Die Witwe von Pisa - Paul Heyse - E-Book

Die Witwe von Pisa E-Book

Paul Heyse

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Beschreibung

Neue Deutsche Rechtschreibung Paul Johann Ludwig von Heyse (15.03.1830–02.04.1914) war ein deutscher Schriftsteller, Dramatiker und Übersetzer. Neben vielen Gedichten schuf er rund 180 Novellen, acht Romane und 68 Dramen. Heyse ist bekannt für die "Breite seiner Produktion". Der einflussreiche Münchner "Dichterfürst" unterhielt zahlreiche – nicht nur literarische – Freundschaften und war auch als Gastgeber über die Grenzen seiner Münchner Heimat hinaus berühmt. 1890 glaubte Theodor Fontane, dass Heyse seiner Ära den Namen "geben würde und ein Heysesches Zeitalter" dem Goethes folgen würde. Als erster deutscher Belletristikautor erhielt Heyse 1910 den Nobelpreis für Literatur. Null Papier Verlag

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Seitenzahl: 54

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Paul Heyse

Die Witwe von Pisa

Paul Heyse

Die Witwe von Pisa

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2024Klosterstr. 34 · D-40211 Düsseldorf · [email protected] 2. Auflage, ISBN 978-3-962811-52-5

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Die Witwe von Pisa

(1865)

Über­haupt scheint mir, dass Sie von den ita­lie­ni­schen Frau­en eine zu güns­ti­ge Mei­nung ha­ben.

Wie­so? frag­te ich.

Ich habe ei­ni­ge Ih­rer No­vel­len ge­le­sen. Nun, dass die­se Ar­rab­bia­tas und An­ni­nas doch auch im Sü­den et­was dün­ner ge­sät sind, als der ge­neig­te Le­ser sich ein­bil­det, wer­den Sie sel­ber zu­ge­ben. Bei­läu­fig, und ganz un­ter uns: sind es Ge­schöp­fe Ih­rer Fan­ta­sie, oder Stu­di­en nach dem Le­ben?

Frei nach dem lie­ben Herr­gott, der schwer­lich fin­den wird, dass sei­ne Ori­gi­na­le durch mei­ne Be­ar­bei­tung ge­won­nen ha­ben.

Mag sein! Aber Sie leug­nen doch nicht, dass Sie sich ab­sicht­lich im­mer die bes­ten Exem­pla­re aus­ge­sucht ha­ben? Da dür­fen Sie sich denn nicht be­kla­gen, wenn man Sie zu den Idea­lis­ten rech­net.

Be­kla­gen? Wie soll­te ich wohl! Ich fin­de mich da in so gu­ter Ge­sell­schaft, dass ich froh bin, wenn ich dar­in ge­dul­det wer­de. Eben­falls im tiefs­ten Ver­trau­en, Ver­ehr­tes­ter: Ich habe nie eine Fi­gur zeich­nen kön­nen, die nicht ir­gend et­was Lie­bens­wür­di­ges ge­habt hät­te, vollends nie einen weib­li­chen Cha­rak­ter, in den ich nicht bis zu ei­nem ge­wis­sen Gra­de ver­liebt ge­we­sen wäre. Was mir schon im Le­ben gleich­gül­tig war, oder gar wi­der­wär­tig, warum soll­te ich mich in der Poe­sie da­mit be­fas­sen? Es gibt ge­nug an­de­re, die es vor­zie­hen, das Häss­li­che zu ma­len. Sehe je­der, wie er’s trei­be!

Schön! und viel­leicht so­gar rich­tig! Ich ver­ste­he die­se Din­ge nicht. Aber ich habe im­mer sa­gen hö­ren, die Poe­sie sol­le das Le­ben wi­der­spie­geln. Nun denn, das Le­ben hat doch auch sei­ne Kehr­sei­te. Und zur Wahr­heit ge­hört Licht und Schat­ten. Glau­ben Sie nicht, dass Sie es der Wahr­heit schul­dig sind, auch von den min­der lie­bens­wür­di­gen Fi­gu­ren, die zum Bei­spiel in Ita­li­en her­um­lau­fen, No­tiz zu neh­men?

So­bald ich ein Buch über den ita­lie­ni­schen Volks­cha­rak­ter an­kün­di­ge – ge­wiss! Aber ich gebe Ge­schich­ten. Wenn ich lie­ber Ge­schich­ten schrei­be, die mir selbst ge­fal­len, als Schat­ten­ris­se von der Kehr­sei­te der Na­tur, wen be­trü­ge ich, als sol­che, die ihr In­ter­es­se da­bei fin­den, sich be­trü­gen zu las­sen? Aber Sie ha­ben mich auf die viel be­ru­fe­ne Kehr­sei­te neu­gie­rig ge­macht. Was ver­ste­hen Sie dar­un­ter?

