Die wilden Neun - Simone Detto - E-Book

Die wilden Neun E-Book

Simone Detto

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Beschreibung

Der ganzjährige Wildkräuterkurs für alle, die einfach mehr wissen wollen und ganz nah an den Pflanzen sein möchten: Die Kräuterfrauen Simone Detto und Doris Grappendorf nehmen Sie rund ums Jahr mit zu unseren neun besten heimischen Heilpflanzen. Die Autorinnen erklären stimmungsvoll, wie sich die Pflanzen vom ersten zarten Blättchen im Frühling bis zum Rückzug in die Wurzel im Herbst entwickeln und welche Kraft zu welcher Zeit in ihnen steckt. So können Sie die vielfältigen Heilwirkungen, die sich im Lauf des Jahres entfalten, ganz gezielt nutzen. Ein liebevoll geschriebener Lesegenuss voller Pflanzenwissen, mit 111 Rezepten und wunderschönen Pflanzenfotos.

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Seitenzahl: 206

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Simone Detto | Doris Grappendorf

Unsere wirksamsten Heilpflanzen sammeln und nutzen

Alles über Beifuß, Brennnessel, Holunder, Johanniskraut, Löwenzahn, Schafgarbe, Spitzwegerich, Thymian und Weißdorn

INHALT

VORWORT

BEIFUSS

Pflanzensteckbrief

Frühjahr

Sommer

Herbst

BRENNNESSEL

Pflanzensteckbrief

Frühjahr

Sommer

Herbst

HOLUNDER

Pflanzensteckbrief

Frühjahr

Sommer

Herbst

JOHANNISKRAUT

Pflanzensteckbrief

Frühjahr

Sommer

Herbst

LÖWENZAHN

Pflanzensteckbrief

Frühjahr

Sommer

Herbst

SCHAFGARBE

Pflanzensteckbrief

Frühjahr

Sommer

Herbst

SPITZWEGERICH

Pflanzensteckbrief

Frühjahr

Sommer

Herbst

THYMIAN

Pflanzensteckbrief

Frühjahr

Sommer

Herbst

WEISSDORN

Pflanzensteckbrief

Frühjahr

Sommer

Herbst

NACHWORT

SERVICE

Zum Weiterlesen

Dank

Die Autorinnen

Bildquellen

VORWORT

Schon immer wollte ich mich in einem Buch ganz den wichtigen Heilpflanzen widmen, die direkt an unserer Haustür wachsen. Nun ist es so weit – das Buch liegt vor Ihnen. Neun wilde Pflanzen lassen uns nicht nur an ihrer äußerlichen Schönheit teilhaben, sondern zeigen uns auch ihre inneren Fähigkeiten. Warum gerade neun, werden Sie fragen. In der Zahlenmystik hat die Neun einen besonderen Platz. Sie ist eine heilige Zahl und steht für Vollkommenheit. Früher wurden Kräuterbündel aus neun Pflanzen gebunden, man kennt die Neunkräutersuppe, die gegen allerlei Krankheiten hilft, und in Notzeiten, wie bei Seuchen oder Kriegen, wurden Notfeuer aus neunerlei Hölzern entzündet.

DAS NEUNKRÄUTERBUCH

Ich habe die neun Kräuter im gesamten Jahreskreis begleitet und beobachtet. Mein Wunsch ist, Sie mitzunehmen auf meinen Kräuterwanderungen. Sie auf den Moment aufmerksam zu machen, wenn im zeitigen Frühjahr die jungen Pflanzen aus der Erde kommen und keine Blüten oder großen Blätter haben, an denen sie einfach zu erkennen sind. Anders als im Sommer, wenn manche dieser Kräuter uns mit hübschen Blüten betören und das Bestimmen einfacher ist. Was mache ich aber nun mit den neun Kräutern zur jeweiligen Jahreszeit? Das alles erkläre ich Ihnen in meinem Buch.

