Die Verdammten von  Shenandoah - John Grey - E-Book

Die Verdammten von Shenandoah E-Book

John Grey

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Beschreibung

Nun gibt es eine exklusive Sonderausgabe – Die großen Western Classic Diese Reihe präsentiert den perfekten Westernmix! Vom Bau der Eisenbahn über Siedlertrecks, die aufbrechen, um das Land für sich zu erobern, bis zu Revolverduellen - hier findet jeder Westernfan die richtige Mischung. Lust auf Prärieluft? Dann laden Sie noch heute die neueste Story herunter (und es kann losgehen). Dieser Traditionstitel ist bis heute die "Heimat" erfolgreicher Westernautoren wie G.F. Barner, H.C. Nagel, U.H. Wilken, R.S. Stone und viele mehr. »Meldung, Corporal!« Der Sergeant tauchte von den Mannschaftszelten her auf. Er hatte ein langes Cape übergeworfen. »Keine besonderen Vorkommnisse, Sergeant.« Der Corporal änderte seine lässige Haltung nicht. Er nahm lediglich die Pfeife aus dem Mund, die ohnehin längst erloschen war. »Warum stehen wir uns die Beine in den Bauch? Die Rebellen sitzen mitten im Shenandoah-Tal.« »Irgendwann werden sie zurück nach Süden wollen«, sagte der Sergeant. »Dann werden sie feststellen, daß das Shenandoah Valley zum Flaschenhals geworden ist, und wir haben den Korken dafür.« »Meiner Meinung nach hätten wir Stonewall Jackson auf dem Marsch angreifen sollen, Sergeant. Ich bin sicher, er wird uns nicht den Gefallen tun, hier aufzutauchen, sondern uns aus dem Wege gehen.« »Sie haben Befehle, Corporal, die Sie ausführen werden. Ich habe ebenfalls Befehle – alles andere geht uns nichts an.« Der Corporal lachte. Zehn Sekunden später war er tot. Die Männer in den grauen Uniformen tauchten wie Gespenster aus der Dunkelheit auf. Sie hatten sich Lehm in die Gesichter geschmiert. Lautlos glitten sie heran.

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Die Verdammten von Shenandoah

Ein Himmelfahrtskommando für Lieutenant Callum

John Grey

»Meldung, Corporal!« Der Sergeant tauchte von den Mannschaftszelten her auf. Er hatte ein langes Cape übergeworfen.

»Keine besonderen Vorkommnisse, Sergeant.« Der Corporal änderte seine lässige Haltung nicht. Er nahm lediglich die Pfeife aus dem Mund, die ohnehin längst erloschen war.

»Warum stehen wir uns die Beine in den Bauch? Die Rebellen sitzen mitten im Shenandoah-Tal.«

»Irgendwann werden sie zurück nach Süden wollen«, sagte der Sergeant. »Dann werden sie feststellen, daß das Shenandoah Valley zum Flaschenhals geworden ist, und wir haben den Korken dafür.«

»Meiner Meinung nach hätten wir Stonewall Jackson auf dem Marsch angreifen sollen, Sergeant. Ich bin sicher, er wird uns nicht den Gefallen tun, hier aufzutauchen, sondern uns aus dem Wege gehen.«

»Sie haben Befehle, Corporal, die Sie ausführen werden. Ich habe ebenfalls Befehle – alles andere geht uns nichts an.«

Der Corporal lachte. Zehn Sekunden später war er tot.

Die Männer in den grauen Uniformen tauchten wie Gespenster aus der Dunkelheit auf. Sie hatten sich Lehm in die Gesichter geschmiert. Lautlos glitten sie heran. Ein Bajonett traf die Brust des Corporals. Er sackte zu Boden.

