Die Welt ist böse! - Julian Hannes - E-Book

Die Welt ist böse! E-Book

Julian Hannes

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Beschreibung

13 Kriminalfälle aus aller Welt. Alle wahr, ungelöst und hochspannend! Im Wassertank eines Hotels schwimmt die Leiche einer vermissten Studentin. Auf einem Bauernhof in Oberbayern werden sechs Menschen nachts mit einer Hacke erschlagen. Zwei Mädchen fotografieren einen fremden Mann und posten es auf Snapchat - wenig später sind sie tot. Nur: Was war geschehen? Und wer war der Täter? Julian Hannes ist die Mystery-Größe auf YouTube. Mehr als 1,7 Millionen Fans folgen ihm auf seinem Kanal "Jarow". Seine dort geschilderten Kriminalgeschichten wurden millionenfach angesehen.

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Das Buch

Die Welt ist böse! Glaubst du nicht? Nun gut. Dieses Buch ist es allemal: Hierin treiben Flugzeugentführer, Serienkiller, Massenmörder, Kidnapper und der Geheimdienst ihr Unwesen. In den dreizehn Geschichten sterben mehr als dreißig Menschen, neun verschwinden spurlos. In all diesen wahren und doch mysteriösen Kriminalfällen hat die Polizei den Täter nie geschnappt. Manche von ihnen könnten noch unter uns leben. Die Welt ist nicht böse? Passt lieber auf euch auf.

Der Autor

Julian Hannes ist 1996 in einem Vorort von Frankfurt am Main geboren. Seit 2011 macht er Videos auf YouTube. Auf seinem Kanal »Jarow« begeistert er mehr als 1,7 Millionen Abonnenten mit seinen gruseligen und mysteriösen Geschichten. Längst gehört Julian zu den beliebtesten YouTubern Deutschlands. Seine Videos werden monatlich zehn Millionen Mal geklickt.

JULIAN HANNES

JAROW

WAHRE KRIMINAL-GESCHICHTEN

Plötz & Betzholz Verlag

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ISBN 978-3-8437-1830-1

Originalausgabe im Plötz & Betzholz Verlag

1. Auflage Juli 2018

© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin (2018)

Gestaltung:

Umschlaggestaltung: zero-media.net, München© FinePic®, München

Titelabbildung:

Fotos: © Vladyslav Siaber (Kapitel 1), Jakub Krechowicz (Kapitel 2), Oliver Huitson (S. 44), Jazzlove (S. 62), Dan (S. 78), Mariusz (S. 98), c-foto (S. 116), Zacarias da Mata (S. 136), Mattiariccadonna (S. 150), Figaro (S. 166), Dash1502 (S. 180), dglimages (S. 196), PackShot (S. 214). Alle Fotos stammen von der Plattform Fotolia.com.

Grafiken: kjpargeter/ Freepik (Hintergrund), vectorpocket/Freepik (Klebestreifen), Can Stock Photo/paketesama (Klammern)

Layout: Kristin Blöcker

E-Book: LVD GmbH, Berlin

Alle Rechte vorbehalten.

Über das Buch/ Über den Autor
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VORWORT

Ich war etwa sechs Jahre alt, als ich zum ersten Mal mit einem ernst zu nehmenden Verbrechen konfrontiert wurde. Bis zu jenem Tag war ich in einer idyllischen Vorstadt auf­gewachsen, in der sich Fuchs und Hase Gute Nacht sagen. Hier kannte jeder jeden und Verbrechen passierten ausschließlich sonntagabends im Tatort.

Doch das Unheil kann selbst einen so friedlichen Ort wie meine Heimatstadt heimsuchen, und meistens gerade dann, wenn man es am wenigsten erwartet.

Es war ein unspektakulärer Schultag wie jeder andere gewesen, wir saßen gerade im Mathe-Unterricht und grübelten über einer Textaufgabe, als der Gong der Schulglocke unerwartet die Stille unterbrach. Der Schuldirektor meldete sich mit zittriger Stimme und erklärte, dass es ein Gewaltverbrechen gegeben habe, nicht mal einen Kilometer weit entfernt. Der Schulleiter nannte keine Details, aber später erfuhren wir, dass es sich um einen Mord gehandelt hatte. Tatmotiv: Eifersucht. Ein Mann hatte den Neuen seiner Ex-Freundin auf einem Spielplatz mit einem Messer getötet, ganz in der Nähe der Schule. Ihr müsst wissen: Ich hielt mich zu dieser Zeit ziemlich oft an genau diesem Spielplatz auf, weil ich dort mit ein paar Freunden regelmäßig Fußball spielte. Natürlich schoss mir ­sofort ein Gedanke in den Kopf: Was wäre gewesen, wenn ich ausgerechnet an diesem Morgen dort gespielt hätte, als der Mann mit dem Messer auf sein Opfer losgegangen ist?

