ich Leute in christlichen Büchern lesen, so fühlte ich mich in ihrer Gesellschaft wie in einem Gefängniß.

Damals sagte ich zu Gott: „Hebe Dich von mir, ich will von Deinen Wegen nichts wissen.“ Hiob 12,14-15. Ich war damals leer von allen guten Gedanken; Himmel und Hölle hatte ich nicht mehr vor Augen und im Sinn, und was Seligkeit und Verdammniß anging, so waren sie das Geringste in meinen Gedanken. O Herr, Du kennest mein Leben, und meine Wege sind nicht vorborgen vor Dir!

Aber dessen erinnere ich mich wohl, daß, obgleich ich selbst mit der größten Freude und Ruhe sündigen konnte, es doch meine Seele erschüttert hätte, wenn ich Diejenigen hätte Böses thun sehen, welche wahre Christen zu sein bekannten. So hörte ich, als ich auf dem Gipfel der Eitelkeit war, Einen fluchen, der für einen frommen Mann angesehen wurde, und es gab mir einen solchen Schlag in meinem Geiste, daß mir das Herz weh that.

Aber Gott verließ mich nicht gänzlich, sondern folgte mir, zwar nicht mit Ueberzeugen von der Sünde; sondern mit Gerichten, die mit Barmherzigkeit vermischt waren. Einmal fiel ich in einen Bach am Meere, und entkam nur mit knapper Noth der Gefahr des Ertrinkens. Ein andermal fiel ich aus einem Nachen in den Bedfordfluß, aber die Barmherzigkeit Gottes erhielt mich. Bei einer andern Gelegenheit, als ich mit meinen Kameraden im Felde war, geschah es, daß eine Otter über den Weg kam. Ich hatte einen Stock und schlug sie auf den Rücken und betäubte sie. Darnach brach ich ihr mit meinem Stock das Maul auf und riß ihr den Stachel mit meinen Fingern aus, wobei ich mir, wäre mir Gott nicht gnädig gewesen, durch meine Verwegenheit, selbst mein Ende hätte bereiten können.

Auch des folgenden Umstandes erinnere ich mich mit Dankbarkeit: Als ich Soldat war, wurde ich einmal mit Andern an einen Ort beordert, der belagert werden sollte; aber als ich grade fertig war zu gehen, wünschte ein Anderer aus der Compagnie für mich einzutreten, womit ich zufrieden war. Er nahm meine Stelle ein und wurde, während er Schildwache stand, von einer Flintenkugel in den Kopf getroffen und starb.

Hier, wie ich sagte, waren Gerichte und Gnade; aber keines von Beiden erweckte meine Seele zur Gerechtigkeit. Darum sündigte ich fort und wurde mehr und mehr ein Empörer wider Gott und je länger je sorgloser hinsichtlich meiner eigenen Errettung.

 

II. Kapitel. Seine verschiedenen Arten von Erfahrungen in der Selbstgerechtigkeit.

 

1646-1648.

 

Bald nach diesem verheirathete ich mich. Es war eine Gnade für mich, daß ich ein Weib fand, deren Vater und Mutter als fromm angesehen waren. Wir kamen zusammen so arm, wie möglich, denn wir hatten nicht einmal eine Schüssel oder einen Löffel; aber sie hatte für ihr Theil „Des gemeinen Mannes Pfad zum Himmel,“ und „Die Uebung der Gottseligkeit,“[2] welche ihr Vater bei seinem Tode ihr hinterlassen hatte. In diesen beiden Büchern las ich bisweilen und fand Manches darin, das mir recht gut gefiel, aber in all der Zeit wurde ich nicht von meiner Sündhaftigkeit überzeugt. Meine Frau erzählte mir oft, welch ein gottseliger Mann ihr Vater gewesen, und wie er stets in seinem Hause und unter seinen Nachbarn das Laster gestraft und gezüchtigt, und welch ein strenges und heiliges Leben, beides in Wort und That, er in seinen Tagen geführt habe.

Darum erweckten diese Bücher und ihre Erzählung, obgleich sie es nicht erreichten, mein Herz zu einer Erkenntniß meines traurigen und sündhaften Zustandes anzuregen, doch einiges Verlangen in mir, mein lasterhaftes Leben zu bessern. Ich fügte mich mit Eifer in die Religion der Zeit, nämlich Sonntags zweimal in die Kirche zu gehen und mit den Ersten da zu sein; auch an diesem Tage fromm zu sprechen und zu singen, wie Andere thaten; blieb aber bei meinem sündlichen Leben.