Als Kind verbrachte ich viel Zeit auf dem Bauernhof meiner Großeltern. Sie arbeiteten von früh bis spät auf dem Feld und haben danach noch die Tiere des Hofes versorgt. Mein Vater half seinen Eltern stets und ich wurde dadurch früh an ein Leben im Rhythmus der Natur gewöhnt. Sobald es hell wurde, erwachte das lebendige Treiben und mit dem Sonnenuntergang legte sich Ruhe über den Hof und seine Bewohner. Mein Vater, der die Natur sehr achtete und verehrte, zeigte mir von klein auf, was sie an Besonderheiten zu bieten hat. Von ihm lernte ich die Sprache der Tiere und er war es, der mir vom Wesen der Baumriesen erzählte, die den Hof wie einen Schutzwall umgaben. Direkt hinter dem Hof begann der Wald mit seinen Pflanzen. Ich erinnere mich an frühlingshafte Wälder, die wir mit einem Sammelkorb und unseren Hunden Hasso und Seppel durchstreiften. Ich war zu klein, um heute noch zu wissen, welche Pflanzen wir sammelten. Aber auf diesen Wanderungen wurde in mir der Keim für die Liebe zur Natur gelegt.

In der kalten Jahreszeit brühte meine Großmutter aus den gesammelten Kräutern Tee und behandelte kleine und größere Wehwehchen bei Mensch und Tier mit den Kräften der heilenden Pflanzen. Schon sehr früh konnte ich erleben, was unsere Heilkräuter, richtig angewendet, für großartige Leistungen vollbringen. Sicherlich hatten meine Großeltern ihr Wissen von ihren Vorfahren und auch sie durften erleben, dass Heilpflanzen fast Unglaubliches bewirken können. All das, was wir heute infrage stellen oder bewiesen haben möchten, verstand ich als ganz normal.

Als meine Großeltern starben, war ich eine junge Frau und gründete gerade meine eigene Familie. Irgendwie hatte ich den Faden zur Natur verloren. Doch ein Artikel über eine Kräuterfrau ließ mich aufhorchen und stellte die Verbindung wieder her. Und so lernte ich Doris Grappendorf kennen, meine erste Kräuterlehrerin.

IM BANN DER KRÄUTERKUNDE

Nach meiner Ausbildung in Phytotherapie bei Doris ließ mich die Kräuterkunde nicht mehr los. Wie magisch erinnerte ich mich an so viele Dinge, die ich als Kind erlebt und von meinem Vater und meiner Großmutter gelernt hatte. Es kam mir vor, als würde eine Schicht von mir abbröckeln und ein alter Schatz zum Vorschein kommen. Ich erweiterte mein Wissen, lernte bei erfahrenen Kräuterkundigen in den Bergen und las in alten Büchern. Das alte Wissen hatte es mir dabei besonders angetan und ich fragte mich immer: „Woher wussten unsere Vorfahren vor vielen Jahrhunderten so gut über die Heilpflanzen Bescheid? Woher stammt das große Wissen?“ So erlernte ich die Signaturenlehre und beschäftigte mich mit der Astromedizin und der Elementenlehre, den Grundpfeilern unserer abendländischen Heilkunde. Ich bildete mich im Räuchern weiter, erlebte, wie man Medizin aus Tierfetten herstellt, spezialisierte mich auf die Astromedizin – und noch immer habe ich nicht ausgelernt. Die Frage nach dem Woher treibt mich bis heute um.

Sehr schnell war für mich klar, dass ich mein Wissen in meiner eigenen Schule weitergeben möchte. Mein Wunsch war es immer, dass Menschen sich einlassen auf die Natur, ihr achtsam und respektvoll folgen und wieder mehr Verantwortung für sich und ihre Gesundheit übernehmen. So gründete ich vor fast einem Viertel Jahrhundert meine eigene Natur- und Kräuterschule.

DIE IDEE ZU DIESEM BUCH

Während all der Jahre habe ich stets mit großem Respekt zu meiner ersten Lehrerin und heutigen Freundin Doris aufgeschaut. Sie hat es geschafft, meine Seele wieder für die Natur zu öffnen, und mich in die Grundlagen der modernen Kräuterheilkunde eingeführt. Irgendwann bot sie eine Neun-Jahres-Ausbildung an. Hinter dieser Ausbildung stand die Idee, sich in jedem Jahr mit einer einzigen Heilpflanze zu beschäftigen. Früher, so heißt es, ging man neun Jahre bei einer Kräuterfrau in die Lehre. Nun könnte man denken: Was für eine lange Zeit! Aber weit gefehlt. In jedem Jahr lernte man nur eine Pflanze kennen und beschäftigte sich mit ihr das gesamte Jahr hindurch. So sah man die Pflanze im Frühling bei den ersten Sonnenstrahlen aus dem noch kalten Boden treiben, konnte erleben, wie sie erblüht und reift und sich zum Herbst hin ins Erdreich zurückzieht, um ihre Kräfte für das kommende Jahr zu bündeln. So lernte man ganz in Ruhe diese eine Pflanze im gesamten Jahreskreis kennen. Diese Idee fand ich faszinierend. Heute in unserer schnelllebigen Zeit möchten wir möglichst alle Pflanzen in kürzester Zeit sicher bestimmen und anwenden können. Aber das ist unmöglich. Man muss eigene Erfahrungen machen, sich auf die Pflanzen einlassen und von ihnen lernen. Sie zeigen uns so viel, wenn man sich nur Zeit nimmt, alle ihre Geheimnisse zu ergründen.