Ich werde auch nie die unsichere Stimme des sonst so selbstbewussten Direktors vergessen, die durch die Lautsprecher in alle Klassenzimmer drang. Der Täter, sagte er, sei auf der Flucht und es wäre zwar nicht wahrscheinlich, aber durchaus möglich, dass er ausgerechnet in unserer Schule Schutz suchen würde. Die Lehrer sollten bitte die Klassenzimmer abschließen und auf der Hut bleiben.

Ihr könnt euch wahrscheinlich sehr gut vorstellen, was so eine Durchsage mit einem Haufen kleiner Kids macht. Sofort breitete sich Panik im Raum aus. Die Lehrerin selbst wirkte überfordert und unentschlossen, wie sie reagieren sollte. Sie hätte Ruhe vermitteln sollen, aber stattdessen sah man die pure Angst in ihrem Gesicht. Wer mag es ihr verübeln, so eine Situation lernst du nicht während des Lehramtsstudiums. Sie schloss die Tür ab und versuchte, uns zu beruhigen. Es half nichts. Ein paar Jungs aus meiner Klasse und ich schnappten uns ein paar Wasserflaschen aus dem Getränkekasten. Wir positionierten uns damit hinter der Tür und waren jeder Zeit bereit, auf jeden, der diese Tür ungefragt betritt, mit unseren Flaschen einzuprügeln. Es muss echt niedlich ausgesehen haben, aber einen waschechten Gangster hätten wir damit wohl kaum verunsichern oder gar überwältigen können.

Glücklicherweise verschonte uns der Täter an diesem Tag. Irgendwann gab der Direktor schließlich Entwarnung und wir durften die Schule wieder verlassen. Ich hörte abends in den Nachrichten, dass sie den Kerl gefasst hatten, einige Städte weiter. Ich konnte also beruhigt die Augen zumachen und mit dem Gedanken einschlafen, dass die Bösen immer gefasst werden. Wie im Film.

Leider hält die Wirklichkeit nicht immer ein Happy End bereit, wie ich mir das als kleiner Junge vorgestellt habe. Die Realität schlägt oft gnadenloser und härter zu, als es sich ein Regisseur je ausdenken könnte. Auf meinem YouTube-Kanal sammele ich seit Jahren ungelöste, mysteriöse Kriminalfälle und erzähle sie meinen Zuschauern als Geschichten. Gerade die Tatsache, dass es am Ende keine Auflösung gibt, macht das für mich so spannend. Ich habe ein Faible dafür entwickelt. Schon die eine oder andere Nacht habe ich damit verbracht, mir stundenlang jedes erdenkliche Material zu einem bestimmten Fall anzueignen und meine eigenen Theorien zu entwickeln, was passiert sein könnte. Wenn ich nicht You­Tuber wäre, dann wäre ich wahrscheinlich Privatdetektiv. Es ist mir ein Rätsel, wie im Zeitalter von GPS, Smartphones und DNA-Tests immer noch Menschen spurlos verschwinden und Verbrechen ungesühnt bleiben können.

In diesem Buch werde ich euch in 13 Kapiteln die in meinen Augen spannendsten, ungelösten Kriminalfälle dieser Welt vorstellen. Ich habe wochenlang recherchiert, bekanntere mit unbekannteren Fällen gemischt und die Fakten sowie meine eigenen Theorien für euch aufbereitet. In einem Bonuskapitel verrate ich euch dann noch meine ganz persönliche Gruselgeschichte. Sie ist wirklich passiert, eine Kriminalgeschichte ist es jedoch nicht. Die Polizei hat nie ermittelt, es ist niemand gestorben oder zu Schaden gekommen. Anders als in den anderen Storys. Und wer weiß: Mit etwas Glück hat vielleicht sogar einer von euch eine entscheidende Idee und kann helfen, Licht ins Dunkel eines dieser mysteriösen Kriminalfälle zu bringen.

Nun aber viel Spaß mit dem Buch!

Es kommt selten vor, dass ein Verbrecher von der Bevölkerung gefeiert wird. Ein Volksheld wie einst Robin Hood, der die Reichen beklaute, um es den Armen zu geben, existiert nicht in unserer Welt. Die meisten realen Diebe haben keine edlen Motive, sie brauchen schlicht und ergreifend Geld. Dafür sind einige bereit, höchste Risiken einzugehen.

