Die wahren Helden des Krieges - Rahel Scheurer - E-Book

Die wahren Helden des Krieges E-Book

Rahel Scheurer

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Beschreibung

Das Buch erzählt die Geschichten von Kindern während des 2. Weltkrieges. Wie die Kinder mit ihrem Schicksal umgehen und die Schwierigkeiten meistern.

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Seitenzahl: 228

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Inhaltsverzeichnis

Der Junge der in die Hitlerjugend wollte

Das Mädchen auf der Flucht

Das Mädchen aus Stalingrad

Sofja die Starke

Der Junge der in die Hitlerjugend wollte

Alle meine Freunde sind schon in diesem neuen Verein und finden es grossartig. Sie haben alle Uniformen an und tragen alle einen Dolch mit sich. Ich will auch dorthin. Doch mein Vater verbietet es. Er ist gegen die Hitlerjugend. Ich finde sie grossartig. Sie gehen in spannende und lustige Ferienlager und lernen dort viel. Sie singen Lieder und tun Vieles mehr. Also was ist daran denn gefährlich. Sie machen doch alle nur harmlose Sachen, die nichts mit Krieg zu tun haben. Klar, manchmal üben sie mit Gewehren zu schiessen und haben Kriegskunde. Aber das haben wir doch in der «normalen» Schule auch. Weisst du, mein Vater war schon im Ersten Weltkrieg und jetzt darf er nicht mehr in den Krieg, weil er damals schwer verletzt wurde. Vielleicht will er nicht, dass ich auch in den Krieg muss. Doch ich möchte so gerne dazugehören. Ohh, ich habe mich ja noch gar nicht vorgestellt. Ich bin Max und bin 14 Jahre alt. Ich habe eine kleine Schwester, sie ist 11 und heisst Elena. Mama, Papa und ich wohnen in München. Seit einer Weile gehen Kinder in andere Schulen und unsere Nachbarn mussten einfach so ausziehen und dort wo sie früher wohnten, wohnt jetzt einer von den Generälen. Es passieren so viele komische Sachen im Moment. Für mich ganz normale Leute werden plötzlich beschimpft und ihre Geschäfte wurden geschlossen. Vater nennt diese Menschen glaube ich Juden. Doch für mich sind es einfach ganz normale Menschen.

