Die UFO-AKTEN 7 - Timothy Stahl - E-Book

Die UFO-AKTEN 7 E-Book

Timothy Stahl

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Beschreibung

Marisa Truman ist achtzehn Jahre alt, doch über ihre Kindheit weiß sie nichts. Seit sie denken kann, besteht ihre Welt aus vier Wänden, in denen sie im ewig gleichen Trott lebt. Dreimal am Tag wird sie gefüttert, zweimal gewaschen. Mittags führt man sie im Garten herum.
Dieses monotone Leben findet jedoch ein jähes Ende, als ein Mann in ihr Zimmer im Druid Hill Sanatorium eindringt und ihr Gewalt antun will. Unter seinen Berührungen erwacht etwas in Marisa, das sie bereits verdrängt hat, als sie fünf Jahre alt war. Aus der jungen Frau wird binnen Sekunden ein Wesen, das sich wehrt - und unbarmherzig zurückschlägt.
Das aber ebenso unbarmherzig gejagt wird, als es die gesicherte Umzäunung der Nervenklinik durchbricht und sich in eine ihm unbekannte Welt aufmacht...


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Inhalt

Cover

Gejagt!

UFO-Archiv

Vorschau

Impressum

Timothy Stahl

Gejagt!

Die achtzehnjährige Marisa Truman spricht weder ein Wort, noch gibt sie wirkliche Lebenszeichen von sich. Alles bedarf der Hilfe durch fremde Hand, sei es die Nahrungsaufnahme oder Körperpflege. Was der Grund für die anhaltende Apathie ist, weiß niemand – selbst Spezialisten nicht. Fest steht nur, dass etwas geschehen sein muss, als sie fünf Jahre alt war.

Vor knapp einem Jahr wurde Marisa nach unzähligen anderen Klinikaufenthalten als hoffnungsloser Fall ins Druid Hill überwiesen, jenes Sanatorium, das in Fachkreisen auch den Beinamen »Point of no Return« trägt. Für den dort praktizierenden Dr. Nordheim ist die Patientin mit dem leeren Blick womöglich die schwerste Prüfung seiner Karriere. Vor allem fürchtet er sich vor dem Tag, an dem das er‍wacht, was hinter Marisas reaktionslosen Au‍gen lauert...

Druid Hill SanatoriumWestbrook, Maine, 15. November 2021, 12:32 Uhr

»Hallo, Marisa. Wie geht's dir?«

Als das blonde Mädchen an Dr. Donald Nordheim vorüberging, verriet es mit keiner Regung, ob es seine Worte überhaupt gehört hatte. Einmal mehr erinnerte Marisa Truman ihn an eine dieser angeblich so seltenen Porzellanpuppen, für die in Antiquitätengeschäften horrende Preise verlangt und die in Fernost zu Hungerlöhnen in Serie gefertigt wurden. Nicht nur ihre blasse und fast tönern wirkende Haut ließ Dr. Nordheim immer wieder diesen Vergleich ziehen – manchmal hatte er auch den Eindruck, es würde nicht sehr viel mehr Leben in Marisa Truman stecken als in einer Puppe.

»Sie geben die Hoffnung wohl nie auf, Dr. Nordheim?«

Schwester Pearl hielt den Arm des Mädchens gerade so fest, dass sie Marisa in die gewünschte Richtung dirigieren konnte. Während sie den Arzt passierten, drehte sie den Kopf, sodass sie ihn im Blick behielt. Das Lächeln in ihrem dunklen Gesicht war dabei keineswegs zynisch, wie es ihre Worte hätten vermuten lassen können, sondern ... bewundernd.

Nordheim erwiderte es auf die ihm eigene Art, die sein jugendliches Gesicht zu dem eines kleinen Jungen machte.

»Wenn ich zum Aufgeben neigen würde«, sagte er, »dann hätte ich sicher meinen Beruf verfehlt, hm? Hoffnung zählt zu meinem Handwerkszeug.«

»Das ist es, was ich an Ihnen so mag, Doc«, entgegnete Schwester Pearl. Ihr Lächeln wurde ein wenig breiter, und ihre beinahe schwarzen Augen funkelten eine Sekunde lang vergnügt.

Dr. Nordheim sah es noch, als die Schwester mit Marisa Truman um die nächste Gangbiegung verschwunden war. Vergnügen, Hoffnung – all das waren Dinge, von denen es in Druid Hill viel zu wenig gab, als dass man sie gleich wieder hätte vergessen dürfen.

Trotzdem – immer wenn er im Zusammenhang mit Marisa Truman an Hoffnung dachte, kam es ihm vor wie Selbstbetrug.