Der Sergeant drehte sich um, fassungslos vor Entsetzen. Zwei schattenhafte Gestalten huschten auf ihn zu. Sein Umhang bauschte sich. Er umfaßte den Griff seines Revolvers im Koppel. Vor ihm war eine heftige Bewegung. Ein Gewehr wurde hochgewirbelt. Der Kolben schwang herum. Der Sergeant spürte nicht einmal mehr das kühle Metall des Kolbenschuhs. Es war kalt wie der Tod. Ein schmetternder Hieb traf den Sergeant, und er wurde zur Seite gerissen. Ein stechender Schmerz für einen Sekundenbruchteil. Dann spürte er nichts mehr.

Im nächsten Moment waren die grauen Gespenster in der Nacht verschwunden.

*

Die morschen Kähne, die zu provisorischen Pontons verwandelt worden waren, lagen dicht an dicht und wurden von der Strömung in unregelmäßigen Bewegungen angehoben und gesenkt. Scharrend und knarrend rieben sie sich aneinander.

Aus dem Uferdickicht am Middle River war das Quaken der Ochsenfrösche zu hören. Dazwischen ertönte auf einmal der Ruf des virginischen Regenpfeifers. Im nächsten Moment war das dumpfe Trappeln schneller Füße zu hören. Stiefelabsätze knallten auf die Planken der Pontons. Soldaten in zerschlissenen grauen Uniformen tauchten schemenhaft aus dem hohen Gras am Ufer auf, sprangen die Böschung hinunter und stürmten über die schwankende Pontonbrücke auf das andere Ufer.

Eine scheinbar endlose Kette von Menschen. Es entstand keine Lücke, die Männer hatten ihre Gewehre quer vor der Brust, die Bajonette aufgepflanzt. Am anderen Ufer tauchten sie sofort im Dickicht unter.

Die Ponton-Brücke sank immer tiefer, die letzten Männer schafften es gerade noch, den wackligen, schwankenden Steg zu überschreiten, bevor die ersten Kähne unter den Planken im Strom versanken.

Kein Wort war zu hören. Nicht einmal ein Befehl. Die Truppe formierte sich und stieß schnell vor. Plötzlich tauchte der Mond hinter einer Wolkenballung auf. Die Szene war mit einem Schlag in milchiges Licht getaucht. Da lag das Lager der Nordarmee. Sie stürmten auf die Zelte zu. Unvermittelt begann eine knappe Meile entfernt das Feuer der Artillerie mit berstendem Krachen. Jeder Donnerschlag war von roten Glutsäulen begleitet, die aus der Finsternis aufzuckten. Der Boden erbebte.

Zwischen dem Dröhnen der Kanonen klangen die Detonationen der Gewehrsalven wie ein infernalisches Knattern.

Dutzende von Campzelten stürzten in sich zusammen. Überall waren flüchtende Gestalten zu sehen, die von Verfolgern eingeholt und gestellt wurden.

An den entfernter gelegenen Stellen des Lagers gelang es den Offizieren, ihre Einheiten zu sammeln und zu formieren. Sie rückten mit vorgestreckten Springfield-Gewehren den grauen Kämpfern der Nacht entgegen, die jetzt ein rauhes Gebrüll anstimmten und ihre abgeschossenen Gewehre wie Keulen schwangen.

Sie stürmten in den Bleihagel der Springfields. Dutzende von Männern sanken getroffen zu Boden. Ihre Schreie gingen im Lärm der Kanonen unter. Dann wurde die erste Linie der Blauröcke überrannt. Die zweite schoß ihre Salve ab und stemmte sich mit den Bajonetten gegen den Gegner.

Nahkampf.

Im Mondlicht und im Zucken der Mündungsblitze sahen die Soldaten kaum mehr von ihren Gegnern als die Umrisse der Körper, die bleiche Haut der Gesichter, die weit aufgerissenen Augen. Sie handelten wie mechanisch. Sie wollten nicht nur siegen, sie wollten vor allem selbst überleben.

Sie kämpften wie die Löwen. Gewehrkolben knallten gegeneinander, Bajonettklingen klirrten gegen Gewehrläufe. Im Mondlicht verwandelten sich die Getroffenen in fallende Schatten, die niemand mehr wahrnahm, wenn sie ins hohe Gras gesunken waren.

