Die verliebten Riesen - Christine Nöstlinger - E-Book + Hörbuch

Die verliebten Riesen Hörbuch

Christine Nöstlinger

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Beschreibung

Die schrulligen Riesen Pelinka und Satlasch leben zu zweit in ihrer einsamen Hütte und sehnen sich nach Gesellschaft, doch sie sind die letzten ihrer Art – glauben sie zumindest. Als sie erfahren, dass ein paar Täler weiter die Riesinnen Amanda und Ariane leben, beschließen sie daher: nichts wie hin! Aber unterwegs geht ihrem Riesen-Moped blöderweise das Benzin aus, und als sie auf eine Horde Zwerge treffen, bringt sie das auf eine ganz und gar irrsinnige Idee! Zwei riesig verliebte Riesen, ein großer Plan und eine ganze Meute aufgeregter Zwerge, die diesen durchkreuzen: ein phantasievolles und turbulentes Lesevergnügen für alle Christine-Nöstlinger-Fans – und solche, die es noch werden dürfen. Die Neuausgabe mit zahlreichen Illustrationen von Antje von Stemm

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Zeit:2 Std. 20 min

Sprecher:Philipp Schepmann

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Christine Nöstlinger

Die verliebten Riesen

mit Bildern von Antje von Stemm

FISCHER E-Books

Inhalt

Die Geschichte vom Riesen [...]Pelinka und Satlasch …Ein paar Wörter, [...]

Die Geschichte vom Riesen mit dem sehr träumerischen Blick und seinem Bruder, der auf ihn nicht gut genug aufgepasst hat.

Sie hießen Pelinka und Satlasch und waren – für Riesen – ziemlich klein, wenn man bedenkt, welche Ausmaße Riesen seinerzeit angenommen haben.

Pelinka und Satlasch wohnten in den Prikopa-Wäldern. Im vorletzten Tal, in einem großen, verlassenen Bauernhaus. Sie hatten es gemütlich dort, nachdem sie die Zwischenwände und die Decken abgetragen hatten. Bloß die Haustür war unbequem.

Die Möbel hatte Pelinka getischlert. Auch den Ofen hatte Pelinka gemacht, und die Löffel und Gabeln hatte er geschnitzt. Und wenn das Dach ein Loch hatte, flickte es Pelinka. Und wenn das Türschloss kaputt war, reparierte es Pelinka. Den verrußten Kamin kehrte Pelinka. Das abgebrochene Stuhlbein leimte Pelinka. Die Sprünge in den Mauern verputzte Pelinka. Und den Gartenzaun nagelte er auch.

Satlasch kochte und räumte auf und pflegte den Küchengarten. Er nähte die Hosen für sich und Pelinka und strickte jedes Jahr zwei Pullover. Einen im Rippenmuster für Pelinka und einen im Kästchenmuster für sich selber. Die Stricknadeln schnitzte ihm Pelinka aus Lindenholz.

Satlasch hatte auch das Geld. Und er teilte es gut ein: für Wolle, für Hosenstoff, für den Ochsen, den sie jedes Jahr zu Weihnachten aßen, für Salz und Zucker und Waschpulver und Mehl.

Satlasch war sehr sparsam. Er sammelte in den Prikopa-Wäldern Beeren und Pilze, er entdeckte eine Sorte Waldgras, die als Spinat gut schmeckte, er röstete Bucheckern braun und rieb sie zu Ersatzkaffee. Er kochte für den Winter Himbeermarmelade ein und legte sich einen Vorrat an Essig-Eierschwammerl-Fässern an. Der Topf, der oben in der Kredenz[*] stand und auf dem Notgroschen stand, war nie ganz leer.

Pelinka hätte den Notgroschentopf hin und wieder gern ins Wirtshaus getragen und sich ein Fass Bier dafür gekauft. Doch Satlasch erlaubte es nicht.