Das heute achtzehnjährige Mädchen hatte seit dreizehn Jahren kein Wort mehr gesprochen. Mehr noch, es hatte, so stand es in den Untersuchungsberichten, die mittlerweile ganze Ordner füllten, in dieser Zeit nicht einmal mehr wirkliche Lebenszeichen gezeigt.

Obgleich – physisch war das Mädchen kerngesund. Und im Grunde war das allein schon ein Wunder, bedachte man, dass es aus eigenem Antrieb weder aß noch sich bewegte. Man musste es zwar zu all dem nicht zwingen, aber es bedurfte eben eines Anstoßes durch fremde Hand.

Dr. Nordheim hatte Marisas »Krankheitsgeschichte« wieder und wieder durchforstet. Doch wie die Spezialisten vor ihm, hatte auch er den Grund ihrer völligen Apathie nicht finden können.

Fest stand nur, dass die Veränderung im Alter von fünf Jahren bei Marisa eingetreten war, und das im wahrsten Sinne des Wortes über Nacht: Gestern noch ein munteres kleines Mädchen, heute kaum mehr als eine leere Hülle.

Niemand wusste, was geschehen war in dieser Nacht. Es schien, als hätte etwas in Marisa »Drähte« gekappt, über die die Medizin zu wenig wusste, als dass sie sie hätte reparieren können.

Seither hatte Marisa Truman ihr Leben in mehr als einem Dutzend verschiedener Kliniken zugebracht; die qualifiziertesten Fachärzte hatten sich ihres Falles angenommen, doch für jeden von ihnen war Marisa ein Rätsel geblieben, das sie nicht zu lösen imstande waren.

Und so war das Mädchen vor fast einem Jahr in Druid Hill gelandet – jenem Sanatorium, das in Fachkreisen den Beinamen »Point of no Return« trug, »Ort ohne Wiederkehr«. Das hieß nichts anderes, als dass man hier die hoffnungslosesten Fälle »aufbewahrte« und entweder auf ein Wunder wartete oder darauf, dass eine höhere Macht »den Fall zu den Akten legte« ...

Dr. Donald Nordheim hatte sich dafür entschieden, den Glauben an Wunder nie aufzugeben. Und er versuchte nach Kräften, daran mitzuwirken. Er hatte im Laufe der Zeit, die er nun schon in Druid Hill seinen Dienst verrichtete, eine Reihe von Heilverfahren entwickelt, die man ihm anderenorts vermutlich nie genehmigt hätte. Hier jedoch störte sich niemand an unkonventionellen Vorgehensweisen, die bisweilen allen festgeschriebenen Erkenntnissen der Psychiatrie wider- und bisweilen sogar hohnsprachen. Aber hier in Druid Hill durfte ein Mann wie Dr. Donald Nordheim seine Theorie, dass etwas im höchsten Maße Eigenwilliges und Hochkompliziertes wie die menschliche Psyche nur auf mindestens ebenso eigenwillige und komplizierte Art und Weise zu behandeln war, auch praktisch umsetzen.

Und seine wenn auch nur kleinen Erfolge hatten in der jüngsten Vergangenheit zumindest schon dafür gesorgt, dass man im Zusammenhang von Druid Hill nicht mehr nur vom »Point of no Return« sprach, sondern dass vereinzelt schon der Begriff »Point of last Hope« fiel ...

Mit dem Stöhnen des alten Mannes, als der er sich innerlich manchmal fühlte, stieß Nordheim sich von der Wand ab, an der er in Gedanken versunken gelehnt hatte, und ging langsam um die Ecke, hinter der vorhin Schwester Pearl mit ihrem »Sorgenkind« verschwunden war.

Marisa war die womöglich schwerste Prüfung, die ihm je auferlegt worden war.

Nordheim fröstelte plötzlich.

Nicht zum ersten Mal, wenn er an das Mädchen mit dem leeren Blick dachte.

Denn auf unerklärliche Weise fürchtete er sich vor dem Tag, da ein Wunder auch an Marisa Truman wirksam werden könnte.

Er fürchtete sich vor dem, was hinter ihren toten Augen lauern und erwachen könnte.

Druid Hill Sanatorium, BereitschaftsraumWestbrook, Maine, 15. November, 23:19 Uhr

»Wie gefällt dir das?«, fragte sie zitternd, als sie mit der Zunge die Länge seines Schaftes befeuchtete – ihn darauf vorbereitete, in sie zu dringen. In den immer unerträglicher brennenden Schoß, der sich nach etwas sehnte, was ihm viel zu lange vorenthalten worden war.