Aber niemand würde einen Verbrecher verehren, dessen einziges Motiv Geld war und der zusätzlich Menschenleben in Gefahr brachte, oder? Doch! Im kleinen Örtchen Ariel im US-Bundesstaat Washington findet jährlich ein Gedenktag zu Ehren eines der berühmtesten Erpresser der Welt statt. Sogar ein eigener Shop wurde nach ihm benannt. Der Mann, der der Welt nur unter dem Namen D. B. Cooper bekannt wurde, ist nicht nur im winzigen Ariel, sondern auch im Rest der USA eine Art Legende, die sogar von nicht wenigen respektiert und bewundert wird. Es geht um die einzige ungelöste Flugzeugentführung in der Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika und einen Mann, dem das FBI trotz jahrzehntelanger Arbeit nie auf die Schliche kam. Um einen Verbrecher, der entweder total irre oder unheimlich genial war. Oder vielleicht auch beides.

Der Linienflug 305 von Portland nach Seattle war am 24. November 1971 nur spärlich gebucht. Gerade einmal 37 Tickets waren verkauft worden. Es war der Tag vor Thanksgiving und die meisten Passagiere der Northwest Orient Airline wollten ihre Familie noch rechtzeitig zum Erntedankfest sehen. Florence Schaffner hatte als Stewardess dementsprechend wenig zu tun an diesem Nachmittag. Es war ein entspannter Flug, bis sie von einem gut aussehenden Mann auf Sitz 18C wegen einer Getränkebestellung herbeizitiert wurde. Der Typ war ihr schon direkt beim Boarding aufgefallen. Er sah aus, als wäre er gerade einem James-Bond-Streifen entsprungen. Über seinem perfekt gebügelten weißen Hemd trug er einen schwarzen Anzug, eine dunkle Krawatte und passend dazu eine Sonnenbrille. Er musste um die vierzig Jahre alt sein und seine Körpergröße schätzte sie auf knapp unter 1,80 Meter. Der mysteriöse Gast bestellte einen Bourbon Whiskey und zündete sich eine Zigarre an. Das mag für uns ungewöhnlich klingen, aber damals gab es noch kein Rauchverbot in Flugzeugen.

Als der Fluggast bezahlte, steckte er der Stewardess einen weißen Umschlag zu. Florence Schaffner vermutete, dass ­darin seine Telefonnummer stünde, die Kontaktdaten eines einsamen Geschäftsmannes, der eine Freundin suchte. Es kam nicht selten vor, dass ein männlicher Passagier versuchte, sie anzuflirten, und so steckte sie den Umschlag kommentarlos in ihre Tasche. Sie drehte sich um in der Hoffnung, der Mann ließe es dabei beruhen. Doch er blieb hartnäckig.

»Fräulein, Sie schauen sich den Zettel besser an! Ich habe eine Bombe«, sagte er wortwörtlich. In Schockstarre öffnete die erfahrene Flugbegleiterin den Umschlag und las die Worte: »Ich habe eine Bombe in meiner Aktentasche. Falls nötig, werde ich von ihr Gebrauch machen. Ich möchte, dass Sie sich neben mich setzen.« Die Stewardess tat, was er ihr befahl, und setzte sich neben Dan Cooper, dies war zumindest der offizielle Name, unter dem der Unbekannte sein ­Ticket für zwanzig Dollar erworben hatte. Vorsichtig fragte sie Cooper, ob er ihr die Bombe zeigen könne. Dieser öffnete ohne zu zögern seine Aktentasche und präsentierte rote Zylinder und Drähte.

Für einen Laien sah der Inhalt des Koffers definitiv wie eine Bombe aus. Cooper schickte sie zurück ins Cockpit. Schaffner sollte dem Piloten persönlich seine Forderungen durchgeben. Er forderte 200 000 Dollar Lösegeld und vier Fallschirme, dann würden alle Passagiere lebend das Flugzeug verlassen.