»Nein«, rief er, »der Notgroschen wird nicht angerührt!«

Da konnte es dann vorkommen, dass Pelinka ärgerlich wurde und rief: »Satlasch, du Geizhals! Wozu legst du denn alles, was uns bleibt, in den Notgroschentopf? Warum bist du so elend sparsam?«

Satlasch aber ärgerte sich gar nicht darüber, sondern bekam dann immer einen wunderschönen, sehr träumerischen Ausdruck im Gesicht und murmelte:

»Pelinka, ich habe meine Pläne!«

Wenn das Gesicht von Satlasch diesen wunderschönen, träumerischen Ausdruck hatte, konnte Pelinka nicht länger auf ihn böse sein. Er stellte den Notgroschentopf in die Kredenz zurück und machte sich einen großen Topf Brombeerlimonade. Die war auch gut gegen den Durst.

Pelinka fragte Satlasch natürlich oft, was das für Pläne seien, die Satlasch mit den Notgroschen habe, doch Satlasch wollte nichts verraten.

»Willst du vielleicht neue Vorhänge kaufen?«, fragte Pelinka. Die alten Vorhänge hatten schon viele kleine Löcher, die die Mäuse gebissen hatten.

»Oder eine Beerenpresse?« Satlasch drückte nämlich den Beerensaft, den er für die Marmelade und den Sirup brauchte, durch ein Riesentaschentuch, und das war eine arg mühselige Arbeit.

»Oder willst du eine Motorsäge kaufen?«

Pelinka hätte sehr gerne eine Motorsäge gehabt. Er musste das Holz für den Ofen und für die Möbel und für die Löffel und Gabeln mit einem selbstgeschmiedeten Fuchsschwanz schneiden.

»Ich habe etwas viel Schöneres im Sinn, warte nur ab«, sagte Satlasch dann. »Warte nur ab!«

Da fragte Pelinka dann nicht weiter und bekam auch einen wunderschönen, träumerischen Ausdruck im Gesicht.

Pelinka war überhaupt ein sehr gutmütiger Riese. Wie gutmütig er war, versteht man erst richtig, wenn man bedenkt, dass ja er es war, der das Geld verdiente, das Satlasch so geizig einteilte. Satlasch erklärte immer, er habe keine Zeit zum Geldverdienen, weil er die Hausarbeit und die Gartenarbeit am Halse habe und weil er zum Beerensammeln und zum Spinatgrastrocknen auch noch seine Zeit brauche. In Wirklichkeit aber war er bloß menschenscheu. Er wagte sich nicht ins Dorf hinunter. Und Arbeit und Geld dafür gab es ja nur bei den Menschen im Dorf.

Pelinka ging gern ins Dorf. Und im Dorfwirtshaus war er besonders gern. Nur im Sommer natürlich. Da waren im Wirtshausgarten Tische und Stühle aufgestellt. Da setzte sich Pelinka auf den kiesbestreuten Platz, dorthin, wo am Sonntagvormittag die Blaskapelle beim Frühschoppenkonzert stand, und dann zahlten ihm die Bauern ein großes Bier ums andere und freuten sich, dass er die doppelten Maßkrüge leer trank, als seien sie Schnapsstamperln*.

Im Winter konnte Pelinka nicht ins Wirtshaus gehen, denn in die niedrige Wirtsstube passte er nicht hinein. Da stand er dann vor der Wirtshaustür und trank sein Bier.

Im Dorf sagten die Bauern Pelinka auch, wo es etwas zu arbeiten gab.

»Der Pfarrer von Siebenkirchen will alle sieben Kirchtürme neu anstreichen lassen«, sagten sie zu ihm. Oder:

»Der große Traktor vom Hubermeier ist umgefallen und steckt so tief im Dreck, dass ihn außer dir keiner herausziehen kann!« Oder:

»Der Baumeister lässt fragen, ob du Zeit hast. Sein Lastauto mit dem Anhänger ist in der Reparatur, und er muss noch heute eine Ladung Ziegel zum Kuglerbauern bringen!«

Pelinka nahm alle Arbeiten an. Er strich die sieben Kirchtürme mit Rostschutzfarbe. Er zog den großen Traktor aus dem tiefen Dreck. Er keuchte mit einer Wagenladung Ziegel quer durch die Wiesen zum Kuglerbauern.