Es war ein ganz normaler Montag. Ich stand auf und ging runter in die Küche. Meine Mutter hat mir das Glas Wasser und die zwei Stücke Brot mit Marmelade schon an meinen Platz gestellt. Sie bereitete das Frühstück für Papa vor und machte mein Pausenbrot bereit. Ich setzte mich hin und ass. Als ich fertig war, ging ich hoch und zog mich an. Die Kleider hat mir unser Dienstmädchen gestern Abend bereitgelegt. Sie half mir auch im Bad. Jeden Tag zeigte sie mir neu wie ich meine Zähne putzen muss und wie ich meine Haare mache. Auch meiner Schwester hilft sie sich anzuziehen und ihre Zähne zu putzen. Meiner Schwester macht sie jeden Morgen zwei Zöpfe. Ich ging in mein Zimmer und ging zu meinem Schreibtisch. Dort lagen mein Schulranzen und die Schulbücher. Ich packte meine Bücher in den Ranzen. Da sah ich den Anmeldezettel der Hitlerjugend. Ich habe ihn letzte Woche von einem Freund von mir bekommen. Ich musste mich gerade wieder an den Streit mit meinem Vater erinnern, als ich den Zettel sah. Mein Vater war so wütend, dass er zwei Teller verschlagen hatte. Meine Angst wuchs in noch einmal zu fragen, ob ich in die Hitlerjugend gehen darf. Den Zettel zerknüllte ich und warf ihn in den Papierkorb. Ich ging runter, zog meine Jacke an und gab meiner Mutter einen Kuss. Danach ging ich hinaus. Draussen vor unserer Tür stand schon der Chauffeur, der mich in die Schule fährt. Er öffnete mir die hintere Tür und ich stieg ein. Danach fuhr er los. Normalerweise wartet Maria immer vor der Schule auf mich. Maria ist meine beste Freundin. Vielleicht denkst du jetzt, Maria ist auch Deutsche. Nein, das ist sie nicht. Sie ist Jüdin. Sie hat es mir von Anfang an gesagt. Doch heute kam sie nicht in die Schule. Der ganze Tag war so unglaublich lang ohne Maria. Alles war so unglaublich langweilig ohne sie. Ich fragte ihre Freundinnen ob sie wissen wo Maria war. Aber auch sie wussten nichts. Auch alle andren jüdischen Kinder gingen nicht mehr auf unsere Schule. Am nächsten Tag, als ich in die Schule ging, wartete ich wieder auf Maria. Doch sie kam wieder nicht. Nach der ersten Schulstunde fragte ich meinen Lehrer:» Herr Lehrer, wissen Sie wo Maria ist?» Er schaute mich verdutzt an und sagte mit beunruhigter Stimme:» Die jüdischen Kinder haben ihre eigene Schule bekommen. Sie wird nicht mehr hier in die Schule kommen.» Ich war verwirrt. Wieso mussten sie auf eine andere Schule gehen. Sie waren doch genau so wie wir, einfach nur Kinder, nicht mehr. Als mich nach der Schule mein Chauffeur abholen kam, sagte ich ihm:» Können sie bitte zu Maria fahren. Sie hat ihre Hausaufgaben vergessen und ich soll sie ihr bringen.» Er antwortete nur kurz und knapp mit Ja und fuhr los. Als wir bei Maria ankamen, stieg ich aus und lief zwei Treppen hoch. Sie wohnte in einem Mehrfamilienhaus im 2. Stock. Als ich vor ihrer Wohnungstür stand, atmete ich noch einmal tief durch und klopfte. Ich wartete gespannt. Ich hoffte so sehr, dass jemand zuhause war und mir das alles erklären konnte. Doch es kam niemand. Ich klopfte noch einmal, lauter als vorher. Die Hoffnung starb langsam, dass jemand zuhause war. Es kam wieder niemand. Also ging ich zu der andren Tür in diesem Stock und klopfte dort. Da wurde mir die Tür schnell aufgetan. Ich fragte die Frau, die jetzt im Türrahmen stand: « Wissen Sie, wo Maria ist? Sie ist eine Freundin von mir. Sie war die letzten Tage nicht in der Schule und ich soll ihr ein paar Sachen vorbeibringen.» Die Frau schaute mich verwirrt an und antwortete:» Weisst du es denn nicht? Haben dir deine Eltern nicht gesagt, was gerade im Land passiert? Die Juden werden alle in eigene Wohngebiete gebracht. Dort haben sie fast keinen Platz und müssen hungern. Doch wir können nichts tun. So will es der Reichskanzler und wir können nichts dagegen tun.» « Nein. Das kann nicht sein. Das stimmt nicht. Sie lügen.» schrie ich mit Tränen in den Augen. Ich rannte die Treppe hinunter und so schnell wie ich konnte ins Auto. Ich wollte nur noch nach Hause. Der Chauffeur fragte:» Möchtest du nach Hause?» Mittlerweile weinte ich. Doch ich nickte und er verstand es. Die Fahrt war lang und ich weinte einen grossen Teil von ihr. Wie konnte das sein? Es waren so viele Fragen in meinem Kopf