William Scott, der Pilot, funkte direkt die Flugsicherung in Seattle an und überbrachte Coopers Forderungen. Die Beamten am Boden empfahlen der Crew, mit dem Entführer bedingungslos zu kooperieren, und als die Maschine gegen 17:45 Uhr in Seattle-Tacoma landete, waren ein Beutel mit dem Lösegeld und die vier Falschschirme bereitgestellt. Cooper war extrem vorsichtig, er hatte dem Piloten befohlen, in einem isolierten Bereich des Flughafens zu landen und alle Fenster geschlossen und verdeckt zu halten. Er hatte Angst, dass ihn Scharfschützen der Polizei ausschalten wollten. Ansonsten war er höflich und zuvorkommend, ganz anders, als man sich einen klassischen Entführer vorstellt. Tina Mucklow, eine weitere Stewardess an Bord, gab später zu Protokoll, dass ihm zu keiner Zeit Nervosität anzumerken war. Cooper wirkte, als wüsste er genau, was er tat, bestellte sich gelassen einen weiteren Bourbon und bezahlte ordnungsgemäß. Er wollte sogar noch Trinkgeld geben, als wäre es überhaupt keine besondere Situation. Später bot er der Crew sogar an, für sie Essen zu ordern.

EIN SPRUNG INS NICHTS

Al Lee, ein Manager der Northwest Orient Airlines, überbrachte das Lösegeld persönlich. Er betrat das Flugzeug in Straßenkleidung, da er Angst hatte, dass Cooper die Uniform der Fluggesellschaft als Polizistenuniform missinterpretieren könnte. Dan Cooper hielt sein Wort und ließ alle 36 verbleibenden Fluggäste aussteigen. Man hatte ihnen etwas von technischen Problemen erzählt und sie lange im Unklaren darüber gelassen, dass ihre Maschine entführt wurde.

Anschließend forderte Cooper, das Flugzeug vollzutanken. Auch diesem Befehl kam die Fluggesellschaft nach. An Bord verblieben nur der Pilot, der Copilot, ein Flugingenieur, Stewardess Tina Mucklow und Cooper selbst. Er hatte sich bei jedem Schritt seiner genau durchgeplanten Entführung etwas gedacht. Dass er vier Fallschirme forderte, war kein Zufall. Er wollte die Polizei am Boden glauben lassen, dass mehrere Leute aus der Crew aus dem Flugzeug springen würden, denn nur so konnte er sich sicher sein, dass das FBI die Fallschirme nicht manipuliert hatte.

Um 19:40 Uhr, knapp zwei Stunden nach der Landung, befahl Cooper der restlichen Crew, wieder zu starten. Seine Vorgaben: Die Maschine sollte Richtung Mexiko fliegen, zudem sollte das Fahrwerk während des Fluges ausgefahren und die Landeklappen auf 15 Grad aufgeklappt bleiben. Die Flughöhe sollte 3000 Meter betragen, was deutlich niedriger war, als bei einem Linienflug üblich. Die Geschwindigkeit sollte so langsam wie nur möglich sein. Penibel drängte Cooper darauf, dass diese Bestimmungen exakt erfüllt wurden. Der Pilot Scott merkte an, dass der Treibstoff nicht bis Mexiko reichen würde, ohne zwischendurch nachzutanken. Nach langem Diskutieren einigte sich Cooper mit der Crew, dass sie dafür in Reno in Nevada landen würden, da die Stadt strategisch am günstigsten lag.

Gegen 20 Uhr befahl Cooper der gesamten Crew, sich ins Cockpit zu verziehen und die Türen zu schließen. Cooper hatte nie vor, sich nach Mexiko abzusetzen, es war wie vieles an seiner Geschichte ein Ablenkungsmanöver. Stewardess Mucklow beobachtete ihn noch dabei, wie er vermutlich den Geldsack um seine Hüfte band.

Um 20.11 Uhr meldete eine Lampe im Cockpit, dass die Heckklappe geöffnet war. Pilot Scott funkte daraufhin Cooper an: »Ist da hinten alles okay?«

»Nein«, sagte der Entführer ein letztes Mal per Funk und sprang mit dem Fallschirm in die kalte, schwarze Nacht über Washington. Dan Cooper, der wahrscheinlich legendärste Entführer aller Zeiten, wurde nie wiedergesehen. Im Flugzeug zurück blieben allein seine Krawatte, eine Perlmutt-Krawattennadel und acht Zigarrenstummel.

Für die Crew war der Albtraum mit Coopers Sprung be­endet. Die verbliebenen vier an Bord landeten die Maschine in Reno und wurden von FBI-Beamten empfangen, die die Boeing 727 sofort nach der Landung stürmten. Sie kamen zu spät.