Einmal stand er auch zwei Wochen lang vor dem Haus des Bürgermeisters und hielt die Maurer, die einen frischen Verputz machten, auf seinen Händen. So ersparte sich der Bürgermeister ein Gerüst um das Haus.

Einmal, im Winter, als der Schneepflug kaputt war und es sehr viel schneite, schaufelte Pelinka ganz allein die Hauptstraße bis zum nächsten Ort von Schnee und Eis frei.

Einmal, als der Güterweg zum viertletzten Tal der Prikopa-Berge neu asphaltiert wurde, streikte der Motor der großen Straßenbaumaschine. Da holten die Arbeiter Pelinka, und Pelinka schob die Riesenmaschine, die nicht selber fahren konnte, vom vordersten bis zum viertletzten Tal. Drei Wochen lang schob er. Und alle Leute sagen noch heute, dass ein Güterweg nie so gut gehalten hat wie der, an dem Pelinka mitgearbeitet hat.

Pelinka wurde auch zum Bäumefällen geholt und für Arbeiten im Steinbruch. Als das Hochwasser den kleinen Bach von Klein-Prikop groß und reißend machte, so dass er die kleine Brücke wegschwemmte, stellte sich Pelinka in die Mitte des Bachs und hob die Menschen hinüber. Er verlangte nur wenig Geld dafür, und die Kinder hob er ganz umsonst über den Bach; sooft sie wollten. Am wichtigsten aber war Pelinka beim Bau der Seilbahn gewesen. »Wenn der Pelinka die Stützen nicht hinaufgetragen und eingegraben hätte, wären wir mit der Seilbahn noch immer nicht fertig!«, sagte sogar der Seilbahningenieur.

Alle Leute mochten Pelinka. Den Satlasch mochten sie nicht so sehr. Sie kannten ihn ja auch kaum.

Einmal war ein furchtbar kalter, schrecklich langer Winter mit ungeheuer viel Schnee und Eis und mit Stürmen mit weit über hundert Stundenkilometern. Da war Pelinka jeden Tag im Einsatz. Und manche Nacht auch. Er schaufelte nicht nur Wege und Straßen vom Schnee frei, er reparierte nicht nur Dächer, von denen der Sturm die Ziegel getragen hatte, er schaufelte auch den Schnee von den Häusern, die eingeschneit waren.

In diesem Winter brachte Pelinka viel Geld nach Hause. Der Notgroschentopf wurde ganz voll. Aber Satlasch wurde immer geiziger. Zu Weihnachten kaufte er keinen Ochsen, am Dreikönigstag gab es nur Grießbrei mit Himbeersaft, und am Faschingsmontag buk er keinen einzigen Krapfen. Wenn Pelinka zur Arbeit ging, gab er ihm bloß ein paar Tannenzapfen mit und sagte: »Pelinka, kau an den Zapfen, die haben sehr viel Nährwert!«

Pelinka hatte jeden Tag großen Hunger, und er wollte oft wegen des schlechten Essens Krach schlagen, doch Satlasch bekam jetzt immer häufiger den wunderschönen, sehr träumerischen Ausdruck im Gesicht, gegen den Pelinka so machtlos war, weil er hilflos wurde vor lauter Rührung darüber.

Als es Frühling wurde, hatte Pelinka mindestens einen halben Zentner abgenommen, und in der Kredenz standen vier volle Notgroschentöpfe, alle bis zum Rand mit Münzen gefüllt.

An einem warmen Frühlingsabend – die Wiesen waren schon schneefrei, nur im Wald, zwischen den Baumstämmen, lag noch ein bisschen grauer, löchriger, eisiger Schnee – kam Pelinka von einer Dachreparatur nach Hause.

Satlasch saß vor dem Haus und hatte einen derart wunderschönen, träumerischen Ausdruck im Gesicht, dass dem Pelinka vor lauter Rührung Tränen in die Augen traten.

»Entschuldige, dass ich dich störe«, sagte Pelinka leise und klopfte Satlasch auf die Schulter, »aber ich habe großen Hunger.«

»Jetzt ist es so weit«, sagte Satlasch und stand auf, »jetzt kann ich meinen Plan verwirklichen!«

Und dann zog Satlasch den Pelinka ins Haus hinein, zum großen Tisch.