Ich entschied mich dazu, am nächsten Wochenende Maria suchen zu gehen. Denn ich musste ihr helfen. Sonst stirbt sie. Als wir zuhause angekommen waren, ging ich so schnell wie möglich in mein Zimmer und blieb dort bis zum Abendessen. Danach fragte ich meinen Papa: « Kannst du später zu mir ins Zimmer kommen? Ich muss mit dir reden.» Er schaute mich verdutzt an, doch er willigte ein. Danach ging ich hoch in mein Zimmer und las. Plötzlich klopfte es an meiner Tür. Ich rief: « Herein» und Papa kam hinein. Er machte zwei Schritte in mein Zimmer, schloss die Tür und lehnte sich an. « Na Max, was wolltest du denn noch mit mir bereden?» sagte er mit ganz gelassener Stimme. Ich setzte mich auf mein Bett und holte noch einmal tief Luft und sagte mit ruhiger Stimme: « Was ist mit den Juden passiert? Wo sind sie hin? Maria ist die ganze Woche nicht in die Schule gekommen. Als ich heute bei ihr zuhause war, war dort niemand mehr. Papa, wo sind die Juden hin?» Papa schaute mich besorgt an. Er seufzte und währenddem er langsam anfing zu erklären, setze er sich neben mich auf das Bett. Er sagte mit trauriger Stimme und gesenktem Kopf: « Weisst du mein Junge, Hitler mag die Juden nicht. Also sperrt er sie in abgeriegelte Gebiete in der Stadt. Sie müssen dort auf sehr engem Raum zusammenleben und bekommen fast nichts mehr zu essen. Die meisten mussten ihre Geschäfte schliessen und all ihr Geld abgeben. Zum Teil haben sie fast gar nichts mehr. Der Reichskanzler gibt ihnen für alles die Schuld, was nicht richtig läuft. Wir können leider nichts dagegen tun. Der Grund, wieso ich dich nicht in die Hitlerjugend schicken will ist, dass diese Kinder und Jugendliche die Idee von Hitler gut finden. Aber ich weiss, dass du ein gutes Herz hast und darum lass ich dich nicht in die Hitlerjugend gehen.» Ich war erstaunt, was mein Vater alles wusste. Doch plötzlich ergab alles einen Sinn. Der Plan Maria zu suchen, stand immer noch. Geduldig und voller Hoffnung Maria zu finden, wartete ich den Samstagmorgen ab. Als es dann soweit war und die Sonne kurz vor dem Aufgehen war, kroch ich langsam aus meinem Bett und zog mich an. Danach nahm ich meinen Schulranzen und ging runter in die Küche. Dort öffnete ich meinen Schulranzen und füllte ihn mit allem möglichem Essen. Danach ging ich hinaus in den Schopf und holte mein altes Fahrrad heraus. Ich nahm es und ging bis zum Gartentor. Als ich auf dem Trottoir stand, stieg ich auf und fuhr los. Ich wusste nicht wo ich anfangen sollte. Ich wollte heute also am Samstag, den ganzen Ostteil der Stadt absuchen und