Eine beispiellose Suche begann nach diesem Mann, der ­anscheinend alle überlistet hatte. Berechnungen des FBI zufolge musste Cooper im Clark County in der Nähe des ­Lewis Rivers im Bundesstaat Washington gelandet sein. Es ist ein entlegenes Gebiet, bergig, wenig besiedelt und von dichten Wäldern durchzogen. Es war wie eine Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Über 1000 Mitarbeiter der Polizei und des FBI durchkämmten mühsam die Umgebung, es wurden Spürhunde und Hubschrauber eingesetzt. Straßensperren und Kontrollen im ganzen County eingerichtet. Dazu kamen Tausende Freiwillige und Privatdetektive, die sich der Suche anschlossen. Doch von Dan Cooper und seinem Lösegeld gab es zunächst keine Spur. Es schien, als hätte dieser Verrückte das Unmögliche geschafft: Er war entkommen.

Das FBI ermittelte 45 Jahre mehr oder weniger erfolglos in diesem Fall und stellte die Ermittlungen 2016 ein. Im Laufe dieser Jahre gab es unzählige Verdächtige, auf die ich später noch eingehen werde, allerdings bewahrheitete sich keine dieser Anschuldigungen. Eine kuriose Trivialität in diesem Fall ist, dass der Verdächtige landesweit als D. B. Cooper ­bekannt wurde, was auf einen Flüchtigkeitsfehler in einer Agenturmeldung zurückging. In Wahrheit war der Deckname des Mannes Dan Cooper, doch selbst das FBI nannte den Fall später den »D. B. Cooper Case«.

Ich will mit euch die wohl spannendste Frage in diesem Fall diskutieren: Hat unser tollkühne Cooper den Sprung überhaupt überlebt?

In den USA wurde über wenige Verbrechen mehr diskutiert also über dieses. Die einen sind sich sicher, dass Dan Cooper heute im Rentenalter auf irgendeiner Karibikinsel lebt und noch immer seinen Coup feiert, während die anderen der festen Überzeugung sind, dass er den Sprung nicht lebend überstand. So denkt auch das FBI, die Ermittler gehen mittlerweile davon aus, dass Dan Cooper in jener Novembernacht ums Leben kam. Kritiker denken, dass es nur eine bequeme Erklärung des Geheimdienstes ist, um ihre ergebnislosen Ermittlungen zu rechtfertigen. Schauen wir uns doch mal an, was dafür und was dagegen spricht.

War Dan Cooper ein erfahrener Fallschirmspringer? Zunächst ging man davon aus, denn ein Amateur hätte sich so eine Aktion wohl nie getraut. Dennoch blieben Zweifel. Heute meint das FBI, dass nur ein Laie einen solch tollkühnen, weil extrem gefährlichen Sprung hätte wagen können.

Es herrschte Winterkälte am 24. November 1971. Die Temperatur war in 3000 Meter Höhe wohl deutlich unter dem Gefrierpunkt. Obwohl es mit jeder Sekunde im freien Fall wärmer wird, so hätte sich die Kälte schnell in seinen Gliedern bemerkbar gemacht.

Ein routinierter Fallschirmspringer wäre zudem vermutlich viel südlicher, zum Beispiel erst über Mexiko gesprungen. Als Cooper sprang, peitschte ein stürmischer Regen durch die Nacht und ein unberechenbarer, heftiger Gegenwind machte ihm zu schaffen. Einen Absprung zu überleben wäre schon für einen Profi ein Kunststück gewesen. Cooper allerdings trug keine professionelle Ausrüstung, sondern sprang in Anzug und Hemd, zudem mit einem Geldbeutel umgeschnallt. Selbst unter besten Bedingungen tragen ­geübte Fallschirmspringer einen Helm (in Deutschland sogar Pflicht), eine Schutzbrille und einen speziellen Kombi-­Anzug. Sobald er in der Luft war, hatte er keinerlei Orientierungsmöglichkeit in der schwarzen, regnerischen Nacht. Er hätte auf sein Glück vertrauen müssen. Cooper hätte auch niemals planen können, wo genau er landet. Bei der Wetterlage, der Fluggeschwindigkeit und in einer Zeit ohne GPS wäre eine punktgenaue Landung weit außerhalb der menschlichen Möglichkeiten.

Doch selbst wenn Cooper den Flug unbeschadet überstanden hätte, hätte ihm das Schwierigste noch bevorgestanden: die Landung. Die Gegend im Hinterland von Washington ist bewaldet und bergig, das Risiko, auf einen Baum zu krachen oder auf einem Felsen aufzuschlagen, ist dementsprechend hoch. Außerdem ist da noch der Lewis River, der bei einer ungewollten Landung darin tödlich sein könnte. Cooper hatte kaum Möglichkeiten, seinen Flugkurs bei dem starken Wind punktgenau zu kontrollieren, es war ein ein­ziges Glücksspiel der Naturgewalten.