»Gut«, keuchte Philip. »Es ist ... gut ...«

»O ja. Und es wird noch besser!«

Wie im Fieber glitt sie über ihn und setzte sich auf seinen Pfahl. Sekundenlang ruhte sie in vollendeter Haltung in ihrem Sattel.

Dann eröffnete sie den feurigen Ritt, schloss die Augen und vergaß das heruntergewirtschaftete, kalt und lieblos eingerichtete Zimmer.

Philip gab ihr, was sie am meisten brauchte.

Und sie ihm ...

Vic Secares Smartphone piepste den River-Kwai-March, denn er hatte sich einen Wecker gestellt.

Mit sichtlichem Widerwillen löste er sich aus dem Gespinst, in dem seine Gedanken sich verfangen hatten, und stellte das Piepsen ab. Brummend klappte er das Taschenheftchen, in dem er gerade gelesen hatte, zu und stopfte es in die Schublade zu den abgegriffenen Hochglanz-Girls, die ihm schon so manche Nachtschicht in Druid Hill versüßt hatten.

23:20 Uhr – Zeit für den nächsten Rundgang, der so langweilig sein würde wie der vorherige und alle nachfolgenden. So öde wie jede Nacht in Druid Hill.

Vic Secare stand auf und stöhnte. Die heiße Lektüre hatte Folgen gezeitigt. Unterhalb seiner Gürtellinie. Und verdammt, Secare hätte eine ganze Menge dafür gegeben, wenn er die pochende Schwellung in seiner weißen Pflegerhose auf angenehme Weise hätte loswerden können ...

Hätte jemand Vic Secare in diesem Moment beobachtet, wäre er vermutlich erschaudert. Im bläulichen Widerschein der Überwachungsmonitore wirkte jedes Gesicht ein klein wenig dämonisch. In Secares Züge allerdings schlich sich etwas Verschlagenes, fast Bösartiges, als sein mit einem Mal glitzernder Blick an einem der Flachbildschirme kleben blieb.

Der Monitor zeigte ein Zimmer, das nicht so schlicht war, wie man es in einer Anstalt wie Druid Hill vielleicht erwartet hätte. Obwohl es jene kahlen Zellen mit den weichen Wänden natürlich auch hier gab.

Dieser Raum jedoch strahlte sogar fast Gemütlichkeit aus. Die Einrichtung war die eines Jungmädchenzimmers, und es wirkte nur deshalb ein bisschen steril, weil die persönliche Note fehlte. Nirgends lag oder stand etwas herum, das etwas über die Bewohnerin des Raumes verraten hätte. Nichts zumindest, was auf dem kleinen, schwarzweißen Abbild zu entdecken gewesen wäre.

Aber das war es ohnehin nicht, was Vic Secare interessierte.

Sein Interesse galt dem blonden Mädchen, das dort reglos auf dem Bett lag und dessen schlanke Silhouette sich unter dem dünnen Laken abzeichnete. Ein Anblick, der Öl auf das Feuer von Secares ohnehin schon erhitzter Fantasie war.

Marisa Truman würde sich weder wehren noch schreien, wenn er sein Mütchen ein wenig an ihrem schönen Körper kühlte.

Sie hatte seit dreizehn Jahren nicht mehr geschrien und würde nicht ausgerechnet heute Nacht ihr Schweigen brechen ...

Vic Secare schnappte sich den schweren Schlüsselbund. Leise den River-Kwai-March pfeifend, verließ er den Kontrollraum. Niemand begegnete ihm, als er durch die Gänge schlenderte, die von der Notbeleuchtung in vages Zwielicht getaucht wurden. Obwohl er natürlich nicht allein in Druid Hill war. Aber die Leute, die nachts hier ihren Dienst versahen, ließen sich an zwei Händen abzählen. Und die ständigen »Bewohner« der Anstalt schliefen tief und fest – dafür sorgte schon das Zeug, das man ihnen ins Abendessen mischte. Andernfalls wäre hier auch nachts die Hölle los gewesen, und entsprechend mehr Personal hätte eingesetzt werden müssen, was aber im Zuge der staatlichen Einsparungsmaßnahmen eine finanzielle Utopie war.

Still war es um Vic Secare herum dennoch nicht. Manche Stimmen verstummten nie in Druid Hill. Sie gerannen des Nachts allenfalls zu einem Wimmern, das dem Echo eines fernen Chores gleich durch die Gänge wehte.

Geräusche, die Vic Secare schauriger fand als die Schreie, die tagsüber oft zu hören waren ...