Morgen dann den Westteil. Ich wusste nicht, ob ich es schaffen werde. Doch ich hoffte es. Zuerst bin ich zum Bahnhof gefahren und holte mir einen Stadtplan. Damit ich einzeichnen konnte, wo ich schon überall war. Als Nächstes ging ich in den Krämerladen und holte mir zwei Stifte. Einen roten und einen blauen. Mit dem blauen Stift wollte ich einzeichnen, wo ich schon überall war und mit dem roten Stift wollte ich einzeichnen, wo Maria ist. Danach fuhr ich los. Ich war der ganze Tag unterwegs, doch ich fand sie nicht. In ein paar Stadtteilen gab es gar keine Juden mehr und zum Teil gab es noch welche. Oft fragte ich die Menschen auf der Strasse, wo ich gerade war, weil ich mich verfahren hatte. Aber niemand konnte mir sagen, wo die Juden sind. Am Abend als ich nach Hause fuhr, war es schon fast dunkel. Zuhause wurde ich freundlich begrüsst. Schnell ging ich nach oben und setzte mich an meinen Schreibtisch. Ich schrieb alles auf, was ich erlebt hatte und wen ich alles getroffen habe. Doch ich war müde und ging sehr früh ins Bett. Am nächsten Morgen stand ich wieder früh auf und fuhr los, um die ganze Westseite abzusuchen. Die zwei Stifte und die Karte packte ich wieder ein. Auch mein kleines Notizbuch nahm ich mit. Ich konnte nicht schon wieder Proviant von zuhause mitnehmen. Sonst haben wir nichts mehr zu essen. Also ging ich zum Bäcker an der Ecke und holte mir ganz viele verschiedene Brötchen. Jetzt konnte der zweite Tag meiner Suche losgehen. Ich fuhr zuerst den Stadtgrenzen nach und suchte dort. Doch ich fand nichts. Als ich immer mehr in die Mitte der Stadt kam, fiel mir ein kleines Quartier auf, das ich zuvor noch nie gesehen hatte. Langsam fuhr ich dorthin. Plötzlich sah ich ganz viele Juden. Da wusste ich, ich habe es gefunden. Eine innere und tiefe Freude kam in mir auf. Endlich habe ich Maria gefunden. Doch ich wusste es, war nahezu unmöglich, sie einfach so zu finden. Vor allem konnte ich nicht einfach so hinein marschieren. Ich stieg ab meinem Fahrrad und setzte mich an den Strassenrand. Ich musste einen Plan ausarbeiten, wie ich dort hineinkam. Doch zuerst nahm ich die Karte und den roten Stift hinaus und markierte die Stelle, an der ich gerade war. Ich wusste zwar nicht, ob Maria wirklich hier war. Aber ganz tief in mir drin hoffte ich es. Da erst Mittag war, hatte ich den ganzen Tag Zeit, um dieses Quartier zu beobachten. Viele Menschen kamen hinaus und viele gingen hinein. Am meisten gingen Juden hinein und Deutsche hinaus. Doch auch viele Juden kamen hinaus. Darunter auch ein Mädchen mit rotem Schal.