Darneben war ich so vom Geiste des Aberglaubens ergriffen, daß ich alles, was zur Kirche gehörte, Kanzel, Priester, Kirchen-Küster, Priester-Gewänder, Gottesdienst und dergleichen mit großer Ergebung verehrte, indem ich alles heilig achtete, was darin enthalten war, und besonders den Priester und den Küster höchst glücklich und ohne Zweifel sehr gesegnet achtete, weil sie, wie ich damals dachte, die Diener Gottes waren und die Ersten in Seinem heiligen Tempel, um Seinen Dienst zu versehen. Dieser Betrug wurde so stark in meinem Geist, daß ich, wenn ich nur einen Priester sah, so niederträchtig und wüste er auch sein Leben führen mochte, mich doch innerlich tief vor ihm beugte, ihn verehrte und mich zu ihm hingezogen fühlte. Ja ich dachte (denn ich sah sie als die Diener Gottes an) ich könnte mich aus Liebe zu ihnen unter ihre Füße legen und mich von ihnen treten lassen, so berauschte und bezauberte mich ihr Name, ihr Anzug und ihr Werk.

Nachdem ich eine Weile in diesem Zustande gewesen war, kam ein anderer Gedanke in mein Gemüth und das war, ob wir zu den Israeliten gehörten oder nicht? Denn weil ich in der Schrift fand, daß sie einmal das besondere Volk Gottes gewesen, so dachte ich, wenn ich Einer von ihrem Geschlecht wäre, so müßte meine Seele sicher glücklich sein. Mich verlangte sehr, über diese Frage im Reinen zu sein, allein ich wußte nicht, wie ich dazu kommen sollte.

Endlich fragte ich meinen Vater darnach, der mir jedoch sagte, wir wären nicht von diesem Volke. Dadurch wurde meine Hoffnung in dieser Beziehung wieder niedergeschlagen und blieb's auch.

Während dieser ganzen Zeit war mir nichts von der Gefahr und dem Uebel der Sünde bewußt. Ich bedachte nicht, daß die Sünde mich, trotz meines äußerlichen Bekenntnisses verdammen müsse, wenn ich nicht in Christo erfunden werde. Ja, ich dachte niemals darüber nach, ob es einen Solchen (Christus) gäbe oder nicht. So irrt der Mensch in seiner Blindheit, weil er den Weg zur Stadt Gottes nicht weiß. Pred. Sal. 10,15.

Eines Tages predigte unser Pfarrer über den Sabbath, und über die Sünde der Sabbath-Entheiligung durch Arbeit oder Belustigungen oder auf andere Weise. Nun war ich, trotz meiner Religiösität, Einer, der sich in allen Arten von Lastern ergötzte, und besonders war der Sonntag der Tag, an dem ich mir recht gütlich that. Darum wurde ich durch diese Predigt in meinem Gewissen geschlagen, und glaubte, er habe die Predigt gerade dazu gemacht, um mir meine bösen Werke zu zeigen. Damals aber nie zuvor, so weit ich mich erinnern konnte fühlte ich, was Sündenschuld ist; ich fühlte mich sehr damit beladen und ging aus der Predigt heim mit einer schweren Last auf meinem Gemüthe. Dies stumpfte für den Augenblick die Sehnen meiner besten Freuden ab, und verbitterte meine früheren Vergnügungen; aber siehe! es hielt nicht Stand, denn ich hatte kaum zu Mittag gegessen, so war die Traurigkeit aus meinem Gemüthe und mein Herz kehrte auf seinen alten Weg zurück. O, wie froh war ich, daß diese Traurigkeit weg und das Feuer aus war, daß ich wieder ungehindert sündigen konnte. Nachdem ich mich also gesättiget hatte, schlug ich die Predigt aus meinem Sinn und wandte mich mit großem Eifer wieder zu meiner alten Gewohnheit des Spielens und der Vergnügungen. Aber an demselben Tage, mitten in meiner Belustigung mit Ballspielen fiel plötzlich eine Stimme vom Himmel in meine Seele, welche sagte: „Willst du deine Sünden verlassen und in den Himmel, oder deine Sünden behalten und in die Hölle gehen?“ Darüber erschrak ich sehr; verließ deshalb mein Spielwerk und sah auf gen Himmel und es war mir, als sähe ich mit den Augen meiner Erkenntniß den Herrn Jesum auf mich herabsehen, und als wäre Er sehr unzufrieden mit mir und drohete mir ernstlich, mich für diese und andere gottlosen Werke mit einer schrecklichen Strafe zu belegen.