Und sie rissen auch dann nicht völlig ab, als er den Trakt erreichte, in dem »die Ruhigen« untergebracht waren. Gestaltlosen Geistern gleich fanden die Laute einen Weg durch verschlossene Türen und selbst durch Mauern, um jeden, der um diese Zeit durch die schattenerfüllten Flure schlich, auf Schritt und Tritt zu begleiten.

In dieser Nacht jedoch empfand Secare sie nicht als so unangenehm wie sonst. Weil er nur einen kleinen Teil seines Bewusstseins für die Stimmen reservierte. Den weitaus größeren beherrschten jene Gedanken, die sich um das drehten, was er mit Marisa Truman anzustellen gedachte. Und das Pochen in seiner Hose wurde zu etwas Glühendem, fast Schmerzhaftem.

Er lachte heiser, als er das Zittern seiner Finger bemerkte, während er nach den richtigen Schlüsseln suchte. Und er brauchte eine ganze Weile, bis er die drei Schlösser traf und schließlich öffnete.

Geräuschlos glitt die schwere Tür auf. Wie ein Schatten huschte Secare hindurch und drückte sie vorsichtig zu. Dann blieb er sekundenlang stehen – nicht zögernd, sondern von etwas wie abseitiger Ehrfurcht erfüllt.

Durch das Sicherheitsglas des Fensters fiel Mondlicht, das sich wie flüssig über das Bett ergoss. Das darin liegende Mädchen sah aus wie in silbern glimmende Gaze gehüllt – oder wie ... nicht von dieser Welt.

Das Laken war herabgerutscht, seit Secare die junge Frau auf dem Monitor beobachtet hatte. Der dünne Stoff ihres Nachthemds zeichnete ihre Figur gerade so weit nach, dass der Fantasie des Betrachters noch genügend Spielraum blieb.

Doch jetzt wollte Secare wissen, wie dicht seine Fantasie und die Wirklichkeit nebeneinander lagen.

Er trat ans Bett heran.

»Welche Verschwendung«, flüsterte er rau. »So viel Schönheit für einen im Grunde leblosen Körper. Es wird Zeit, sie zu nutzen.«

Er glaubte zu lachen, doch jeder andere hätte den Laut als etwas Gutturales, Animalisches empfunden. Dann beugte er sich vor und zog mit der einen Hand das Laken ganz von Marisa weg, während er mit der anderen ihr Nachtgewand hochschob.

Im Mondlicht war die Haut des Mädchens beinahe milchweiß. Feine Schattensicheln lagen um ihre kleinen festen Brüste, deren Warzen sich wegen der plötzlichen Kühle verhärteten. Doch Secare hatte keine Mühe, diese Reaktion seiner Gegenwart zuzuschreiben.

Wieder grunzte er, während er nervös an seiner Hose nestelte und sie schließlich über die Knie herabrutschen ließ.

Seine Finger fuhren in das dunkle Dreieck in Marisas Schoß, fühlten flaumweiche Löckchen.

Ein zutiefst widerwärtiger Laut ließ seine Lippen beben, als er sich über die junge Frau schob. Ihre Schenkel öffneten sich ihm nur scheinbar bereitwillig.

Mit der rechten Hand versuchte er dem Ziel seiner gemeinen Träume näherzukommen, während er sich mit der linken abstützte.

Ganz kurz glitt sein Blick hin zu der Stelle über der Tür, die im herrschenden Dämmerlicht nur ein dunkler Fleck war. Dort oben befand sich, geschützt hinter Kunststoff, die Überwachungskamera. Secare schalt sich einen Narren, dass er sie vorhin nicht abgeschaltet hatte.

Aber jetzt war es zu spät.

Jetzt war etwas anderes wichtiger.

Jetzt war er –

– am Ziel!

Vic Secares Becken sank fast ruckartig herab.

Doch dann geschah etwas, womit er nicht gerechnet hatte.

Er wusste nicht, ob es an seinem kehligen Stöhnen lag, oder daran, dass das Mädchen vielleicht doch nicht ganz so »empfindungsarm« war, wie alle glaubten.

Marisa Truman schlug die Augen auf.

Und vielleicht zum ersten Mal seit dreizehn Jahren schienen ihre Augen zu sehen. Auch wenn Secare den zutiefst beunruhigenden Eindruck hatte, dass nicht er es war, den sie sahen. Sondern etwas ganz anderes ...

Er grinste trotzdem.

»Na, das ist doch was, he?«, keuchte er in der Bewegung. »Das tut ...«

... weh!

Wie damals.

Und doch anders ...

Eine Sturmflut von Empfindungen brach in Marisa ein wie in ein leeres Staubecken. Ein Staubecken, das viel zu klein für diese Massen war und dessen Mauern unweigerlich brechen mussten unter dem Ansturm solcher Gewalten.