Diese Idee der Neun-Jahres-Ausbildung nahm ich dankend in meiner Schule auf und die Nachfragen nach diesen Kursen ist groß. Der Wunsch, neun wichtige Pflanzen, die eigentlich jeder kennt, zu erforschen und zu erleben, welch große Kraft in ihnen steckt, ist ungemein lebendig.

Dann wurde Doris sehr krank. Über viele Jahre hinweg konnte sie nicht arbeiten. Ich hatte so viel von ihr gelernt und wollte, dass der Gedanke der Neun-Jahres-Ausbildung weiterlebt und dass wir noch mehr Menschen von den Kräutern und ihren Möglichkeiten begeistern. So erwachte die Idee, die von Doris in viel Arbeit zusammengestellten Lehrunterlagen als Grundlage für ein Kräuterbuch zu nutzen. Deshalb stehen heute unsere beiden Namen auf dem Umschlag und es ist mir eine Ehre, so ein schönes Projekt mit Doris zusammen zum Leben erweckt zu haben.

Mit den „wilden Neun“ möchte ich Sie auf einer Kräuterwanderung in Buchform begrüßen. Auch wenn wir uns nicht von Angesicht zu Angesicht kennen lernen, möchte ich Ihnen zeigen, was unsere Neun Wilden alles können und dass sie in jeder Jahreszeit besondere Seiten haben. Ich habe versucht, alle Facetten der Neun Wilden zu beschreiben, und hoffe, dass Sie einige der Rezepte umsetzen und ausprobieren. Anhand der wunderbaren Fotos können Sie nachverfolgen, wie die Pflanze zum jeweiligen Zeitpunkt aussieht. Betrachten Sie die Feinheiten der Kräuter direkt auf der Wiese und lassen Sie sich ein auf die Natur. Kommen Sie mit auf eine Wanderung, auf die Reise durch das Jahr mit den Neun Wilden.

Herzlich,

Harzrand, im Herbst 2022

BEIFUSS

Traditionell bereitet man zur Weihnachtszeit in vielen Gegenden einen Gänsebraten. Da darf der Beifuß nicht fehlen, so liest man es in Kochbüchern. Doch dass sich hinter diesem Würzkraut eine mächtige Heilpflanze verbirgt, ist leider in Vergessenheit geraten. Schon im angelsächsischen Neunkräutersegen aus dem 9. Jahrhundert hat der Beifuß einen herausragenden Platz. Er wird dort als Kraut gegen allerlei Krankheiten und Ansteckung gepriesen. Es heißt:

„Erinnerst Du Dich, Beifuß, was Du verkündest?

Was Du anordnest in feierlicher Kundgebung?

Una heißt Du, das älteste der Kräuter

Du hast Macht gegen drei und gegen dreißig

Du hast Macht gegen Gift und Ansteckung

Du hast Macht gegen das Übel,

das über das Land dahinfährt …“

Heute ist kaum mehr vorstellbar, dass man einst den Beifuß „die Mutter aller Heilpflanzen“ nannte und Kräuterfrauen aller Zeiten ihm als heilende und magische Pflanze hohe Wertschätzung und sogar Ehrfurcht entgegenbrachten. Um ein wenig von dieser Kraft des Beifußes in unserer Erinnerung zurückzubringen, möchte ich Sie mitnehmen auf eine Wanderung zum Beifuß im Jahreskreis.

PFLANZENSTECKBRIEF

Name: Der wissenschaftliche Name des Beifußes lautet Artemisia vulgaris. Der Name Artemis könnte auf eine heilkundige Gemahlin eines Königs deuten, aber auch auf die Mondgöttin Artemis, die im nordischen Raum mit der Göttin Diana vergleichbar ist. Vulgaris ist lateinisch und bedeutet so viel wie gewöhnlich oder alltäglich.

Pflanzenfamilie: Korbblütengewächse (Asteraceae)

Volksnamen: Dianakraut, Gänsekraut, Hexenkraut, Jungferngürtel, Mugwurz, Sonnenwendkraut, Weiberkraut, Wilder Wermut.