Ich wusste, dass Maria einen solchen besass. Also sprang ich schnell auf mein Fahrrad und folgte ihr. Sie lief komischer Weise nicht in die Stadtmitte, sondern nur noch weiter nach draussen. Sie lief zu einem alten jüdischen Krämerladen. Dort sprach ich sie an und sagte:» Hey Maria, habe dich vermisst. Wie geht es dir?» Sie sah mich zuerst nicht. Sie drehte sich verängstigt um. Doch als sie mich sah, freute sie sich. Ihr Gesicht sprach Bände. Sie umarmte mich und setzte sich auf den Bordstein. Ich sah, dass es ihr nicht gut ging. Also setzte ich mich neben sie und umarmte sie noch einmal fest. Danach fragte ich sie mit besorgter Stimme: « Was ist denn los? Möchtest du erzählen? Ich habe sogar deine Lieblingsbrötchen dabei.» Sie schaute mich hoffnungsvoll an und ich gab ihr ein Brötchen. Nachdem sie ein paar Bissen gegessen hatte, erzählte sie mir mit trauriger Stimme: « Also alles hat vor genau einer Woche angefangen. Etwa um die Mittagszeit kamen deutsche Soldaten zu uns nachhause und sagten uns, wir müssten alles zusammenpacken und mit ihnen mitkommen. Zuerst wollten wir alle nicht. Doch dann fingen sie an in die Decke zu schiessen und meinten, wenn wir nicht vorwärts machen, würden sie uns erschiessen. Schnell gaben sie uns immer weniger Zeit zum Packen. Ich packte für mich nur das nötigste, zusammen und half meinen Geschwistern beim Packen. Meine Mutter war noch am Geschirr spülen und hatte noch nichts gepackt. Also ging ich schnell zu ihr und sagte ihr, sie müsse jetzt packen gehen. Ich würde das machen. Anton, mein grösserer Bruder, passte auf die jüngeren von uns auf. Wir sagten ihnen, wir müssten für eine Zeit lang von hier weg gehen. Also wie Ferien. Sonst wäre es für sie zu schlimm gewesen. Nach fast zwei Stunden mussten wir nach unten gehen und wurden verladen und hierhergefahren. Es hiess nur, wir müssten jetzt hier wohnen. Wenigstens durften wir uns noch das Zimmer und das Haus aussuchen. Andere, die nach uns kamen, wurden einfach zugeteilt. Wir bekamen zwei Zimmer für uns sechs ein Schlafzimmer und ein Esszimmer mit Küche. Das ist schon fast Luxus in diesem Ghetto. So nennen sie diese Einrichtung. Die meisten haben nur ein halbes Schlafzimmer zur Verfügung. Die Umstände sind echt nicht großartig. Doch die meisten machen einfach das Beste daraus. Zur Schule dürfen wir alle nicht mehr. Doch die grösseren Kinder bringen den anderen Kindern Rechnen und Schreiben auf der Strasse bei. Im Staub. Aber so können wir uns die Zeit vertreiben und die kleineren von uns können noch etwas lernen. Keiner hier weiss, wie es weitergehen soll. Wir wissen nur, dass immer mehr kommen und wir alle immer wie weniger Platz haben. Doch wir helfen einander aus mit Kleidern, mit Essen mit allem halt irgendwie.» Als sie mir das alles erzählte, liefen ihr zum Teil Tränen über die Wangen. Doch schnell wischte sie sie weg und war wieder die glückliche Maria, die ich kannte. Sie so zu sehen machte mich traurig. Als wir uns beide beruhigt hatten, sagte ich mit zitternder Stimme, weil ich selbst nicht weinen wollte: « Ich will dir irgendwie helfen. Doch ich weiss nicht wie. Weil einfach so kann ich dich ja dort nicht herausholen. Was würdest du tun?» Sie überlegte lange. Doch plötzlich sah ich ein winziges Stück Hoffnung in ihren Augen.

