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Der erste Roman von Gabriela Bieber geht um ein Konfliktthema: wenn man sich selbst nicht zurechtfindet in einer Welt voller Widersprüche und Anfeindungen. In der lebendigen Erzählung geht es um die Frage, wie man zu sich selbst stehen kann, dennoch sein Gesicht wahren kann und seinen eigenen Weg erkennt und auch die Kraft dazu findet, ihn zu gehen.
Aufgeben ist für die fiktiven Charaktere keine Option. Stattdessen kämpfen sie mit den Widrigkeiten des Lebens, um am Schluss als Gewinner im eigenen glänzenden Leben dazustehen. Ein Liedtexter sagte dazu einmal "Mein Freund, einmal fällt auch für dich der letzte Vorhang. Du gehst von dieser Welt und dann kommst du an jenem Tor an. Du weißt, dein Lebensweg war manchmal krumm und manchmal eben. Dass du dann gradstehn kannst - so leb dein Leben." (Frank Sinatra) In diesem Sinne ist dies nicht nur ein erzählender Roman, sondern auch eine gedankliche Anregung, sein eigenes Leben so zu leben, dass man eines Tages dafür mit einem Lächeln im Gesicht geradestehen kann.
Begleiten Sie Christian, einen Autor mit einem Erstlingswerk, das verboten wurde, Calla, die sich vielfältig und auf mehreren Ebenen mit Gewalt konfrontiert sieht, den betrogenen Robert, Susanne, die vor lauter Doppelleben kollabiert, Natalie, die magersüchtige Außenseiterin und den Borderliner Thaisen auf ihren individuellen Reisen zu sich selbst.
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Veröffentlichungsjahr: 2016
Die weitere Welt
Gabriela Bieber
Gabriela Bieber wurde im Mai 1990 in Bamberg geboren. Bereits in der Schulzeit entdeckte sie das Schreiben für sich. Seit 2008 veröffentlicht sie in unregelmäßigen Abständen Lyrik und Kurzprosa in Anthologien, so auch 2010 im Gedichtband ...Und die Liebe!? von Eichenblatt Literatur, wodurch die weitere Zusammenarbeit an Gabriela Biebers bislang größtem Buchprojekt, dem Roman Die weitere Welt, zustande kam.
Gabriela Bieber
Die weitere Welt
Roman
Eichenblatt Literatur
© November 2010 Gabriela Bieber
Eichenblatt Literatur: Förderung junger,
deutschsprachiger Literatur
Covergestaltung: Isabel Ebeling, MeeArt Digitales
Zeichenstudio, Osterode am Harz
Klappentext: Julia Nastasi, Schwetzingen
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
2. Auflage
Dies ist eine fiktive Geschichte. Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen oder Gegebenheiten sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
Kapitel 1
Innere Emigration
Ich wollte sterben. Nicht mehr bleiben in dieser Welt voller Ungerechtigkeit. Ich wollte ihnen das Ziel ihres Hasses wegnehmen, mich. Ich war nur noch Trauer und Angst. Das hier würde kein Selbstmord werden. Ich war nämlich schon tot. Sie hatten mich umgebracht. Alles Gute in mir und an mir und in meinem Leben war tot aufgrund ihres letzten Angriffs. Ich hatte keine Lust mehr. Ich wollte mein Leben nicht noch einmal neu aufbauen. Sie würden es dann doch eh nur wieder neu zerstören. Ich hatte meinen Traum gelebt. Ich hatte ihn geliebt. Und sie haben ihn mir einfach weggenommen, meinen Traum und meinen Erfolg damit. Mir mein Buch, meine Meinung verboten. Einfach so hat man es ihnen möglich gemacht.