Erkennen: Der Beifuß ist eine winterharte Staude, die 150–200 cm groß werden kann. Er hat einen aufrechten, kantigen Stängel, der oft rötlich-braun gefärbt ist. Aus dem festen Stängel entspringen viele Seitenästchen, die sich nach oben hin wieder verzweigen. Seine dunkelgrünen Blätter sind doppelt gefiedert und laufen nach oben spitz zu. Schaut man auf die Unterseite der Blätter, entdeckt man einen mattgrünen, silbrigen Farbton mit hellem Filz. Erst im Sommer, Ende Juli, Anfang August, beginnt der Beifuß zu blühen. Seine unscheinbaren eiförmigen Blütenköpfchen mit matt gelben oder rötlichen Einzelblüten sind ähren- oder traubenartig angeordnet. Ein Beifuß produziert circa 700 000 winzig kleine Samen im Jahr. Der Beifuß wächst gern an Wegesrändern, Schutthalden, Kiesgruben oder Bahndämmen. Er ist eine Pionierpflanze, also ein relativ anspruchsloser Erstbesiedler offener, vegetationsloser Böden. Er liebt sonnige Standorte und bleibt gerne, wo er sich einmal angesiedelt hat.

Verwechsler: Der Beifuß kann verwechselt werden mit seinem großen Bruder, dem Wermut (Artemisia absinthium), dessen Blätter aber ober- und unterseits weißsilbrig sind.

Sammeln: Alle Pflanzenteile des Beifußes sind essbar. Die jungen zarten Blättchen können im Frühjahr als Küchenkraut verwendet werden, zur Blütezeit im Sommer erntet man die blühende Pflanze als Gewürzkraut oder für gesundheitliche Zubereitungen und die Wurzel wird im Herbst geerntet.

Anwenden: Trotz seiner großen Heilkraft wird dem Beifuß heute in der Pflanzenmedizin keine große Bedeutung mehr zugemessen.

Die Kommission E, eine wissenschaftliche Sachverständigenkommission, die pflanzliche Heilmittel untersucht, hat ihm eine negative Monografie erstellt. Das bedeutet, dass er Nebenwirkungen nach sich ziehen kann und von einer Anwendung abgeraten wird. Doch bis auf selten vorkommende Allergien auf die ätherischen Öle des Beifußes sind keine Nebenwirkungen bekannt. In der Schwangerschaft sollte er jedoch nicht eingenommen werden, da die ätherischen Öle die Geburt auslösen könnten. Eine Anwendung des Beifußes ist also keinesfalls gefährlich, die Bewertung der Kommission E muss Sie daher nicht beunruhigen. Wägen Sie selbst ab, ob Sie den Beifuß innerlich nutzen wollen.

FRÜHJAHR

Im Frühjahr schiebt der Beifuß neben den trockenen Pflanzenresten des letzten Sommers seine ersten Blätter aus der winterharten Staudenwurzel hervor. Schon die jungen Blättchen schmecken recht aromatisch und eignen sich deshalb gut für Salate, Smoothies oder als Gewürz in Suppen oder Kartoffelgerichten. Aus den jungen Blättern des Beifußes, den gelben Blüten des Löwenzahns und etwas Salz stelle ich gerne eine würzige Kräuterbutter her.

Diesen Frischkäsedip mag ich, um die frischen Kräfte und den Geschmack zu nutzen: Zu 250 g Frischkäse gebe ich je ½ Handvoll junge Blättchen von Beifuß, Giersch und Knoblauchsrauke. Ich wasche die Kräuter, schneide sie klein und rühre sie mit etwas Zitronensaft, Salz und Pfeffer nach Geschmack unter den Frischkäse.

So ganz nebenbei versorgen die jungen Beifußblättchen unseren Körper mit wichtigen Mineralstoffen wie Kalzium, Kalium, Phosphor und Eisen. Sie enthalten zusätzlich Vitamin A, einige B-Vitamine und Vitamin C. Da auch die anderen Kräuter wahre Vitalstoffbomben sind, ist dieser Dip sehr gesund und versorgt unseren Körper mit wichtigen Mineralstoffen, Spurenelementen und Vitaminen.

Der Beifuß ist eine Entgiftungspflanze, die Sie schon im Frühling nutzen können. Er wirkt blutreinigend und kreislaufanregend. Seine Haupterntezeit ist jedoch der Sommer, wenn er sich in seiner vollen Schönheit zeigt.