Sie sagte:» Ich glaube, dieser Plan wird dir nicht gefallen. Doch es gäbe da eine Möglichkeit. Einmal in der Woche kommen die Jungs aus der Hitlerjugend und bringen uns Essen. Wenn du also in die Hitlerjugend gehen würdest, könnten wir uns Erstens mehr sehen und du könntest deinem Vater helfen. Der ist doch immer noch gegen den Reichskanzler. Das heisst, wenn du uns Essen bringst, kannst du dich gerade umsehen und alle Informationen deinem Vater bringen. Ich weiss, dieser Plan ist mehr als riskant. Doch ich glaube fest daran, dass es sich lohnen würde.» Als ich das hörte, war ich geschockt. Dieses Mädchen erstaunt mich immer wieder. Doch der Plan machte Sinn. Ich sagte: « Bevor ich dir irgendetwas versprechen kann, muss ich zuerst mit meinem Vater sprechen. Er ist nämlich immer noch gegen die Hitlerjugend. Aber wir können uns in einer Woche wiedersehen. Hier um die Mittagszeit. Okey.?! Ich bring dir wieder Essen mit und du kannst dann einen Teil mit hineinnehmen.« « Das klingt nach einem guten Plan. Darf ich denn die restlichen Brötchen mitnehmen?», fragte Maria mit ihrer wunderschönen Stimme. Ich nickte nur und sie umarmte mich noch einmal fest. Danach wurde es schon wieder Zeit, Abschied zu nehmen. Es fiel mir schwer, sie ziehen zu lassen. Doch ich wusste, ich würde sie bald wiedersehen. Das gab mir die Kraft, die nächste Woche zu überstehen. Als sie ging, stieg ich auf mein Fahrrad und fuhr nach Hause. Zuhause redete ich sofort mit Papa und erklärte ihm den Plan. Zuerst war er überhaupt nicht begeistert. Doch schon bald war er einverstanden und füllte das Formular für die Hitlerjugend aus. Bereits am nächsten Tag brachte ich es an die Meldestelle und bekam meine Uniform und einen Plan, wo ich wann sein musste. Das war echt viel. Immer nach der Schule musste ich mich gerade zum Dienst melden. Oft waren es zwar nur Spielnachmittage oder so. Aber so zu tun, als würde man, das alles aus voller Überzeugung tun, war echt anstrengend. Klar, zum Teil machte es ja wirklich Spass. Aber oft waren es auch einfach nur Nachmittage lang Theorie über den Krieg und die arische Rasse. Das war langweilig. Etwa zwei Wochen lang musste ich es durchziehen, bis ich in dieses Quartier durfte. Das nennt man eigentlich auch Ghetto. Dort wurden alle Juden festgehalten. Man wollte sie später aus dem deutschen Reich schaffen. Doch sie waren noch nicht fertig mit den Bauarbeiten, der Häuser für die Juden. Also mussten sie noch in diesen Ghettos bleiben. Für mich war klar, Maria musste daraus. Sie hatte mir immer in der Schule geholfen. Jetzt musste ich ihr helfen. Doch es wurde schwer. Mein Vater war erstaunt, mit wie vielen Informationen ich immer wieder nach Hause kam. Auch er meldete sich wieder beim Militär und wurde beim Funk eingesetzt. Er war oft der ganze Tag weg und arbeitete lange. Der ganze Tag für Hitler und am Abend und in der Nacht für den Widerstand. Mein Vater war im Widerstand. Sie wollten der Zivilbevölkerung helfen und ihnen die Augen öffnen. Jedoch war das sehr schwer. In der Schule wurde ich immer beliebter. Nur weil ich in der Hitlerjugend war, wollten plötzlich alle etwas mit mir machen. Manchmal hatte ich echt Angst, dass ich irgendwann all das was der Führer sagt, glaube und ihm in den Krieg folgen werde. Doch jedes Mal, wenn ich wieder Angst hatte, redete ich mit meinem Vater und er erzählte mir immer wieder, wie schlimm schon der erste Weltkrieg gewesen. Danach wusste ich oft, ich will, dass so etwas nie wieder geschehen sollte. Die anderen Jungs aus der Hitlerjugend waren alle noch wohlhabender als wir. Das machte mir Angst, weil sie immer das neuste Taschenmesser hatten oder die neusten Socken trugen und ich nicht. Ich hatte Angst ausgeschlossen zu werden. Doch ich fand auch gute Freunde in der Hitlerjugend. Solche, die ein ähnlichen Plan hatten wie ich. Nur wollten sie nicht die Juden befreien, sondern Hitler stürzen. Ich denke, ihre Väter sind auch im Widerstand. In diesen zwei Wochen sah ich Maria zwei Mal. Immer an den Sonntagen trafen wir uns. Ich freute mich die ganze Woche nur auf den Sonntag, weil ich Maria wiedersehen konnte. Doch Maria war oft traurig und erschöpft. Sie erzählte mir meistens nichts Gutes. Der Zustand im Ghetto verschlechterte sich von Woche zu Woche. Zum Teil sind Krankheitsepidemien ausgebrochen und das Essen wurde immer weniger und sie bekamen einfach nichts mehr. Viele hatten Hunger und fingen an sich zu bestehlen, weil ihre Kinder durchbringen wollten. Es waren auch schon viele ältere Menschen gestorben. Das machte Maria oft traurig. Doch sie war ihrem Gott sehr dankbar, dass noch niemand aus ihrer Familie gestorben war. Ich wollte ihr unbedingt helfen, also gab ich mir immer mehr Mühe in der Hitlerjugend. Ich wollte der Beste werden. Damit ich schnell in dieses komische Ghetto kommen konnte. Nach den ersten zwei Wochen wurde ich schon befördert und hatte meine erste kleine Gruppe unter mir. Das heisst, ich wurde Gruppenchef von etwa fünf Kindern, die zwischen 7 und 10 Jahren alt waren. Irgendwie freute ich mich darüber, weil ich endlich einmal Verantwortung übernehmen konnte. Doch ich merkte, dass es gar nicht so einfach war. Trotzdem schaffte ich es irgendwie.