Die Linien der Blauuniformierten brachen zusammen. In ungeordneter Masse flüchteten sie auf ein Waldgebiet zu, das sich seitlich eines Höhenzuges erstreckte.

*

Stonewall Jackson stand in den wallenden Nebeln am Ufer des Shenandoah, angeleuchtet von mehreren verschmierten Petroleumlampen und flackernden Fackeln. Jenseits des Flusses, gut zwei Meilen entfernt, brüllten die Kanonen. Unablässig rollten Wagen des Trosses vorbei. Nachschub für die Artillerie.

Aber auch Sanitätswagen polterten über das unwegsame Gelände am Fluß zu den Behelfsbrücken. Aus der Tiefe der langgezogenen Niederungen zogen immer mehr Kolonnen der grauen Truppen herauf. Obwohl sie übernächtigt aussahen, bewegten sie sich nicht ein bißchen erschöpft oder müde, sondern marschierten im schnellstmöglichen Tempo, um nach vorn zur Kampflinie zu gelangen, wo die Haubitzengeschosse den Boden zerwühlten.

»Fremont hat den Rückzug eingeleitet«, sagte General Winder. »Er hat die Artillerie von Colonel Caroll durch Taylor und General Shields verstärken lassen, um seinen Rücken zu decken, während er alle anderen Truppen zusammenzieht und sich schleunigst davonmacht.«

»Es ist aber auch möglich, daß er sich lediglich eine Atempause verschaffen will.« Jackson blickte auf die Landkarten, die vor ihm ausgebreitet waren. Seine scharfen Augen musterten die unzähligen Linien und Striche, die Flüsse, Niederungen, Hügel, Waldungen und andere landschaftliche Merkmale darstellten und für den Ungeübten nichts weiter als ein unverständliches Gewirr ungeordneter Kritzeleien waren.

Jackson war von mittlerer Größe und schmächtiger Statur. Sein Kopf aber war mächtig, kantig und ausgeprägt. Ein dunkler, struppiger Vollbart reichte ihm bis fast auf die Brust. In den tiefliegenden Augen war ein dunkles, lebhaft glühendes Feuer. Seine sparsamen Bewegungen drückten Autorität und eine Kraft aus, die dem schmalen Mann kaum jemand zutraute. Aber wenn er zu reden begann, wenn er sich jemand direkt zuwandte, lag etwas Beherrschendes in seiner Stimme und seinem Auftreten, dem sich niemand zu entziehen vermochte.

»Fremont wird im Norden oft unterschätzt, Gentlemen. Er ist klug. Er könnte sogar gefährlich sein, wenn er nicht eine große Schwäche hätte: Er hat keine Ausdauer. Er sucht den schnellen Erfolg und weicht zurück, wenn er nicht auf Anhieb erreicht, was er will. Aber andererseits ist er unberechenbar. Stellen wir uns darauf ein, daß er noch nicht völlig aufgegeben hat. Immerhin hat er eine bedeutende Anzahl von Truppen zur Verfügung. Darunter die Deutsche Brigade. Erinnern Sie sich, Gentlemen: Nach Bull Run war es General Blenker mit seinen Germans, der die Yankees während des Rückzugs gedeckt und vor einer größeren Katastrophe bewahrt hat.«

»Was schlagen Sie vor, General?« fragte General Trimble.

»General Ewell bindet Fremonts Truppen bereits.« Jacksons Stimme klang kühl und entschieden. »Sie, Trimble, und General Taliaferro werden Ewell decken, damit er nicht zurückfällt, wenn nach Sonnenaufgang der Druck der Yankees stärker wird. Colonel Taylor, Sie werden mit Ihren Batterien diese Höhenzüge seitlich der Unionsstellungen umgehen und den Yankees in den Rücken fallen.« Er faltete die Landkarte zusammen und steckte sie unter die Uniformjacke. »Sie kennen meine Instruktionen, Gentlemen.«

Die Offiziere nickten, wandten sich ab und eilten zu ihren Pferden. Jackson blieb als letzter zurück. Er blickte über den Fluß. Die Nebel lösten sich auf. Die Sonne drang durch.