SOMMER

Bei meinen Wanderungen begegne ich dem Beifuß immer wieder. Er wächst häufig am Wegesrand und auf Schuttflächen. Uns Menschen begleitet er sogar in Städten, „bei Fuß“ wächst er, direkt zu unseren Füßen, und so kann man ihn gut beim Wachsen beobachten. Anfänglich zeigen sich seine Triebspitzen am Boden, doch rasch schieben sich kräftige Stängel empor, deren sattgrüne dreilappige, unterseits silbrig schimmernde Blätter hübsch anzusehen sind. Er wächst rasch zu einer stattlichen Staude heran, die einerseits durchscheinend wirkt, aber dennoch kraftvoll. Sein fester Stängel zeigt sich oft rötlich überzogen und ist äußerst widerstandsfähig. Aus ihm entspringen im weiteren Verlauf des Sommers viele Seitenästchen, die sich wieder verzweigen.

Doch obwohl er kaum zu übersehen ist, kennen ihn nur wenige, denn er macht nicht mit hübschen Blüten auf sich aufmerksam. Wenn ich ihn so betrachte, bekomme ich den Eindruck, dass er trotz seiner Größe etwas Zartes, Lichtes hat und in seinem silbrig-grünen Kleid fast schon ätherisch schimmert.

Die Menschen längst vergangener Zeiten feierten den Jahreskreis mit seinen Sonnen- und Mondfesten. Zum Fest der Sommersonnenwende am 21. Juni ehrte man die Kräfte der Sonne und des Feuers mit ihren lebensspendenden Energien. Bei solchen Sonnenfesten spielten immer auch Rituale mit Heilpflanzen eine wichtige Rolle. So banden sich die Frauen aus dem just zu dieser Zeit erblühenden Beifuß eine Art Gürtel und sprangen mit ihm über das Feuer. Danach warfen sie den Beifußgürtel in die Flammen und verbrannten so symbolisch Krankheiten und alles Unheil.

Schaut man sich zu Sommerbeginn den Beifuß näher an, entdeckt man, wie sich die Knospen der Staude aufzurollen beginnen, wie sie langsam erwachen. Die jungen Knospen sind aromatisch, aber noch nicht intensiv bitter. Es lohnt sich, sie zu ernten und weiterzuverarbeiten. Die Beifußblüten können Sie frisch oder getrocknet als gesundes, wohlschmeckendes Gewürz an Suppen und Saucen geben.

In einem Beifußsalz entfachen die Blüten ihr wohltuendes Aroma. Solch ein Salz wirkt verdauungsfördernd und ist rasch gemacht. Dazu sammeln Sie junge Beifußblüten und mörsern sie klein geschnitten mit der gleichen Menge Steinsalz. Auf einem mit Backpapier belegten Backblech streichen Sie die Masse aus und lassen sie über Nacht trocknen. Wenn die Masse getrocknet ist, mörsern Sie die Salzmischung noch einmal, bis alles ganz fein ist. Dunkel verpackt kann das Salz mindestens 1 Jahr gelagert werden.

Wenn die Sonne im Jahresverlauf an Kraft gewinnt, bilden sich in Pflanzen zunehmend mehr Bitterstoffe und ätherische Öle. Diese Kombination aus bitter und aromatisch nennt man in der Pflanzenheilkunde Amara aromatica. Amara bedeutet bitter, aromatica bezieht sich auf das Aroma, die ätherischen Öle. Pflanzen mit dieser Wirkstoffkombination regen den Stoffwechsel an und bringen die Verdauungssäfte zum Fließen. Sobald ein bitteres Kraut unseren Gaumen berührt, produzieren unsere Speicheldrüsen mehr Speichel und so beginnt der Verdauungsprozess bereits im Mund optimal. Der Magen- und auch der Gallensaft sowie die gesamten Verdauungsprozesse werden angeregt. Durch die Bitterstoffe in Kombination mit den ätherischen Ölen (hier sind es Cineol, Kampher und Linalool) wirkt der Beifuß fäulnishemmend und reinigend auf den Darm. Durch seine erwärmenden Eigenschaften regt er das Verdauungsfeuer so richtig an und hilft nach einem fetten Essen.