Hin! Das ist leicht ge­sagt. Wenn ich nicht sehr irre, ist es die un­ver­fälsch­te Na­tur­kraft, die Sie an die­sen Wei­bern an­zieht, der Man­gel der zah­men und lah­men Pen­sio­nats- und In­sti­tuts­er­zie­hung, das Wild­wüch­si­ge mit ei­nem Wort.

Und die edle Ras­se, nicht zu ver­ges­sen; eben jene rei­che An­la­ge, die man viel ge­tros­ter sich selbst über­las­sen darf als eine von Hau­se aus dürf­ti­ge­re Na­tur – schal­te­te ich ein.

Ein­ver­stan­den! Und ich gebe Ih­nen auch das noch zu, dass die Lei­den­schaf­ten un­ter die­sem Him­mel sich in ei­nem ge­wis­sen großen Stil, in ei­ner na­tür­li­chen Er­ha­ben­heit aus­to­ben, selbst die al­ler­ver­rück­tes­ten; dass so­gar die Haupt­lei­den­schaft des Ge­schlechts – dies­seits wie Jen­seits der Ber­ge – bei al­ler Ko­mik hier et­was Gran­dio­ses be­hält.

Eine Haupt­lei­den­schaft?

Ich mei­ne die Sucht, einen Mann zu be­kom­men. Sie la­chen? Ich kann Ih­nen sa­gen, dass mir die Sa­che au­ßer Spaß ist, seit ich Ge­le­gen­heit ge­habt habe, über die­sen Punkt nä­he­re Stu­di­en zu ma­chen.

Auf die ich be­gie­rig wäre.

Ich will Ih­nen das Aben­teu­er nicht vor­ent­hal­ten, ob­wohl es für einen Idea­lis­ten, wie Sie sind, kein dank­ba­rer Stoff sein wird. Nur soll mir un­ser Kon­duk­teur erst et­was Feu­er ge­ben. Un po’ di fuo­co, s’il vous plaît, Mon­sieur? – –

Die­ses Ge­spräch wur­de in ei­ner schö­nen Som­mer­nacht hoch oben in der Im­pe­ria­le ei­ner fran­zö­si­schen Di­li­gence ge­führt, die von zwei Pfer­den und vier­zehn Maul­tie­ren in kur­z­em Tra­be die brei­te Stra­ße des Mont Ce­nis hin­auf­ge­schleppt wur­de. Ob­wohl der Him­mel herr­lich aus­ge­stirnt war, lag doch nur ein schwa­cher Schein auf den Tä­lern zur Sei­te des We­ges, aus de­nen die schwe­ren Wip­fel der Kas­ta­ni­en her­auf­rag­ten, so­dass man auf den Ge­nuss der Aus­sicht ver­zich­ten muss­te. Und da Peit­schen­knall, Zu­ruf der Maul­tier­trei­ber, die ne­ben ih­ren lang ge­spann­ten Tie­ren bergan lie­fen, und das hun­dert­fa­che Schel­len­ge­läu­te auch einen ge­sun­den Schlaf nicht auf­kom­men lie­ßen, muss­te ein deut­scher Schrift­stel­ler noch zu­frie­den sein, wenn er drei­tau­send Fuß über dem Mee­res­s­pie­gel einen so wohl­wol­len­den Re­zen­sen­ten ne­ben sich fand, wie mein Coupénach­bar bei al­ler Mei­nungs­ver­schie­den­heit zu sein schi­en. Wir wa­ren schon von Turm aus die Bahn­stre­cke bis ans Ge­bir­ge zu­sam­men ge­fah­ren, schweig­sam je­der in einen Win­kel ge­drückt. Erst der Na­mensauf­ruf bei der Ver­tei­lung der Plät­ze hat­te das Eis ge­bro­chen, da wir uns bei­de nicht ganz fremd wa­ren.

Ken­nen Sie Pisa? frag­te er, nach­dem er sei­ne Zi­gar­re an der Pfei­fe des Fran­zo­sen an­ge­zün­det hat­te.

Ich er­zähl­te ihm, dass ich erst vor kur­z­em vol­le vier­zehn Tage in die­ser stills­ten al­ler Uni­ver­si­täts­städ­te der Welt Stu­die­rens hal­ber zu­ge­bracht hät­te.

Nun, dann ken­nen Sie am Ende mei­ne Wit­we vom Se­hen oder doch vom Hö­ren. Sind Sie nie in der brei­ten Stra­ße, die der Bor­go heißt, an ei­nem Hau­se mit grü­nen Ja­lou­si­en vor­bei­ge­kom­men und ha­ben aus ei­nem Fens­ter des ers­ten Stock­wer­kes eine schmet­tern­de So­pran­stim­me je­nes Duett aus der »Nor­ma« sin­gen hö­ren: Ah sin’ all’ ore all’ ore estre­me –?

Ich ver­nein­te.