»Genau gemessen«, sagte Satlasch stolz, »ergibt das drei Meter große Münzen, vier Meter kleine Münzen und sieben Meter und dreißig Zentimeter mittlere Münzen!«

Pelinkas Herz klopfte laut und rasch und aufgeregt. Ihm wurde feierlich zumute, denn gleich würde der Augenblick kommen, wo ihm Satlasch seinen Plan enthüllte.

»Wir kaufen ein Moped«, sagte Satlasch, »um vierzehn Meter und dreißig Zentimeter Münzen bekommt man sicher eine Spezialanfertigung in passender Größe!«

»Wozu denn ein Moped?« Pelinka war sehr enttäuscht.

»Damit wir wegfahren können!«

»Wir können doch auch recht gut gehen«, sagte Pelinka.

»Damit wir sehr weit wegfahren können!«

»Wir können doch auch sehr weit recht gut gehen.« Pelinka schaute auf seine großen, kräftigen Füße, und dabei wunderte er sich, dass Satlasch, der zu menschenscheu war, um ins nächste Dorf zu gehen, auf einmal sehr weit wegfahren wollte.

»Bis zu Ariane und Amanda können wir nicht gehen«, sagte Satlasch. »Es würde wochenlang dauern, und wenn wir ankämen, wären wir verdreckt und verstaubt und zerlumpt. Das wäre kein guter erster Eindruck!« Pelinka ließ sich auf einen Sessel fallen. »Ariane und Amanda«, murmelte er, und sein Gesicht bekam einen so wunderschönen, so träumerischen Ausdruck, dass man ihn für einen Engel hätte halten können. Nicht einmal Satlasch hatte je so wunderschön-träumerisch ausgesehen.

Noch am gleichen Tag nahmen sie einen Bogen Packpapier und schrieben an die Mopedfirma. Sie gaben ihre Größe und ihr Gewicht an, erwähnten auch, dass das Moped geländegängig und robust sein müsse, und baten um rasche Anfertigung. Sie legten vier Meter gemischte Münzen als Anzahlung auf den Brief, wickelten den Brief um das Geld herum und verschnürten und verklebten das Paket.

Pelinka trug das Paket ins Dorf zum Postamt. Den ganzen Weg pfiff er, und hin und wieder murmelte er: »Ariane und Amanda! Ariane und Amanda!«

Pelinka ging nun jeden Tag ins Dorf – auch wenn dort keine Arbeit für ihn war – und fragte am Postamt nach einem Brief für Pelinka und Satlasch. Die Postbeamtin schüttelte immer den Kopf. »Leider nein, lieber Herr Pelinka«, sagte sie.

Im Dorf sprach sich das herum. Die Leute wurden neugierig. Sie fragten Pelinka, aber der schwieg, weil er Satlasch versprochen hatte, kein Wort über das Moped und garantiert kein Wort über Ariane und Amanda zu sagen. Doch die Bauern waren schlau. Als Pelinka wieder einmal zur Post fragen ging und wieder einmal von der Postbeamtin erfuhr, dass kein Brief gekommen war, und als er traurig vom Postamt wegging, da kamen die Bauern und luden ihn auf ein Bier ein. Pelinka konnte, wenn es um Bier ging, nie widerstehen.

Weil die Sessel und Tische noch nicht im Wirtshausgarten standen – es war ja erst Frühling –, setzte sich Pelinka vor die Wirtshaustür. Die Wirtin reichte ihm die doppelten Maßkrüge durchs Fenster hinaus, und die Bauern gaben der Wirtin das Geld für die doppelten Maßkrüge durchs Fenster hinein.

Nach dem zwölften doppelten Maßkrug hatten die Bauern Pelinka so weit, dass er ihnen vom Brief an die Mopedfirma, von der Anzahlung und vom Wegfahren erzählte.

Und nach dem vierundzwanzigsten doppelten Maßkrug – und nachdem Pelinka lange und traurig geseufzt und beteuert hatte, dass das ein Geheimnis sei – erzählte er den Bauern von Ariane und Amanda.