Es war schon wieder eine Woche vergangen und endlich wieder Sonntag. Ich stieg auf mein Fahrrad und fuhr zu dem Treffpunkt von mir und Maria. Aber bevor ich dorthin ging, ging ich noch zum Bäcker und holte ihre Lieblingsbrötchen und andere Brötchen. Denn ich wusste, sie wird Hunger haben. Nachdem ich die Brötchen hatte. Fuhr ich mit meinem Fahrrad los. Als ich ankam, sah ich schon, wie Maria auf mich wartete. Sie sah traurig und erschöpft aus. Als ich mein Fahrrad hingestellt hatte und zu ihr hingelaufen war, nahm ich sie zuerst einmal fest in den Arm. Ich wusste, sie brauchte das gerade. Die ganze Woche lang half sie und jetzt brauchte sie meine Hilfe. Ich merkte, wie sie sich langsam entspannen konnte und zur Ruhe kam. Wir suchten uns einen Platz, an dem wir ungestört waren und nicht gerade auffielen. Wir setzten und auf eine Parkbank ganz in der Nähe. Ich fragte sie zögernd: « Wie geht es dir und deiner Familie? Wie ist die Situation so dort drin?» Sie seufzte. Doch antwortete dann mit sehr trauriger Stimme:» Ach, ich weiss selbst nicht, wie es mir geht. Weisst du, ich sage nur noch es geht mir gut, weil ich so viel Leid und Schmerz einfach nicht ertragen kann. Meiner Familie geht es soweit gut. Niemand von uns wurde krank. Doch in letzter Zeit sterben wieder viel mehr kleine Kinder. Also Babys, sie bekommen zu wenig Nahrung und verhungern dann. Viele komische Dinge geschehen. Die Soldaten nehmen immer mehr Juden wieder aus dem Ghetto hinaus und verladen sie in Züge oder Lastwagen. Sie bringen sie an einen anderen Ort. Oft heisst es, sie werden irgendwann zurückkommen. Doch keiner von ihnen ist zurückgekommen. Meistens sind es Männer, die sie verladen. Doch niemand weiss, wieso sie das tun.» Ich schaute sie verdutzt an. Doch hörte schnell wieder damit auf, weil ich sah, dass sich Tränen in ihren Augen sammelten. Wenn sie jetzt weinen muss, dann weiss ich nicht weiter. Denn dann ist es wirklich schlimm. Maria ist so ein starkes Mädchen. Sie hat schon so viel geschafft und wenn sie nicht mehr weiter weiss, dann ist es wirklich sehr schlimm. Plötzlich fing sie an zu schluchzen und erzählte weiter: « Ich habe so unglaublich grosse Angst. Was ist, wenn plötzlich meine Brüder oder mein Vater auch fort gehen müssen? Das schaff ich nicht. Ohne sie sind wir verloren. Sie beschützen uns und ohne Papa ist Mama am Boden zerstört. Was ist, wenn sie am Boden zerstört ist und ich dann für alle schauen muss. Max, ich schaffe das nicht. Ich brauche meine Familie. Sie gibt mir Halt und die Kraft, all diese schlimmen Dinge durchzustehen.» Sie weinte weiter und ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Also nahm ich sie einfach in den Arm. Sie weinte noch ein bisschen. Doch sie beruhigte sich wieder und ich streckte ihr ein Brötchen hin. Sie nahm es dankend an und biss schnell hinein. Ich wollte ihr helfen. Doch ich wusste nicht wie. Also fragte ich sie etwas. Obwohl ich nicht wusste, ob dies schlau war. Ich holte noch einmal tief Luft und sagte dann: « Maria, Ich glaube du bist so ein starkes Mädchen. Du schaffst das. Ich glaube, deine Familie braucht dich genauso wie du sie brauchst. Also hör nicht auf daran zu glauben, dass es eines Tages wieder besser wird und ihr alle lebend wieder dort rauskommt.» Sie schaute mich hoffnungsvoll an und mein Herz freute sich. Denn wenn sie lächelte, wusste ich, dass es wieder besser wird. Ich hatte immer noch eine Frage an sie. Doch ich traute mich nicht sie zu stellen. Also sassen wir einige Minuten einfach nur so da. Sie ass ihr Brötchen und ich dachte nach. Doch plötzlich fiel sie mir um den Hals und umarmte mich fest und sagte mit leiser Stimme: « Danke Max. Du bist der Beste.»