Melancholie befiel ihn, wie immer in solchen Augenblicken, tiefe Zweifel, ob das, was er tat, richtig war. Seine Haltung straffte sich. Er durfte sich keine Schwächen gestatten. Er war nicht mehr der stille, wenig beachtete Professor an der Militärschule. Er stand im Feld, mitten in einem der härtesten Kämpfe, die die Welt je gesehen hatte, und er trug Verantwortung für zehntausende von Männern, die ihm vertrauten.

Er drehte sich um: »Mein Pferd!«

Eine Ordonnanz hastete herbei, das Pferd am Zügel. Jackson stieg in den Sattel.

»Viel Glück, General!«

»Das brauche ich nicht für mich – das brauchen wir alle.«

Er ritt hinunter zum Fluß, wartete, bis zwei Artilleriebatterien vorbeigezogen waren, und folgte ihnen auf die Ponton-Brücke. Für einen Moment hielt alles inne. Als der General aus den Nebelschwaden auftauchte, verharrten die Soldaten, reckten die Köpfe, um ihn zu sehen, rissen die Mützen und Hüte hoch und schrien mit heiseren Kehlen: »Hurra!«

Er ließ sich nicht anmerken, wie sehr ihn das berührte. Aufrecht saß er im Sattel. Ein einsamer Mann inmitten Tausender von Männern.

*

»Wir müssen zurück, General.«

John C. Fremont saß schmal, hochgewachsen, steif im Sattel. Sein aristokratisches Gesicht, übernächtigt, blaß, mit auffallend hellen Augen, glich einer Maske. Er hörte das ständige Donnern der Artillerie schon gar nicht mehr. Das Vibrieren des Bodens unter ihm und seinem Pferd war ihm längst in Fleisch und Blut übergegangen.

»Die Rebellen unter Ewell stehen inzwischen südlich von Harrisonburg. Abteilungen Kavallerie und reitende Artillerie haben unsere Stellungen teilweise umgangen. Sie greifen im Rücken eines Teils unserer Linien an. An verschiedenen Stellen wankt die Front bereits und soll sogar schon durchbrochen sein. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, wann Jackson auf breiter Front den Durchbruch geschafft hat.«

»Bringen Sie mehr Kavallerie nach vorn«, sagte Fremont. »Schnelle Vorstöße gegen die Flanken, wenn die Rebellen angreifen. Jackson hat Turner Ashby verloren. Diesen Verlust kann er nicht ausgleichen.«

»Jackson braucht niemanden, General«, sagte der Colonel vor ihm. »Jackson führt seine Truppen ganz allein, wenn es sein muß. Er ist

oft genug ganz vorn gewesen,

wenn es nötig war, seine Leute zum Standhalten zu bewegen. Dieser Mann ist einer der besten Offiziere, die es gibt. Ich war mit ihm zusammen auf der Akademie in West Point.«

»Wir haben die stärkeren Truppen, Colonel«, erwiderte Fremont, ohne durch ein Mienenspiel oder einen Unterton in der Stimme zu verraten, ob ihn das Lob des anderen für den Gegner getroffen hatte. »Schicken Sie die deutschen Regimenter nach vorn, Colonel, General Blenker soll zu mir kommen. Bohlen und Steinwehr sollen die Spitze bilden. Wir stoßen gegen den rechten Flügel vor.«

»Es ist sinnlos, General«, sagte der Colonel. »Wir haben schon viele Männer verloren. Sie sind gefangen worden, andere sind gefallen. Schon über zweitausend.«

»Wir stehen im Krieg, Colonel«, entgegnete Fremont. »Es ist unser Schicksal, zu fallen, wenn es nicht anders geht. Wir sind da, um zu kämpfen. In diesem Krieg werden noch Zehntausende fallen. Vielleicht mehr, als wir alle uns vorstellen können. Wir müssen Jacksons Armee in die Knie zwingen. General McClellan plant einen Großangriff auf Richmond. Wir müssen Jackson vorher ausschalten.«

Das Gebrüll von Verwundeten klang herüber. Drei Ambulanzen polterten in hohem Tempo hinter die Front zu den Lazarettzelten.