Auf eine Weise, die sich ihrem seit einer Ewigkeit nicht mehr genutzten Bewusstsein entzog, filterte sie eine der Empfindungen heraus.

Schmerz ...

Schmerz machte den allergrößten Teil dessen aus, was da die Leere in ihr fraß und gleichsam füllte.

Ein Schmerz, der Erinnerung freilegte, die in der Leere versunken war.

Nun wurde sie befreit, und die Erinnerung schien tausendfach schlimmer zu sein als die tatsächliche Ursache. Der vor einer Ewigkeit erlittene Schmerz schien sich im Laufe der Zeit potenziert zu haben. Und jetzt erreichte er ein Maß, da es nur noch zweierlei Ventile gab, ihn abzulassen.

Das eine war Wahnsinn.

Marisa – oder etwas in ihr – öffnete das andere ...

Das Mädchen starrte noch immer zu Vic Secare hoch – aber auch immer noch durch ihn hindurch. Auf einen Punkt vielleicht, den er – oder überhaupt irgendein anderer – niemals würden sehen können.

Die ruckartigen Bewegungen, die ihren Körper durchliefen, gingen nicht von ihr selbst aus. Und das Glimmen in ihrem Blick mochte eine Folge dieser Bewegungen sein, weil sich dadurch das Licht in ihren Augen unterschiedlich brach.

Dennoch konnte Secare sich nicht völlig des Eindrucks erwehren, dass Marisa ihn auf eine Weise musterte, wie ein bösartiges Kind einen Käfer betrachtete, dem es gleich die Flügel ausreißen würde ...

»Unsinn«, schnaufte er. »Vielleicht hast du sogar Spaß daran, he? Das ist doch mal was anderes, als nur draußen im Garten im Kreis herumgeführt zu werden, was?«

Er lachte hässlich.

Verdammt, warum war er nur nicht früher auf diese Idee gekommen? Er hätte eine Menge Geld sparen können, das er bislang in die abgetakelten Weiber investiert hatte, die in nicht minder abgewrackten Läden ihre abgenutzten Körper verkauften ...

»Sieh, das Gute liegt so nah«, keuchte er. Ein glitzernder Speichelfaden löste sich aus seinem Mundwinkel und traf Marisas Bauch. Schweiß lief Secare in dicken Tropfen von der Stirn und begann in seinen Augen zu brennen.

Brennen ...

Sein ganzer Körper schien allmählich zu brennen ...

»Verdammt, du heizt mir ein, Kleines«, knurrte er.

Früher, vor einer oder zwei Ewigkeiten, war Vic Secare mal ein recht passabler Sportler gewesen. Aber er konnte sich nicht daran erinnern, jemals so geschwitzt zu haben wie hier und heute.

Das war nicht normal ...

Wenn er es nicht besser gewusst hätte, hätte er geglaubt, auf seiner Haut würden winzige Flämmchen tanzen.

Flämmchen, die seine Haut röteten ...

»Was ist das, verflucht?«

Secare hielt inne. In den Geruch von Schweiß, der sich mit dem der antiseptischen Reinigungsmittel mischte, mit denen die Räume hier gesäubert wurden, mengte sich noch etwas anderes ...

... der Gestank von –

– schmorendem Fleisch?

– verbranntem Horn?

Genau eine Sekunde lang wunderte sich Secare noch, warum er nicht längst vor Schmerzen brüllte.

Dann tat er es.

Nachdem er diese eine Sekunde lang auf seine nackten Arme gestiert hatte, deren Haut längst nicht mehr nur gerötet war, sondern die sich dunkel zusammenzog und stellenweise aufplatzte, während sich dünne Rauchschlieren darüber schoben wie ätzender Nebel.

Als er sich schreiend vom Bett wälzte, leckten kleine Feuerzungen aus den aufgeschnappten Hautstellen, die sich nicht mehr nur auf seine Arme beschränkten.

Und einen Lidschlag später stand Vic Secare in Flammen.

Sein Körperfett brannte hörbar knisternd. Verbrennendes Fleisch löste sich unter schier unvorstellbarer Hitze von den Knochen, die – und Secare spürte es! – zu Asche wurden. Seine weiße Pflegerkleidung wehte in dunklen Flocken durch den Raum und legte sich wie schwarzer Schnee auf Marisas Bett.

Secare stürzte, und die Flammen, die seinen Körper fast schon verzehrt hatten, aber noch lange nicht satt waren, fanden ringsherum neue Nahrung.

Seine Schreie waren längst erstickt.

Doch andere waren an ihre Stelle getreten.

Marisa schrie.