„Auch heute wird man noch verurteilt, wenn man sagt, die Erde ist rund. Stolz oder Geld machen es möglich. Dies ist kein Ort für mich. Die schmerzhafte Wahrheit verschwindet nicht, nur weil man sie verbietet. Sie haben mein Buch bei lebendigem Leib verbrannt! Aber Erinnerungen lassen sich nicht verbrennen wie Papier. Schlechte Menschen bleiben schlechte Menschen, auch wenn man über ihre Schlechtigkeit schweigen muss.“
Ich konnte es nicht fassen, wie sie Anhänger fanden in dieser Welt. Wie sie Menschen, von denen ich geglaubt hatte, sie liebten mich, dazu brachten, mich nicht vor ihrem Hinterhalt zu warnen, mich nicht zu schützen, nicht aufzufangen. Manche hatten einst gesagt, sie würden für mich sterben, und nun hatten sie mich lieber sterben lassen, als die Wahrheit für mich zu sagen.
„Genauso wenig kann ich es fassen, wie sich jemand für Geld zum Handlanger des Bösen machen lässt. Wie jemand für Geld das Böse verteidigen, sich dafür einsetzen kann. Ich verachte diese Menschen. Ihre Schwäche, Manipulierbarkeit. Ihre Dummheit.“
Und die ganze Welt hier war offensichtlich voll von diesen Menschen. Ich wollte anders sein. Ich war anders gewesen. Mutig, unangepasst, offen, ehrlich. Und die ganze Welt hier hatte sich deswegen gegen mich gewandt.
„Wollten sie meinen Tod? Wahrscheinlich wollten sie viel lieber nur spielen. Mit meinen Nerven, mit meinem Herzen. Wie sind sie nur auf die Idee gekommen, alles mit mir machen zu können?! Ist ihnen überhaupt klar, wie viel zu weit sie gegangen sind im Freudenrausch des anderen Leids? Aufs Ganze sind sie gegangen. Ist ihnen überhaupt klar, wie sehr mein jetzt zertrampelter Traum auch mein Leben war? War das bei aller Boshaftigkeit wirklich ihr Ziel, mir das Leben zu nehmen? Ich will Gerechtigkeit! ...Auf meinen Schultern luden sie ihre Scheiße ab, um selbst gut auszusehen. Wenn ich weg bin, bleibt ihnen nichts anderes übrig, als sie sich gegenseitig ins Gesicht zu schmieren. Ein guter Grund zu sterben? Jedenfalls habe ich keinen guten Grund, weiterzuleben.“
Entschlossen nahm ich das Messer vom Tisch und drehte meine linke Handfläche nach oben, bog sie zurück, sodass sich die feinen, lilablaugrauen Adern unter meiner gespannten Haut der Klinge entgegen reckten. Der Tod schimmerte silbern. Silber hatte ich schon immer gemocht. Rein, edel, hell, Silber, das Element mit der höchsten elektrischen Leitfähigkeit. Ich war gerne ein Leiter für Kreativität gewesen.
„Gleich spritzt das Blut ebenso enthusiastisch aus meinen Wunden, wie bisher die Ideen aus meinen Fingerspitzen.“
Ich war gespannt auf das, was kommen würde, wenn ich mich aufgeschnitten und diesen Schleier aus Tränen zerrissen hatte, um hindurchzugehen. Würde es brennen? Die letzten Augenblicke meines Lebens noch einmal mit aller Kraft pulsieren? Würde es weh tun? Ich hatte jetzt schon so große Schmerzen, dass ich den Unterschied zwischen 100 und 102 Prozent wohl kaum wahrnehmen würde. Freitod. Frei dank tot.
Ein letzter Blick auf meine Künstlerhand. Eine lange und schmale Hand, wie sie typisch für unnormale Menschen war. Unnormalsein war richtig. Unnormalsein war aufrichtig sein. Ich liebte meine Hände für das, was sie für mich getan hatten. Für die Werke, die sie mir geholfen hatten, zu erschaffen. Ich hatte meine, unsere, Endprodukte sehr genossen, wenn auch nur für kurze Zeit. Es war die schönste Zeit meines Lebens gewesen. Es war nicht richtig, meinen Körper zu vernichten. Es war nicht gerecht. Ich war zu dankbar für seine Arbeit. Ich wollte Gerechtigkeit! Meine Hände und mein Kinn zitterten unter Tränen. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich wollte fortlaufen, doch es tat mir leid, meinen Körper dafür auslaufen lassen zu müssen. Halbherzig dieses treue Wunderwerk zu töten, feige einen Klingenrückzieher zu machen, beides wollte ich nicht. Wütend legte ich vorläufig das Messer zurück.