Schieben wir alle diese Bedenken beiseite und nehmen einfach mal an, Cooper hat den Sprung tatsächlich überlebt. Dann wäre der Entführer irgendwo in tiefster Wildnis gelandet, nachts, im Winter und unzureichend bekleidet. Bis er sich aus der Wildnis in die Zivilisation gekämpft hätte, wären womöglich Stunden vergangen, und selbst dann wäre ein Mann in zerrissenem Anzug mit einem großen Geldbeutel in der Hand in jedem Hinterwäldlerdorf das Gesprächsthema Nummer eins gewesen. Wie hätte er das County verlassen sollen? Per Anhalter? Das FBI aber registrierte keine solche Zeugenaussage. Hatte er am Boden einen Komplizen? Denkbar, aber wie hätte er diesen informieren sollen, wo genau er gelandet ist? In einem Zeitalter ohne Handys wäre das schwer möglich gewesen, und einen Mittäter auf gut Glück in so einem großen Gebiet umherfahren zu lassen, wäre ebenfalls unsicher gewesen. Selbst wenn Cooper und sein Komplize Funkkontakt gehabt hätten, wie hätte der Entführer selbst wissen sollen, wo genau er gerade gelandet ist? Man konnte damals nicht mal eben schnell auf Google Maps nachschauen. Der Ort der Landung war aufgrund von heftigen Winden unmöglich vorab einzugrenzen und so groß, dass Cooper nicht jeden Baum oder Felsen ausgespäht haben konnte, um sich später zu orientieren.

Wenn man sich das alles vergegenwärtigt, passt einiges nicht zusammen. Während der Anfang der Entführung des selbstsicheren Coopers noch bis ins Detail geplant wirkte, passt dieser selbstmörderische Sprung nun wirklich nicht ins Bild. Zudem lehnte Cooper einen Militärfallschirm des FBI ab, sondern bestand auf einen zivilen, veralteten Fallschirm. Mit dem Militärschirm hätte er weitaus bessere Überlebenschancen bezüglich des Aufpralls gehabt, doch es muss Gründe gegeben haben, warum er freiwillig darauf verzichtete. Der wahrscheinlichste ist, dass er sich mit dem Amateurfallschirm, wie er vor allem von Hobby-Springern eingesetzt wird, besser auskannte. Damit wäre auch geklärt, dass Cooper sich seine eigene Erfahrung nicht beim Militär aneignete, denn sonst hätte er sicherlich den besseren Schirm gewählt. Zudem übersah er, dass bei seinem Fallschirm der Reserveschirm für den Notfall nicht funktionierte, weil er zugenäht war. Das war keine Absicht der Polizei, sie hatte die zivilen Fallschirme nur notgedrungen in Windeseile aus einer naheliegenden Fallschirmschule besorgt. Er sprang trotzdem.

Was spricht dafür, dass Cooper den Sprung überlebte? Das stärkste Argument, das für das Überleben Dan Coopers spricht, ist, dass seine Leiche nie gefunden wurde, auch der Fallschirm und die Beute sind verschollen. Das Gebiet wurde penibel durchkämmt, das FBI leistete eine der größten Suchaktionen seiner Geschichte, Hubschrauber, Hunde und In­frarotkameras wurden eingesetzt. Mehrere Tausend Leute suchten die Wälder ab. Der Sprung wurde von den Flugexperten des FBI detailgetreu nachgestellt, um herauszufinden, wo Cooper genau landete, aber auch das brachte die Beamten nicht weiter. Die Leiche tauchte einfach nicht auf. Dan Cooper könnte auch deutlich erfahrener sein, als er es vermuten ließ. Er wählte den Flug 305 nicht zufällig aus, sondern weil es sich um eine Boeing 727 handelte, das einzige Linienflugzeug der damaligen Zeit, an dem die Heckklappe am Boden angebracht war. Nur aus dieser Maschine war es möglich zu springen, ohne von den Triebwerken eingesogen zu werden.

Zudem hatte er den Kurs vorgegeben und die Flughöhe genau berechnet, was dafürspricht, dass er wusste, was er tat. Es gibt zudem die Möglichkeit, dass in dem Aktenkoffer mit der vermeintlichen Bombe eventuell noch Hilfsutensilien für den Sprung versteckt waren. Da die gesamte Crew im verschlossenen Cockpit saß, beobachtete niemand Cooper bei seinem Sprung. Somit kann auch keiner sagen, ob er nicht doch eine bessere Ausrüstung trug, als man vermutete.

