Die Verhinderung der Literatur - George Orwell - E-Book

Die Verhinderung der Literatur E-Book

George Orwell

0,0

Beschreibung

Der Essay "The Prevention of Literature" von George Orwell befasst sich mit dem Konzept der Zensur und der Einschränkung von Freiheiten im Bereich der Literatur. Orwell argumentiert, dass die Verhinderung von Literatur immer auch eine Verhinderung der Freiheit der Meinungsäußerung und der individuellen Gedanken darstellt. Er bezieht sich dabei auf die Erfahrungen und Erlebnisse in totalitären Regimen und zeigt, wie diese versuchen, durch Zensur und Einschränkungen die freie Meinungsbildung zu unterdrücken. Orwell betont, dass es wichtig ist, die Freiheit der Meinungsäußerung und der Literatur zu schützen, um die individuelle Freiheit der Menschen zu gewährleisten.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 55

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



DIE VERHINDERUNG DER LITERATUR

__________________

THE PREVENTION OF LITERATURE

(Deutsche Übersetzung - Englisches Original)

by George Orwell (1946)

Übersetzung Heike Wolf (2022)

Copyright© Aureon Verlag GmbH

DIE VERHINDERUNG DER LITERATUR

THE PREVENTION OF LITERATURE

DIE VERHINDERUNG DER LITERATUR

Übersetzung ins Deutsche

DIE VERHINDERUNG DER LITERATUR

Vor ungefähr einem Jahr nahm ich an einem Treffen des P.E.N. Clubs teil, der Anlass war der dreihundertste Jahrestag von Miltons Aeropagitica – wie man sich erinnert, eine Flugschrift zur Verteidigung der Pressefreiheit. Miltons berühmter Ausdruck über die Sünde, ein Buch zu „töten“, war auf die zuvor verteilten Handzettel gedruckt, mit denen das Treffen beworben wurde.

Auf dem Podium befanden sich vier Redner. Einer von ihnen hielt eine Rede, die sich mit der Pressefreiheit befasste, allerdings nur in Beziehung zu Indien; ein weiterer sagte zögernd und mit sehr allgemeinen Begriffen, dass Freiheit eine gute Sache sei; ein Dritter griff die Gesetze an, die sich mit Obszönität in der Literatur befassen. Der Vierte widmete den Großteil seiner Rede der Verteidigung russischer Säuberungsaktionen. Von den Reden in der Halle widmeten sich einige der Frage der Obszönität und den sie betreffenden Gesetzen, andere waren schlichtweg Lobreden auf Sowjetrussland. Moralische Freiheit – die Freiheit, Sexthemen offen in Druckwerken diskutieren zu können – schien allgemein gebilligt, aber politische Freiheit wurde nicht erwähnt. In dieser Versammlung mehrerer hundert Personen, von denen vielleicht etwa die Hälfte mit Geschriebenem ihr Geld verdiente, gab es nicht einen Einzigen, der aufzeigen konnte, dass Pressefreiheit, wenn sie überhaupt eine Bedeutung hat, die Freiheit zu kritisieren und zu widersprechen bedeutet. Bezeichnenderweise zitierte kein Redner die Flugschrift, derer angeblich gedacht wurde. Auch wurden die diversen Bücher, die während des Krieges in England und den Vereinigten Staaten „getötet“ wurden, nicht erwähnt. Im Endergebnis war das Treffen eine Demonstration für Zensur.

Daran war nichts Überraschendes. In unseren Zeiten wird das Konzept intellektueller Freiheit von zwei Richtungen aus angegriffen. Auf einer Seite stehen ihre theoretischen Feinde, die Apologeten des Totalitarismus, und auf der anderen ihre direkten, praktischen Feinde, Monopol und Bürokratie. Jeder Autor oder Journalist, der seine Integrität wahren möchte, stellt fest, dass er eher durch die allgemeinen Strömungen der Gesellschaft behindert wird als durch aktive Verfolgung. Die gegen ihn arbeitenden Dinge sind die Konzentration der Presse in den Händen einiger reicher Männer, die Kontrolle von Radio und Filmindustrie durch das Monopol, die fehlende Bereitschaft der Öffentlichkeit, Geld für Bücher auszugeben, was es für fast jeden Autor notwendig macht, einen Teil seines Lebensunterhalts durch Geschmiere oder die Inanspruchnahme offizieller Körperschaften wie dem MOI und dem British Council zu verdienen, die dem Autor helfen zu überleben, aber auch seine Zeit verschwenden und ihm seine Meinung aufdiktieren, sowie die ständige Kriegsatmosphäre der letzten zehn Jahre, vor deren verzerrender Wirkung niemand fliehen konnte. In unseren Zeiten verschwört sich alles, um den Autor und auch jede andere Art Künstler in einen untergeordneten Bürokraten zu verwandeln, der an Themen arbeitet, die von oben heruntergereicht werden, und nie das sagt, was ihm die gesamte Wahrheit scheint. Aber er bekommt im Kampf gegen dieses Schicksal keine Hilfe von seiner eigenen Seite, soll heißen es gibt keine überwiegende Meinung, die ihm versichert, dass er im Recht ist. In der Vergangenheit, in jedem Fall während der protestantischen Jahrhunderte, wurden die Konzepte von Rebellion und intellektueller Integrität vermischt. Ein Häretiker – ob nun politisch, moralisch, religiös oder ästhetisch – war jemand, der sich weigerte, sein eigenes Gewissen zu erzürnen. Seine Einstellung wurde in den Worten des folgenden Erweckungslieds zusammengefasst:

Wage es, ein Daniel zu seinWage es, allein zu stehenWage es, ein festes Ziel zu habenWage es, es bekannt zu machen

Um dieses Lied auf den heutigen Stand zu bringen, müsste man in jede Zeile als zweites Wort ein „nicht“ einfügen. Denn es ist unserer Zeit zu eigen, dass die Rebellen gegen die bestehende Ordnung, oder jedenfalls die meisten und typischsten von ihnen, auch gegen den Gedanken individueller Integrität rebellieren. Es zu „wagen, allein zu stehen“, ist ideologisch ebenso kriminell wie praktisch gefährlich. Die Unabhängigkeit von Autor und Künstler wird von vagen ökonomischen Kräften aufgefressen und zur selben Zeit von jenen untergraben, die ihre Verteidiger sein sollten. Es ist das zweite Vorgehen, mit dem ich mich hier befasse.

Gedanken- und Pressefreiheit werden normalerweise mit Argumenten angegriffen, die es nicht wert sind, sich weiter mit ihnen zu befassen. Jeder, der mit Vorträgen und Debatten Erfahrung hat, kennt sie vorwärts und rückwärts. Ich versuche hier nicht, mich mit der bekannten Behauptung zu befassen, dass Freiheit eine Illusion ist, oder mit der Behauptung, dass in totalitären Ländern mehr Freiheit herrscht als in demokratischen, sondern mit der wesentlich tragbareren und gefährlicheren Aussage, das Freiheit nicht erstrebenswert und intellektuelle Ehrlichkeit eine Art antisozialer Selbstsucht sei. Obwohl andere Aspekte dieser Frage normalerweise im Vordergrund stehen, ist die Kontroverse über Rede- und Pressefreiheit letztlich eine Kontroverse über die Erwünschtheit des Lügenerzählens. Worum es wirklich geht, ist das Recht, geschehende Ereignisse wahrheitsgemäß zu berichten, oder so wahrheitsgemäß wie es mit der Ignoranz, den Vorurteilen und der Selbsttäuschung, unter der jeder Zuschauer naturgemäß leidet, vereinbar ist. Wenn ich dies sage, könnte es scheinen, als ob ich sage, die direkte „Reportage“ wäre der einzige Zweig der Literatur, der zähle: aber ich werde versuchen, nachher aufzuzeigen, dass dasselbe Thema auf jeder literarischen Stufe und wahrscheinlich in jeder Form der Kunst mehr oder weniger subtil auftritt. Bis dahin ist es notwendig, das Irrelevante zu entfernen, in das diese Kontroverse normalerweise gehüllt ist.

Die Feinde intellektueller Freiheit versuchen immer, ihren Fall als Appell für Disziplin im Gegensatz zu Individualität zu präsentieren. Das Thema Wahrheit-versus-Unwahrheit wird soweit wie möglich im Hintergrund gehalten. Obwohl sich das, was betont wird, unterscheiden kann, wird der Autor, der sich weigert, seine Ansichten zu verkaufen, immer als reiner Egoist gebrandmarkt. Er wird nämlich beschuldigt, sich entweder in einem Elfenbeinturm verschließen oder seine eigene Persönlichkeit egoistisch zur Schau stellen zu wollen, oder sich der unausweichlichen Strömung der Geschichte widersetzen zu wollen, um an ungerechtfertigten Privilegien festzuhalten. Katholiken und Kommunisten sind in ihrer Annahme gleich, dass ein Gegner nicht gleichzeitig ehrlich und intelligent sein kann. Jeder von ihnen behauptet unterschwellig, dass „die Wahrheit“ bereits enthüllt wurde und dass der Häretiker, wenn er nicht einfach ein Narr ist, sich „der