Auch bei schwer verdaulichen Speisen oder Magendruck bietet der Beifuß alles für einen gesunden Verdauungsprozess. Bitterstoffpflanzen bringen Wohlbefinden in den Magen-Darm-Trakt, vermindern Blähungen und regen die Hormondrüsen an. Sie wecken unsere Lebensgeister. Deshalb wurden sie in allen Hochkulturen geschätzt und schon in alten Zeiten von Schamanen und Heilern genutzt. Der Beifuß gehört in die Gruppe dieser Pflanzenhelfer. Diese beiden Stoffgruppen, die ätherischen Öle und die Bitterstoffe, sind wichtig für eine gute Verdauung. Sie wirken antibakteriell und pilzfeindlich und zugleich wecken sie unsere Hormone.

Im Hochsommer ist aus dem Beifuß eine stattliche Pflanze geworden. Wie ein unscheinbarer Riese steht er oftmals unentdeckt auf Schuttflächen und vegetationslosen Böden. Seine mattgelben bis rötlich-braunen Blüten sind leicht zu übersehen. Doch wenn man sie zwischen den Fingern reibt, entströmt ihnen ein aromatischer Duft und man ahnt, was in ihm steckt. Nun ist die Zeit gekommen, den Beifuß für verschiedene Anwendungen zu trocknen und zu verarbeiten. Die unteren Stängelabschnitte sind meist verholzt und hart. Sammeln Sie die oberen Sprossabschnitte mitsamt Blättern und Blüten. Sie werden als Strauß zusammengebunden und kopfüber zum Trockenen aufgehängt. Nach einiger Zeit kann der trockene Stängel abgerebelt werden.

Für einen Beifußtee geben Sie ½–1 TL frisches oder getrocknetes Beifußkraut in eine Tasse und übergießen mit heißem Wasser. Den Tee lassen Sie für 10 Minuten abgedeckt ziehen, so können die ätherischen Öle nicht verfliegen. Der Tee mit seinen kraftvollen Bitterstoffen wird nicht gesüßt, sonst hebt man deren Wirkung auf.

Der Beifuß hat einige bekannte Geschwister. Neben der Eberraute, heute als Cola-Kraut bekannt, kennt man seinen großen Bruder, den Wermut, der bei Magen- und Verdauungsbeschwerden angewendet wird. Er ist im Wuchs zwar kleiner als der Beifuß, aber dafür sehr bitter und sollte daher nur sehr sanft dosiert werden. Oft braucht unser Körper diese starken Pflanzenstoffe gar nicht. Man weiß nämlich heute, dass zu hoch dosierte Bitterstoffe die Verdauungsprozesse sogar verlangsamen und damit das Gegenteil des Erwünschten bewirken können. Ratsamer ist es also, den Wermut stehen zu lassen und auf den sanfteren Beifuß zurückzugreifen, zumal Letzterer fast überall vor unserer Haustür wächst. Nicht umsonst haben unsere Vorfahren ihn die „Mutter aller Heilpflanzen“ genannt. Sein Anwendungsspektrum war sicherlich viel größer, als wir es heute kennen und nutzen.

Hildegard von Bingen beschreibt die Wirkung des Beifußes in ihrer „Physica“ bei Verdauungsproblemen so: „… sein Saft ist sehr nützlich und als Mus gegessen … heilt er kranke Eingeweide und wärmt den kranken Magen …“

Wie wir heute wissen, hilft er bei Appetitlosigkeit, Übelkeit, Magen-Darm-Störungen und bei Magenverstimmungen. In akuten Phasen trinken Sie 3 Tassen pro Tag oder nehmen zusätzlich eine Beifußtinktur ein.

Solch eine Beifußtinktur ist einfach angesetzt. Sie benötigen etwa 1 Handvoll blühendes Beifußkraut. Ich schneide das Kraut sehr klein und gebe es halbhoch in ein helles Glas. Nun fülle ich das Glas bis zum Rand mit 40%igem Alkohol auf, stelle es für 3–4 Wochen an einen hellen warmen Ort und schüttle täglich. Danach filtere ich den Ansatz ab und fülle in dunkle Fläschchen ab. Bei Bedarf nehmen Sie davon 3-mal täglich 10–15 Tropfen in etwas Wasser ein.

Auch für Leber und Galle ist der Beifuß ein probates Mittel. Bei Leberschwäche, die oft mit Müdigkeit einhergeht, und bei Kopfschmerzen, die durch Magen-Darm-Störungen verursacht werden, rate ich zu täglich 3 Tassen Beifußtee für 3 Wochen.