»Ich glaube nicht, daß Jackson das Shenandoah Valley überhaupt verlassen will, General«, sagte der Colonel. »Es gehen Vermutungen um, daß er die Aufgabe hat, weitere Zerstörungen anzurichten und unsere Nachschubwege zu verstopfen.«

»Dabei war er bereits sehr erfolgreich.« Fremont zog seinen breitrandigen Schlapphut tiefer in die Stirn. »Führen Sie meine Befehle aus, Colonel.«

»Jawohl, Sir.«

»Lassen Sie trotzdem Vorbereitungen treffen, die es uns ermöglichen, unsere Stellungen nach hinten zu verlegen, um Atem zu schöpfen, falls es nötig werden sollte. Für den Fall bestimmen Sie eine starke Nachhut.«

»Diese Maßnahme ist sehr vorausschauend, Sir.«

Fremont antwortete nicht. Der Colonel zog sein Pferd herum. Im Osten graute der Tag. Die Nebel lichteten sich. Die Sonne wurde sichtbar. Über die grünen Hügel Virginias sah General Fremont die blauen Brigaden rücken. Wohlgeordnet und fest formiert jene, die die letzte Nacht Gelegenheit hatten, auszuschlafen und Kraft zu schöpfen, verdreckt, abgerissen und blutig die anderen, die schon seit dem späten Abend des Vortages auf den Beinen waren, nachdem man die ersten Meldungen empfangen hatte, daß die grauen Truppen gegen vorgelagerte Camps der Union vorgegangen wären.

Fremont wußte nicht mehr, wann er das letzte Mal geschlafen hatte. Aber er fühlte sich nicht müde. Er war innerlich aufgewühlt, auch wenn seine starre Haltung nach außen die wahren Gefühle verbarg.

Er ahnte längst, was der Colonel ihm hatte sagen wollen: Er konnte Jackson, den alle »Stonewall« nannten, nicht überwinden. Jackson trug seinen Spitznamen zu Recht. Fremont wußte, daß er Jackson unterlegen war, und er fragte sich, ob eine der vielen Intrigen, die es im Heer der Nordstaaten gab, dahintersteckte, daß gerade ihm die Aufgabe übertragen worden war, Jackson im Shenandoah Valley zu stellen.

Er wußte, daß er Feinde hatte. Neid und Mißgunst herrschten unter den Offizieren der Neu-England-Staaten gegen ihn. So war es immer gewesen, schon als er als junger Mann seine großen Entdeckungsreisen durch den Westen unternommen hatte, die ihn mit einem Schlag hatten berühmt werden lassen.

Bereits damals hatten viele versucht, ihn zu Fall zu bringen. Er hatte nie West Point besucht. Er war nie zum Offizier ausgebildet worden. Er war General, weil er Beziehungen hatte und Republikaner war, so wie Abraham Lincoln, der als Präsident regierte.

Aber nicht einmal in seiner Partei hatte er Freunde. Er erhielt die undankbarsten Aufgaben, jene, an denen er scheitern mußte. So wie hier im Shenandoah Valley gegen den großen Stonewall Jackson.

Deshalb durfte er nicht scheitern. Er mußte alles versuchen, seine Stellung zu behaupten.

Er ritt weiter nach vorn. Er sah die Einschläge der Artilleriegeschosse, die zuckenden Feuerblitze der Explosionen, hatte das Dröhnen in den Ohren, hörte Unteroffiziere Befehle brüllen und vernahm das Angriffsgeschrei der Einheiten und den Lärm der Fahrzeuge und Pferde, die nach vorn drängten. Die Luft war noch klamm und schmeckte bitter nach Pulver. Graue Pulverdampfwolken stiegen von den Artillerienestern auf und ballten sich zu düsteren Gebilden zusammen, die der Wind in Richtung Port Republic trieb.