Mein Herz machte Freudensprünge nach diesem Satz. Ich freute mich so sehr darüber, dass ich ihr helfen konnte. Also nahm ich allen Mut zusammen und fragte sie: « Du Maria, du hast mir doch einmal von so einem Gott erzählt. Glaubst du noch an ihn? Du hast mir immer erzählt, dass er so ein liebender Gott ist und jetzt lässt er so viel Leid zu.» Sie schaute mich mit strahlenden Augen an und sagte:» Ja ich glaube noch an ihn, weil ich weiss, dass er immer bei mir ist. Egal wo ich bin und egal was ich tue. Er ist bei mir. Ich weiss auch, dass er einen guten Plan für mich hat und auch wenn die Situation vielleicht gerade ausweglos erscheint, weiss ich, er meint es gut mit uns. Wir beten immer noch das Tischgebet und ich erzähle ihm jeden Abend von meinem Tag. Ich danke ihm dafür, dass ich etwas zu essen habe und genug zu trinken. Doch auch den Schmerz erzähle ich ihm. Hier, diese kleine Bibel trage ich immer mit mir herum. Ich habe noch eine Zweite zuhause, vielleicht willst du ja einmal darin lesen. Ich schenke sie dir.» Sie streckte mir eine kleine Bibel entgegen und ich nahm sie verwundert an. Sie erstaunte mich und ihren Lebensmut zeigte mir immer wieder, dass es sich lohnt für seine Überzeugungen einzustehen und zu seiner eigenen Meinung zu stehen. Doch oft fiel mir das nicht leicht. Wir redeten noch ein bisschen und erinnerten uns an unsere Kindheit zurück. Später gab ich ihr noch die restlichen Brötchen und dann war es für uns schon wieder Zeit sich zu verabschieden. Es fiel mir immer wieder schwer, mich von ihr zu verabschieden. Sie schenkte mir immer wieder aufs Neue ein Lächeln. Ich packte all meine Sachen in meinen Schulranzen und umarmte sie und lief zu meinem Fahrrad. Ich stieg auf, doch bevor ich losfuhr schaute, ich noch einmal zurück und winkte ihr. Danach fuhr ich mit einem grossen Grinsen nach Hause. Auch wenn mich die Geschichte von Maria noch sehr beschäftigte, tat es so gut, sie gesehen zu haben. Als ich zuhause ankam, rief meine Mutter auch schon zum Abendessen und ich ging kurz nach oben, um meinen Schulranzen in meinem Zimmer abzustellen. Danach ging ich noch kurz in das Badezimmer und wusch mir die Hände. Schnell rannte ich die Treppe hinunter und setzte mich an meinen Platz. Es gab Kartoffelstock mit Dosengemüse. Denn das frische Gemüse wurde auch schon seit längerer Zeit für uns rationiert. Also gab es bei uns viel nur noch Essen aus den Konservendosen. In ein paar Monaten war Weihnachten und ich freute mich darauf. Ich spürte die Anspannung wegen dem Krieg in der ganzen Stadt. Die Menschen waren verunsichert. Auch wenn ihnen der Führer immer wieder Sicherheit versprach, merkten wir, dass nicht alles stimmte, was er sagte.