Der Beifuß beeinflusst die Verdauungsdrüsen, den Gallefluss, die Schweißbildung sowie andere Entgiftungswege. Um die Verdauung anzuregen, hilft auch ein kleiner Bittertropfen. Es muss nicht immer nur Tee sein. Vor dem Essen ein Likörgläschen davon öffnet die Verdauungswege. Nach einer Mahlzeit oder einem fetten Essen genossen tut er dem überlasteten Magen gut.

Ich verwende gerne folgendes Rezept für einen Beifuß-Magenbitter. Dazu gebe ich 4–5 frische Beifußstängel, 1 TL angestoßene Fenchelsamen und ein kleines Stück Ingwer in eine Flasche mit 0,75 Liter Korn oder Wodka. Mit etwas Kandiszucker oder einer kleinen Menge Honig stelle ich die Mischung für 4 Wochen an einen hellen, warmen Ort. Nach dem Abfiltern können Sie den Magenbitter vor oder nach den Mahlzeiten genießen.

Blättern wir doch noch einmal in der alten Literatur. Dioskurides, ein griechischer Arzt, berichtete bereits im ersten Jahrhundert nach Christus über die Wirkung des Beifußes. Er beschreibt ihn als Pflanze für „müde Wanderer“ und gegen „giftiges Getier und Teufel“.

In der volksheilkundlichen Frauenheilkunde wird er schon lange als Universalmittel gehandelt. Durch seine menstruationsfördernden und krampflösenden Eigenschaften reguliert er den weiblichen Zyklus. Der Beifuß regt über die Hypophyse und die Keimdrüsen den Eisprung an und fördert somit die Regelblutung. Bei zu schwacher oder ausbleibender Regelblutung oder wenn nach längerer Pilleneinnahme der Zyklus eingeschlafen ist, helfen auch hier Teekuren, die über einen längeren Zeitraum angewendet werden. Wenn die Blutung ausbleibt, ohne dass eine Schwangerschaft der Grund ist, kann man mit diesem Tee die Regelblutung unterstützen. Täglich 3 Tassen davon über einen längeren Zeitraum getrunken können den Zyklus wieder in Gang setzen und normalisieren. In der Schwangerschaft oder bei zu starker Regelblutung darf der Beifuß jedoch nicht angewendet werden!

Durch seine wärmenden Kräfte kommt der Beifuß heute in Fußbäder, die den ganzen Körper durchwärmen und so indirekt bei Blasen- oder Unterleibsentzündungen helfen. Bei Reizblase, schwacher Blase, Kopfschmerzen, beginnender Migräne, nach langen Wanderungen oder bei Frösteln werden sie ebenso angewendet. 2 Handvoll frischer oder getrockneter Beifuß werden mit 1–2 Litern Wasser in einen Topf gegeben, kurz aufgekocht und abgefiltert einem Fußbad zugegeben. Bei Blasenentzündung nutzt man zur äußerlichen Wärme die harntreibende Wirkung des Beifußtees.

Schon die Kelten kannten den Beifuß, den sie Mugwurz nannten. Das keltische miegele bedeutet so viel wie wärmen oder kräftigen und entsprechend verwendeten sie ihn als kraftspendende und erwärmende Pflanze. Doch der Beifuß begleitet uns Menschen schon viel länger. Blütenstaubfunde aus einem Neandertalergrab im Irak zeigen, dass man ihn, wie auch die Schafgarbe, schon vor 60 000 Jahren nutzte. Wozu genau er damals diente, darüber können wir nur spekulieren.

Hebammen nutzten traditionell die Kraft des Beifußes in der Geburtshilfe. Wohl nicht umsonst trägt er den wissenschaftlichen Namen Artemisia, genau wie die Göttin Artemis, die Geburtshelferin und die Beschützerin der Gebärenden, die Hüterin der Frauen und Kinder. Beifußextrakte können nach Überschreitung des Geburtstermins den Muttermund leichter öffnen. Sie regen die Wehen an, erleichtern den Geburtsverlauf und fördern die Nachgeburt. Solche Anwendungen gehören unbedingt in die Hände erfahrener Hebammen. Sie wissen sehr genau, wie der Beifuß wirkt, und können seine Kräfte einschätzen.

Bei Entzündungen im Genitalbereich der Frau können Beifußtee oder Beifußtinktur unterstützend eingenommen werden. Beifußtee hilft Frauen mit Endometriose und auch bei Zellveränderungen am Muttermund hat er sich bewährt. Hier trinkt man 6 Wochen lang den Tee aus dem Beifußkraut und wärmt zusätzlich indirekt den Unterleib mit Beifußfußbädern. Allerdings sollten Sie eine solche Anwendung vorher stets mit Ihrem Arzt oder Heilpraktiker abklären.