Jenseits der Waldgürtel, in die die Mörsergeschosse regelrechte Schneisen gefressen hatten, wurde bereits mit dem Abbau der Zelte begonnen. Wagen wurden beladen. Die Verwundeten wurden abtransportiert, die Ausrüstungsvorräte folgten. Der Rückzug hatte begonnen, obwohl Fremont es nicht wahrhaben wollte.

*

Die Haubitzen standen an der Straße von Harrisonburg nach Cross Keys. Es herrschte unerträgliche Spannung. Die Luft flimmerte vor Hitze. Seit dem Vortag herrschte Ruhe. Die blauen Truppen befanden sich auf dem Rückzug. Die Nachhut lag noch in ihren Stellungen. Sie wußten, daß die Rebellen in der Nähe waren, aber sie hofften, daß Stonewall Jacksons Korps den Hauptteil der Unions-Armee verfolgen würde.

Auf einmal ein Schrei: »Angriff!«

Vor der Silhouette der Shenandoah Mountains tauchte die graue Infanterie auf. Colonel Munfords Wölfe.

Sie traten zum Sturm an. Eiserne Linien. Die Gewehre mit den aufgepflanzten Bajonetten neigten sich nach vorn. Die Sonne spiegelte sich auf dem dunkel brünierten Metall.

Den Männern in den blauen Uniformen hinter den Haubitzen wurde es kalt.

Da begann der Sturm: Sie rückten aus der Richtung von Hopkins Mill heran und verließen die Schatten des Buschlandes im Laufschritt.

Heiseres Gebrüll aus tausend Kehlen. Die grauen Angriffswellen fluteten auf die Artillerienester des Nordens zu.

»Feuer!«

Grollend begannen die Haubitzen zu krachen. Ein wütendes Wetterleuchten der Feuerblitze aus den wuchtigen Rohren zuckte über die Ebene. Tödlicher Eisenhagel erhob sich. Vollkugeln schlugen mitten in die Frontlinie der Südstaaten-Infanterie ein. Im Boden öffneten sich Krater, in denen schreiende Männer versanken.

Die grauen Infanterielinien schlossen sich immer wieder und drangen unaufhaltsam vor.

Der erste Zug, kommandiert von einem schnauzbärtigen Corporal, erreichte die vordersten Artilleriestellungen.

Es dauerte nur Sekunden, dann hatten die grauen Soldaten die ersten beiden Posten übernommen. Gewehre knallten. Verzweifelte Schreie waren zu hören. Einige andere Nester wurden freiwillig geräumt. Die blauuniformierten Soldaten flüchteten in wilder Panik.

Erbittert wurde gekämpft. Metall schlug auf Metall. Die grüne Ebene war bereits von Tausenden von Stiefeln zerwühlt. Überall lagen Tote und Verletzte. Es stank nach Blut und Pulver.

Jubelgeheul! Das Sternenbanner fiel. Die konföderierte Fahne ging hoch. Knatternder Trommelschlag, blecherne Trompetentöne.

Der Kampf war vorbei, kaum daß er begonnen hatte. Sanitäter eilten mit Tragen aus dem Buschland und sammelten die Verwundeten ein.

Colonel Munford ritt die geräumten Artilleriestellungen ab. Seine Uniform war vom Pulverrauch geschwärzt. Er blutete aus einer Rißwunde an der linken Wange. Den Säbel hielt er in der rechten Faust, den Arm gesenkt. Auf der Säbelklinge waren dunkle Blutflecken.

»In einer Stunde Aufbruch!« rief er. »Wir nehmen die Geschütze mit. Was wir nicht transportieren können, wird verbrannt.«

Die Nachhut der Nordarmee war inzwischen hinter der Straße nach Harrisonburg verschwunden. Der Lärm der abziehenden Armee verhallte.

*

Er wußte, daß ein Spähtrupp der Unionsarmee in der Nähe war, und er hoffte, daß der Trupp vorbeireiten würde, ohne ihn zu bemerken. Aber seine Hoffnung schrumpfte mit jeder Sekunde, denn die Patrouille näherte sich der Stelle, wo er die Nacht verbracht hatte.