Kannte Cooper die Gegend, in der er landete? Versteckte er sich in der Wildnis und wartete auf die Gelegenheit zu fliehen? War es gar Teil seines Plans, die Ermittler denken zu lassen, er sei ein Amateur?

DIE TRICKS DES FBI

Das FBI hatte das Theaterstück während Coopers Ent­führung zwar brav mitgespielt, im Hintergrund hatten sie ­al­lerdings einige Fallstricke installiert, um den Entführer schnellstmöglich dingfest zu machen. Die Boeing 727 wurde, nachdem sie aus Seattle-Tacoma abhob, von zwei Kampfjets und einem Helikopter verfolgt. Dummerweise war die Sicht in dieser Nacht so schlecht, dass die Piloten der Jets überhaupt nicht mitbekamen, als Cooper sprang. Sie konnten ihn deswegen nicht verfolgen. Eine regnerische, trübe Nacht auszuwählen, klang zunächst nach einem Himmelfahrtskommando von Cooper, war es am Ende aber sogar genau so gewollt, damit die Verfolger den Sprung nicht mitbekamen?

Die Dollarnoten des Lösegeldes hatte das FBI auf einen Mikrofilm aufgenommen und die Seriennummern notiert, damit der Flüchtige sofort aufflog, sobald er sie in den Umlauf bringen würde. Doch nie wurde auch nur ein Schein der 200 000 Dollar eingesetzt. Das FBI geht deshalb davon aus, dass Cooper entweder das Geld beim Flug verlor oder eben mit der Beute zusammen starb.

Erstaunlich viele Menschen in den USA sympathisieren mit Cooper, obwohl die Ermittler ihn als gewöhnlichen Kriminellen verteufeln. Viele der einfachen Bürger wollen einfach fest daran glauben, dass er es geschafft hat. Natürlich gibt es logische Erklärungen, warum Cooper das Geld nie in Umlauf brachte. Von Geldwäsche in Spielkasinos oder mexikanischen Drogengeschäften war alles dabei. Die wahrscheinlichste Theorie ist, dass Cooper das Geld einfach auf ein Konto eingezahlt hat. Trotz neu eingeführtem Anti-Geld­wäsche-Gesetz registrieren die Banken nur selten die Seriennummern ihrer Scheine und so wäre das die simpelste und wahrscheinlichste Möglichkeit.

1980 schien den Ermittlern der Durchbruch im Fall D. B. Cooper gelungen zu sein. Der achtjährige Brian Ingram fand bei einem Picknickausflug mit seinen Eltern einen Teil des Lösegelds. Der Kleine hatte an einer Sandbank des Columbia Rivers ein Loch gebuddelt und war aus allen Wolken gefallen, als er dabei zufällig auf drei Stapel aus 20-Dollar-Noten gestoßen war. Es waren insgesamt 5800 Dollar. Zwei Bündel mit je hundert 20-Dollar-Noten, beim letzten waren es nur 90.

Das Kuriose: Der Fundort lag über 30 Kilometer weit weg von der vom FBI berechneten Landezone nahe der kleinen Stadt Ariel. Es gab zwei Theorien: Entweder waren die Geldbündel durch mehrere kleine Flüsse in den Columbia River getrieben worden oder aber die Berechnungen des FBI waren komplett falsch. Die vom FBI favorisierte Flusstheorie wurde von vielen geologischen Experten stark angezweifelt. Auch das beim letzten Bündel zehn Scheine fehlten, ansonsten aber alles perfekt an den Stapeln war, schien ungewöhnlich. Hatte es Cooper doch geschafft und war er nahe des Columbia Rivers gelandet? Hatte er einen Teil seiner Beute dort vergraben? Aber wieso hätte er das tun sollen? Viele meinen, es sei ein Ablenkungsmanöver von ihm gewesen. Nicht unmöglich, denn der Mann war mit allen Wassern gewaschen und deshalb ist ihm jede absichtliche Irreführung zuzutrauen, aber wirklich Sinn hätte die Aktion auch nicht gemacht. Vielleicht war ihm auch einfach ein Teil der Beute beim Flug aus der Tasche gefallen und, im wahrsten Sinne des Wortes, vom Winde verweht worden.