Weiterhin kann eine Mischung aus Frauenmantel, Schafgarbe und Ackerschachtelhalm, zu gleichen Teilen gemischt, als Tee getrunken werden. Auch bei Verklebungen oder Verwachsungen der weiblichen Organe und bei Gebärmuttersenkung unterstützt Beifuß das Wohlbefinden. Zusätzlich erwärmen Sitz- oder Dampfbäder den Unterbauch und helfen, die verkrampfte Muskulatur zu entspannen.

In der alten Astromedizin wird der Beifuß dem Planeten Venus und dem Mond unterstellt. Venusbetonte Pflanzen spielten in der Frauenheilkunde und speziell für die Fruchtbarkeit eine große Rolle. Man kannte zu dieser Zeit noch keine Inhaltsstoffe, so wie wir heute. Trotzdem hat sich an der Anwendung wenig verändert. So ist überliefert, dass es in einigen Bergregionen bei jungen Frauen Brauch war, im inneren Taillenbereich ihrer Tracht einen Beifußzweig zu tragen, um für eine gute Frauengesundheit und Fruchtbarkeit zu sorgen. Er erwärmte die Unterleibsorgane der jungen Frauen und sorgte so für eine gute Durchblutung.

Leiden Frauen in den Wechseljahren unter häufigem Schwitzen, sollte auf den Beifuß verzichtet werden. Sind solche hitzigen Zeiten vorbei, kann man in der zweiten Lebenshälfte den Beifuß als Teemischung mit anderen Kräutern, zum Beispiel Damiana (Turnera diffusa), einer Frauenpflanze aus Mittelamerika, trinken, um die Liebe und die Lust anzuregen.

Für einen Liebestee wird Beifuß und Damiana zu gleichen Teilen gemischt. 1 TL davon mit 1 Tasse kochendem Wasser übergießen und 2-mal täglich für 4–6 Wochen trinken.

Durch seine Wirkung auf die Hirnanhangsdrüse unterstützt der Beifuß die Schilddrüsenfunktion, besonders bei Unterfunktion der Schilddrüse. Die ausgleichende Wirkung auf die Schilddrüse erreicht man am besten durch die Gabe von Tee. Von diesem trinkt man 3 Wochen lang täglich 3 Tassen. Auch eine Beifußtinktur (3-mal täglich etwa 10–15 Tropfen über 3 Wochen eingenommen) wirkt ausgleichend. Bei Menschen mit Schilddrüsenüberfunktion ist dagegen Vorsicht geboten. Sie sollten den Beifuß nicht kurmäßig anwenden, denn er könnte die Schilddrüsenfunktion noch weiter anfeuern. Bei autoimmunen Schilddrüsenerkrankungen kann die ausgleichende Wirkung wiederum hilfreich sein. Sprechen Sie bitte vor der Anwendung mit ihrem Arzt oder Heilpraktiker.

Grundsätzlich ist der Beifuß eine Pflanze, die die Frau in allen Lebensbereichen unterstützt, sei es auf körperlicher oder auf feinstofflicher Ebene. So steht der Beifuß auch für Lebensübergänge. Er erleichtert die Geburt und ist zugleich eine Pflanze für das Sterben. Bei diesem Loslassprozess hilft er der Seele, den Körper zu verlassen. Ich selbst durfte eine traurige, aber dennoch tröstliche Erfahrung mit dem Beifuß machen, als meine Uroma starb. Eine wunderbare alte Dame von fast 95 Jahren, die körperlich schon sehr gebrechlich war. Als sie ihren letzten Atemzug getan hatte, waren meine Familie und ich untröstlich. Ich fragte die Anwesenden, ob ich den Raum mit Beifuß ausräuchern dürfe. „Ja, natürlich“, war die Antwort, obwohl niemand wusste, was genau ich da vorhatte. Ich holte also meine Räucherschale, entzündete ein Stück Räucherkohle und streute für das Ausräuchern des Sterbezimmers den getrockneten Beifuß darauf. Nachdem ich mit einer Feder den Rauch in alle Richtungen und in jede Ecke des Raums verteilt hatte, öffnete ich das Fenster des Zimmers. Als sich unsere Familie kurz danach wieder dort versammelte, stellte sich eine ganz andere, tröstliche Atmosphäre ein. Wir waren alle sehr erstaunt, was der Beifuß für uns und meine Uroma vollbracht hatte.