„Feige, so waren die anderen gewesen. So feige. Zu feige, zu sich selbst und ihren Taten zu stehen. Da haben sie dann einfach so einen Teil von mir, mehr noch, das Beste, was es je von mir gegeben hat, verboten.“
Verboten. Das klang ja so lächerlich. Schmerzensschrei und Lachen vermischten sich trocken in meiner Kehle. Ich sackte auf dem Fußboden zusammen, igelte mich ein und schlug meine Stirn gegen die Knie. Einen Teil meiner Identität verbieten zu wollen! Natürlich, und als nächstes schickte man einen Brief ans Wetter und verbot ihm den Regen, bannte Regen damit ein für alle mal, warum nicht, gute Idee, denn Regenwetter konnte einen ja auch ganz schön anpissen und einem unverschämterweise die Abdeckcreme von der Teufelsfratze waschen. Wie weh mir die Dummheit dieser Leute tat.
Es war nicht möglich, einen Teil von mir alleine zum Tode zu verurteilen. Ihn hinzurichten bedeutete automatisch die Ermordung meines ganzen Wesens. Was war ein Autor ohne Buch?!
„Ein Buch von mir ist für mich wie ein Kind von mir, oder ein lebenswichtiges Organ.“
Dennoch, eines war sicher, ihre Schuld an meinem Tod hätten sie sich nie eingestanden. Stolz. Neue Märchen hätten sie erfunden, die mich noch im Grab vor Wut hätten brodeln lassen. Ihre eigenen Fehler hätten sie sich zu meinen gemacht. Die Wahrheit jedoch hätten sie niemals in ihr Bewusstsein gelassen.
„Ich will nicht aufgeben. Ich will zu mir stehen. Ich will erschaffen, denn dafür bin ich geschaffen worden.“
Mein Geist wollte immer noch Gedichte, Texte, Bücher hervorbringen. Ich bekam Besuch. Neue Ideen versammelten sich in meinem Kopf, wie eine Gruppe von guten Freunden, die mich von einer Dummheit abbringen wollten, mir aufzeigen wollten, was ich alles noch zu erledigen hatte.
„Jetzt noch nicht“, baten sie, „wir sind noch da. Wir wollen erst noch sichtbar werden durch dich.“ Und wenn ich der Einzige war, der je einen Blick auf ihre Verwirklichung werfen würde. Und wenn es nur Kunst um der Kunst willen war. Es war ein Grund, meine Existenz nicht auszulöschen. Mehr denn je wollte sich Gottes künstlerische Seite durch mich ausdrücken, durch mich wirken. Und ich wollte nicht, dass sich die Muse einen neuen Kanal suchen musste. Ich wollte derjenige sein. Aber wie? Wie nur? Wie sollte ich es noch einen Tag länger aushalten hier in dieser Welt, voll mit Menschen, die mich nicht verstanden. Nie verstehen würden. Ständig gegen den Sturm zu gehen, meinen Weg hier zu gehen, das konnte ich nicht mehr. Weil ich es nicht mehr wollte. Ich wollte ich sein, aber ohne den Rest der Welt hier gegen mich zu haben. Ich sehnte mich so sehr nach einem neuen Leben, in einer neuen, besseren Welt. Es stand mir verdammt noch mal zu, dort hinzugehen, wenn ich doch sowieso schon innerlich gestorben war! Meine Seele schrie ohrenbetäubend nach Gerechtigkeit.
„Du bist noch viel zu laut, um für immer stumm zu sein, Christian.“
Zärtlichen Spott konnte sie vernehmen.
„Tote können nicht hören“, gab ich zu, freudlos einen Mundwinkel hebend.