DIE VERDÄCHTIGEN

Jeder Mensch auf der Welt hat Familie, Freunde oder zumindest Bekannte. Kaum jemand lebt komplett isoliert für sich. Wenn ein begnadeter Fallschirmspringer aus meinem Umfeld einen spektakulären Überfall begeht und der Fall läuft in den Medien in Dauerschleife, dann ist es unmöglich, dass ich nichts davon mitbekomme, oder? Wenn dann noch landesweit mit einem sehr detaillieren Phantombild gefahndet wird, dann wird mir doch wohl auffallen, dass mein Bekannter als Täter infrage kommt. Da der Fall Dan Cooper mediales Aufsehen erregte wie kaum ein anderer Fall zuvor, ist es für mich nicht nachvollziehbar, wieso nicht irgendjemand diesen Mann erkannt und dies dem FBI gemeldet hat. Irgend­jemand aus einer Fallschirmschule, ein Verwandter, ein Kumpel, ein Familienmitglied oder ein Arbeitskollege muss doch diesen Mann erkannt haben. Kein Mensch lebt komplett anonym. Natürlich gab es Hinweise und Hunderte Leute meinten, ihr Onkel, ihr Bruder oder gar ihr Sohn sei D. B. Cooper. Das FBI ging jedem einzelnen Hinweis nach, überprüfte Spuren und Alibis, doch jeder Tatverdächtige konnte recht schnell wieder entlastet werden. Und Tatverdächtige gab es viele.

Wie zum Beispiel Richard McCoy. Keine vier Monate nach Coopers spektakulärer Entführung imitierte er die Aktion fast detailgetreu. In Denver stieg der beim Militär ausgebildete Hubschrauberpilot in ein Flugzeug des Typs Boeing 727 und erpresste die Crew in fast exakt jenem Wortlaut, den Cooper benutzt hatte. Er sprang aus der Maschine, landete heil am Boden, wurde allerdings im Gegensatz zu Cooper recht schnell von der Polizei gefasst. Ein Autofahrer hatte ihn in seinem Fallschirmspringer-Outfit als Anhalter mitgenommen und lieferte dem FBI den entscheidenden Tipp. ­McCoy sah Cooper optisch auf jeden Fall ähnlich und so war für viele klar, dass Cooper und McCoy dieselbe Person seien. Doch McCoy hatte viele einfache Fehler gemacht, die Cooper nicht passiert waren. McCoy vergaß beispielsweise seinen handgeschriebenen Zettel im Flugzeug, während Cooper sich seinen wieder hatte zurückgeben lassen. Die Handschrift war auch einer der Beweise, die McCoy schließlich überführten. Als McCoy später aus dem Gefängnis ausbrach, wurde er auf der Flucht von einem Polizisten erschossen. Er bestritt nie, Dan Cooper zu sein, bestätigte es aber auch nicht. Als er mal von einem Journalisten konkret darauf angesprochen wurde, sagte er nur: »Darüber will ich nicht sprechen.« Auch wenn ganze Bücher erschienen, die Cooper und McCoy gleichsetzten, schloss das FBI McCoy als Verdächtigen im Cooper-Fall aus. Er hatte zu dem Zeitpunkt ein bombenfestes Alibi und zudem passten einige Merkmale nicht zusammen. Kurios ist die optische Ähnlichkeit der beiden dennoch und so bleibt für viele McCoy immer noch der Hauptverdächtige.

Die vielleicht heißeste Spur war der ehemalige Soldat Duane Weber, der seiner Frau Jo Weber, im Jahre 2000 auf dem Sterbebett anvertraut haben soll, er sei Dan Cooper. Sie begann zu recherchieren und deckte etliche Zusammenhänge zwischen ihrem Mann und der Geschichte auf. Ihr Mann hatte eine Knieverletzung, die von einem Sprung aus einem Flugzeug stammte. Er hat zur damaligen Zeit in der Nähe des Flughafens von Portland gearbeitet und war bei seinen Freunden auch unter dem Pseudonym Dan Cooper bekannt. Als eine Gesichtserkennungssoftware eine hohe Übereinstimmung mit dem Phantombild von Cooper aufzeigte, schrillten beim FBI die Alarmglocken. Doch eine DNA-Probe mit der im Flugzeug zurückgelassenen Krawatte von Dan Cooper war negativ, und so schloss das FBI Weber als Täter aus.

Und da war noch die Nichte des Kriegsveteranen Lynn Cooper, die sich im Juli 2011 beim FBI meldete. Sie verdächtigte ihren eigenen Onkel, Dan Cooper zu sein. Am 23. November 1971, also einen Tag vor der berühmten Tat, hatte sie ein Gespräch zwischen Lynn Cooper und einem weiteren Familienangehörigen belauscht, in dem es um eine boshafte Tat, die die beiden planten, ging und für die sie teure Funk­geräte benötigten. Redeten sie etwa von der Flugzeugentführung? War die andere Person der Komplize am Boden, den ihr Onkel nach der Landung mit einem Funkgerät informierte?

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