Hierüber hatte ich kaum recht nachgedacht, als sich plötzlich die Betrachtung in meine Seele drängte: ich wäre ein großer und schrecklicher Sünder gewesen und es sei jetzt zu spät für mich, an den Himmel zu denken, denn Christus werde mir nicht vergeben, noch meine Sünden hinwegnehmen. (Diese waren mir durch das eben Erzählte wieder vor die Seele getreten.) Während ich nun darüber dachte und fürchtete, es möchte so sein, sank mein Herz in Hoffnungslosigkeit und schloß, es müsse zu spät sein; und darum nahm ich mir vor, in meinen Sünden fortzufahren. Denn, dachte ich, wenn dem so ist, so befinde ich mich sicherlich in einem elenden Zustande, elend, wenn ich aufhöre zu sündigen und auch nicht elender, wenn ich fortfahre; ich kann nur verdammt werden, und wenn es denn so sein muß, so ist's einerlei, ob für viele Sünden, oder für wenige.„

So stand ich mitten in meinem Spiel unter Allen, die dabei waren; aber ich sagte ihnen nichts. Nachdem ich, wie gesagt, diesen Beschluß in mir selbst gefaßt hatte, ging ich in verzweifelndem Trotz wieder an meine Belustigung. Diese Verzweiflung aber war der Art, daß ich überzeugt war, ich würde nie irgend eine andere Freude genießen, als die in der Sünde; denn der Himmel sei doch schon für mich verloren, darum brauche ich an diesen nicht zu denken. Es entstand dadurch ein großes Verlangen in mir, meinen Vollgenuß der Sünde hinzunehmen und ich dachte darüber nach, was für Sünden ich noch ausüben könnte, um ihre Süßigkeit zu genießen; ich beeilte mich so sehr ich konnte, meinen Bauch mit ihren Leckerbissen zu füllen, damit ich nicht etwa noch sterben möchte, ehe ich all mein Begehren erlangte, denn dies fürchtete ich sehr. In diesen Dingen, das bezeuge ich vor Gott, lüge ich nicht; noch ist es eine erkünstelte Rede; dies war wirklich mein Verlangen von ganzem Herzen. Der gute Herr, dessen Barmherzigkeit unergründlich ist, wolle meine Missethaten vergeben!

Ich bin überzeugt, daß diese Versuchung des Teufels häufiger vorkommt als man meint; denn er will den Geist damit gleichsam verhärten und verpanzern, und das Gewissen betäuben, welchen Zustand er stille und heimlich durch solche Verzweiflung nährt, auf daß, obgleich keine besondere Schuld auf den Seelen liegen mag, sie doch beständig den heimlichen Schluß ziehen, es sei keine Hoffnung für sie; denn sie lieben die Sünde und darum laufen sie darnach. Jer. 2,25. Cap. 18,12.

Darum fuhr ich in meinen Sünden fort, und war nur unzufrieden, daß sie mir nicht so viel Genuß gaben, als ich wünschte. So ging's einen Monat lang oder noch länger mit mir. Aber eines Tages, als ich am Fenster eines Nachbarn stand und nach meiner Gewohnheit fluchte, hörte es die Frau des Hauses, die inwendig am Fenster saß. Obgleich sie nun eine sehr leichtsinnige und gottlose Person war, so behauptete sie doch, ich schwöre und fluche so fürchterlich, daß sie zitterte, mich anzuhören, und sagte mir weiter, ich sei der gottloseste Flucher, den sie in ihrem ganzen Leben gehört, und daß ich auf diese Weise die Jugend der ganzen Stadt verderben könne, wenn sie nur in meine Gesellschaft käme.

Diese Ermahnung machte mich still und heimlich beschämt und zwar, wie ich dachte, vor Gott im Himmel. Darum wünschte ich, während ich dastand und den Kopf hängen ließ, daß ich doch wieder ein kleines Kind wäre, damit mein Vater mich reden lehren könnte, ohne auf diese böse Weise zu fluchen; denn, dachte ich, ich bin so daran gewöhnt, daß es vergeblich ist, an Besserung zu denken, weil ich nie dazu gelangen werde.